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BGH Beschluss v. - 5 StR 447/25

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 531 KLs 28/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 79 Fällen des vollendeten und versuchten schweren Bandendiebstahls, teils rechtlich zusammentreffend mit Sachbeschädigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und vier Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe bestimmt. Mit ihrer auf die Anordnung der Unterbringung beschränkten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das zugunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.

21. Die Revision ist wirksam auf die Anordnung nach § 64 StGB beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO). Die Maßregelfrage kann nach dem inneren Zusammenhang des Urteils – losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil – tatsächlich und rechtlich unabhängig beurteilt werden, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (vgl. mwN).

32. Die Entscheidung des Landgerichts, den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4a) Schon die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 Satz 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

5Den zutreffenden rechtlichen Maßstab voranstellend (vgl. hierzu , NStZ 2025, 290 mwN) hat das sachverständig beratene Landgericht eine Substanzkonsumstörung des Angeklagten in Form eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol, Kokain und Benzodiazepinen angenommen, die zu einer dauernden und schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung geführt habe. Denn er habe infolge seines erheblichen Alkohol- und Drogenmissbrauchs nicht mehr zum Familienunterhalt beigetragen, sei von seiner Frau mehrfach der Familienwohnung verwiesen worden und habe daher kaum noch Kontakt zu Frau und Kindern gepflegt. Er sei „ausschließlich seiner Bedürfnisbefriedigung, also … einem unwiderstehlichen Verlangen“ nach Drogen nachgegangen.

6Das Landgericht hat indes gewichtige Umstände außer Betracht gelassen, die dem widerstreiten. Zum einen hat es an anderer Stelle ausgeführt, der Angeklagte habe kein Geld für seinen Lebensunterhalt benötigt, weil er in der „Familienwohnung“ gewohnt und seine Frau das „Familienleben“ finanziert habe. Dies ist nicht ohne weiteres mit der Feststellung vereinbar, er habe kaum noch in Kontakt zu seiner Familie gestanden. Zum anderen war der Angeklagte ausweislich der Urteilsfeststellungen in führender Rolle an einer Gruppierung beteiligt, die in organisierter Art und Weise aus Werkstattfahrzeugen hochwertige Werkzeuge entwendete, die zunächst in einem Bunkerfahrzeug in Berlin verwahrt und – sobald dieses vollständig befüllt war – zur Verwertung nach Serbien transportiert wurden. Diese zeitlich und örtlich gestreckte Art der Verwertung des Diebesgutes lässt sich jedoch nicht ohne weitere Erörterung damit in Einklang bringen, der Angeklagte sei ausschließlich „seinem unwiderstehlichen Verlangen“ nach Drogen nachgegangen. Zudem hätte das Landgericht nicht außer Betracht lassen dürfen, dass der Angeklagte eine führende Rolle bei der bandenmäßigen Begehung von Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität einnahm. Denn dies könnte dafür sprechen, dass eine etwaige Beeinträchtigung seines Familienlebens auf sein vor allem die Abend- und Nachtstunden beanspruchendes kriminelles Tun zurückzuführen war und nicht auf den Konsum von Alkohol und Drogen.

7b) Es fehlt auch an einem tragfähigen Beleg für einen symptomatischen Zusammenhang des Konsumverhaltens des Angeklagten mit den festgestellten Straftaten.

8Ausgehend vom zutreffenden rechtlichen Maßstab (vgl. hierzu , NStZ-RR 2024, 45) hat das Landgericht diesen damit begründet, dass der Angeklagte die Straftaten begangen habe, um „schnelles Geld“ für den Erwerb von Alkohol und Drogen zu erlangen.

9Dies ist indes nicht ohne weiteres mit der festgestellten zeitlich und örtlich gestreckten Verwertung der organisiert gestohlenen Werkzeuge vereinbar. Umstände, die (widerspruchsfrei) belegen würden, dass die vorliegende Form der organisierten Kriminalität überwiegend auf den Alkohol- oder Drogenkonsum des Angeklagten zurückzuführen ist, hat das Landgericht nicht festgestellt. Es hat im Gegenteil außer Betracht gelassen, dass der Angeklagte bereits im Jahr 2015 wegen einer fast identischen Tat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war, obwohl er erst 2017 mit dem Konsum von Alkohol und Drogen begann.

103. Nach alledem muss erneut über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt verhandelt und entschieden werden. Sollte das neue Tatgericht zur Annahme eines Hangs und dessen symptomatischen Zusammenhangs mit den abgeurteilten Straftaten gelangen, wird es eingehender als bisher zu prüfen haben, ob die gegen den Angeklagten bestehende „Abschiebungsverfügung“ der nach § 64 Satz 2 StGB erforderlichen Erfolgsaussicht entgegensteht (vgl. , StV 2023, 666).

Cirener                           Gericke                           Mosbacher

                    Köhler                         von Häfen

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:211025B5STR447.25.0

Fundstelle(n):
NAAAK-03713