BGH Urteil v. - 1 StR 359/22

Aufhebung der Unterbringung in Entziehungsanstalt bei zur Ausreise verpflichtetem Angeklagten

Gesetze: § 64 S 2 StGB

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 1 KLs 140 Js 12204/20 (2)

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hatte das Landgericht nicht geprüft.

2Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom – 1 StR 461/21 – das Urteil in dem den Angeklagten betreffenden Straf- und im unterbliebenen Maßregelausspruch, jeweils mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben, da nach den Feststellungen für eine Prüfung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt infolge seines langjährigen erheblichen Konsums von Cannabisprodukten Anlass bestanden hatte.

3Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten auf der Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Einen Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung hat das Landgericht nicht bestimmt, weil sich der Angeklagte zum Urteilszeitpunkt bereits seit 23 Monaten und sieben Tagen in Untersuchungshaft befand und die voraussichtliche Therapiedauer 18 Monate beträgt.

4Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision ausschließlich gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.

5Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

61. Das zu Gunsten des Angeklagten wirkende Rechtsmittel ( Rn. 7 mwN und vom – 1 StR 120/11 Rn. 20 mwN) ist wirksam auf die Maßregelanordnung beschränkt. Über die Unterbringung kann hier unabhängig vom Strafausspruch entschieden werden.

72. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB nicht. Der Angeklagte ist seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und unterliegt deshalb einem Arbeitsverbot. Die drohende Abschiebung steht dem Erreichen des Therapieziels entgegen. Eine Therapie ist – wie der Sachverständige erläutert hat – nicht nur auf Drogenfreiheit, sondern auch auf eine günstige soziale Entwicklung angelegt; eine solche umfasst auch eine berufliche Tätigkeit zum Erlangen einer Tagesstruktur und zur Eröffnung der Möglichkeit, durch eine legale Tätigkeit den Familienunterhalt zu verdienen.

83. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB rechtfertigen. Er hebt daher den Maßregelausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf und lässt die Maßregel entfallen.

94. Da die Staatsanwaltschaft mit ihrer zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision erfolgreich war, hat die Staatskasse nicht nur die Kosten des Rechtsmittels, sondern auch die durch die Revision der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. Rn. 24; Urteil vom – 5 StR 37/14 Rn. 8; je mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190423U1STR359.22.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-41516