Nichtannahmebeschluss: Bedenken bzgl Verfassungsmäßigkeit einer fachgerichtlichen Räumungsentscheidung - ua Zweifel betr hinreichender Berücksichtigung von Gesundheitsgefahren - Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Darlegung der Erschöpfung des Rechtswegs
Gesetze: Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 13 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 321a ZPO
Instanzenzug: LG Mannheim Az: 4 S 2/23 Urteil
Gründe
1Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die zivilgerichtliche Verurteilung zur Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung.
I.
21. Die Beschwerdeführerin ist seit Oktober 2006 Mieterin einer Wohnung in einem Mehrparteienhaus. Sie leidet unter einer schweren, chronifizierten Angst- und Zwangsstörung mit chronischem Alkoholmissbrauch und einer depressiven Entwicklung und ist infolge ihrer psychischen Erkrankung stark untergewichtig. Sie hielt entgegen der mietvertraglichen Kleintierklausel seit 2008 in der Wohnung jedenfalls zwei Katzen und zwei Vögel. Nachdem die Nachbarn im Jahr 2022 Käferbefall in der angrenzenden Wohnung sowie verwesungsartigen Geruch und Tierkot im Treppenhaus gemeldet hatten, beauftragte der Vermieter einen Schädlingsbekämpfer. Das Verlangen des Vermieters, diesem Schädlingsbekämpfer Zutritt zur Wohnung zu gewähren, lehnte die Beschwerdeführerin ab.
32. Nach Abmahnungen erklärte der Vermieter, das Mietverhältnis mit der Beschwerdeführerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich, zu kündigen. Die Beschwerdeführerin widersprach den Kündigungen und machte eine außergewöhnliche Härte aufgrund ihres Gesundheitszustandes geltend. Gegen die vom Vermieter erhobene Räumungsklage verteidigte sie sich insbesondere mit der Behauptung, ein durch die Kündigung des Mietverhältnisses erforderlicher Umzug führte bei ihr zu einer gesundheitlichen Gefährdung bis hin zur Lebensgefahr. Ferner bestritt sie, dass Geruchsbelästigungen sowie Tierkot aus ihrer Wohnung stammten und ihre Wohnung von Käfern befallen sei.
43. Mit nicht angegriffenem Urteil vom wies das Amtsgericht die Räumungsklage des Vermieters ab und urteilte, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird. Zwar sei das Mietverhältnis aufgrund der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung beendet worden. Mit Blick auf den schlechten Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, der die Beschaffung von Ersatzwohnraum und den Umzug in einen solchen unmöglich mache, sei das Mietverhältnis gleichwohl zur Vermeidung einer unbilligen Härte nach § 574 BGB fortzusetzen.
54. a) Im anschließenden Berufungsverfahren legte der Vermieter zwei am angefertigte Lichtbilder vor, die die von der Beschwerdeführerin bewohnten Räume abbildeten. Der Vermieter behauptete, die Fotos seien vom Treppenhaus aus aufgenommen worden, als die Wohnungstür offen gestanden habe. Die Beschwerdeführerin widersprach der Verwertung der Lichtbilder und behauptete, der Hausmeister habe die Tür gewaltsam geöffnet, als sie kurz einkaufen gewesen sei. Fest steht, dass anschließend an die Aufnahme der Lichtbilder eine Ortsbegehung durch die Polizei stattfand. Mit Schreiben vom teilte die Stadt (…) dem Vermieter mit, die Stadt habe die polizeiliche Meldung erhalten, dass sich die Wohnung der Beschwerdeführerin in einem verwahrlosten Zustand befinde. Bei der Ortsbegehung habe festgestellt werden können, dass die Wohnung vermüllt und mit Taubenkot übersät sei. Katzenkot sei zumindest in einem Zimmer auf dem Boden verteilt. Verschiedenartige Insekten seien gesichtet worden. Circa 30 verwilderte Stadttauben nisteten in der Wohnung und flögen durch ein Fenster ein und aus. Da von der Wohnung eine infektionsschutzrechtliche Gefahr ausgehen könnte, könnte der Vermieter als Zustandsstörer verpflichtet sein, dieser Gefahr abzuhelfen.
6b) Das Landgericht holte ein Sachverständigengutachten ein über die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Verlust der Wohnung würde bei ihr zu einer gesundheitlichen Gefährdung bis hin zur Lebensgefahr führen. Hierin kommt der Sachverständige unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin nicht dazu in der Lage sei, eine Wohnungssuche und einen Umzug zu organisieren und durchzuführen. Ein erzwungener Auszug würde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine schwere psychische Krise mit Verschlechterung ihres bereits jetzt schon sehr ungünstigen psychischen Befundes stürzen. Eine Räumung könne aufgrund ihres kritisch ausgeprägten Untergewichts rasch zu einer akut lebensgefährlichen Situation führen. Die Beschwerdeführerin würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Obdachlosigkeit abgleiten. Die Einrichtung einer Betreuung sei aus psychiatrischer Sicht dringend notwendig, jedoch nur gegen den expliziten Willen der Beschwerdeführerin möglich, die eine Betreuung sowie jede Behandlung aus krankhaften Motiven ablehne.
7c) Im Termin zur mündlichen Verhandlung wies das Landgericht darauf hin, es gehe aufgrund des Gutachtens davon aus, dass eine direkte Gefahr bestehe, dass sich die Beschwerdeführerin das Leben nehmen könne, wenn sie die Wohnung verlassen müsse, und dass indirekt die Gefahr bestehe, dass es zu einer Obdachlosigkeit käme. Die Kammer verwies darauf, dass zwischenzeitlich beim Betreuungsgericht eine Betreuung angeregt worden sei. Dem Gericht sei nicht bekannt, in welchem Stand sich dieses Verfahren befinde.
85. Mit angegriffenem Urteil vom hob das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung auf und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Räumung.
9a) Es liege ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB vor. Die Wohnung sei nicht nur unordentlich und stark vermüllt, sie sei auch durch Tauben- und Katzenkot stark verdreckt. Dies ergebe sich auch aus den vom Vermieter vorgelegten zwei Lichtbildern. Darauf seien Katzen in einem verwahrlosten Raum zu sehen. Auf einer Matratze lagere Müll. Eine Taube sitze auf einem Regal. Ungezieferbefall sei zu sehen. Diese Lichtbilder seien verwertbar. Die Kammer verkenne dabei nicht, dass die Fotos das Recht der Beschwerdeführerin am eigenen Bild beeinträchtigten. Im Ergebnis wögen die Beeinträchtigungen der Rechte des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG aber schwerer. Der Vermieter habe das Interesse verfolgt, sein Eigentum zu schützen und aufzuklären, welchen Zustand die Wohnung gehabt habe. Er sei in Beweisschwierigkeiten geraten, weil ihm die Beschwerdeführerin den Zugang verweigert habe. Zudem sei die außerordentliche Kündigung auch nach § 569 Abs. 2, § 543 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die Verursachung des extremen Geruchs und Ungezieferbefalls infolge der Vermüllung der Wohnung stellten eine nachhaltige und schuldhafte Störung des Hausfriedens dar.
10b) Die Pflichtverletzungen der Beschwerdeführerin wögen derart schwer, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei. Die Kammer erkenne, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, die Belastung der Wohnungssuche sowie eines Wohnungswechsels oder das Leben in der Obdachlosigkeit zu bewältigen. Zu berücksichtigen sei hier jedoch auch, dass die Kammer ein Betreuungsverfahren mit dem Ziel, der Beschwerdeführerin einen Betreuer zur Seite zu stellen, eingeleitet habe.
116. Das eingeleitete Betreuungsverfahren ist mittlerweile eingestellt worden.
II.
12Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.
131. Das Landgericht habe in verfassungswidriger Weise die Lichtbilder von ihrer Wohnung verwertet. Es habe nur ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht mit dem Eigentumsrecht des Vermieters abgewogen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG sei überhaupt nicht berücksichtigt worden, obwohl sie einen hohen Stellenwert habe. Das Landgericht habe insbesondere die Umstände der Fotographien nicht einbezogen, von deren Anfertigung die Beschwerdeführerin nicht einmal Kenntnis gehabt habe. Es habe verkannt, dass hierfür ihre Wohnung aufgebrochen worden sei.
142. Ferner habe das Landgericht Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angesichts der der Beschwerdeführerin drohenden Gesundheits- und sogar Lebensgefahr im Falle einer Räumung nicht hinreichend gewichtet. Es habe unzureichend darauf abgestellt, dass für die Beschwerdeführerin ein Verfahren zur Bestellung eines Betreuers eingeleitet wurde. Ein Beweisangebot der Beschwerdeführerin auf Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens habe das Landgericht übergangen. Hierin liege eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
153. Mit Beschluss vom hat das Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung erlassen und die Vollstreckung aus dem Räumungsurteil bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ausgesetzt. Mit Beschluss vom wurde die einstweilige Anordnung wiederholt.
164. Zu den Verfahren haben der VI. und der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs Stellung genommen. Der Kläger des Ausgangsverfahrens und das Land Baden-Württemberg haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.
III.
17Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Es fehlt an einem Annahmegrund im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG, weil die Verfassungsbeschwerde keine Erfolgsaussichten hat. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
181. Die Beschwerdeführerin trägt entgegen der Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht vor, dass sie vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft hat.
19Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>). Erheben Beschwerdeführende in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß (vgl. BVerfGE 134, 106 <113 Rn. 22>). Das ist hier der Fall. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und hat nicht vorgetragen, zuvor eine Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO erhoben zu haben.
202.Ungeachtet dessen begegnet das angegriffene Urteil mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (a) und Art. 13 Abs. 1 GG (b) verfassungsrechtlichen Bedenken.
21a) aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet Gerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Räumung einer Wohnung auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Das gerichtliche Verfahren ist daher so durchzuführen, dass der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird. Es ist Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen (vgl. BVerfGE 52, 214 <220 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 51/24 -, Rn. 8 m.w.N.). Macht ein Räumungsschuldner für den Fall des zwangsweisen Wohnungsverlusts substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend, haben sich die Tatsacheninstanzen − beim Fehlen eigener Sachkunde − zur Achtung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 26/24 -, Rn. 24 m.w.N.). Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die dem Wohnungsverlust entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Räumungsschuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Räumung dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff unverhältnismäßig sein und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2266/06 -, NZM 2007, S. 87, 88 m.w.N.).
22Diese für das Vollstreckungsverfahren in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe gelten auch für das Erkenntnisverfahren. Ist bereits materiellrechtlich eine Härteprüfung vorzunehmen, sind die gleichen Anforderungen schon im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1273/91 -, NJW 1992, S. 1378, 1378; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2077/92 - juris, Rn. 20). Bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung befindenden Gerichte im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG insbesondere gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen und diesen Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGK 6, 5 <12>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1273/91, NJW 1992, S. 1378, 1378; ferner -, Rn. 29 m.w.N.).
23bb) Daran gemessen dürfte die angegriffene Entscheidung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar sein.
24(1) Das Landgericht hat vorliegend zwar eine Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen und dabei auch die physische und psychische Situation der Beschwerdeführerin eingestellt. Auch hat das Landgericht auf ihr Beweisangebot hin ein Fachgutachten über Art, Schweregrad und Wahrscheinlichkeit der möglicherweise eintretenden Gesundheitsbeeinträchtigungen eines erzwungenen Wohnungswechsels eingeholt. Mit diesem setzt sich die angegriffene Entscheidung auch auseinander, indem sie sich grundsätzlich den dort getroffenen Einschätzungen des Sachverständigen anschließt.
25(2) Das angegriffene Urteil lässt aber keine hinreichende Berücksichtigung der festgestellten gesundheitlichen Gefahren für die Beschwerdeführerin erkennen. Denn obwohl das Fachgutachten davon ausgeht, dass es bei der Beschwerdeführerin im Falle einer Räumung zu einer Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Lage und einer akuten Lebensgefahr kommen könne, greift das Landgericht diese eindeutige Prognose in den Entscheidungsgründen gerade nicht auf. Soweit sich hieraus ableiten ließe, dass es der Einschätzung des Sachverständigen in dieser Hinsicht nicht gefolgt wäre, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für diese (eigene) Einschätzung. Das Landgericht dürfte jedenfalls nicht ohne Darlegung eigener Sachkunde oder etwa der Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen von den fachkundigen Feststellungen und Einschätzungen des von ihm gerade wegen fehlender medizinischer Sachkunde beauftragten Gutachters abweichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1400/14 -, NZM 2014, S. 701, 702).
26(3) Jedenfalls soweit das Gericht in der Abwägung wesentlich darauf abstellt, dass ein Betreuungsverfahren für die Beschwerdeführerin eingeleitet worden sei, mangelt es dem angegriffenen Urteil an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die getroffene Abwägungsentscheidung. Ein schlichter Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Betreuungsgerichte kann nur dann verfassungsrechtlich tragfähig sein, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen getroffen oder aber eine erhebliche Lebensgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1308/24 -, Rn. 15 m.w.N.). Die Veranlassung eines Betreuungsverfahrens allein kann insbesondere dann keine geringere Gewichtung der drohenden Gefahren für Leib und Leben begründen, wenn - wie hier - der Ausgang dieses Verfahrens noch völlig offen ist (vgl. BVerfGK 6, 5 <12>). Vorliegend bestanden sogar Anhaltspunkte dafür, dass die Betreuerbestellung wegen der krankheitsbedingten Verweigerungshaltung der Beschwerdeführerin scheitern würde.
27b)Darüber hinaus dürfte - ungeachtet bestehender Zweifel, ob die angegriffene Entscheidung mit Blick auf die angenommenen zwei verschiedenen Kündigungsgründe im Ergebnis auf diesem Grundrechtsverstoß beruht - der landgerichtlichen Entscheidung über die Verwertbarkeit der Lichtbilder eine grundsätzlich unrichtige Anschauung der Bedeutung von Art. 13 Abs. 1 GG zugrunde liegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 382/85 -, NZA 1992, S. 307 f.). Dies legt bereits der Umstand nahe, dass das Landgericht die Gewährleistung des Art. 13 Abs. 1 GG in seiner Abwägung gar nicht berücksichtigt hat. Dazu bestand jedoch selbst dann Anlass, wenn die vom Landgericht verwerteten Lichtbilder durch die ohnehin geöffnete Tür gefertigt worden sein sollten. Denn Art. 13 Abs. 1 GG schützt Wohnungsinhaber auch vor von außen kommenden Eingriffen (vgl. BVerfGE 109, 279 <309>; , Rn. 51 f.). Mit Blick auf die vom Landgericht im Rahmen der Würdigung eingestellten Beweisschwierigkeiten des Vermieters fehlt schließlich die naheliegende Auseinandersetzung mit der möglichen Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes. So hat das Gericht nicht ausgeführt, warum es dem im Ausgangsverfahren klagenden Vermieter nicht zumutbar war, die Beschwerdeführerin auf Duldung einer Wohnungsbetretung und -besichtigung gerichtlich in Anspruch zu nehmen.
28Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
29Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20251006.1bvr202424
Fundstelle(n):
WAAAK-03603