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BVerwG Urteil v. - 2 WD 29.24

Instanzenzug: Truppendienstgericht Nord Az: N 7 VL 37/21 Urteil

Tatbestand

1Das Verfahren betrifft den Vorwurf des Erschleichens einer Beförderung durch Vorlage eines unrichtigen Prüfungszeugnisses.

21. Der ... geborene frühere Soldat verfügt über den Hauptschulabschluss und wurde, nachdem er Ende Juni 2014 als Zeitsoldat aus der Bundeswehr ausgeschieden war, zum April 2015 erneut in ein solches Dienstverhältnis berufen. 2017 wurde er für die Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes zugelassen. Plangemäß sollte er mit Urkunde vom bzw. vom vom Maat zum Obermaat befördert werden. Die Beförderung wurde jedoch zurückgestellt, da er die hierfür erforderliche Maßnahme der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung nicht bestanden hatte. Schließlich wurde er mit am ausgehändigter Urkunde vom zum Obermaat befördert und zum Juni 2020 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 6 M eingewiesen. Seine Dienstzeit endete im März 20...

3Nach mehreren Verwendungen wurde er zum September 2017 zum ...geschwader versetzt. Vom bis zum war er für die Teilnahme am Lehrgang "..." zur Ausbildungseinrichtung ... kommandiert. Nachdem er die Abschlussprüfung nicht bestanden hatte, wurde er zum Einsatzgruppenversorger B. und von Juli bis Ende September 2020 zur Marineoperationsschule kommandiert, wo er am die militärfachliche Ausbildung Maat VR 21 mit der Abschlussnote "gut" bestand. Ab Oktober 2020 wurde er auf die Fregatte B. versetzt und zum ...geschwader kommandiert. Ab Juli 2022 war er im Kasernenbüro in der E.-Kaserne zur Unterstützung des Kasernenoffiziers eingesetzt.

4In seiner Stellungnahme vom erklärte Korvettenkapitän A. als zeitweise nächster Disziplinarvorgesetzter des früheren Soldaten, dieser sei in Bezug auf Vernehmungen stets kooperativ gewesen. Seine Ansprache gegenüber Untergebenen oder Vorgesetzten und sein Erscheinungsbild seien stets korrekt gewesen; sie hätten dem entsprochen, was man von einem Unteroffizier erwarte. Die Einstellung des früheren Soldaten zum Tagesdienst sei im Vergleich zu vielen Kameraden, die dem Zuständigkeitsbereich des ...geschwaders zugeordnet gewesen seien, vorbildlich gewesen. Der Wunsch, Dienst verrichten zu dürfen, sei von ihm ausgegangen. Es habe keine Hinweise auf schlechte Arbeitsleistungen des früheren Soldaten oder sonstige Verfehlungen gegeben. Ein fachlicher Einsatz für Ausgeschiffte sei innerhalb des Geschwaders nicht möglich gewesen. Bei den sogenannten Ausgeschifften handele es sich um Soldaten, die an Bord versetzt, jedoch aus medizinischen, disziplinaren oder anderen Gründen ins Geschwader kommandiert seien. Das Geschwader sei immer darauf angewiesen gewesen, dass eine andere Dienststelle sie aufgenommen und betreut hätte. Dem Geschwader habe weder Personal noch die Infrastruktur für deren Betreuung und Beschäftigung zur Verfügung gestanden. Da die Soldaten somit während des Tagesdienstes viel "Freilauf" gehabt hätten, sei es zu einer Vielzahl an Pflichtverletzungen gekommen. Vor diesem Hintergrund habe er es als sehr positiv empfunden, wenn ein Soldat aktiv daran mitgewirkt habe, eine Aufgabe zu finden. Das sei bei dem früheren Soldaten definitiv der Fall gewesen. Eine Zusammenarbeit mit ihm würde er sich jedoch als schwierig vorstellen, weil die Tat zu einem Vertrauensverlust geführt habe.

5Erstinstanzlich hat Kapitänleutnant B., von November 2021 bis August 2022 als Fachvorgesetzte im ...geschwader eingesetzt, ausgesagt, der frühere Soldat habe sich im Gegensatz zu vielen anderen Ausgeschifften stets motiviert gezeigt und sich freiwillig für Aufträge gemeldet. Man habe sich jederzeit auf ihn verlassen können.

6Der frühere Soldat ist berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold sowie die Schützenschnur in Gold zu tragen. 2016 wurden ihm die Einsatzmedaille in Bronze für die Teilnahme am Auslandseinsatz der Bundeswehr zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation und eine französische Verdienstmedaille verliehen.

7Die aktuelle Auskunft aus dem Zentral- und Erziehungsregister und der aktuelle Auszug aus dem Disziplinarbuch weisen den sachgleichen rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom aus. Mit ihm wurde der frühere Soldat wegen Urkundenfälschung in Wahlfeststellung zur Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Strafverfolgung auch wegen des Tatverdachts des Betruges wurde gemäß § 154a Abs. 1 StPO nicht fortgeführt.

8Der frühere Soldat erhält bis Ende August 2027 Übergangsgebührnisse von 1 882,43 € netto. Die Übergangsbeihilfe von 8 523,96 € und der Ausgleich in Höhe von 15 487,08 € werden einbehalten.

9Der frühere Soldat ist verheiratet und Vater eines Kleinkindes. Er erzielt mit seiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit 2 400 € netto. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse beschreibt er als angespannt, weil sich seine Frau im Studium befinde und keine eigenen Einkünfte erziele.

102. Nachdem der Inspekteur der Marine das gerichtliche Disziplinarverfahren mit Verfügung vom eingeleitet hatte, wurde dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom zur Last gelegt:

"Der Soldat versandte von einem nicht näher ermittelbaren Ort am um 14:42 Uhr an seinen damaligen Inspektionsfeldwebel den Zeugen Stabsbootsmann C. - von der Mailadresse: ... an die Mailadresse ... - eine E-Mail mit einem angehängten Dokument im Portable Document Format (pdf), welches ein Prüfungszeugnis der Industrie- und Handelskammer (IHK) L. gem. § 37 Berufsbildungsgesetz auf seinen Namen vom mit bestandener Prüfung zum Fach..., Fachrichtung ... ausweist sowie zwei Faksimila-Unterschriften beinhaltet, jeweils bezeichnet als 'Hauptgeschäftsführer', welche dem Hauptgeschäftsführer der IHK L. Herrn D. zuzuordnen ist, und 'Der/Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses', welche dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses der IHK L. Herrn E. zuzuordnen ist, sowie mit einem Siegel versehen ist, welches die IHK L. aufweist, obwohl er wusste, dass er eine solche Prüfung bei der IHK L. nicht erfolgreich bestand, die IHK L. ein solches Dokument nicht ausstellte und damit wahrheitswidrig das Bestehen der Prüfung vorgab, um, wie von ihm beabsichtigt, die Beförderung zum Obermaat zu erwirken, welche durch Aushändigung der Beförderungsurkunde am bewirkt wurde, obwohl, wie ihm bekannt war, diese Beförderung mangels bestandener Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung (ZAW) gemäß Zentraler Dienstvorschrift A-1340/111 Nr. 307 in der aktuellen Fassung vom nicht hätte erfolgen dürfen."

113. Das Truppendienstgericht hat dem früheren Soldaten mit Urteil vom das Ruhegehalt aberkannt und dazu im Wesentlichen ausgeführt:

a) Zu seiner Überzeugung stehe fest, dass dem früheren Soldaten im Dezember 2016 im Rahmen seines Antrags auf Laufbahnwechsel und Weiterverpflichtung die Verwendung eines Fernmeldebetriebsmaats auf der Fregatte B. mitgeteilt und darauf hingewiesen worden sei, dass hiermit einhergehend seine Teilnahme an der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung (ZAW) zum Fach... vorgesehen sei. Die ZAW-Maßnahme habe er bei der Industrie- und Handelskammer L. absolviert. Die Abschlussprüfung im Winter 2019 habe er nicht bestanden, worauf er die erste Wiederholungsprüfung im Sommer 2020 angetreten habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er Angehöriger der ... gewesen. Dort habe er von Juli bis Ende September 2020 die militärfachliche Ausbildung Maat VR 21 absolviert, zu der er vorbehaltlich des Bestehens der Wiederholungsprüfung bereits zugelassen gewesen sei. Nachdem er erfahren habe, die Prüfung erneut nicht bestanden zu haben, habe er diese Information nicht an seine Dienststelle weitergegeben. Der Inspektionsfeldwebel der ... Inspektion, Stabsbootsmann C., habe den früheren Soldaten nach dem Sachstand hinsichtlich der IHK-Prüfung gefragt und ihm mitgeteilt, dass er bei fehlender Vorlage des Prüfungszeugnisses vom Lehrgang abgelöst werde und zurück ins ...geschwader müsse. Auch habe er ihm den Auftrag erteilt, das Prüfungsdokument vorzulegen, da er ansonsten die schon vorliegenden Beförderungsunterlagen zurückschicken müsse.

12Der frühere Soldat habe am um 14:42 Uhr eine E-Mail an den Zeugen C. mit dem Text "Mit freundlichen Grüßen" und einem pdf-Anhang, der als "Prüfungszeugnis" benannt gewesen sei, übermittelt. Das Dokument habe unter anderem die Information enthalten, dass er die Abschlussprüfung mit ausreichend bestanden habe. Dem früheren Soldaten sei sodann am die Beförderungsurkunde zum Obermaat ausgehändigt und er zum Juni 2020 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 6 eingewiesen worden. Am habe die Industrie- und Handelskammer mitgeteilt, dass das Prüfungszeugnis eine Fälschung sei.

13b) Die im sachgleichen Strafbefehl vorgenommenen Feststellungen seien zugrunde zu legen, da der frühere Soldat gegen sie keine substantiierten Einwände geltend gemacht habe. Der Anteil, der sich auf die lediglich angeschuldigte Übermittlung des Dokuments beziehe, sei in beiden Wahlfeststellungsalternativen identisch. Der frühere Soldat habe sich auch insoweit geständig eingelassen, als er einräume, die betreffende pdf-Datei versendet zu haben, auch wenn er sich nicht mehr erinnere, woher er das Dokument gehabt habe. Seine Frau habe kurz zuvor ihren Job verloren, wodurch er zum Alleinverdiener geworden sei. Ohne die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen der Prüfung habe ihm die Ablösung vom Lehrgang und die Rückkehr zum ...geschwader und dem dortigen "Nichtstun" gedroht. Durch die Situation zu Hause und durch die Fristsetzung des Spießes habe er sich in die Ecke gedrängt gefühlt. Er habe sich dahingehend eingelassen, es sei ihm ausschließlich darum gegangen, seinen gewählten Beruf auszuüben und nicht mehr rumzusitzen. Das "Nichtstun" habe ihn psychisch kaputt gemacht. Er habe wieder zur See fahren wollen.

14c) Der frühere Soldat habe ein Dienstvergehen begangen, wobei er als Vorgesetzter verschärft hafte. Denn durch die Vorlage des falschen Prüfungszeugnisses habe er vorsätzlich gegen die Pflichten verstoßen, treu zu dienen, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere.

15Die Pflicht zum treuen Dienen umfasse die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, welche der frühere Soldat durch das Versenden der Datei verletzt habe. Dass er im Strafverfahren auf Basis einer Wahlfeststellung sanktioniert worden sei, sei für die Feststellung eines Dienstvergehens kein Hindernis, weil mit dem Gebrauch einer unechten Urkunde bzw. Datei ein konkreter disziplinar relevanter Sachverhalt habe festgestellt werden können und die Entstehung der Datei nicht angeschuldigt worden sei.

16Zudem habe er hinsichtlich der bewirkten Beförderung strafrechtlich einen Betrug begangen, weil damit ein höheres Grundgehalt verbunden gewesen sei. Wer eine Vermögensstraftat zulasten des Bundes begehe, verletze damit zusätzlich die von § 7 SG eingeschlossene Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen. Der frühere Soldat habe insoweit auch mit der Absicht gehandelt, seine Besserstellung zu erreichen. Aufgrund des ihm von vornherein bekannten Ablaufs des Laufbahnverfahrens einschließlich einer Beförderung nach bestandener ZAW-Maßnahme und der zusätzlichen Aufforderung durch den Zeugen C., das Prüfungszeugnis vorzulegen, weil ansonsten die Beförderungsunterlagen zurückgesendet würden, sei ihm bewusst gewesen, dass die Vorlage eines Prüfungszeugnisses unmittelbar zu seiner Beförderung führen würde. Er habe dies auch bezweckt, da er nur auf diesem Wege seinen weiteren beruflichen Werdegang habe einhalten können. Sein Vorbringen, es sei ihm nur auf eine weitere Zusammenarbeit mit Kameraden und eine sinnvolle militärische Tätigkeit angekommen, sei eine Schutzbehauptung.

17d) Bei einem Vorgesetzten, der gegenüber seinem Dienstherrn unwahre Erklärungen abgebe und sich dadurch eine ungerechtfertigte berufliche oder finanzielle Besserstellung erschleiche, sei Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die disziplinarische Höchstmaßnahme. Es lägen keine Umstände vor, die eine Milderung geböten, denn die gegen den früheren Soldaten sprechenden Umstände seien deutlich zahlreicher und gewichtiger als die für ihn sprechenden.

18Die dienstlichen Leistungen des früheren Soldaten seien ordentlich, er habe sich zudem in mehreren Auslandseinsätzen bewährt. Jedoch könnten gravierende Defizite der persönlichen Integrität, die zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führten, nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden. Seine weitgehend geständigen Einlassungen seien angesichts der eindeutigen Beweislage nur von geringem Gewicht, auch wenn für ihn spreche, dass er sich den Vorwürfen in der Hauptverhandlung gestellt und sich reuig gezeigt habe. Weitere schuldmildernde Umstände lägen nicht vor. Trotz der Arbeitslosigkeit seiner Frau und der damit verbundenen finanziellen Belastung sowie den Ängsten vor dem "Nichtstun" im ...geschwader hätten sich die Belastungen nicht derart zugespitzt, dass er in einer außergewöhnlich stark belastenden Lebenssituation versagt habe und ein am Normalmaß orientiertes Verhalten von ihm deshalb nicht mehr habe erwartet werden können. Ebenso wenig liege ein Mitverschulden von Vorgesetzten vor. Denn es habe keines hilfreichen Eingreifens der Dienstaufsicht bedurft, damit der frühere Soldat habe erkennen können, keine verfälschten Nachweise vorlegen zu dürfen. Da wegen der gravierenden Dienstpflichtverletzung die Höchstmaßnahme zu verhängen sei, wirke auch eine Überlänge des Disziplinarverfahrens nicht maßnahmemildernd.

194. Mit der unbeschränkt eingelegten Berufung begehrt der frühere Soldat in erster Linie einen Freispruch, hilfsweise eine mildere Disziplinarmaßnahme.

20Die Tatsachenfeststellungen seien verfahrensfehlerhaft getroffen worden. Die Ausführungen des Truppendienstgerichts, er habe sich zur Übermittlung der E-Mail geständig eingelassen, seien nicht auf den Inhalt der Hauptverhandlung zurückzuführen und verletzten den Inbegriffsgrundsatz. Eine solche Erklärung habe er nicht abgegeben. Bei der Befassung mit seinem letzten Wort übersehe das Truppendienstgericht, dass er lediglich die nicht angeschuldigte Meldung der nicht bestandenen Wiederholungsprüfung und die zu Unrecht erfolgte Beförderung bereut habe. Der als "Zeuge" bezeichnete C. sei nicht vernommen worden und eine Verlesung seiner außergerichtlichen Vernehmungen in der Hauptverhandlung nicht erfolgt. Damit sei der Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt. Beanstandet würden zudem die verfahrensfehlerhaften, weil nicht prozessordnungsgemäß in das Verfahren eingeführten Feststellungen zur Zuordnung der nur als Ausdruck vorliegenden E-Mail an Herrn C. Die Feststellung basiere auf einem unzureichenden Verständnis technischer Abläufe. Weder sei ein Ausdruck, der aussehe wie eine E-Mail, der Beweis der Existenz einer solchen E-Mail, noch könne der Ausdruck die technische Nachvollziehbarkeit zwischen dem vermeintlichen Zielpostfach, dem vermeintlichen Absenderpostfach und dem dies verantwortenden Menschen beweisen. Rein praktisch gebe es nicht einmal einen belastbaren Grund, warum es sich bei der Unterlage nicht um eine Fälschung handeln solle.

21Unzutreffend sei auch die Bezeichnung des Strafbefehls als "sachgleich", weil eine Wahlfeststellung vorliege. Zudem habe das Truppendienstgericht den Strafbefehl ungeprüft zugrunde gelegt und sich nicht mit der Begründung des Soldaten auseinandergesetzt, warum er den Strafbefehl akzeptiert habe. Zudem habe der Verteidiger im Strafverfahren die disziplinarrechtlichen Folgen der sich zu diesem Zeitpunkt erst entwickelnden Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats zur Bindungswirkung von Strafbefehlen nicht kennen müssen. Die Anforderungen an einen sich gegen die Richtigkeit der Strafbefehlsfeststellungen richtenden Vortrag seien überspannt.

22Selbst wenn ein Dienstvergehen vorliege, sei die Tatmotivation unvollständig gewürdigt worden. Die Rechtstatsache, dass es einen Bereicherungsvorsatz gebe, der nicht zugleich eine Bereicherungsabsicht sei, werde übersehen. Vor diesem Hintergrund sei bedeutsam, dass er mehrfach jede finanzielle Bereicherungsabsicht bestritten habe, womit der Betrugsvorwurf entfiele und Ausgangspunkt der Zumessungserwägung die Dienstgradherabsetzung sei.

23Bei der Maßnahmebemessung werde der Milderungsgrund der mangelnden Dienstaufsicht übersehen. Dass sie gefehlt habe, folge aus der Stellungnahme des Korvettenkapitäns A. sowie der dies bestätigenden Aussage des Zeugen Fregattenkapitän F. Korvettenkapitän A. erkläre eindeutig, dass bis 2022 keine Dienstaufsicht ausgeübt worden sei. Dies korrespondiere mit den von ihm - dem früheren Soldaten - angegebenen Gründen für das von ihm teilweise eingeräumte Fehlverhalten. Damit hätten die vom Dienstherrn geschaffenen Strukturen entscheidend dazu beigetragen, dass er Anreiz, Grund und intrinsischen Zwang zu dienstlichem Fehlverhalten habe entwickeln können. Auch dies gebiete es, von der Höchstmaßnahme abzurücken, womit die überlange Verfahrensdauer ebenfalls Bedeutung erlange.

245. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des früheren Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Beweisen wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

Gründe

25Da sich die Berufung gegen das am verkündete Urteil richtet, sind auf das Berufungsverfahren gemäß § 151 Abs. 7 der WDO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften (3. WehrDiszNOG) vom (BGBl. I Nr. 424) die §§ 115 bis 121 WDO in der zuletzt durch Gesetz vom (BGBl. I S. 3932) geänderten Fassung (WDO a. F.) anzuwenden; im Übrigen finden die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung in der ab April 2025 maßgeblichen Fassung (WDO) Anwendung.

26Da die Berufung vom früheren Soldaten in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung (1.) bei fehlenden Zurückverweisungsgründen (2.) aufgrund eigener Tat- (3.) und Schuldfeststellungen (4.) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (5.). Nach Maßgabe dessen ist dem früheren Soldaten, der wegen der einbehaltenen Übergangsbeihilfe gemäß § 1 Abs. 3 WDO als Soldat im Ruhestand gilt, das Ruhegehalt abzuerkennen.

271. Die Anschuldigungsschrift ist ausreichend bestimmt. Da zum Gegenstand der Urteilsfindung gemäß § 127 Satz 3 i. V m. § 109 Abs. 1 WDO nur die angeschuldigten Pflichtverletzungen gemacht werden dürfen, muss der in der Anschuldigungsschrift gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 WDO zu bezeichnende Vorwurf so deutlich und klar sein, dass Umfang und Grenzen des Prozessstoffes konkret bestimmt sind und dass der betroffene Soldat seine Verteidigung darauf einstellen kann (vgl. 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 Rn. 12 ff. und Urteil vom - 2 WD 14.17 - juris Rn. 55).

28Soweit in ihrer Anschuldigungsformel davon gesprochen wird, der frühere Soldat habe "beabsichtigt" die Handlung begangen, um eine Beförderung zu erwirken, handelt es sich um die Beschreibung der juristischen Vorsatzart "dolus directus". Dies schließt den Vorwurf ein, dadurch das Vermögen des Dienstherrn geschädigt zu haben. Denn neben der Anschuldigungsformel ist das in der Anschuldigungsschrift beschriebene Ermittlungsergebnis einzubeziehen ( 2 WD 25.20 - NVwZ 2022, 1133 Rn. 19). In ihm heißt es (auf Seite 5) in einer die Vermögensschädigung durch eine Betrugshandlung erfassenden Weise, durch die unrechtmäßige Beförderung sei es zu einer monatlichen Differenz zu Lasten des Dienstherrn von 130,52 € gekommen.

29Auch die Angabe der Tatzeit ist so hinreichend bestimmt, dass der frühere Soldat seine Verteidigung darauf einstellen konnte. Soweit die Verteidigung einwendet, die beim Zeugen C. um 14:22 Uhr eingegangene E-Mail müsse nicht zwingend - wie angeschuldigt - um 14:22 Uhr versandt worden sein, ändert dies nichts. Denn der frühere Soldat konnte erkennen, welche E-Mail gemeint war. Auch wenn der Zeitpunkt des E-Mail-Eingangs aus technischen Gründen, wie allgemein bekannt, nicht zwangsläufig mit dem Versand der E-Mail korrespondiert, wird dadurch die Umgrenzungsfunktion der Anschuldigungsschrift nicht in Frage gestellt.

302. Ob die gerügten Verfahrensmängel - wie Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz, insbesondere gegen § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO, Verstöße gegen die Grundsätze der Beweisaufnahme, das Verbot der Selbstbelastungsfreiheit und der Beweiswürdigung - vorliegen, kann dahingestellt bleiben. Denn das gerichtliche Disziplinarverfahren betrifft eine am begangene und somit nahezu fünf Jahre zurückliegende Tat, deretwegen im Januar 2021 das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet, der frühere Soldat bereits im Juni 2021 angeschuldigt und über die erstinstanzlich erst über drei Jahre später im August 2024 befunden wurde. Angesichts dieser langen Verfahrensdauer übt der Senat selbst bei tatsächlich bestehenden Verfahrensmängeln sein Ermessen nach § 121 Abs. 2 WDO a. F. gegen eine Zurückverweisung aus ( 2 WD 29.18 - juris Rn. 10).

313. In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der frühere Soldat am 10. September bis 14:42 Uhr an den damaligen Inspektionsfeldwebel, Stabsbootsmann C., unter der Mailadresse: ... an die Mailadresse ... eine E-Mail übermittelte, welcher als pdf-Dokument ein Prüfungszeugnis der Industrie- und Handelskammer L. angehängt war. Das Zeugnis vom bestätigte auf den Namen des früheren Soldaten die bestandene Prüfung zum Fach..., Fachrichtung ... und beinhaltet zwei Faksimila-Unterschriften, jeweils bezeichnet als "Hauptgeschäftsführer", welche dem Hauptgeschäftsführer der IHK L., Herrn D., zuzuordnen ist, und "Der/Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses", welche dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses der IHK L., Herrn E., zuzuordnen ist. Das Zeugnis ist mit einem Siegel versehen, welches die IHK L. aufweist. Dabei wusste der frühere Soldat, dass er eine solche Prüfung bei der IHK L. nicht erfolgreich bestanden hatte. Zugleich beabsichtigte er, die am auch vollzogene Beförderung zum Obermaat zu erwirken. Dabei wusste er, dass sie mangels bestandener Zivilberuflicher Aus- und Weiterbildung nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften - Zentrale Dienstvorschrift A-1340/111 Nr. 307 - nicht erfolgen durfte.

32a) Dass der übermittelte elektronische Prüfungsnachweis nicht echt ist, steht ausweislich der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Auskunft der IHK vom fest. Der frühere Soldat hat dies auch nicht in Abrede gestellt. Vom früheren Soldaten ebenfalls nicht in Abrede gestellt und ebenfalls durch die Mitteilung der IHK vom bestätigt ist ferner, dass er wusste, die Prüfung im Jahre 2020 erneut nicht bestanden zu haben. Ebenfalls wusste er, als Folge einer bestandenen Prüfung zum Obermaat befördert zu werden. Denn er selbst hat sich dahingehend eingelassen, dass der Inspektionsfeldwebel ihm mitgeteilt habe, dass die Beförderungsurkunde bereits vorliege und deren Aushändigung von der Vorlage eines Prüfungsnachweises abhänge. Dem entspricht die inhaltgleiche Aussage des Zeugen Stabsbootsmann C. in der Berufungshauptverhandlung, er habe den Soldaten aufgefordert, das Bestehen der Prüfung zumindest durch ein elektronisches Dokument bis zum zu belegen. Die Beförderungsmaßnahme ist zudem ebenso aktenkundig erfasst wie die Einweisung in eine höhere Planstelle der Besoldungsgruppe A 6.

33b) Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der frühere Soldat und kein Dritter den elektronischen Prüfungsnachweis als Anhang zu einer von ihm am übermittelten E-Mail an den Zeugen Stabsbootsmann C. beigefügt und dieser sie unverändert ausgedruckt hat. Sofern der frühere Soldat den Nachweis dieses objektiven Tatumstandes als nicht erbracht ansieht, verkennt er den Maßstab richterlicher Überzeugungsgewissheit.

34Zur Erlangung der nach § 123 Satz 3 WDO a. F., § 94 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 261 StPO erforderlichen Überzeugungsgewissheit zum Vorliegen von Tatumständen reicht ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit aus, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt; insbesondere haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich auf die Annahme einer lediglich denktheoretischen Möglichkeit gründen. Dabei enthält der Grundsatz der freien Beweiswürdigung keine generellen Maßstäbe für den Aussage- und Beweiswert einzelner zum Prozessstoff gehörender Beweismittel, Erklärungen und Indizien. Insbesondere besteht keine Rangordnung der Beweismittel; diese sind grundsätzlich gleichwertig ( 2 WD 4.23 - juris Rn. 32 m. w. N.). Nach Maßgabe dessen stützt der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtschau (vgl. Effer-Uhe, NJW 2025, 2530 ff.) seine Überzeugungsgewissheit auf die in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Dokumente sowie auf folgende Umstände, die die gegenläufigen Einlassungen des früheren Soldaten als Darlegung nur theoretischer Zweifel ausweisen.

35aa) Ausweislich des Strafbefehls, dessen Feststellungen der Senat gemäß § 87 Abs. 2 WDO zugrunde legt, hat der frühere Soldat - und nicht ein Dritter - den verfälschten Prüfungsnachweis an den Zeugen C. versandt ( 2 WD 11.18 - BVerwGE 165, 53 Rn. 13). Diese Tatsachenfeststellung kann ungeachtet dessen als bindend zugrunde gelegt werden, dass im Strafbefehl eine Wahlfeststellung zwischen dem Gebrauch einer verfälschten Urkunde und unechter beweiserheblicher Daten getroffen worden ist. Denn dies betrifft lediglich die rechtliche Würdigung.

36Die rechtskräftigen Feststellungen im Strafbefehl sind vom früheren Soldaten nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden ( 2 WD 34.24 - juris Rn. 22 m. w. N.). Allein prozesstaktische Erwägungen, etwa dergestalt, dass bei einem Einspruch gegen den Strafbefehl eine Verschlechterung nicht auszuschließen gewesen wäre, begründen keine solchen Zweifel. Denn die Entscheidung, einen Strafbefehl anzuerkennen, beruht auf der autonomen Entscheidung des früheren Soldaten, der die Rechtsvorteile des gegen ihn ergangenen Strafbefehls gegen dessen Rechtsnachteile abgewogen und Erstere als seinen Eigeninteressen entsprechend angesehen hat. Diese vor dem Hintergrund der Rechtsordnung getroffene Entscheidung schließt es aus, zwar die strafrechtlichen Vorzüge einer solchen Entscheidung zu beanspruchen, die disziplinarrechtlichen Nachteile jedoch abzulehnen, zumal dessen seinerzeitiger Strafverteidiger zum Zeitpunkt des Strafbefehlserlasses (2021) die bereits mit Urteil des Senats vom - 2 WD 11.18 - (BVerwGE 165, 53 Rn. 13) geänderte Rechtsprechung des Senats zu § 84 Abs. 2 WDO a. F. (§ 87 Abs. 2 WDO n. F.) kennen musste.

37bb) Ungeachtet dessen wird der Sachverhalt durch die erstinstanzlich geständigen Einlassungen des früheren Soldaten belegt. Die Angriffe seines Verteidigers gegen die entsprechende Würdigung der erstinstanzlich protokollierten Aussagen sind konstruiert. Die erstinstanzlichen Aussagen des früheren Soldaten erschöpften sich bei einer kontextualen Würdigung nicht darin, dass er (irgendeine) E-Mail (mit angehängter pdf-Datei) übersendet hat. Sie beinhalteten die Information, dass es sich dabei um die E-Mail mit dem eingescannten, gefälschten Prüfungszeugnis handelte. Diesen Umstand explizit zu erwähnen, war seinerzeit schlicht überflüssig, weil überhaupt keine anderen E-Mails im Raum standen, die der frühere Soldat an den Inspektionsfeldwebel gesendet haben könnte.

38cc) Hinzu tritt die nicht unterschriebene, jedoch vom seinerzeitigen Verteidiger mit Schriftsatz vom an die Wehrdisziplinaranwaltschaft übermittelte schriftliche Erklärung des früheren Soldaten. In ihr heißt es in einer die Übermittlung eindeutig bestätigenden Weise, dass er "aus Verzweiflung ein unechtes Zeugnis abgegeben habe". Soweit der Verteidiger auch dieses Verhalten damit zu erklären versuchte, sein Kollege habe dem früheren Soldaten aus prozesstaktischen Gründen angeraten, eine entschuldigende Erklärung abzugeben, ändert dies am Vorliegen eines eindeutigen Geständnisses nichts.

39dd) Die Aussagen des sich an die Details des Vorgangs erinnernden Zeugen C. sprechen ebenfalls für die Übermittlung des gefälschten Prüfungszeugnisses durch den früheren Soldaten. Sie belegen, dass der Zeuge den früheren Soldaten am zur Vorlage des IHK-Prüfungsnachweises bis Donnerstag um 15:00 Uhr aufgefordert hat unter Hinweis darauf, dass anderenfalls die bereits vorliegende Beförderungsurkunde nicht ausgehändigt werde. Wenn bei dem Zeugen C. sodann am nur wenige Minuten vor Ablauf der Frist (um 14:42 Uhr) eine E-Mail eintrifft, die als Anlage ein Prüfungszeugnis der IHK enthält, spricht dies angesichts der lediglich dem früheren Soldaten mitgeteilten, ausschließlich ihn betreffenden Informationen und der allein an ihn gerichteten Aufforderung bei lebensnaher Betrachtung dafür, dass der frühere Soldat und kein Dritter Übermittler dieser E-Mail war. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge C. ausgesagt hat, die Übersendungsmail mit dem Zeugnis sei die einzige E-Mail gewesen, die er von dem früheren Soldaten erhalten habe. Zudem hat er beteuert, nichts in der Urkunde geändert, sondern sie lediglich ausgedruckt und zu den Unterlagen genommen zu haben. Anhaltspunkte für ein Belastungsmotiv des glaubwürdigen Zeugen C. liegen angesichts seines gerade die Interessen des früheren Soldaten wahrenden Vorverhaltens nicht vor, zumal seine Aussagen seiner Meldung vom sowie seiner Vernehmung vom entsprechen.

40c) Das Handeln des früheren Soldaten war subjektiv von der Absicht getragen, eine Beförderung zum Obermaat zu erwirken. Dass sie auch von dem Motiv geleitet gewesen sein mag, in dem Fregattengeschwader keinen durch Untätigkeit und Langeweile charakterisierten Dienst leisten zu müssen, stellt dies auch dann nicht in Frage, wenn Absicht - wie bei der Auslegung der Anschuldigungsschrift dargestellt - im Sinne eines dolus directus 1. Grades als "gezielte Handlung" ( - juris Rn. 18) verstanden wird.

41Während der nur bedingt vorsätzlich handelnde Täter bei Vornahme der Handlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für möglich hält und sich mit seinem Eintritt abfindet, auch wenn er auf dessen Eintritt weder abzielt noch ihm dieser auch nur erwünscht ist, sieht der mit unbedingtem Vorsatz handelnde Täter dessen Eintritt als sicher voraus (dolus directus 2. Grades) oder er hält ihn für sicher oder möglich und er erstrebt dessen Eintritt in dem Sinne, dass es ihm auf die Erreichung des tatbestandlichen Erfolges ankommt (dolus directus 1. Grades; - juris Rn. 17). Dabei ist der Vorsatz 1. Grades nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn der Täter ein aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen ( - NJW 2021, 1173 Rn. 16). Denn das vom Handelnden angestrebte Ziel "muss nicht das Endziel und damit das Motiv, der Beweggrund seines Handelns sein" (K. Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017, § 5 Rn. 35 m. w. N.). Nur wenn das Handlungsziel nach der Tätervorstellung auch ohne das Zwischenstadium erreicht werden kann, ist das Zwischenstadium kein notwendiges Durchgangsstadium, der Zwischenerfolg somit keine beabsichtigte Hauptfolge mehr, sondern nur eine Nebenfolge (K. Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017, § 5 Rn. 35 m. w. N.). Nach Maßgabe dessen schlösse selbst das Motiv, sich durch das Vortäuschen einer bestandenen Prüfung einem eintönigen Dienst zu entziehen, keinen Vorsatz 1. Grades aus, weil die mit der bestandenen Prüfung verbundene Beförderung und Versetzung auf ein Schiff nach der Vorstellung des früheren Soldaten ein notwendiges Durchgangsstadium bildete, um sich einem unbefriedigenden Dienst im Geschwader zu entziehen. Dass nach den Aussagen des Zeugen Fregattenkapitän F. nicht der Dienstgrad, sondern die bestandene Prüfung für die vom früheren Soldaten angestrebte Bordverwendung maßgeblich war, ändert daran nichts. Denn für die Bestimmung des Vorsatzes sind insoweit die Vorstellungen des jeweiligen Akteurs entscheidend.

424. Der frühere Soldat hat damit nach § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen.

43a) Er hat mit der Übermittlung des falschen Prüfungszeugnisses wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, gegen die Wahrheitspflicht nach § 13 Abs. 1 SG verstoßen, weil er bei seinen Vorgesetzten die Fehlvorstellung erweckte, er habe die Prüfung erfolgreich absolviert. Tatsächlich hatte er - was ihm bewusst war - die Prüfung erneut nicht bestanden ( 2 WD 29.18 - juris Rn. 16).

44b) Zudem hat er gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG verstoßen, welche Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze, verlangt. Ob er damit entweder gegen § 267 Abs. 1 Alt. 3 oder gegen § 269 Abs. 1 Alt. 3 StGB verstoßen hat (vgl. 2 WD 29.18 - juris Rn. 17), kann dahingestellt bleiben; denn in beiden Fällen liegt strafrechtlich relevantes Verhalten vor.

45c) Einen weiteren und zweifachen Verstoß gegen § 7 SG begründet der Umstand, dass er durch die Täuschung über die bestandene Prüfung seine Beförderung erwirkt hat. Zum einen hat er damit infolge der höheren Dienstbezüge das Vermögen des Dienstherrn geschädigt ( 2 WD 16.12 - juris Rn. 35 und vom - 2 WD 29.18 - juris Rn. 18); zum anderen war seine Handlung nach § 263 Abs. 1 StGB strafrechtlich relevant, sodass er erneut gegen die von § 7 SG geschützte Rechtsordnung verstoßen hat ( 2 WD 29.18 - juris Rn. 18 und vom - 2 WD 4.23 - juris Rn. 48).

46Der Betrugstatbestand des § 263 Abs. 1 StGB ist erfüllt.

47aa) Soweit der frühere Soldat vorträgt, eine Bereicherungsabsicht nach § 263 Abs. 1 StGB liege nicht vor, wenn die täuschungsbedingte Bereicherung nur eine Nebenfolge der Irrtumserregung sei oder er sie nur als notwendige Folge eines anderen Zwecks - nämlich nicht wieder in Untätigkeit versinken zu müssen - in Kauf nehme, ist zwar zutreffend, dass die Eigen- oder Fremdbereicherungsabsicht im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal bildet (vgl. Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017, § 5 Rn. 30); zutreffend ist auch, dass die Bereicherung nicht nur eine (unerwünschte) Nebenfolge der Irrtumserregung sein darf oder nur als notwendige Folge eines anderen Zwecks in Kauf genommen wird (vgl. Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025 § 263 Rn. 190 m. w. N.; vgl. auch OLG Jena, Beschluss vom - 1 Ss 259/05 - juris Rn. 14). Die Bereicherung braucht jedoch weder der einzige noch der in erster Linie verfolgte Zweck zu sein. Es reicht vielmehr aus, wenn der Vorteil vom Täter als notwendiges Mittel für einen dahinterliegenden weiteren Zweck erstrebt wird. Eine solche Absicht fehlt in diesen Fällen nur dann, wenn die Vorteilserlangung nur eine notwendige, dem Täter eher unerwünschte Nebenfolge eines von ihm erstrebten anderen Erfolgs ist (OLG Frankfurt, Urteil vom - 5-2 StE 18/17 - 5a - 1/17 - juris Rn. 440). Dass die Beförderung dem früheren Soldaten unerwünscht war, liegt indes fern. Nicht nur die damit einhergehende finanzielle Besserstellung als (rechtswidrig) erlangter Vermögensvorteil spricht dagegen, sondern auch seine erstinstanzliche Einlassung, sie sei ihm (nur) egal gewesen (Seite 6 Sitzungsniederschrift). Hinzu tritt, dass er auf die bereits seinerzeitige finanzielle Belastung durch seine Ehefrau als Druckfaktor hingewiesen hat und er sich der Aushändigung der Urkunde durchaus hätte entziehen können, ohne damit die Unrichtigkeit des Prüfungszeugnisses zu offenbaren.

48bb) Der frühere Soldat hat dadurch auch das Vermögen des Dienstherrn geschädigt. Der frühere Soldat hat durch seine Täuschung bewirkt, dass der Dienstherr ihn beförderte und ihm das Gehalt für ein höheres Amt bezahlte, obwohl er mangels Qualifikation nicht in der Lage war, die in diesem Amt geforderten fachlichen Leistungen zu erbringen. Damit liegt ein Fall des Anstellungsbetrugs vor. Täuschte ein Bewerber über für das Amt rechtlich unerlässliche Anforderungen an die fachliche Qualifikation - insbesondere die Ausbildung -, die notwendige Voraussetzung für die Anstellung oder Beförderung ist, fehlt es regelmäßig an der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Der Beamte gilt als für sein Amt untauglich, selbst wenn er sonst zufriedenstellende dienstliche Leistungen erbringt, weil er unter rechtlichen Gesichtspunkten keine gleichwertige Gegenleistung für die ihm gewährten Bezüge zu erbringen vermag. Hätte er wegen des Fehlens solcher fachlichen Voraussetzungen nicht angestellt werden dürfen, begründet dies grundsätzlich einen Vermögensschaden (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 193/98 - BGHSt 45, 1 <6 f.> und vom - 3 StR 221/18 - wistra 220, 254 Rn. 30 f.). Diese Grundsätze gelten für Soldaten entsprechend, da bei ihnen ausweislich § 27 SG sowie der Soldatenlaufbahnverordnung die Ernennungsvoraussetzungen (§ 4 Abs. 1 SG) gleichermaßen formalisiert sind. Vorliegend erhielt der frühere Soldat die Besoldung eines Obermaat, konnte aber mangels Qualifikation nicht als Obermaat auf der Fregatte eingesetzt werden, sodass dem Dienstherrn - wie angeschuldigt - ein Vermögensschaden in Höhe der Besoldungsdifferenz von 130,52 € pro Monat entstand. Der Zeuge Fregattenkapitän F. hat in der Berufungshauptverhandlung auch ausdrücklich bestätigt, dass der frühere Soldat in fachlicher Hinsicht ohne bestandenen Lehrgang nicht - wie geplant - als Obermaat auf der Fregatte eingesetzt werden konnte und "ausgeschifft" werden musste.

49d) Zugleich hat der frühere Soldat mit seinem Verhalten gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verstoßen.

505. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu 2 WD 11.07 - juris m. w. N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 60 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus, das vorliegend zur Verhängung der Höchstmaßnahme führt.

51a) Auf der ersten Stufe wird im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen" bestimmt. Danach hat sich ein Vorgesetzter, der gegenüber seinen Vorgesetzten oder Dienststellen der Bundeswehr unwahre Erklärungen abgegeben hat, in seinem Status disqualifiziert und deshalb grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung verwirkt; hat er sich durch die unwahren Angaben eine ungerechtfertigte berufliche oder finanzielle Besserstellung erschleichen wollen, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die disziplinarische Höchstmaßnahme. Diese Ersteinstufung greift insbesondere in Fällen, in denen ein Soldat durch arglistige Täuschung über Einstellungsvoraussetzungen eine Ernennung erschleichen wollte. Dementsprechend bestimmt § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG zwingend, dass ein Berufssoldat zu entlassen ist, wenn er seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat (vgl. 2 WD 29.18 - NZWehrr 2020, 124 <126 f.> m. w. N.). Daher bildet auch hier die Aberkennung gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 WDO des Ruhegehalts als disziplinare Höchstmaßnahme den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Denn der frühere Soldat hat sowohl eine dienstliche als auch finanzielle Besserstellung erschlichen.

52b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei müssen die Milderungsgründe umso gewichtiger sein, je schwerer das Dienstvergehen wiegt ( 2 WD 3.17 - juris Rn. 73 und vom - 2 WD 1.22 - juris Rn. 39). Danach ist hier von der Höchstmaßnahme nicht abzuweichen.

53aa) Erschwerend ist zu gewichten, dass der frühere Soldat im Rahmen der Täuschungshandlung durch die Übersendung einer gefälschten Urkunde bzw. gefälschter Daten zugleich kriminelle Energie gezeigt hat. Ferner stand er aufgrund seines Dienstgrades als - seinerzeit - Maat in einer Vorgesetztenfunktion (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldatinnen und Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG), unterliegen sie bei einer Verletzung ihrer Dienstpflichten einer verschärften Haftung (vgl. 2 WD 4.10 - juris Rn. 26). Zu Lasten des früheren Soldaten ist auch zu berücksichtigen, dass er als Folge des Dienstvergehens auf Schiffen nicht mehr eingesetzt werden konnte und ihm die Sicherheitsstufe SÜ 2 entzogen wurde.

54bb) Den zusätzlich erschwerenden Umständen stehen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüber, die ein Abweichen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen. Dass sich der frühere Soldat im Berufungsverfahren nicht mehr geständig eingelassen und damit nicht mehr uneingeschränkte Reue und Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt hat, darf zwar nicht erschwerend, kann jedoch auch nicht zu seinen Gunsten eingestellt werden ( 2 WD 1.22 - juris Rn. 40).

55Der Milderungsgrund des Handelns in einer seelischen Ausnahmesituation greift nicht ein. Er liegt erst dann vor, wenn die psychische Situation von so außergewöhnlichen Belastungen geprägt ist, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden kann ( 2 WD 8.18 - juris Rn. 31 und vom - 2 WD 13.18 - juris Rn. 28). Für eine derartige Zuspitzung der Probleme zum Tatzeitpunkt spricht nichts. Sie folgt auch nicht aus der Einlassung des früheren Soldaten, die Täuschung primär deshalb begangen zu haben, um nicht wieder beim ...geschwader unterfordert Dienst verrichten zu müssen. Denn ein Soldat hat seine Dienstpflichten auch dann zu erfüllen, wenn er dadurch deutlich weniger gefordert wird als bisher oder er die Sinnhaftigkeit der Aufgabenerledigung nicht zu erkennen vermag. Mit Phasen geringerer Arbeitszufriedenheit muss jeder Angehörige des öffentlichen Dienstes rechnen. Diese Umstände sind mit Rechtsbehelfen auf amtsangemessene Beschäftigung abzuwehren ( 2 WD 4.23 - juris Rn. 54 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund kommt auch eine unterlassene Dienstaufsicht und damit eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht mildernd zum Tragen ( 2 WD 12.22 - juris Rn. 107). Denn zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung war der frühere Soldat den Folgen einer Unterforderungssituation ("Boreout") noch nicht ausgesetzt. Ungeachtet dessen würde selbst ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nicht geeignet sein, die das Dienstvergehen zusätzlich erschwerenden Umstände zu kompensieren.

56Ist das Vertrauen in den früheren Soldaten zerstört und deswegen die Höchstmaßnahme zu verhängen, können weder eine überlange Verfahrensdauer noch besondere dienstliche Leistungen eine maßnahmemildernde Wirkung entfalten (vgl. 2 WD 15.18 - juris Rn. 29). Für das Vorliegen besonderer dienstlicher Leistungen spricht zudem insbesondere wegen des zweifachen Nichtbestehens der IHK-Prüfung nichts.

576. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 Satz 1, § 144 Abs. 5 Satz 2 WDO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:140825U2WD29.24.0

Fundstelle(n):
SAAAK-02573