Instanzenzug: Az: 5 U 3823/21vorgehend LG Regensburg Az: 83 O 294/21
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im von einem Dritten einen gebrauchten M, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.
2Der Kläger, dessen Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist, hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises nebst Verzugszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu verurteilen (Berufungsantrag zu I). Ferner hat er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen (Berufungsantrag zu II) begehrt. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge insoweit weiter.
Gründe
3Die Revision des Klägers hat Erfolg.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bestehe nicht, weil der Einsatz des im Grundsatz unstreitig vorhandenen Thermofensters, selbst wenn hierin eine unzulässige Abschalteinrichtung zu sehen sein sollte, nicht sittenwidrig sei. Der Vortrag des Klägers zum Vorhandensein weiterer Abschalteinrichtungen sei bereits prozessual unbeachtlich. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheide aus, weil die unionsrechtlichen Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB seien.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.
71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:071025UVIAZR1217.22.0
Fundstelle(n):
VAAAK-01937