Zweifel ...
... an der Richtsatzsammlung als Schätzgrundlage ...
Schon seit längerer Zeit wird in der Beraterschaft die Geeignetheit der amtlichen Richtsatzsammlung als Schätzungsbasis angezweifelt. Im Jahr 2018 schließlich fanden die Bedenken sogar Eingang in eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Auch wenn die damals vom Bundesfinanzministerium als Herausgeber der amtlichen Richtsatzsammlung gegebenen Antworten viele Fragen offen ließen und nicht überzeugten (so Beyer in NWB 44/2018 S. 3232), war doch zumindest die Finanz- und Strafrichterschaft für die Problematik sensibilisiert worden. Endgültig geöffnet war die Richtsatzsammlung dann mit der im Jahr 2023 erfolgten Beitrittsaufforderung des Bundesfinanzhofs an das Bundesfinanzministerium, um im Verfahren X R 19/21 zur Frage der Tauglichkeit der BMF-Richtsatzsammlung als Schätzgrundlage für den äußeren Betriebsvergleich Stellung zu nehmen. Anders aber als von der Beraterschaft erhofft, hat der X. Senat des Bundesfinanzhofs in dem am veröffentlichten Urteil letztendlich nicht über die Tauglichkeit der Richtsatzschätzung entscheiden müssen. Dennoch hat er die Gelegenheit genutzt, seine nunmehr als erheblich bezeichneten Zweifel ausführlich darzulegen. Nach Ansicht von Beyer (s. Seite 2869) setzt die umfangreiche Kritik seitens des Bundesfinanzhofs so fundamental an, dass die Richtsatzsammlung spätestens jetzt bis zu einer Mängelbehebung keine Schätzgrundlage mehr sein kann.
... und Zweifel am Zugang eines Einspruchs per E-Mail
In Beweisnot gerieten ein Prozessbevollmächtigter und sein Mandant, die beim Finanzamt Einspruch per E-Mail ohne Lesebestätigung eingereicht hatten. Denn das Finanzamt bestritt den Zugang der E-Mail, was die Betroffenen allerdings erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bei einer telefonischen Rücksprache erfuhren. Wie sollten sie nun den Zugang der E-Mail im elektronischen Postfach des Finanzamts nachweisen? Ein Beweis des ersten Anscheins wäre nur dann begründet, wenn sie eine Eingangs- oder Lesebestätigung erhalten hätten. „Gerettet“ hat sie schließlich ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. „Ohne Verschulden“ verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist jemand, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat. Und hier – so hat der Bundesfinanzhof aktuell entschieden – darf der Versender einer E-Mail auf den ordnungsgemäßen „elektronischen Postgang“ vertrauen – auch ohne Lesebestätigung! Eine fehlende Empfangs- oder Lesebestätigung ist also ohne Einfluss auf das Verschulden der Fristversäumnis im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags. Trotzdem kann es, so Geserich auf Seite 2854, sinnvoll sein, eine entsprechende Bestätigung anzufordern.
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 2833
QAAAK-01862