Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 8 U 187/21vorgehend LG Schweinfurt Az: 23 O 121/21
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Er erwarb im April 2015 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten BMW 320d, der mit einem Dieselmotor des Typs N 47 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgestattet ist.
3Die auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Zahlung von Deliktszinsen, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge im tenorierten Umfang weiter.
Gründe
4Die Revision hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB zu. Er habe nicht nachzuweisen vermocht, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei, die die Emissionswerte nur auf dem Prüfstand reduziere. Das "Thermofenster" arbeite im Normal- und Prüfstandsbetrieb in gleicher Weise. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger weitere Umstände vorbringen müssen, die neben einem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 217/2007 das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lasse; dies sei dem Kläger nicht gelungen.
7Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV, Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 217/2007 stehe ihm nicht zu. Denn bei diesen Vorschriften handle es sich nicht um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
II.
8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
91. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Dagegen erhebt die Revision auch keine konkreten Einwände.
102. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
12Das angefochtene Urteil ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:071025UVIAZR355.22.0
Fundstelle(n):
OAAAK-01828