Zulage bei erheblicher Personalverantwortung nach TV DN
Instanzenzug: Az: 7 Ca 164/23 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 11 Sa 722/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Zahlung einer Zulage für die Tätigkeit als Gruppenleiter nach Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 des Tarifvertrags Diakonie Niedersachsen (TV DN) in der Fassung des 9. Änderungstarifvertrags vom .
2Der nicht tarifgebundene Kläger ist staatlich anerkannter Erzieher und seit dem Jahr 1994 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt in der Jugendhilfe. Die Beklagte betreibt als diakonisches Unternehmen im Raum H mehrere stationäre Jugendhilfeeinrichtungen. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom regelt ua.:
3Der Kläger ist als Gruppenleiter in einer sog. 5-Tage-Wohngruppe tätig. Aufgrund jugendhilferechtlicher Vorgaben ist eine Gruppenleiterstelle mit einem Sozialpädagogen zu besetzen. Mit Zustimmung des Landesjugendamts wird der Kläger auf einer solchen Stelle mit Aufgaben eines Sozialpädagogen beschäftigt. Bis September 2023 war er in Entgeltgruppe E 9 Stufe 5, seit ist er in Entgeltgruppe E 9 Stufe 6 des Teils B Abschnitt II 1 TV DN eingruppiert. Dem Kläger sind vier Mitarbeiter unterstellt, die aufgrund von Teilzeitbeschäftigungen rechnerisch 3,25 Vollzeitkräften entsprechen. Der Kläger ist der Erziehungsleitung unterstellt, die ihrerseits für mehrere Gruppen verantwortlich ist und eine Vergütung nach Entgeltgruppe E 10 TV DN erhält.
4Der TV DN enthält in der Fassung des 9. Änderungstarifvertrags vom ua. folgende Regelungen:
5Die Beklagte zahlt eine Zulage nach Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN an Gruppenleiter, denen mehr als fünf Vollzeitkräfte unterstellt sind. Gruppenleiter, denen weniger Personal unterstellt ist, erhalten die Zulage nicht.
6Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom hat der Kläger mit seiner Klage die Zahlung der Zulage für die Zeit von Juli 2022 bis Juli 2024 und die Feststellung einer entsprechenden Zahlungspflicht begehrt.
7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm komme erhebliche Personalverantwortung zu. Auf eine bestimmte Gruppengröße oder Anzahl der unterstellten Mitarbeiter komme es nach der Zulagenregelung nicht an. „Erheblich“ sei die Personalverantwortung bereits dann, wenn sie in einem rechtserheblichen Ausmaß vorliege. Eine gesteigerte Personalverantwortung sei für die Zulage nicht erforderlich, weil die für die Eingruppierung maßgebliche Ausgangsentgeltgruppe E 9.1 TV DN kein bestimmtes Normalmaß an Personalverantwortung erfordere.
8Der Kläger hat nach mehrfacher Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - sinngemäß beantragt,
9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
10Sie hat die Auffassung vertreten, das Merkmal der erheblichen Personalverantwortung sei nur dann erfüllt, wenn eine über die normale Tätigkeit als Team- oder Gruppenleitung hinausgehende Verantwortung bestehe. Die Gruppengröße sei hierbei ein maßgebliches Kriterium. Da von einer „Gruppe“ erst ab mindestens zwei unterstellten Mitarbeitern gesprochen werden könne, sei für die Erheblichkeit der Verantwortung eine signifikante Steigerung dieser Zahl erforderlich.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
12Die Revision ist unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
13I. Die Klage ist insgesamt zulässig.
141. Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger erhebt eine abschließende Gesamtklage (vgl. dazu - Rn. 12 mwN, BAGE 179, 372). Er macht monatliche Zulagen für die Zeit vom bis geltend.
152. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO wird genügt. Er betrifft den Bestand eines streitigen Anspruchs aus einem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis. Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen. Sie kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage, vgl. - Rn. 37 mwN). Das Begehren des Klägers, ihm die Zulage nach § 2 Arbeitsvertrag iVm. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN zu zahlen, kann deshalb mit einer Feststellungsklage verfolgt werden (vgl. - Rn. 24). Das besondere Feststellungsinteresse ist in einem solchen Fall gegeben, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Antrag insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (vgl. - Rn. 13; - 7 AZR 141/23 - Rn. 19 mwN). Das ist vorliegend der Fall. Die Beklagte beruft sich nur darauf, dass der Kläger die Anspruchsvoraussetzung einer erheblichen Personalverantwortung aus Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN nicht erfülle. Andere Gründe, dem Kläger die Zahlung zu verweigern, stehen zwischen den Parteien nicht im Streit. Mit der Entscheidung wird der Zulagenanspruch auch für die Zukunft dem Streit der Parteien entzogen.
163. Das Landesarbeitsgericht hat über die Anträge in der Sache entschieden. Daher hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO in der Revision nicht mehr zu prüfen, ob in der Berufungsinstanz eine Klageänderung nach § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG vorliegt und ob diese ggf. zulässig ist (vgl. - Rn. 13 mwN).
17II. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Zulage zu.
181. Der Begründetheit der Klage steht nicht bereits entgegen, dass die Berufung teilweise unzulässig war, weil der Kläger das Rechtsmittel in Bezug auf den erstinstanzlich eingebrachten Streitgegenstand eines Anspruchs aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht begründet hat. Die Berufung ist vom Kläger nur beschränkt eingelegt worden. Das ergibt die Auslegung des Begehrens des Klägers. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
19a) Das Rechtsmittelgericht hat prozessuale Erklärungen selbständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des Bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. zur Auslegung durch das Revisionsgericht - Rn. 12; vgl. zu Grenzen der Auslegung - Rn. 26, BAGE 154, 337).
20b) Der Kläger hat die Berufung konkludent beschränkt, indem er sich in der Berufungsbegründung lediglich mit dem Anspruch aus § 2 Arbeitsvertrag iVm. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN auseinandergesetzt hat (vgl. zur konkludenten Revisionsbeschränkung - Rn. 15). Die Berufung soll sich danach nur auf die Auslegung der Tarifbestimmung beziehen. So hat das Berufungsgericht das Begehren des Klägers auch verstanden und sich durch Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigen lassen, dass er sich nicht gegen die Abweisung des erstinstanzlich noch verfolgten Anspruchs aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wendet. Das Landesarbeitsgericht hat somit zutreffend nicht über diesen Streitgegenstand befunden. Die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht ist insoweit in Rechtskraft erwachsen. Schutzwürdige prozessuale Belange der Beklagten sind durch die Berufungsbeschränkung daher nicht beeinträchtigt (vgl. - Rn. 13).
212. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulage nach § 2 Arbeitsvertrag iVm. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN. Dies folgt aus der Auslegung der Regelung. Danach ist die Voraussetzung einer erheblichen Verantwortung für Personal in der Person des Klägers als Gruppenleiter nicht erfüllt.
22a) Der TV DN findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme in § 2 Arbeitsvertrag Anwendung.
23b) Der Senat hat seiner Entscheidung zugrunde zu legen, dass es sich bei dem TV DN um einen wirksamen Tarifvertrag handelt, insbesondere ist die Tariffähigkeit des tarifvertragsschließenden Diakonischen Dienstgeberverbands Niedersachsen e.V. (DDN) nicht zu prüfen.
24aa) Nur die unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge sind Rechtsnormen iSd. § 293 ZPO, deren Inhalt nach § 293 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu ermitteln ist (vgl. bereits - BAGE 4, 37). Dagegen ermitteln die Gerichte für Arbeitssachen den Inhalt von Tarifverträgen, die „nur“ arbeitsvertraglich in Bezug genommen sind, nicht selbst (vgl. - Rn. 44 mwN). Bei bloßer Inbezugnahme durch Arbeitsvertrag gelten die Normen des Tarifvertrags zwischen den Vertragsparteien (nur) als Vertragsrecht. Die Tarifnormen finden so Anwendung, als hätten die Parteien sie privatautonom vereinbart (vgl. - Rn. 65 mwN, BAGE 176, 27). Solche Regelungen unterliegen uneingeschränkt der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime.
25bb) Die Wirksamkeit des in Bezug genommenen TV DN ist im Streitfall jedoch von keiner der Parteien gerügt. Der Kläger hat nach Hinweis des Senats im Revisionsverfahren erklärt, er sei nicht Gewerkschaftsmitglied. Der TV DN finde nur kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme und damit nicht unmittelbar und zwingend auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Er stelle weder die Tariffähigkeit des DDN noch die Wirksamkeit des TV DN in Frage. Auch die Beklagte hat dies nicht getan.
26c) Die Regelung in § 2 Arbeitsvertrag iVm. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN gewährt dem Kläger nach allen denkbaren Auslegungsmaßstäben keinen Anspruch auf die begehrte Zulage. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, der Kläger habe mit den Aufgaben als Gruppenleiter auf einem Arbeitsplatz für Sozialpädagogen keine erhebliche Verantwortung für Personal zu tragen.
27aa) Die in den Entgeltgruppen des TV DN verwendeten Richtbeispiele, die nach Teil B Abschnitt I § 1 TV DN für die Eingruppierung als Erläuterung heranzuziehen wären, sind bei der Beurteilung des von Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN geforderten Maßes der Verantwortung unbehelflich. Aus ihnen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, in welchen Fällen die Tarifvertragsparteien der Tätigkeit von Sozialpädagoginnen oder Sozialarbeiterinnen erhebliche Verantwortung beimessen.
28(1) Grundsätzlich sind die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals einer Entgeltgruppe als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Entgeltgruppe genannten Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (vgl. - Rn. 25; - 4 AZR 558/12 - Rn. 15). Das beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten Vergütungsgruppe fest zuordnen können (vgl. - Rn. 16). Wird die von dem Arbeitnehmer verrichtete Tätigkeit jedoch nicht oder nicht vollständig von einem Beispiel erfasst, ist auf die allgemeinen Merkmale der Entgeltgruppe zurückzugreifen (vgl. - Rn. 29). Dies ist etwa der Fall, wenn das Richtbeispiel in mehreren Entgeltgruppen genannt ist (vgl. - Rn. 25; - 4 AZR 992/12 - Rn. 20).
29(2) Danach erfordert die Regelungstechnik des TV DN zum Verständnis der von Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 geforderten „erheblichen Verantwortung für Personal“ einen Rückgriff auf die Obersätze. Denn die Tätigkeit eines Sozialpädagogen, mit dessen Aufgaben der Kläger bei der Beklagten beschäftigt wird, findet sich in zahlreichen Entgeltgruppen, so in Entgeltgruppe E 9.1, E 10, E 11 und E 12.2 TV DN. Eine feste Zuordnung von typischen Aufgaben eines Sozialpädagogen zu bestimmten Entgeltgruppen und dem damit verbundenen Maß an Verantwortung lässt sich auf diese Weise nicht feststellen.
30bb) Für den Anspruch auf die Zulage nach Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN genügt nicht jedes Maß an Übernahme von Verantwortung für Personal. Dem Wort „erheblich“ kommt entgegen der Annahme des Klägers eine eigenständige Bedeutung zu.
31(1) Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut der Regelung. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Vertragsparteien keine überflüssigen, weil inhaltsleeren Regelungen treffen wollen (zu Tarifverträgen sh. - Rn. 27; - 5 AZR 529/20 - Rn. 35 mwN). Danach muss dem Wort „erheblich“ eine eigenständige Bedeutung zukommen. Anderenfalls hätte es nahegelegen, eine der Entgeltgruppe E 9.2 TV DN entsprechende Formulierung ohne das Wort „erheblich“ aufzunehmen und lediglich „auch Verantwortung für Personal“ zu fordern.
32(2) Systematische Betrachtungen stützen dies. Das Wort „erheblich“ findet sich in den Entgeltgruppen E 8, E 9.2 sowie E 12.2 TV DN und als „nicht unerheblich“ in den Entgeltgruppen E 10 und E 14 TV DN. Die mehrfache Verwendung des Begriffs verdeutlicht, dass ihm ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zukommen soll.
33In der Entgeltgruppe E 8 TV DN wird in der zweiten Variante verlangt, dass die Tätigkeit „erheblich“ erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt. Soll dies für sich genommen eine solche Eingruppierung rechtfertigen, während nach der ersten Variante erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten nur bei gleichzeitigem Vorliegen von Verantwortung für Personal oder Betriebsmittel in höherem Ausmaß ausreichen, muss das Wort „erheblich“ als signifikante Steigerung begriffen werden. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9.2 TV DN wiederum erfordert, dass die Tätigkeit über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 8 TV DN „erheblich“ hinausgeht. Dabei liegt die Eigenständigkeit des Merkmals „erheblich“ darin, dass von der Tätigkeit über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 8 TV DN hinaus „auch Verantwortung für Personal oder Betriebsmittel“ gefordert wird. Ebenso zeigt der Vergleich mit den Entgeltgruppen E 12.2 und E 13 TV DN, dass dem Begriff eine eigenständige Bedeutung zukommen muss. Während die Entgeltgruppe E 12.2 TV DN fordert, dass die Anforderungen der Tätigkeit über diejenigen nach Entgeltgruppe E 11 TV DN „erheblich“ hinausgehen, setzt die Entgeltgruppe E 13 TV DN - unbeschadet des Erfordernisses umfangreicher Berufserfahrungen und Spezialwissens - lediglich voraus, dass die Anforderungen über diejenigen der Entgeltgruppe E 12 TV DN hinausgehen.
34Der Blick auf die das System der Entgeltgruppen jeweils prägenden Verantwortungsanforderungen lässt nur den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien auch im Regelungszusammenhang von Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN mit der erheblichen Personalverantwortung ein gesteigertes Maß der Verantwortung zur Anspruchsvoraussetzung für die Zulage machen wollten.
35cc) Entgegen der Revision ist das Wort „erheblich“ nicht im Sinne von „in rechtserheblichem Ausmaß“ zu verstehen. Das Kriterium des rechtserheblichen Ausmaßes hat im Eingruppierungsrecht des öffentlichen Dienstes bei der Bewertung von Arbeitsvorgängen Bedeutung und ist insbesondere der Beachtung des sog. Aufspaltungsverbots (Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 TV-L bzw. zu § 12 Abs. 2 TVöD-AT [Bund]) geschuldet (vgl. - Rn. 66, BAGE 172, 130; - 4 AZR 371/13 - Rn. 29). Erforderlich ist, dass das tarifliche (Heraushebungs-)Merkmal innerhalb eines Arbeitsvorgangs ein rechtserhebliches Ausmaß erreicht. Der TV DN stellt jedoch nicht auf Arbeitsvorgänge ab, womit es auf eine bloße Rechtserheblichkeit der Personalverantwortung nicht ankommen kann.
36dd) Dem Kläger kommt bei seiner Tätigkeit keine „erhebliche Verantwortung für Personal“ iSv. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN zu. Das Landesarbeitsgericht hat diesen unbestimmten Rechtsbegriff nicht verkannt und ihn bei der Rechtsanwendung auch beibehalten.
37(1) Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt, soweit es um den unbestimmten Rechtsbegriff der „erheblichen Verantwortung für Personal“ geht, lediglich einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann in der Revisionsinstanz nur dahingehend überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff als solchen nicht verkannt und ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ob es Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat sowie darauf, ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. zur Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe - Rn. 39; - 4 AZR 440/21 - Rn. 42).
38(2) Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand, wenn es für eine „erhebliche“ Personalverantwortung eine Zahl von mindestens sechs unterstellten Mitarbeitern unabhängig vom Umfang ihrer Arbeitszeit fordert.
39(a) Bei der Auslegung des Merkmals „erheblich“ iSv. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN kann entgegen der Annahme der Revision nicht auf das Maß der für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9.2 TV DN geforderte Personalverantwortung zurückgegriffen werden. Die von der Revision gezogene Schlussfolgerung, für eine solche „einfache“ Personalverantwortung genüge die Verantwortung für eine Person, so dass bei einer Verantwortung für vier Mitarbeiter wie im Fall des Klägers die Schwelle der Erheblichkeit überschritten sei, trägt nicht. „Erheblich“ meint nach allgemeinem Sprachgebrauch „beträchtlich“, „ins Gewicht fallend“ (vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch 10. Aufl. Stichwort: „erheblich“). Die Bestimmung, wann von einer beträchtlichen Verantwortung für Personal bei Arbeitnehmern auf Arbeitsplätzen von Sozialpädagogen mit Aufgaben als Team-/Gruppenleitung ausgegangen werden kann, bedarf daher der Festlegung eines Vergleichswerts. Dieser Vergleichswert kann nicht der Entgeltgruppe E 9.2 TV DN entnommen werden, die gerade nicht auf eine Gruppen- oder Teamverantwortung abstellt. Ausgehend vom Wortlaut des Teils B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN muss sich der vorzunehmende wertende Vergleich vielmehr gerade auf die mit jeder Wahrnehmung von Aufgaben als Team- oder Gruppenleitung verbundene Verantwortung für eine Mehrzahl von Personen beziehen. Die Kriterien hierfür können quantitativer oder qualitativer Natur sein. Qualitative Kriterien scheiden im Streitfall aus, auf solche beruft sich der Kläger nicht (mehr).
40Durch Festlegung eines quantitativen Richtwerts wird der Anwendung der Regelung von Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 7 TV DN zu einer praktisch brauchbaren Lösung verholfen. Wollte man einen solchen Richtwert nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmen, liefe dies den Prinzipien der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zuwider, indem ein rechtlich nicht gebotener weiter Spielraum für subjektive Bewertungen eröffnet würde.
41(b) Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch und dem soziologischen Verständnis von Gruppen hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts beim Streit über die Eingruppierung einer Teamleiterin mit der Aufgabe der Koordinierung der Bürodienstmitarbeiter eines Familiengerichts angenommen, dass eine Gruppenleitung neben dem Gruppenleiter mindestens zwei weitere Beschäftigte voraussetze (vgl. dazu - Rn. 37 unter Verweis auf -) und dass das tarifliche Erfordernis einer Koordinierung der Geschäftsabläufe einer „großen Geschäftsstelle bzw. Serviceeinheit“ nicht bereits bei jeder Überschreitung dieses Mindestwerts vorliege. Eine solche könne erst dann angenommen werden, wenn die Gruppe erheblich größer sei als die kleinstmögliche Gruppe, womit der Mindestwert der Gruppengröße um ein Mehrfaches überschritten sein müsse (vgl. - Rn. 37).
42(c) Die Grundsätze dieser Entscheidung durfte das Landesarbeitsgericht seiner Bestimmung der erforderlichen Gruppengröße zugrunde legen, indem es in Bezug auf die unterstellten Mitarbeiter das Dreifache der Mindestzahl von zwei Köpfen fordert. Sie ermöglichen die Abgrenzung einer Personalverantwortung im „Normalmaß“ von einer Verantwortung für Personal mit merklich gesteigertem Gewicht im Sinne von „erheblich“. Gleichzeitig bleibt es möglich, hiervon wiederum die Verantwortung für Personal „in größerem Ausmaß“ im Sinne der Entgeltgruppe E 10 TV DN zu unterscheiden, weil diese Begrifflichkeit für eine noch umfangreichere Dimension spricht. Der Gruppenleiter selbst kann - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - entgegen der Annahme des Klägers bei der Bestimmung der Mindestzahl der Mitglieder der Gruppe nicht mitgerechnet werden. Denn nach der streitgegenständlichen Zulagenregelung kommt es gerade darauf an, dass er die Gruppe leitet (vgl. -).
43III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:310725.U.6AZR270.24.0
Fundstelle(n):
WAAAK-00716