Arbeitsförderung - Kurzarbeitergeldanspruch - Anzeige des Arbeitsausfalles - Nichtzahlung von Kurzarbeitergeld für einen Zeitraum von 3 Monaten - neuer Leistungsfall - keine Fortgeltung des Anerkennungsbescheides
Gesetze: § 95 SGB 3, § 99 SGB 3, § 104 Abs 3 SGB 3
Instanzenzug: SG Nordhausen Az: S 18 AL 660/21 Urteilvorgehend Thüringer Landessozialgericht Az: L 10 AL 190/22 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über Kurzarbeitergeld (Kug) für Dezember 2020 und Januar 2021.
2Der Kläger betreibt einen Friseursalon mit mehreren Beschäftigten. Ein Betriebsrat besteht nicht. Mit individualvertraglicher Vereinbarung führte er für zwei Arbeitnehmerinnen Kurzarbeit ein. Am zeigte er der beklagten Bundesagentur für Arbeit unter Hinweis auf das "Coronavirus" einen Arbeitsausfall ab März 2020 für diese beiden Arbeitnehmerinnen an. Die Beklagte stellte fest, dass wegen der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliege und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug erfüllt seien (Bescheid vom ). Weiter heißt es in diesem Bescheid, Kug werde deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebs, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten, ab für die Zeit des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis bewilligt. Der Bescheid enthält daneben noch folgenden Hinweis: "Sind seit dem letzten Monat, für den Kug gewährt wurde, drei Monate verstrichen, so kann Kug nur nach erneuter Erstattung einer Anzeige über Arbeitsausfall gewährt werden (§ 104 Abs. 3 SGB III)." Auf entsprechende Leistungsanträge des Klägers bewilligte und zahlte die Beklagte Kug für die Monate März und April 2020 (zuletzt Bescheid vom ).
3Am beantragte der Kläger für jetzt drei Arbeitnehmerinnen Kug für den Monat Dezember 2020 in konkret bezifferter Höhe sowie eine Verlängerung der Kurzarbeit um ein Jahr. Mit E-Mail vom wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass einer Bewilligung von Kug für Dezember 2020 die nicht rechtzeitige Arbeitsausfallanzeige entgegenstehe. Am zeigte der Kläger mit entsprechenden Formularen der Beklagten, die auf den und datiert waren, für den Gesamtbetrieb (drei Arbeitnehmerinnen) einen Arbeitsausfall für den Zeitraum Dezember 2020 bis Dezember 2021 an. Den Antrag habe er bereits am übersandt.
4Die Beklagte hob den Bescheid vom ab mit der Begründung auf, dass seit dem Monat April 2020 keine Kurzarbeit in Anspruch genommen worden sei; wegen der mehr als dreimonatigen Vollarbeit sei für die erneute Inanspruchnahme der Kurzarbeit eine neue Anzeige zum Arbeitsausfall erforderlich (Bescheid vom ). Mit einem weiteren Bescheid, der sich auf die "Anzeige über Arbeitsausfall vom " bezog, stellte die Beklagte fest, aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen liege ein erheblicher Arbeitsausfall vor und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug seien erfüllt; Kug werde deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebs, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten, ab für die Zeit des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis bewilligt (Bescheid vom ). Den Antrag auf Kug für den Monat Dezember 2020 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Anzeige über den Arbeitsausfall sei erst im Februar eingegangen, so dass Kug auch erst ab diesem Monat gewährt werden könne (Bescheid ebenfalls vom ). Die Widersprüche des Klägers gegen alle drei Bescheide blieben erfolglos (drei Widerspruchsbescheide vom ).
5Die hiergegen erhobene Klage, die sich gegen alle drei Bescheide richtete, hat das SG abgewiesen (Urteil vom ). Die Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom ). Für einen Anspruch auf Kug ab Dezember 2020 fehle es an der Anzeige des Arbeitsausfalls. Die Anzeige vom entfalte aufgrund der dreimonatigen Unterbrechung der Kug-Leistungen keine Wirksamkeit mehr. Die erneute Anzeige sei erst ab Februar 2021 wirksam, weil sie erst in diesem Monat bei der Beklagten eingegangen sei. Die Voraussetzungen für eine Rückwirkung lägen nicht vor.
6Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 104 Abs 3 SGB III. Er meint, die Beklagte hätte im Zuge teleologischer Reduktion wegen der Pandemie auf die Anwendung von § 104 Abs 3 SGB III während des Bezugszeitraums (§ 104 Abs 1 Satz 1 SGB III) verzichten müssen. Sie könne sich unter Berücksichtigung des Normenzwecks nicht auf die formale Position des § 104 Abs 3 SGB III zurückziehen.
7Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Aufhebungsbescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufgehoben.
8Der Kläger beantragt,die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Nordhausen vom aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Anerkennungsbescheids vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom und unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verurteilen, Kurzarbeitergeld für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 in gesetzlicher Höhe für die in den Leistungsanträgen genannten drei Arbeitnehmerinnen zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Gründe
11Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat ohne Verletzung von Bundesrecht (§ 162 SGG) bezogen auf den nach Aufhebung des Bescheids vom durch die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat verbliebenen Verfahrensgegenstand die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Ansprüche auf Kug für den Monat Dezember 2020 bestehen ebenso wenig wie ein Anspruch auf Änderung des sogenannten Anerkennungsbescheids vom . Soweit der Kläger Ansprüche auf Kug für den Monat Januar 2021 geltend macht, ist die Klage bereits unzulässig.
121. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen zunächst der auf den Leistungsantrag des Klägers ergangene Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit dem diese auf der zweiten Stufe des Kug-Verfahrens (vgl dazu - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 2, RdNr 24) die Leistung von Kug abgelehnt hat. Anders als das LSG meint, beschränkt sich der Regelungsgehalt dieses Bescheids allerdings auf die Leistungsablehnung nur für den Monat Dezember 2020 und nicht auch für den Monat Januar 2021. Nach dem Gesamtzusammenhang der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, die den Senat binden (§ 163 SGG), hatte der Kläger für Januar noch keine Leistungen beantragt. Der angefochtene Bescheid bezieht sich zudem ausdrücklich nur auf den Monat Dezember 2020. Dies steht seiner Auslegung im Sinne eines Ablehnungsbescheids (auch) für den Monat Januar 2021 entgegen. Die Ansprüche auf Kug verfolgt der Kläger zutreffend mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), zulässigerweise gerichtet auf ein Grundurteil (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG).
13Darüber hinaus ist Verfahrensgegenstand der Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , den der Kläger insoweit angreift, als die Beklagte das Vorliegen der nach § 99 Abs 3 SGB III feststellungsfähigen Voraussetzungen des Kug-Anspruchs in einem sogenannten Anerkennungsbescheid erst ab dem festgestellt hat und nicht - wie begehrt - ab dem . Ein solcher Anerkennungsbescheid enthält nach der gesetzlichen Konzeption des § 99 Abs 3 SGB III eine ausdrücklich zugelassene Elementenfeststellung, die sich darauf beschränkt festzustellen, ob aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug erfüllt sind (dazu im Einzelnen - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 2, RdNr 21 f). Weitergehende Regelungen auf dieser ersten Stufe des Kug-Verfahrens sind im Gesetz nicht vorgesehen. Im Übrigen sind solche - anders als es das LSG erwogen hat - auch dem (ersten) Anerkennungsbescheid vom nicht zu entnehmen (vgl zur Auslegung eines entsprechend formulierten Bescheids - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 3, RdNr 21 f). Soweit darin ein bestimmter Zeitraum benannt ist - bis - erweitert dies nicht den Regelungsgehalt über die Feststellung der genannten Elemente des Kug-Anspruchs hinaus. Richtige Klageart ist im Hinblick auf diese teilweise Ablehnung der begehrten Feststellungen die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGG), gerichtet auf die Verpflichtung, die Anerkennung bereits ab dem vorzunehmen.
14Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist der Aufhebungsbescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom . Diesen Bescheid, durch den der (Anerkennungs-) Bescheid vom teilweise aufgehoben wurde, hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgehoben.
152. Der Kläger macht die Ansprüche auf Kug, die materiell seinen Arbeitnehmerinnen zustehen, als Prozessstandschafter geltend (stRspr; vgl nur - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 2, RdNr 12). Weil bei dem Kläger ein Betriebsrat nicht errichtet ist, liegt kein mit dessen unterlassener notwendiger Beiladung von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor (dazu näher - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 3, RdNr 15).
163. Soweit der Kläger für Januar 2021 Kug begehrt, ist bereits die Klage unzulässig, da es insoweit schon an einem Verwaltungsakt über die Leistung von Kug fehlt (zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung einer auf Kug-Leistungen gerichteten Klage - RdNr 12 ff). Die Zurückweisung der Berufung durch das LSG war auf diesen Anspruch bezogen im Ergebnis schon deshalb rechtmäßig.
174. Die Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf die Zahlung von Kug für Dezember 2020, ist mangels der erforderlichen Arbeitsausfallanzeige unbegründet (dazu a). Auch die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Anerkennung der Voraussetzungen für Kug nach § 99 Abs 3 SGB III für den Zeitraum von Dezember 2020 bis Januar 2021, ist mangels rechtzeitiger Arbeitsausfallanzeige unbegründet (dazu b).
18a) Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Kug ist § 95 Satz 1 SGB III (idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2854). Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kug, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt (Nr 1), die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr 2), die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Nr 3) und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (Nr 4). Hier steht den Ansprüchen der Arbeitnehmerinnen des Klägers auf Kug für den Monat Dezember 2020 schon eine fehlende Arbeitsausfallanzeige entgegen. Die Arbeitsausfallanzeige vom März 2020 kann in Anwendung von § 104 Abs 3 SGB III wegen einer Unterbrechung des Leistungsbezugs für mehr als drei Monate keinen Anspruch begründen (dazu aa). § 104 Abs 3 SGB III ist auch anwendbar (dazu bb). Eine weitere Arbeitsausfallanzeige ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG erst im Februar 2021 erfolgt und vermag keine Ansprüche für die Zeit vor Februar 2021 zu begründen, zumal auch die Voraussetzungen für eine Rückwirkung dieser Arbeitsausfallanzeige nicht vorliegen (dazu cc).
19aa) Wann eine einmal erfolgte Arbeitsausfallanzeige nicht mehr zu einem Leistungsanspruch auf Kug führen kann, ergibt sich aus § 104 SGB III (idF des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom , BGBl I 2557). § 104 Abs 1 SGB III bestimmt, dass Kug für den Arbeitsausfall für eine Dauer von längstens zwölf Monaten geleistet wird, die Bezugsdauer einheitlich für alle in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt und mit dem ersten Kalendermonat beginnt, für den in einem Betrieb Kug vom Arbeitgeber gezahlt wird. Nach § 104 Abs 2 SGB III verlängert sich die Bezugsdauer, wenn innerhalb der Bezugsdauer für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat kein Kug gezahlt wird, um diesen Zeitraum. Nach § 104 Abs 3 SGB III beginnt eine neue Bezugsdauer, wenn seit dem letzten Kalendermonat, für den Kug gezahlt worden ist, drei Monate vergangen sind und die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kug erneut vorliegen.
20§ 104 Abs 3 SGB III ist, wie das LSG zutreffend angenommen hat, so auszulegen, dass auch in Fällen der noch nicht erschöpften Bezugsdauer nach dreimonatiger Unterbrechung des Kug-Bezugs für einen weiteren Anspruch alle Anspruchsvoraussetzungen erneut vorliegen müssen. Der Vorschrift ist keine Differenzierung zwischen Erschöpfung und Unterbrechung der Bezugsdauer zu entnehmen, maßgeblich ist immer nur der Zwischenzeitraum zum Vorbezug von Kug (vgl Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 104 RdNr 9, 62, Stand August 2016). Es bedarf deshalb auch nach einer entsprechend langen Unterbrechung einer neuen Arbeitsausfallanzeige, denn die Arbeitsausfallanzeige ist nach § 95 Satz 1 Nr 4 SGB III eine der Anspruchsvoraussetzungen (vgl Müller-Grune in jurisPK-SGB III, 3. Aufl 2023, § 104 RdNr 31, Stand ; Bieback in BeckOGK, § 104 SGB III RdNr 37, Stand Mai 2025; im Ergebnis auch - RdNr 37 f). Dass auch eine Unterbrechung des Leistungsbezugs zu diesen Rechtsfolgen führt, folgt aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Bei offenem Wortlaut wird diese Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck durch die Gesetzessystematik gestützt.
21Aus dem Wortlaut von § 104 Abs 3 SGB III folgt zunächst (nur), dass für den Beginn einer neuen Bezugsdauer drei Monate vergangen und sodann alle Anspruchsvoraussetzungen erneut gegeben sein müssen. Eine Regelung für den Fall der Unterbrechung der Kug-Zahlung für mindestens drei Monate innerhalb der Bezugsdauer ist dem Wortlaut unmittelbar nicht zu entnehmen. Allein § 104 Abs 2 SGB III knüpft explizit an eine Nichtzahlung von Kug (für mindestens einen Monat) innerhalb der Bezugsdauer an. Der Wortlaut von § 104 Abs 3 SGB III schließt den Beginn einer neuen Bezugsdauer nach der Unterbrechung nur bei erneutem Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen nicht aus.
22Dass § 104 Abs 3 SGB III bei noch nicht vollständig ausgeschöpfter Bezugsdauer - also in Unterbrechungsfällen - ebenfalls anzuwenden ist, folgt aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und den daraus ersichtlichen Motiven des Gesetzgebers. Danach bewirkt die Unterbrechung von mehr als drei Monaten im Verlauf einer in Gang gesetzten Bezugsfrist eine Zäsur und beendet den Leistungsfall. Ein Begehren nach weiteren Kug-Leistungen nach Ablauf von drei Monaten ist deshalb stets als neuer Leistungstatbestand zu beurteilen (so auch Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, § 104 RdNr 10, Stand Mai 2025), der entsprechend der Rechtsfolgenanordnung in § 104 Abs 3 SGB III die erneute Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen im dafür vorgesehenen Verfahren erfordert.
23Der in § 104 Abs 3 SGB III genannte Zeitraum von drei Monaten, der auch als "Karenzzeit" bezeichnet wird, bezweckt zunächst zu verhindern, dass Kug zu einer Art Dauerleistung werden kann (vgl Bieback in BeckOGK, § 104 SGB III, RdNr 6, 34 ff, Stand Mai 2025, auch zum Folgenden). Wirtschaftlich an sich nicht (mehr) leistungsfähige Betriebe sollen durch die Kug-Gewährung nicht "subventioniert" werden (vgl auch § 96 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III, der auf einen vorübergehenden Arbeitsausfall abstellt). Ein (erneuter) Bezug ist deshalb frühestens nach einer Zeit von drei Monaten ohne Kug-Bezug wieder möglich; die Überbrückung dieses Zeitraums ohne Kug indiziert die Leistungsfähigkeit des Betriebs.
24Dass nach drei Monaten ohne Leistungsbezug immer auch von einem neuen Leistungsfall auszugehen ist, bestätigen die Begründungen der Gesetzentwürfe zu den Vorläuferregelungen des § 104 Abs 3 SGB III. Die "Karenzzeit" geht zurück auf § 119 Abs 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG; idF der Neufassung vom , BGBl I 321), wonach eine erneute Gewährung von Kug noch daran geknüpft war, dass die Arbeitnehmer mindestens dreizehn Wochen wenigstens fünf Sechstel der betrieblichen Arbeitszeit gearbeitet haben mussten. § 67 Abs 3 AFG des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom (BGBl I 582) hat diese Regelung ab dem modifiziert übernommen und fordert erstmals das Verstreichen von drei Monaten ohne Kug-Bezug, um Leistungen erneut gewähren zu können. In der Begründung zum Gesetzentwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes wird zu diesem Punkt ausgeführt (BT-Drucks V/2291, 72, noch zu § 62 Abs 3 AFG): "Da das Kurzarbeitergeld kürzere Beschäftigungskrisen überbrücken soll, ist es erforderlich, eine erneute Gewährung nach Ausschöpfung der festgesetzten Bezugsfrist oder nach einer gewissen Zeit der Vollarbeit erst wieder zuzulassen, wenn nach dem letzten Tage des Bezuges von Kurzarbeitergeld mindestens drei Monate verstrichen und die Voraussetzungen erneut erfüllt sind. Damit soll sichergestellt werden, daß nur in wirtschaftlich existenzfähigen Betrieben wiederholt Kurzarbeitergeld gewährt wird. Der Tatbestand des Absatzes 3 liegt auch vor, wenn während der Bezugsfrist drei Monate lang voll gearbeitet worden ist; muß der Betrieb danach wieder Kurzarbeit einführen, beginnt mit der Anerkennung der Kurzarbeit eine neue Bezugsfrist von sechs Monaten, die nach Eingang der neuen Anzeige mit dem Tage anfängt, für den erstmals wieder Kurzarbeitergeld gewährt wird." Dies belegt, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine "Karenzzeit" nicht nur einzuhalten ist, wenn die Bezugszeit ausgeschöpft ist. Vielmehr soll auch bei einer Unterbrechung von drei Monaten während einer noch laufenden Bezugsfrist die Zahlung von Kug erst wieder in Betracht kommen, wenn ein Arbeitsausfall erneut angezeigt wird und vorliegt. Die Unterbrechung beendet also den Leistungsfall ebenso wie die Erschöpfung der Bezugsdauer.
25§ 177 Abs 3 SGB III idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes vom (BGBl I 594) hat § 67 Abs 3 AFG mit Wirkung vom ohne wesentliche inhaltliche Änderung übernommen. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, bereits nach bislang geltendem Recht sei bei mindestens dreimonatiger Unterbrechung im Leistungsbezug von einem neuen Leistungstatbestand auszugehen, für den eine neue Bezugsfrist beginne (BT-Drucks 13/4941, 187). Dies unterstreicht die Vorstellung des Gesetzgebers, nach einer Unterbrechung von drei Monaten stets einen neuen Leistungsfall anzunehmen. Dass sachliche Änderungen durch das SGB III nicht erfolgen sollten, gilt auch im Hinblick auf § 104 Abs 3 SGB III. Diese ab dem geltende Vorschrift (idF des Gesetzes vom , BGBl I 2854) hat § 177 Abs 3 SGB III aF ohne inhaltlich Änderung übernommen.
26Schließlich stützen auch gesetzessystematische Gründe die vorgenommene Auslegung. Denn für den Fall einer Unterbrechung des Kug-Bezugs sieht § 104 Abs 2 SGB III "für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat" als Rechtsfolge ausdrücklich die Verlängerung der Bezugsdauer vor, ohne dies von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 104 RdNr 49 ff, Stand August 2016, der dies als "Hemmung der Bezugsdauer" bezeichnet). Erst daran anknüpfend fordert § 104 Abs 3 SGB III das "erneute" Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für den Fall, dass drei Monate kein Kug gezahlt wird. In der Zusammenschau des Abs 2 mit Abs 3 ist es deshalb geboten, in Abs 3 systematisch eine Regelung für den Fall der Unterbrechung zu sehen. Denn die Regelungen wären lückenhaft bei einem Verständnis, wonach im Anschluss an eine Unterbrechung des Leistungsbezugs von drei Monaten oder länger bei noch nicht ausgeschöpfter Bezugsdauer zwar keine Verlängerung der Bezugsdauer eintreten würde, aber auch keine erneute Prüfung aller Anspruchsvoraussetzungen zu erfolgen hätte.
27Hier liegt der Fall so, dass der Kläger im Rahmen einer ab dem laufenden einjährigen Bezugsdauer - gestützt auf die erste Arbeitsausfallanzeige vom - nur für die Monate März und April 2020 Leistungen auf Kug geltend gemacht und erhalten hat. Danach hat er für mehr als drei Monate kein Kug mehr bezogen, sondern begehrt dieses erst wieder ab Dezember 2020. Wegen der für mehr als drei Monate eingetretenen Unterbrechung kommen nach § 104 Abs 3 SGB III Ansprüche erst wieder in Betracht, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen erneut vorliegen, mithin auch erst dann, wenn erneut eine Arbeitsausfallanzeige erfolgt. An einer (neuen) Arbeitsausfallanzeige, die Wirkung bereits ab Dezember 2020 entfalten würde, fehlt es indes (dazu im Einzelnen cc).
28bb) Der Rechtsauffassung des Klägers, § 104 Abs 3 SGB III sei wegen der durch die COVID-19-Pandemie und der zeitweisen vollständigen Schließung besonderer Betriebe teleologisch zu reduzieren, ist mangels der Voraussetzungen für eine solche Auslegung nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass dies im Ergebnis zur Unanwendbarkeit von § 104 Abs 3 SGB III führen würde, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber durch zahlreiche Maßnahmen - auch im Regelungszusammenhang des Kug (dazu iE Schlegel in Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 6 RdNr 1 ff) - auf die Pandemie reagiert hat. Von einer Änderung oder gar Suspendierung der Regelung in § 104 Abs 3 SGB III hat er allerdings abgesehen. Anhaltpunkte für ein gesetzgeberisches Versehen oder eine Lücke im Gesetz sind nicht ersichtlich (so - zur Fristenregelung des § 325 Abs 3 SGB III - bereits - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 3, RdNr 25). Dies gilt in gleicher Weise für § 104 Abs 3 SGB III. Im Übrigen erscheint es auch in Pandemiezeiten nicht unzumutbar und stellt auch keine - wie der Kläger meint - überflüssige rein formelle Voraussetzung dar, nach einer Unterbrechung des Bezugs von Kug von mehr als drei Monaten trotz der zuvor erfolgten Anerkennung eines erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für Kug, einen erneuten Arbeitsausfall anzuzeigen und glaubhaft zu machen.
29cc) Die Arbeitsausfallanzeige, die der Kläger am erstattet hat, entfaltet keine Rechtswirkungen für einen Zeitraum vor Februar 2021 und damit auch nicht für den Dezember 2020. § 99 Abs 2 Satz 1 SGB III bestimmt, dass Kug frühestens von dem Kalendermonat an geleistet wird, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Anderes kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht; dann gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie - obwohl verspätet - unverzüglich erstattet worden ist (§ 99 Abs 2 Satz 2 SGB III).
30Nach der Unterbrechung des Leistungsbezugs ist hier nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG eine Arbeitsausfallanzeige erst wieder im Februar 2021 erfolgt. Der vermeintliche Arbeitsausfall, wenn er tatsächlich bereits ab Dezember vorgelegen haben sollte, dürfte zwar durch eine behördliche bzw behördlich anerkannte Maßnahme iS des § 96 Abs 3 Satz 2 SGB III verursacht sein (Schließungsanordnung wegen der Pandemie) und damit auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Von einer unverzüglichen Anzeigeerstattung als weiterer Voraussetzung für eine Rückwirkung ist hier allerdings nicht auszugehen. Unverzüglich bedeutet nach der maßgeblichen rechtsgrundsätzlichen Definition des § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern (vgl nur Müller-Grune in jurisPK-SGB III, 3. Aufl 2023, § 99 RdNr 41, Stand ). Ein schuldhaftes Zögern ist aber schon deshalb anzunehmen, weil der Kläger selbst vorträgt, sich bereits im Dezember 2020 bei der Beklagten gemeldet zu haben. Eine Anzeigeerstattung war ihm mithin bereits im Dezember möglich. Umstände dafür, warum er die dennoch verspätet erfolgte Anzeige mit Antragstellung erst im Februar 2021 nicht zu vertreten hätte, sind weder festgestellt noch ersichtlich. Soweit eine Verkennung der Rechtslage als Grund für die Verspätung geltend gemacht werden sollte, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Die Missachtung der dem Kläger nach den Feststellungen des LSG erteilten Hinweise zur Erforderlichkeit einer erneuten Anzeigeerstattung bei einer mehr als dreimonatigen Unterbrechung des Kug-Bezugs durch den Bescheid vom und durch die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Informationen lassen das Verhalten des Klägers als schuldhaft erscheinen.
31Ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X im Falle einer verspäteten Arbeitsausfallanzeige möglich ist (ablehnend LSG NRW vom - L 20 AL 201/22 - juris RdNr 37 ff; zum Streitstand Bieback in BeckOGK, SGB III, § 99 RdNr 44 ff, Stand Mai 2025; zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach § 325 Abs 3 SGB III vgl - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 3, RdNr 29 ff) kann dahinstehen. Auch dies würde eine Fristversäumnis ohne Verschulden voraussetzen, die hier nicht vorliegt. Wie vom LSG zutreffend dargelegt, bestehen auch keine Gründe, die eine Nachsichtgewährung rechtfertigen würden (vgl auch hierzu - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4300 § 325 Nr 3, RdNr 43).
32b) Der Anerkennungsbescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Wegen der - wie oben dargelegt - erst ab Februar 2021 wirksamen Arbeitsausfallanzeige kommt auch die Anerkennung der Voraussetzungen für Kug nach § 99 Abs 3 SGB III für einen früheren Zeitraum nicht in Betracht.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Trotz Aufhebung des Bescheids vom im Termin durch die Beklagte hält der Senat eine Kostenbelastung der Beklagten nicht für gerechtfertigt, weil sich diese Aufhebung wirtschaftlich nicht zu Gunsten des Klägers auswirkt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:040625UB11AL224R0
Fundstelle(n):
DAAAK-00663