Suchen Barrierefrei
BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1277/23

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Unzulässigerklärung (§ 1032 Abs 2 ZPO) eines ICSID-Schiedsverfahrens zwischen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen Investoren und der Bundesrepublik Deutschland (Intra-EU-Investor-Staat-ICSID-Schiedsverfahren) - Unzulässigkeit ua mangels hinreichender Darlegungen zur Ultra-Vires-Kontrolle der EuGH-Rspr in den Sachen Achmea und Komstroy

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 267 AEUV, Art 344 AEUV, Art 26 ECHVertr, Art 26 S 1 InvStreitÜbk, Art 41 Abs 1 InvStreitÜbk, Art 2 Abs 1 S 1 InvStreitÜbkG, Art 2 Abs 2 InvStreitÜbkG, Art 2 Abs 4 InvStreitÜbkG, Art 2 § 11 SchiedsVfG, § 1025 Abs 2 ZPO, § 1032 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: I ZB 43/22 Beschluss

Gründe

1Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist ein Beschluss des Bundesgerichtshofs, der die Unzulässigkeit eines ICSID-Schiedsverfahrens über eine Klage der Beschwerdeführerinnen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Vertrags über die Energiecharta feststellte.

I.

21. Im Jahr 1969 trat für die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom (im Folgenden: ICSID-Übereinkommen; vgl. Gesetz zu dem Übereinkommen vom zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten; im Folgenden: InvStreitBeilG, BGBl II 1969 S. 369) in Kraft. Nach Art. 1 des ICSID-Übereinkommens wird das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (im Folgenden: ICSID-Zentrum) errichtet, dessen Zweck es ist, nach Maßgabe dieses Übereinkommens Vergleichs- und Schiedseinrichtungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Vertragsstaaten und Angehörigen anderer Vertragsstaaten zur Verfügung zu stellen. Das ICSID-Übereinkommen enthält zudem die folgenden Regelungen:

Artikel 25

(1) 1Die Zuständigkeit des Zentrums erstreckt sich auf alle unmittelbar mit einer Investition zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat (oder einer von diesem dem Zentrum benannten Gebietskörperschaft oder staatlichen Stelle) einerseits und einem Angehörigen eines anderen Vertragsstaats andererseits, wenn die Parteien schriftlich eingewilligt haben, die Streitigkeiten dem Zentrum zu unterbreiten. 2Haben die Parteien ihre Zustimmung erteilt, so kann keine von ihnen sie einseitig zurücknehmen.

[…]

Artikel 26

1Die Zustimmung der Parteien zum Schiedsverfahren im Rahmen dieses Übereinkommens gilt, sofern nicht etwas anderes erklärt wird, zugleich als Verzicht auf jeden anderen Rechtsbehelf. 2Als Bedingung für seine Zustimmung zum Schiedsverfahren nach diesem Übereinkommen kann ein Vertragsstaat die Erschöpfung der innerstaatlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren verlangen.

Artikel 41

(1) Das Gericht entscheidet selbst über seine Zuständigkeit.

(2) Jede Einrede, die eine Partei mit der Begründung erhebt, daß die Streitigkeit nicht in die Zuständigkeit des Zentrums oder aus anderem Grund nicht in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, wird vom Gericht geprüft, das darüber entscheidet, ob diese Einrede als Vorfrage zu behandeln oder mit der Hauptsache zu verbinden ist.

32. Der Vertrag über die Energiecharta vom (im Folgenden: ECV; vgl. Gesetz zu dem Vertragswerk vom über die Energiecharta, BGBl II 1997 S. 4) wurde von der Europäischen Gemeinschaft, deren Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Italiens) und der Europäischen Atomgemeinschaft als gemischtes völkerrechtliches Abkommen insbesondere mit seinerzeit assoziierten osteuropäischen Staaten geschlossen. Es handelt sich um einen multilateralen Vertrag, der private Investitionen im Bereich des Energiesektors in den Vertragsstaaten schützen soll. Auch Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören, sind Parteien des Vertrags. Er enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

Artikel 10 Förderung, Schutz und Behandlung von Investitionen

(1) 1Jede Vertragspartei fördert und schafft im Einklang mit diesem Vertrag stabile, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen.

[…]

Artikel 16 Beziehungen zu anderen Übereinkünften

Haben zwei oder mehr Vertragsparteien früher eine internationale Übereinkunft geschlossen oder schließen sie später eine solche Übereinkunft, deren Bestimmungen die in Teil III oder V dieses Vertrags behandelten Angelegenheiten betreffen,

1. so darf Teil III oder V dieses Vertrags nicht so ausgelegt werden, als weiche er von Bestimmungen der anderen Übereinkunft oder von dem Recht auf diesbezügliche Streitbeilegung aufgrund der Übereinkunft ab, und

2. so darf keine Bestimmung der anderen Übereinkunft so ausgelegt werden, als weiche sie von einer Bestimmung in Teil III oder V dieses Vertrags oder von dem Recht auf diesbezügliche Streitbeilegung aufgrund dieses Vertrags ab,

soweit eine derartige Bestimmung für den Investor oder die Investition günstiger ist.

Artikel 26 Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Investor und einer Vertragspartei

(1) Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des letzteren im Gebiet der ersteren, die sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.

(2) Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat, nach Absatz 1 beigelegt werden, so kann der Investor als Streitpartei die Streitigkeit auf folgende Weise beilegen lassen:

a) durch die Zivil- oder Verwaltungsgerichte der an der Streitigkeit beteiligten Vertragspartei,

b) im Einklang mit einem anwendbaren, zuvor vereinbarten Streitbeilegungsverfahren oder

c) im Einklang mit den folgenden Absätzen.

(3)

a) Vorbehaltlich nur der Buchstaben b) und c) erteilt jede Vertragspartei hiermit ihre uneingeschränkte Zustimmung, eine Streitigkeit einem internationalen Schieds- oder Vergleichsverfahren in Übereinstimmung mit diesem Artikel zu unterwerfen.

[…]

(4) Beabsichtigt ein Investor, die Streitigkeit einer Beilegung nach Absatz 2 Buchstabe c) zu unterwerfen, so hat er ferner schriftlich seine Zustimmung zu erteilen, damit die Streitigkeit folgenden Stellen vorgelegt werden kann:

a) i) dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das im Rahmen des am in Washington zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (im folgenden als "ICSID-Übereinkommen" bezeichnet) errichtet wurde, falls sowohl die Vertragspartei des Investors als auch die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei Vertragsparteien des ICSID-Übereinkommens sind, oder

ii) dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das im Rahmen des unter Buchstabe a) Ziffer i) genannten Übereinkommens nach den Regeln über die Zusatzeinrichtung für die Abwicklung von Klagen durch das Sekretariat des Zentrums (im folgenden als "Regeln für die Zusatzeinrichtung" bezeichnet) errichtet wurde, falls die Vertragspartei des Investors oder die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei, aber nicht beide, Vertragspartei des ICSID-Übereinkommens ist,

b) einem Einzelschiedsrichter oder einem Ad-hoc-Schiedsgericht, das nach der Schiedsordnung der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (im folgenden als "UNCITRAL" bezeichnet) gebildet wird, oder

c) einem Schiedsverfahren im Rahmen des Instituts für Schiedsverfahren der Stockholmer Handelskammer.

[…]

(6) Ein nach Absatz 4 gebildetes Schiedsgericht entscheidet über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit diesem Vertrag und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts.

[…]

(8) 1Schiedssprüche, die auch die Zuerkennung von Zinsen umfassen können, sind für die Streitparteien endgültig und verbindlich. […]

43. Für die Republik Irland trat das ICSID-Übereinkommen am und der Vertrag über die Energiecharta am in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland erklärte am den Rücktritt vom letztgenannten Vertrag (BGBl II 2023, Nr. 15). Am notifizierte die Europäische Union dem Verwahrer des Vertrags über die Energiecharta schriftlich den Rücktritt. Irland kündigte einen Rücktritt an. Der Vertrag sieht vor, dass eine Kündigung ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam wird, wobei seine Bestimmungen für Investitionen von dem Tag, an dem der Rücktritt der Vertragspartei von dem Vertrag wirksam wird, 20 Jahre lang weitergelten (vgl. Art. 47 Abs. 2 und 3 ECV).

54. Die Beschwerdeführerinnen entwickeln Anlagen zur Nutzung von Wind- und Solarenergie. Die Beschwerdeführerinnen zu 1. bis 3. sind Gesellschaften in der Rechtsform der irischen Limited mit Sitz in Dublin. Die Beschwerdeführerin zu 2. gehört zu 94 Prozent der Beschwerdeführerin zu 1. und zu sechs Prozent der Beschwerdeführerin zu 3. Die Beschwerdeführerin zu 3. gehört vollständig der Beschwerdeführerin zu 1. Seit 2022 gehört die Beschwerdeführerin zu 1. zu 54,4 Prozent einem norwegischen Unternehmen, zu 27,5 Prozent einem japanischen Handels-, Investment- und Dienstleistungsunternehmen und im Übrigen ihren bisherigen Gesellschaftern. Die Beschwerdeführerinnen zu 4. bis 6. gehören als deutsche Projektgesellschaften mit beschränkter Haftung vollumfänglich der Beschwerdeführerin zu 2.

65. Im Jahr 2008 begannen die Beschwerdeführerinnen mit der Entwicklung von drei Off- shore-Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee. Im Jahr 2012 wurde die Zulassung der Errichtung und des Betriebs von Windparks im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone neu geregelt. Ein Planfeststellungsverfahren löste das frühere Genehmigungsverfahren ab. An die Stelle des energiewirtschaftsgesetzlichen Netzanbindungsanspruchs trat eine Regelung über die diskriminierungsfreie Zuteilung von Kapazität auf der Grundlage des sogenannten Offshore-Netzentwicklungsplans (vgl. §§ 17a ff. Energiewirtschaftsgesetz <EnWG> i.d.F. vom ).

76.Die Beschwerdeführerinnen erhoben im Jahr 2017 eine Verfassungsbeschwerde gegen § 46 Abs. 3 des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz - WindSeeG), wonach mit dem sämtliche laufenden Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen auf See endeten, soweit die Vorhaben nicht unter den Anwendungsbereich der Ausschreibungen für bestehende Projekte nach § 26 Abs. 2 WindSeeG fielen. Sie sahen sich in ihren Grundrechten verletzt, weil der Verfahrensstand, den sie nach früher geltendem Recht erreicht hatten, einschließlich der bereits erteilten Genehmigung für die Zulassung des Betriebs eines Offshore-Windparks, nach der neuen Rechtslage keine rechtliche Bedeutung mehr hatte. Mit Beschluss vom entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See insoweit mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sei, als nach Maßgabe der Entscheidungsgründe eine Ausgleichsregelung erforderlich sei (vgl. BVerfGE 155, 238 <239, 301 ff. Rn. 157 ff.> - Wind-See-Gesetz).

87. Als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde § 10a WindSeeG erlassen, wonach den Trägern eines beendeten Vorhabens nunmehr ein Anspruch auf Erstattung näher bestimmter Kosten gewährt wird. Mit Anträgen vom beantragten die Beschwerdeführerinnen zu 4. bis 6. die Erstattung von Kosten in Höhe von 2,4 Millionen Euro. Mit drei Feststellungsbescheiden vom stellte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 398.000 Euro fest, also ungefähr in Höhe von 16,6 Prozent der beantragten Erstattung. Über die gegen die Feststellungsbescheide gerichteten Widersprüche ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden.

98. Zudem beantragten die Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom beim ICSID-Zentrum die Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland. Ausweislich der Anspruchsbegründung vom machten sie, gestützt auf Art. 10 Abs. 1 ECV, Schadensersatz in Höhe von 331 Millionen Euro zuzüglich Zinsen und Erstattung der mit dem Verfahren verbundenen Kosten geltend.

109. Mit Schriftsatz vom stellte die Bundesrepublik Deutschland beim Kammergericht einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des ICSID-Schiedsverfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich, dass Art. 26 ECV im Verhältnis zwischen dem Investor eines EU-Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat nicht zur Anwendung komme und es daher an einer wirksamen Schiedsvereinbarung fehle.

1110. Am wurde das Schiedsgericht gemäß Art. 37 ff. des ICSID-Übereinkommens gebildet. Einen Antrag der Bundesrepublik Deutschland auf sofortige Abweisung der Schiedsklage aufgrund offensichtlicher Aussichtslosigkeit wies das ICSID-Schiedsgericht mit Zwischenentscheidung vom zurück.

1211. Mit Beschluss vom wies das Kammergericht den Antrag der Bundesrepublik Deutschland als unzulässig zurück.

13a) Die begehrte Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO könne in einem dem ICSID-Übereinkommen unterliegenden Schiedsverfahren nicht geltend gemacht werden, weil die Regelungen des ICSID-Übereinkommens in sich abgeschlossene Verfahrensregelungen aufwiesen, neben denen andere Rechtsbehelfe nicht zulässig seien. Da das Schiedsgericht nach den Regeln des ICSID-Übereinkommens selbst über seine Zuständigkeit im Sinne einer Kompetenz-Kompetenz beziehungsweise einer Letztentscheidungskompetenz entscheide, könne § 1032 Abs. 2 ZPO daneben keine Geltung beanspruchen.

14b) Das Antragsverfahren gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO könne auch nicht wegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu innereuropäischen Investitionsstreitigkeiten für zulässig erachtet werden. Zwar habe der Gerichtshof in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass er die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit im innereuropäischen Rechtsverkehr ablehne und Schiedsabreden für unwirksam erachte. Diese Rechtsprechung verhalte sich jedoch nicht zu den Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung und deren Anwendbarkeit im Falle eines ICSID-Schiedsverfahrens. Die Beantwortung der Frage, ob eine wirksame Schiedsabrede bestehe, habe zunächst das nach den Regelungen des ICSID-Übereinkommens gebildete Schiedsgericht im Rahmen der ihm gemäß Art. 41 dieses Übereinkommens eingeräumten Kompetenz zu entscheiden. Die Nichtanwendung des § 1032 Abs. 2 ZPO auf ein ICSID-Schiedsverfahren stelle keinen Verstoß gegen das Unionsrecht dar. Denn die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Antrags beinhalte keine Würdigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und stelle auch keinen Widerspruch zu geltendem Unionsrecht dar. Bei § 1032 Abs. 2 ZPO handele es sich lediglich um eine Verfahrensvorschrift, die als Besonderheit des deutschen Rechts der Verfahrensökonomie dienen solle. Sie gehe den im deutschen Recht geltenden Verfahrensregelungen des ICSID-Übereinkommens nicht vor.

1512. Das ICSID-Schiedsgericht lehnte am den Antrag der Beschwerdeführerinnen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung ab, die in Deutschland angestrengten Verfahren seien schon seit längerem anhängig und begründeten daher nicht die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit. Zugleich sprach es die nachdrückliche Empfehlung aus, die Bundesrepublik Deutschland möge in Zukunft keine zusätzlichen Verfahren anstrengen oder auf den Vollzug einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs gerichtete Maßnahmen ergreifen, die mit der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts unvereinbar seien. Soweit die mit dem deutschen Gerichtsverfahren verbundenen Kosten den Beschwerdeführerinnen einen zusätzlichen Schaden verursachten, könnten sie möglicherweise eine Rechtsgrundlage finden, um diese in dem laufenden Schiedsverfahren geltend zu machen (vgl. Mainstream Renewable Power Ltd and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/21/26, Procedural Order No. 8, , Rn. 72, 78).

1613. Mit angegriffenem hob der Bundesgerichtshof auf die Rechtsbeschwerde der Bundesrepublik Deutschland hin die Entscheidung des Kammergerichts auf und stellte fest, dass das von den Beschwerdeführerinnen eingeleitete ICSID-Schiedsverfahren unzulässig sei.Er begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

17a) Die internationale Zuständigkeit für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ergebe sich aus der analogen Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO. Das eingeleitete Schiedsverfahren finde zwar weder im Sinne dieser Vorschrift "im Ausland" statt, noch sei der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens "noch nicht bestimmt". Soweit die delokalisierten ICSID-Schiedsverfahren vom Gesetzeswortlaut nicht erfasst würden, ergebe sich eine planwidrige Regelungslücke. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber diese besondere Konstellation habe ausgrenzen wollen. Mit den sich aus § 1025 Abs. 1 und 2 ZPO ergebenden drei Fallgruppen - "Schiedsort in Deutschland", "Schiedsort im Ausland" und "Schiedsort noch nicht bestimmt" - seien für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit im Sinne des als Grundlage für die Schiedsverfahrensreform dienenden UNCITRAL-Modellgesetzes alle denkbaren Konstellationen erfasst gewesen. Der deutsche Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, das 10. Buch der Zivilprozessordnung über den Anwendungsbereich des UNCITRAL-Modellgesetzes hinaus auf alle Schiedsverfahren auszudehnen. Damit seien alle nationalen und internationalen privatrechtlichen - und nicht nur handelsrechtlichen - Schiedsverfahren und - trotz ihres engen Bezugs zum Völkerrecht - als Sonderform auch die ICSID-Schiedsverfahren erfasst.

18Die Auffassung der Beschwerdeführerinnen, der Gesetzgeber habe mit der Änderung von Art. 2 Abs. 2 InvStreitBeilG im Zuge der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts durch Gesetz vom (BGBl I S. 3224, Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz - SchiedsVfG) eine abschließende Regelung für ICSID-Verfahren treffen wollen, greife nicht durch. Habe die Vorschrift vor der Reform für das Verfahren über den Antrag, die Zulässigkeit der Vollstreckung aus einem ICSID-Schiedsspruch festzustellen, die Vorschriften über das Verfahren bei der Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche, die gemäß § 1044 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. auch für ausländische Schiedssprüche gegolten haben, für entsprechend anwendbar erklärt, seien auf das Verfahren nunmehr ausdrücklich die Vorschriften über das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche entsprechend anzuwenden. Dies ändere aber nichts daran, dass Art. 2 InvStreitBeilG nach wie vor allein die postarbitrale Phase nach Erlass des Schiedsspruchs regele. Aussagen zur (Nicht-)Anwendbarkeit von § 1025 Abs. 2 ZPO (und § 1032 Abs. 2 ZPO) bei ICSID-Schiedsverfahren ließen sich dem nicht entnehmen.

19§ 1025 Abs. 2 ZPO sei zudem im Einklang mit § 1062 Abs. 2 ZPO, der die örtliche Zuständigkeit regele, auszulegen. Sehe § 1062 Abs. 2 ZPO in Fällen, in denen "kein deutscher Schiedsort" bestehe, für das Feststellungsverfahren des § 1032 Abs. 2 ZPO grundsätzlich hilfsweise eine örtliche Zuständigkeit des Kammergerichts vor, offenbare eine für den Fall des § 1032 Abs. 2 ZPO fehlende internationale Zuständigkeit auch insoweit eine planwidrige Regelungslücke. Es liege auch eine vergleichbare Interessenlage vor. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der sich im Gesetzeswortlaut manifestiert habe, sollten die deutschen Gerichte in den in § 1025 Abs. 2 ZPO aufgeführten Fällen auch dann angerufen werden können, wenn das Schiedsverfahren im Ausland stattfinde. Das darin zum Ausdruck kommende Interesse an einer globalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte in den genannten Fällen sei bei delokalisierten Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen ebenso gegeben wie bei Schiedsverfahren mit Schiedsort im Ausland. Das zeige sich insbesondere an der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommenen Regelung des § 1032 Abs. 1 ZPO zur Schiedseinrede in Klageverfahren vor dem staatlichen Gericht.Diese Einrede mit der möglichen Folge der Unzulässigkeit der Klage werde im Fall von ICSID-Schiedsverfahren ebenfalls erst über eine entsprechende Geltung des § 1025 Abs. 2 ZPO eröffnet.

20b) Der rechtzeitig gestellte Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO sei auch statthaft. Die Sperrwirkung des ICSID-Schiedsverfahrens betreffend ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten greife hier ausnahmsweise wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht durch.

21aa) Nach Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens entscheide das Schiedsgericht selbst über seine Zuständigkeit. Für eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts bereits ab der Einleitung des Verfahrens durch dessen Registrierung sprächen neben systematischen Erwägungen auch Sinn und Zweck des Übereinkommens, das auf eine möglichst weitreichende Entkoppelung von dem nationalen Recht und den staatlichen Gerichten angelegt sei. Die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts gemäß Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens sperre demnach bei einer isolierten Betrachtung der Bestimmungen des ICSID-Übereinkommens aufgrund des bereits eingeleiteten Schiedsverfahrens das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO.

22bb) Die Sperrwirkung des Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens stehe der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO in der besonderen Konstellation des Streitfalls eines Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahrens nach dem ICSID-Übereinkommen auf der Grundlage von Art. 26 ECV jedoch wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts - auch gegenüber dem Völkerrecht - ausnahmsweise nicht entgegen. Der Vorrang des Unionsrechts gebiete es, dass die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hätten, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge trügen. Nach den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten Grundsätzen sei im Intra-EU-Kontext eine mitgliedstaatliche gerichtliche Kontrolle eines ICSID-Schiedsspruchs im nachgelagerten Vollstreckbarerklärungsverfahren aus unionsrechtlichen Gründen - entgegen der Regelungssystematik des ICSID-Übereinkommens - zwingend geboten. Dann jedoch gebiete es der Effektivitätsgrundsatz ("effet utile"), bei der Entscheidung über die Statthaftigkeit eines vorgelagerten Rechtsbehelfs wie § 1032 Abs. 2 ZPO die insoweit entgegenstehende Vorschrift des Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens, die über das Zustimmungsgesetz einfaches Bundesrecht darstelle, unangewendet zu lassen, um so dem Unionsrecht frühestmöglich zur Wirksamkeit zu verhelfen.

23c) Der nationale Gesetzgeber habe mit § 1032 Abs. 2 ZPO aus verfahrensökonomischen Gründen bewusst einen besonderen, dem Schiedsverfahren (jedenfalls zunächst) vorgelagerten Rechtsbehelf geschaffen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts werde daher nicht durch eine unzulässige Auslegung des nationalen Rechts contra legem erreicht. Denn die Statthaftigkeit des Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Vorrang des Unionsrechts sei auch nicht ausnahmsweise nach Art. 351 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen. Diese Vorschrift, die sich auf Übereinkünfte, die vor dem oder, im Falle späterer beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts geschlossen wurden, beziehe, sei nach ihrem Wortlaut im Streitfall nicht direkt anwendbar. Eine analoge Anwendung auf Fallgestaltungen, in denen Rechte und Pflichten aus Übereinkünften betroffen sind, die zwar - wie hier - nach den in der Vorschrift genannten Zeitpunkten geschlossen wurden, aber einen Sachbereich betreffen, für den die Union erst später durch Kompetenzzuwachs zuständig geworden ist, scheide nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus.

24d) Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO liege vor. Insbesondere sei das Feststellungsverfahren nicht objektiv sinnlos. Es entfalte rechtliche und faktische Wirkungen. Eine Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO verhindere die spätere Vollstreckbarerklärung eines ICSID-Schiedsspruchs in Deutschland. Von einer vorgelagerten Feststellungsentscheidung eines deutschen obersten Gerichts könne darüber hinaus eine starke Signalwirkung für andere an das Unionsrecht gebundene staatliche Gerichte sowie für Drittstaaten in Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren und auch für das bereits eingeleitete ICSID-Schiedsverfahren ausgehen. Ein Schiedsgericht sei verpflichtet, auf einen wirksamen Schiedsspruch hinzuwirken. Dabei habe es zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission über Mittel verfüge, um die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union praktisch durchzusetzen. Die Befolgung eines unionsrechtswidrigen Schiedsspruchs könne eine unzulässige staatliche Beihilfe darstellen, was wiederum zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen den beklagten Mitgliedstaat führen könne. Die Entscheidung im Schiedsverfahren Green Power Partners v. Spanien, in der ein Schiedsgericht die Zustimmung eines Mitgliedstaats zur Schiedsvereinbarung nach Art. 26 ECV in einem Intra-EU-Streit wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht für unwirksam erachtet und dementsprechend seine Zuständigkeit verneint habe, spreche dagegen, dass Schiedsgerichte einer unionsrechtlich begründeten Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung grundsätzlich unzugänglich seien.

25e) Der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO sei auch begründet. Das Schiedsverfahren sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzulässig.

26Der Streitbeilegungsmechanismus in Art. 26 Abs. 2 Buchstabe c ECV verstoße nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit Blick auf Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren wie im Streitfall gegen das Unionsrecht. Wegen der Unvereinbarkeit insbesondere mit Art. 267, 344 AEUV fehle es an einer wirksamen Einwilligung und damit an einem Angebot der Bundesrepublik Deutschland zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung. Diese Rechtsprechung finde auch auf Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen Anwendung. Der Gerichtshof differenziere nicht zwischen den einzelnen Schiedsregeln, die Art. 26 Abs. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Abs. 4 Buchstaben a bis c ECV zur Auswahl stelle und die auch ein ICSID-Schiedsverfahren umfassten.

27f) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV sei nicht veranlasst.

28Es sei bereits geklärt, dass auch ein Intra-EU-Investor-Staat-ICSID-Schiedsverfahren auf der Grundlage des Art. 26 Abs. 2 Buchstabe c, Abs. 3 Buchstabe a, Abs. 4 Buchstabe a ECV mit dem Unionsrecht unvereinbar sei. Dass der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts sowie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV eine möglichst frühe Prüfung der Zulässigkeit von Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren auf der Grundlage des Vertrags über die Energiecharta geböten, sei ebenso zweifelsfrei zu beantworten. Die Auslegung des § 1032 Abs. 2 ZPO betreffe hingegen das nationale Verfahrensrecht und obliege nicht der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

29Der Senat habe bereits in der Rechtssache Achmea entschieden, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in bi- und multilateralen Investitionsschutzabkommen nicht ultra vires ergangen sei, sodass auch vor diesem Hintergrund keine Vorlage veranlasst sei (unter Verweis auf -, juris, Rn. 62 ff.). Zudem sei der Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von durch die Europäische Union geschlossenen internationalen Übereinkünften wie dem Vertrag über die Energiecharta befugt. Er habe sich auf eine Auslegung des Art. 26 ECV allein im Intra-EU-Kontext beschränkt und gerade keine uneingeschränkte Unanwendbarkeit statuiert. Hierbei habe er seine Kompetenzen nicht überschritten. In der Rechtssache Komstroy (unter Verweis auf EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 42 ff., 66) seien dem Gerichtshof Ausführungen im Rahmen eines obiter dictums, denen zufolge Art. 26 Abs. 2 Buchstabe c ECV dahin auszulegen sei, dass er auf Investitionsstreitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat nicht anwendbar sei, nicht versagt - und mithin nicht ultra vires - gewesen. Der Gerichtshof habe sich auch nicht über Art. 351 Abs. 1 AEUV hinweggesetzt und vielmehr eine analoge Anwendung dieser Vorschrift mit Blick auf die erforderliche enge Auslegung dieser Ausnahmevorschrift nachvollziehbar abgelehnt. Ein Verstoß der Entscheidungen des Gerichtshofs gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts oder das Wiener Übereinkommen vom über das Recht der Verträge liege ebenfalls nicht vor. Die Mitgliedstaaten hätten durch den Beitritt zur Europäischen Union ihre völkerrechtliche Dispositionsbefugnis beschränkt und untereinander auf die Ausübung mit dem Unionsrecht kollidierender völkervertraglicher Rechte verzichtet.

30Mit dem Einwand, es mangele den Entscheidungen des Gerichtshofs an einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, könne ebenfalls kein Ultra-vires-Akt begründet werden. Dieser Einwand betreffe nicht den nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 EUV auch bei der Kompetenzverteilung der Europäischen Union zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Korrektiv zum Schutz mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten. Die Entscheidungen beträfen nämlich die Abgrenzung der Zuständigkeiten staatlicher von Schiedsgerichten bei der Auslegung und Anwendung des Unionsrechts. Unabhängig davon gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidungen in der Sache nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügten, um das legitime Ziel der Sicherstellung der Kohärenz, der vollen Geltung und Autonomie des Unionsrechts zu erreichen.

II.

311. Mit ihrer am fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG.

32a) Der angegriffene Beschluss verletze sie wegen Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG .

33Der Bundesgerichtshof habe in unvertretbarer Weise das Bestehen einer Regelungslücke angenommen. Mit seiner Prämisse, es gebe "keinen Anhaltspunkt" dafür, dass der Gesetzgeber die "besondere Konstellation" eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach dem ICSID-Übereinkommen habe "ausgrenzen" wollen, verzichte er auf die erforderliche positive Feststellung der Planwidrigkeit der Lücke aufgrund konkreter Umstände. Der Gesetzesbegründung lasse sich kein Hinweis auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers entnehmen, den Anwendungsbereich des 10. Buchs der Zivilprozessordnung auf schiedsrichterliche Verfahren nach dem ICSID-Übereinkommen auszudehnen. Die Gesetzesbegründung mache mit der Betonung, dass die Regelungen auf alle Schiedsverfahren Anwendung fänden, lediglich deutlich, dass die Regelungen nicht nur auf Schiedsverfahren des internationalen Handelsrechts, sondern auch auf nationale Schiedsverfahren Anwendung finden sollten.

34Der Bundesgerichtshof lasse zudem außer Betracht, dass vor der zum in Kraft getretenen Reform des Schiedsverfahrensrechts das 10. Buch der Zivilprozessordnung keine vergleichbare Regelung zu § 1025 Abs. 2 in Verbindung mit § 1032 Abs. 2 ZPO enthalten habe. Ebenso wenig habe das bereits im Jahr 1969 verabschiedete Investitionsstreitigkeitenbeilegungsgesetz eine Regelung enthalten, nach der die deutschen Gerichte für die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach dem ICSID-Übereinkommen zuständig gewesen wären. Auch der seinerzeitigen Gesetzesbegründung lasse sich nichts zu einer Absicht des Gesetzgebers entnehmen, Regelungen zu treffen, die über das nach dem ICSID-Übereinkommen Notwendige hinausgingen oder gar im Widerspruch zu der vom ICSID-Übereinkommen vorgegebenen Kompetenzverteilung stünden. Hätte der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Schiedsverfahrensrechts eine substantielle - und im Widerspruch zu Art. 41 ICSID-Übereinkommen stehende - Kompetenzerweiterung der deutschen Gerichte beabsichtigt, wäre zu erwarten gewesen, dass dies in den Gesetzesmaterialien irgendeinen Niederschlag gefunden hätte.

35Schließlich zeige der Bundesgerichtshof auch keine vergleichbare Interessenlage auf. Er rechtfertige die analoge Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO, soweit dieser auf § 1032 Abs. 2 ZPO verweise (Prüfung der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens), damit, dass anderenfalls eine analoge Anwendung von § 1025 Abs. 2 ZPO, soweit dieser auf § 1032 Abs. 1 ZPO verweise (Schiedseinrede), auf das schiedsrichterliche Verfahren nach dem ICSID-Übereinkommen nicht möglich wäre. Es sei methodisch nicht vertretbar, eine Analogie damit zu begründen, dass ohne sie eine andere Analogie nicht möglich sei. Auch sei die von ihm postulierte vermeintlich vergleichbare Interessenlage an einer entsprechenden Anwendung von § 1032 Abs. 1 ZPO (Schiedseinrede) und § 1032 Abs. 2 ZPO (Prüfung der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens) in der Sache keineswegs selbsterklärend. Für eine analoge Anwendung von § 1025 Abs. 2 ZPO, soweit er auf § 1032 Abs. 1 ZPO verweise, könne immerhin streiten, dass ein deutsches Gericht gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO analog eine Klage im Falle der Einleitung eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach dem ICSID-Übereinkommen als unzulässig zurückweisen und so den Art. 26 Satz 1 ICSID-Übereinkommen, wonach die Zustimmung zum Schiedsverfahren Rechtsbehelfe vor anderen Gerichten sperre, durchsetzen könne. Vergleichbare Anknüpfungspunkte für eine analoge Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO, soweit er auf § 1032 Abs. 2 ZPO verweise, seien hingegen nicht ersichtlich.

36Das vom Bundesgerichtshof gewonnene Ergebnis widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung und überschreite damit die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung. Der Bundesgerichtshof habe in dem Beschluss selbst dargestellt, dass nach Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens einzig und allein das gebildete ICSID-Schiedsgericht zur Klärung der Frage der Zuständigkeit im Sinne von Art. 25 des ICSID-Übereinkommens das kompetente Forum sei. Er habe seine Verpflichtung zu einer völkerrechtskonformen Auslegung verfehlt und zudem unberücksichtigt gelassen, dass es an einem klaren Bekunden des Gesetzgebers fehle, sich über eine völkerrechtliche Verpflichtung hinwegsetzen zu wollen. Die vom Bundesgerichtshof postulierte Auslegung könne auch deshalb keinen Bestand haben, weil die deutschen Gerichte damit ermächtigt würden, jedes Schiedsverfahren zwischen einem Investor eines EU-Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat für unzulässig zu erklären, obwohl es an jedem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland oder deutschen Unternehmen fehle. Die damit begründete Ausweitung deutscher Rechtsprechungsgewalt auf rein externe Sachverhalte sei international ohne Vorbild.

37Die Analogie sei ferner nicht unionsrechtlich geboten gewesen. Der Anwendungsvorrang könne zur Unanwendbarkeit einer Bestimmung führen, gebe aber für den Fall der Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Norm nichts her. Der Grundsatz der Effektivität lasse sich ebenfalls nicht heranziehen. Es sei nicht ersichtlich, welches Deutschland durch die Unionsrechtsordnung eingeräumte Recht dadurch beeinträchtigt sein könnte, dass der Bundesgerichtshof die Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Norm des deutschen Prozessrechts zugunsten Deutschlands unterlasse. Im Übrigen differenziere der Gerichtshof der Europäischen Union klar zwischen der Pflicht der Mitgliedstaaten, die Ungültigkeit einer unionsrechtswidrigen Schiedsklausel vor dem Schiedsgericht zu rügen, und der Pflicht der nationalen Gerichte, einer Klage stattzugeben, die auf die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen einer unionsrechtswidrigen Schiedsvereinbarung gerichtet sei.

38b) Ferner verletze die angegriffene Entscheidung das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in mehrfacher Hinsicht. Erstens habe es der Bundesgerichtshof entgegen Art. 100 Abs. 2 GG unterlassen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die allgemeine Regel des Völkerrechts "pacta sunt servanda" dergestalt Teil des Bundesrechts sei, dass sie für die Beschwerdeführerinnen als partiellen Völkerrechtssubjekten unmittelbar das Recht erzeuge, von der Bundesrepublik Deutschland die Einhaltung der auf Art. 26 Abs. 2 Buchstabe c ECV in Verbindung mit Art. 25 ICSID-Übereinkommen beruhenden Schiedsvereinbarung zu verlangen. Zweitens verletze es Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Judikative ohne gesetzliche Grundlage und gegen den Wortlaut des Gesetzes eine eigene Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten postuliere, die nach den Gesetzen anderen Gerichten zugewiesen worden sei. Das ICSID-Schiedsgericht sei gesetzlicher Richter. Drittens entziehe der angegriffene Beschluss den Beschwerdeführerinnen ihren gesetzlichen Richter auch deswegen, weil der Bundesgerichtshof willkürlich die in Art. 267 Abs. 3 AEUV begründete Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte verletzt habe. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe die Frage der Vereinbarkeit eines EU-Investor-Staat-ICSID-Schiedsverfahrens gemäß Art. 26 ECV mit dem Unionsrecht noch nicht geklärt.

39c) Aus denselben Gründen rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihres allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Zudem sei ihr verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die angegriffene Entscheidung verletzt. Der Bundesgerichtshof habe ihr schutzwürdiges Vertrauen in die fortbestehende Zulässigkeit des vom Vertrag über die Energiecharta vorgesehenen Streitbeilegungsverfahrens nicht berücksichtigt. Schließlich verstoße der Bundesgerichtshof gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG, denn dessen Beschluss beruhe auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die einen Ultra-vires Akt darstelle. Der vom Gerichtshof zugrunde gelegte Autonomiebegriff sei ungeeignet, eine Verdrängung völkerrechtlicher Gerichtsbarkeiten zu rechtfertigen. Die Herleitung dieser Autonomie aus Art. 344 AEUV werde nicht begründet. Dass Schiedsgerichte von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 267 AEUV ausgeschlossen würden, sei evident falsch. Zudem sei die Erstreckung der für bilaterale Investitionsschutzabkommen entwickelten Achmea-Rechtsprechung auf multilaterale Abkommen methodisch nicht nachvollziehbar. Der Gerichtshof berücksichtige nicht, dass in dem Text des Vertrags über die Energiecharta keine Trennungsklausel enthalten sei. Die Kompetenzüberschreitung sei offensichtlich, weil der Gerichtshof nicht ausführe, wie sich die Grundrechte der Investoren zur unterstellten Gefährdung der Autonomie des Unionsrechts verhielten. Es liege auch eine strukturell bedeutsame Kompetenzverschiebung vor, denn Mitgliedstaaten der Europäischen Union werde die Kompetenz genommen, sich in einem völkerrechtlichen Vertrag Investoren der anderen Vertragspartei gegenüber einer Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen.

402. Die Bundesregierung hat Stellung genommen, zweifelt an der hinreichenden Substantiierung der Verfassungsbeschwerde und hält sie jedenfalls für unbegründet.

41a) Der angegriffene Beschluss überschreite nicht die durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG bestimmten Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Er beruhe auf einer methodisch zutreffenden und unionsrechtlich gebotenen Rechtsauslegung, die damit als vertretbar im Sinne des verfassungsrechtlichen Maßstabs einzustufen sei. Das Ergebnis des Bundesgerichtshofs füge sich nahtlos in die Konzeption des 10. Buches der Zivilprozessordnung ein. Da die Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts auf eine Lockerung des Territorialitätsgrundsatzes abgezielt habe, könnten auch vermeintlich delokalisierte Schiedsverfahren problemlos in den Anwendungsbereich des 10. Buches der Zivilprozessordnung fallen.

42b) Die analoge Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO auf Intra-EU-ICSID-Schiedsverfahren stehe im Einklang mit den Wertungen der Verfassung, insbesondere mit deren Völkerrechts- und Europarechtsfreundlichkeit.

43Der Beschluss verletze bereits nicht Art. 41 des ICSID-Übereinkommens. Der Feststellungsbeschluss eines (staatlichen) Gerichts entfalte keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber einem ICSID-Schiedsgericht. § 1032 Abs. 3 ZPO stelle ausdrücklich klar, dass die schiedsrichterliche Entscheidungsbefugnis unangetastet bleibe. Im Übrigen sei der Anwendungsbereich des § 1032 Abs. 2 ZPO zeitlich eng gefasst, denn der Antrag sei überhaupt nur bis zur Bildung des Schiedsgerichts zulässig. Die Kommunikation der Streitparteien laufe zu diesem Zeitpunkt allein über das ICSID-Sekretariat, welchem keine Zuständigkeitsprüfung und keine dem ICSID-Schiedsgericht vergleichbaren Funktionen zukämen. Ein Schiedsgericht, dessen Entscheidungskompetenz Art. 41 des ICSID-Übereinkommens nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen zu schützen bezwecke, existiere somit also nicht.

44Doch selbst wenn man einen solchen Eingriff annähme, wäre die von den Beschwerdeführerinnen herangezogene Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes hierdurch nicht beeinträchtigt. Denn es widerspreche nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit, wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht - allerdings nur unter Inkaufnahme entsprechender Konsequenzen im Staatenverkehr - nicht beachte, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden sei (mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 <400 f.>).

45Die Rechtsauslegung des Bundesgerichtshofs sei aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs geboten gewesen und stehe im Einklang mit dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Die Vorgaben des Unionsrechts zum Umgang mit Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren seien somit auch gegenüber dem ICSID-Übereinkommen und dem Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung vorrangig zu beachten gewesen. Wie die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verdeutliche, bärgen Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Unionsrechtsordnung. Um eine solche möglichst effektiv abzuwenden, habe jedes nationale Gericht das vom Gerichtshof der Europäischen Union formulierte Vollstreckungsverbot von Intra-EU-Investor-Staat-Schiedssprüchen im Rahmen seiner Rechtsprechung so früh wie möglich umzusetzen. Aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs sowie des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes müssten deutsche Stellen Verstöße gegen das Unionsrecht vermeiden, soweit es im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts möglich sei. Diese aus dem Unionsrecht resultierende Pflicht deutscher Gerichte, einen im nationalen Recht bestehenden Auslegungsspielraum soweit wie möglich auszuschöpfen, stelle zugleich ein verfassungsrechtliches Optimierungsgebot dar. Zur Umsetzung dieses Gebots, das der Erreichung unionsrechtskonformer Zustände diene, zähle auch die Erweiterung normativer Anwendungsbereiche (mit Verweis auf BVerfGE 129, 78 <99>). Der Bundesgerichtshof sei nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz sowie dem verfassungsrechtlichen Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung dazu angehalten gewesen, sicherzustellen, dass der Anwendungsbereich des § 1032 Abs. 2 ZPO auch in der Konstellation eines Intra-EU-ICSID-Schiedsverfahrens eröffnet werde. Zudem seien im vorliegenden Fall keine nachteiligen Konsequenzen im Staatenverkehr zu besorgen, da die Unanwendbarkeit des ICSID-Übereinkommens aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts vorliegend allein den Intra-EU-Kontext und damit eine innereuropäische Angelegenheit betreffe. Aus Sicht des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehe kein rechtliches Interesse der anderen ICSID-Vertragsstaaten, dass ein Intra-EU-ICSID-Schiedsverfahren durchgeführt und ein Intra-EU-ICSID-Schiedsspruch innerhalb der Union vollstreckt werde.

46Es liege ferner keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter vor. Insbesondere seien die Beschwerdeführerinnen nicht wegen einer unterlassenen Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden. Schließlich werde ihr diesbezügliches Recht nicht dadurch beeinträchtigt, dass ihnen das Schiedsgericht als Richter entzogen werde. Ein Investor-Staat-Schiedsgericht sei schon kein gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Außerdem werde den Beschwerdeführerinnen der Zugang zum ICSID-Schiedsgericht nicht entzogen. Sie betrieben das Schiedsverfahren weiter und ihre Stellung in diesem Verfahren werde durch den angegriffenen Beschluss nicht verändert.

473. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

III.

48Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben weder die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung (1.) noch ihr Rechtsschutzbedürfnis (2.) hinreichend substantiiert dargelegt.

491. Soweit die Beschwerdeführerinnen vortragen, der Bundesgerichtshof habe die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung durch einen unvertretbaren Analogieschluss überschritten, bei der Auslegung der von ihm herangezogenen gesetzlichen Vorschriften den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes missachtet und die Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als Ultra-vires-Akt bei der Auslegung nicht heranziehen dürfen (a), haben sie eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht substantiiert dargetan (b).

50a) aa) Auslegung und Anwendung der Gesetze durch die Gerichte stehen mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) im Einklang, wenn sie sich in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegen. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, dass gerichtliche Entscheidungen diesen Anforderungen genügen (vgl. BVerfGE 128, 193 <206 ff.>; 132, 99 <127 Rn. 73>; 149, 126 <154 f. Rn. 72 ff.>).

51Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299 <312>; 11, 126 <130 f.>; 105, 135 <157>; 133, 168 <205 Rn. 66>; 144, 20 <212 f. Rn. 555>; 163, 1 <27 Rn. 54> - Windenergie im Wald; 168, 1 <40 f. Rn. 118> - Beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfGE 11, 126 <130>; 105, 135 <157>; 133, 168 <205 Rn. 66>; 144, 20 <213 Rn. 555>; 157, 223 <263 f. Rn. 106> - Berliner Mietendeckel; 168, 1 <40 f. Rn. 118>). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich das Gericht nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfGE 122, 248 <283> - abw. M.; 133, 168 <205 Rn. 66>). Seine Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>; 133, 168 <205 Rn. 66>). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfGE 78, 20 <24> m.w.N.; 119, 247 <274>; 133, 168 <205 Rn. 66>; 138, 64 <93 f. Rn. 86>;168, 1 <40 f. Rn. 118>).

52Zu den Aufgaben der Rechtsprechung gehört die Rechtsfortbildung (vgl. BVerfGE 149, 126 <154 Rn. 73>; 168, 1 <45 Rn. 130>). Hierzu zählt auch der Analogieschluss (vgl. BVerfGE 82, 6 <12 f.>; 132, 99 <128 Rn. 77>; 168, 1 <45 Rn. 130>). Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung kann gegeben sein, wenn Lücken des geschriebenen Rechts bestehen oder Wertungswidersprüche aufgelöst werden müssen (vgl. BVerfGE 34, 269 <287>; 126, 286 <306>). Richterliche Rechtsfortbildung darf jedoch nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (vgl. BVerfGE 82, 6 <12 f.>; 128, 193 <210>; 132, 99 <127 Rn. 75>; 149, 126 <154 Rn. 73>; 168, 1 <45 Rn. 130>). Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfGE 118, 212 <243 f.>; 128, 193 <210>; 132, 99 <127 f. Rn. 75>; 133, 168 <205 f. Rn. 66>; 134, 204 <238 Rn. 115>; 149, 126 <154 Rn. 73>; 168, 1 <45 Rn. 130>). Für die Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben dem Wortlaut der Vorschrift auch der Systematik und den Gesetzesmaterialien eine nicht unerhebliche Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 133, 168 <205 f. Rn. 66>; 135, 126 <151 f. Rn. 81>; 137, 350 <367 Rn. 43>; 138, 261 <281 Rn. 46>; 145, 171 <215 Rn. 121>; 149, 126 <154 f. Rn. 74>; 168, 1 <45 f. Rn. 131>).

53Da die Rechtsfortbildung das einfache Recht betrifft, obliegt die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang gewandelte Verhältnisse neue rechtliche Antworten erfordern, wiederum den Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht darf deren Würdigung daher grundsätzlich nicht durch seine eigene ersetzen (vgl. BVerfGE 82, 6 <13>; 128, 193 <211>). Seine Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die rechtsfortbildende Auslegung durch die Fachgerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung und dessen Ziele respektiert und ob sie den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgt (vgl. BVerfGE 96, 375 <395>; 113, 88 <104>; 122, 248 <258>; 128, 193 <210 f.>; 132, 99 <128>).

54Die fachgerichtliche Beurteilung, ob der Sachverhalt eine Analogie rechtfertigt, unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Die Beantwortung der Frage, ob eine Gesetzeslücke oder eine abschließende Regelung vorliegt, erfordert im gleichen Maße eine rechtliche Wertung wie die Lösung des Problems, in welcher Weise die Lücke zu schließen ist (vgl. BVerfGE 82, 6 <13>). Sie setzt eine Betrachtung des einfachen Gesetzesrechts voraus, zu dessen Erforschung das Bundesverfassungsgericht nicht berufen ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 82, 6 <13>). Die Beantwortung der Frage, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Schaffung der Norm in einer deren analoge Anwendung rechtfertigenden Weise verändert haben, obliegt zunächst ebenfalls den Fachgerichten. Auch wenn sich bei der Rechtsfortbildung in verstärktem Maße das Problem des Umfangs richterlicher Gesetzesbindung stellt, ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle analoger Rechtsanwendung darauf beschränkt, ob das Fachgericht in vertretbarer Weise eine einfachgesetzliche Lücke angenommen und geschlossen hat und ob diese Erweiterung des Normenbereichs Wertungen der Verfassung, namentlich Grundrechten widerspricht (vgl. BVerfGE 82, 6 <13>).

55bb) Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit hat Verfassungsrang. Er leitet sich aus einer Zusammenschau der verfassungsrechtlichen Vorschriften her, die das Verhältnis Deutschlands zur internationalen Staatengemeinschaft zum Gegenstand haben (vgl. BVerfGE 141, 1 <26 f. Rn. 65> m.w.N.). Dieser Grundsatz gebietet, die nationalen Gesetze nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 83, 119 <128>; 111, 307 <317 f.>; 120, 180 <200 f.>; 128, 326 <367 f.>; 141, 1 <29 f. Rn. 71>). Im Rahmen geltender methodischer Grundsätze ist daher von mehreren möglichen Auslegungen eines Gesetzes grundsätzlich eine völkerrechtsfreundliche zu wählen (vgl. BVerfGE 141, 1 <29 f. Rn. 71> m.w.N.). Aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes folgt allerdings keine verfassungsrechtliche Pflicht zur uneingeschränkten Befolgung jeder Bestimmung des Völkerrechts (vgl. BVerfGE 123, 267 <400 f.>; 141, 1 <28 f. Rn. 69>).

56Die Fachgerichte haben das Völkervertragsrecht, dem gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG innerstaatlich der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zukommt (vgl. BVerfGE 111, 307 <318>; 141, 1 <19 f. Rn. 45 f.>), selbst auszulegen und anzuwenden. Die verfassungsgerichtliche Nachprüfung diesbezüglicher Entscheidungen folgt den dafür geltenden allgemeinen Maßstäben für die Kontrolle von Gerichtsentscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 441 <450>; 59, 63 <89>; 94, 315 <328>; 99, 145 <160>; 111, 307 <328>; 118, 124 <135>). Allerdings ist das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Zuständigkeit auch dazu berufen, Verletzungen des Völkerrechts, die in der fehlerhaften Anwendung oder Nichtbeachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen durch deutsche Gerichte liegen und eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit Deutschlands begründen können, nach Möglichkeit zu verhindern und zu beseitigen (vgl. BVerfGE 58, 1 <34>; 59, 63 <89>; 109, 13 <23>; 111, 307 <328>).

57cc) Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Gründung und Fortentwicklung der Europäischen Union mit. Für den Erfolg der Europäischen Union ist die einheitliche Geltung ihres Rechts von zentraler Bedeutung (vgl. BVerfGE 123, 267 <399>; 126, 286 <301>). Als Rechtsgemeinschaft könnte sie nicht bestehen, wenn die einheitliche Geltung und Wirksamkeit ihres Rechts nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Costa/ENEL, , C-6/64, EU:C:1964:66; stRspr). Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Recht der Union (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>). Mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, billigt das Grundgesetz daher die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 129, 78 <100>) und führt bei einer Kollision im konkreten Fall in aller Regel zu dessen Unanwendbarkeit (vgl. BVerfGE 126, 286 <301>).

58Allerdings gilt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht umfassend und ausnahmslos. Er reicht nur soweit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben beziehungsweise vorsehen (vgl. BVerfGE 73, 339 <375 f.>; 89, 155 <190>; 123, 267 <398 ff.>; 126, 286 <302>; 129, 78 <99>; 134, 366 <384 Rn. 26>; stRspr). Dem entsprechen die Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union. Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft (vgl. Art. 2 Satz 1 EUV; vgl. EuGH, Les Verts/Parlament, , C-294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23). Sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV; vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <187 f., 192, 199>; 123, 267 <349>; 126, 286 <302>; 134, 366 <384 Rn. 26>; 142, 123 <199 Rn. 144>) und die europäischen Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten, auf denen sie beruht (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV; vgl. BVerfGE 126, 286 <303>; 142, 123 <199 Rn. 144>). Das Unionsrecht bleibt von einer vertraglichen Ermächtigung abhängig. Für eine Erweiterung ihrer Befugnisse sind die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daher auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. Art. 48 Abs. 4 UAbs. 2, Abs. 6 UAbs. 2 Satz 3, Abs. 7 UAbs. 3 EUV; vgl. BVerfGE 142, 123 <199 Rn. 144>). Auch das Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. Art. 2 EUV, Art. 20 Abs. 3 GG) fordert eine wirksame Ermächtigung für die Ausübung öffentlicher Gewalt, sodass sich Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die auf Kompetenzüberschreitungen beruhen, weder auf eine gültige Aufgabenzuweisung durch die Verträge in Verbindung mit dem jeweiligen Zustimmungsgesetz stützen können noch Eingriffe in die Rechtssphäre der Bürgerinnen und Bürger zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 134, 366 <388 Rn. 30>; 142, 123 <202 Rn. 152>; 164, 193 <283 Rn. 127> - ERatG - NGEU).

59Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle berechtigt und verpflichtet, Maßnahmen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen erfolgen, und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>). Diese Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe zu koordinieren, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV). Wenn jeder Mitgliedstaat ohne Weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Anwendungsvorrang praktisch unterlaufen werden und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet (vgl. BVerfGE 126, 286 <303>).

60Die Ultra-vires-Kontrolle setzt dementsprechend eine hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung voraus. Damit wird zugleich die Aufgabenzuweisung an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV gewahrt (vgl. BVerfGE 126, 286 <307>; 142, 123 <200 f. Rn. 149>; 154, 17 <92 Rn. 112> - PSPP-Programm der EZB; 164, 193 <283 f. Rn. 129>). Eine qualifizierte Kompetenzüberschreitung muss offensichtlich und für die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten von struktureller Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 154, 17 <90 Rn. 110>; 164, 193 <283 f. Rn. 129>).

61Eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union liegt offensichtlich außerhalb der übertragenen Kompetenzen (vgl. BVerfGE 123, 267 <353, 400>; 126, 286 <304>; 134, 366 <392 Rn. 37>; 142, 123 <200 Rn. 148>; 151, 202 <300 f. Rn. 151> - Europäische Bankenunion; 154, 17 <90 Rn. 110>), wenn sich die Kompetenz bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (vgl. BVerfGE 126, 286 <308>; 142, 123 <200 Rn. 149>; 151, 202 <300 Rn. 151>; 164, 193 <284 Rn. 130>). Offensichtlich kann die Annahme einer Kompetenzüberschreitung auch dann sein, wenn sie das Ergebnis einer sorgfältigen und detailliert begründeten Auslegung ist (vgl. BVerfGE 142, 123 <201 Rn. 150>; 151, 202 <301 Rn. 152>; 154, 17 <92 f. Rn. 113>; 164, 193 <284 Rn. 131>).

62Die Auslegung des Unionsrechts einschließlich der Bestimmung der dabei anzuwendenden Methode ist zuvörderst Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV; vgl. BVerfGE 142, 123 <205 Rn. 158>). Die vom Gerichtshof entwickelten Methoden richterlicher Rechtskonkretisierung beruhen dabei auf den gemeinsamen (Verfassungs-)Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten, wie sie sich nicht zuletzt in der Rechtsprechung ihrer Verfassungs- und Höchstgerichte sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte niedergeschlagen haben. Insofern haben jedenfalls der Wortlaut einer Norm, die freilich in mehreren Sprachfassungen verbindlich ist, der von ihr verfolgte Regelungszweck (effet utile) und der systematische Kontext, in dem sie sich befindet, besonderes Gewicht. Die Eigentümlichkeiten des Unionsrechts bedingen allerdings nicht unbeträchtliche Abweichungen hinsichtlich der Bedeutung und Gewichtung der unterschiedlichen Interpretationsmittel. Eine offenkundige Außerachtlassung der im europäischen Rechtsraum überkommenen Auslegungsmethoden oder allgemeiner, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Rechtsgrundsätze ist vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV jedoch nicht umfasst (vgl. BVerfGE 142, 123 <206 f. Rn. 160>). Es ist vor diesem Hintergrund nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, bei Auslegungsfragen im Unionsrecht, die auch bei methodengerechter Bewältigung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs zu setzen (vgl. BVerfGE 126, 286 <307>). Vielmehr muss es eine richterliche Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof auch dann respektieren, wenn dieser zu einer Auffassung gelangt, der sich mit gewichtigen Argumenten entgegentreten ließe, solange sie sich auf anerkannte methodische Grundsätze zurückführen lässt und nicht objektiv willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 142, 123 <207 Rn. 161>).

63Eine strukturell bedeutsame Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen liegt vor, wenn die Kompetenzüberschreitung im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt. Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. BVerfGE 126, 286 <309>; 151, 202 <301 Rn. 153>; 154, 17 <90 Rn. 110>), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 <210>; 142, 123 <201 f. Rn. 151>; 151, 202 <301 Rn. 153>; 154, 17 <90 Rn. 110>; 164, 193 <284 f. Rn. 132>).

64Vor diesem Hintergrund setzt die Zulässigkeit einer auf einen Ultra-vires-Verstoß gestützten Verfassungsbeschwerde die Darlegung der aus dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes fließenden besonderen Anforderungen einer Ultra-vires-Rüge voraus (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83>).

65Aus dem Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Recht der Union (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>) folgt zudem, dass das nationale Recht im Rahmen der methodischen Grenzen unionsrechtskonform auszulegen ist (vgl. BVerfGE 75, 223 <237>; 129, 78 <99>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2216/06 u.a. -, Rn. 46 <zur richtlinienkonformen Auslegung>).

66b) Hieran gemessen haben die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG wegen Überschreitung der Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung durch den Bundesgerichtshof nicht substantiiert dargelegt.

67Die rechtsfortbildende Auslegung durch den Bundesgerichtshof folgt den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung (aa). Ein Widerspruch zu den Wertungen der Verfassung - hier durch die Nichtbeachtung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und die Heranziehung der als Ultra-vires-Akt nicht anwendbaren Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - ist nicht substantiiert dargetan (bb).

68aa) Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur erweiternden Auslegung des § 1025 Abs. 2 ZPO, soweit er auf § 1032 Abs. 2 ZPO verweist, sind nachvollziehbar und folgen den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung.

69Der Bundesgerichtshof hat im Ausgangspunkt darauf abgestellt, dass sich § 1025 Abs. 2 ZPO, der die internationale Zuständigkeit für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO begründet, seinem Wortlaut nach nur auf Schiedsverfahren bezieht, die "im Ausland" stattfinden oder deren Ort "noch nicht bestimmt" ist. Delokalisierte und damit anationale ICSID-Schiedsverfahren seien vom Wortlaut dieser Norm nicht erfasst. Deswegen sei die Regelung des § 1025 Abs. 2 ZPO "entsprechend" beziehungsweise "analog" auf diese Verfahren anzuwenden. Die Planwidrigkeit dieser Regelungslücke sieht er darin, dass es keine Anhaltspunkte für eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gebe, derartige Schiedsverfahren aus dem 10. Buch der Zivilprozessordnung auszugrenzen. Der Gesetzgeber habe vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass das 10. Buch der Zivilprozessordnung über den Anwendungsbereich des UNCITRAL-Modellgesetzes hinaus auf alle Schiedsverfahren Anwendung finden solle. Art. 2 Abs. 2 InvStreitBeilG betreffe lediglich die postarbitrale Phase und regele nur das Verfahren über den Antrag, die Zulässigkeit der Vollstreckung aus einem ICSID-Schiedsspruch festzustellen. Aussagen zur (Nicht-)Anwendbarkeit von § 1025 Abs. 2 ZPO und § 1032 Abs. 2 ZPO ließen sich hieraus nicht entnehmen. Eine Regelungslücke zeige sich zudem darin, dass § 1062 Abs. 2 ZPO über die örtliche gerichtliche Zuständigkeit einen im Grundsatz globalen Anwendungsbereich eröffne. Denn nach § 1062 Abs. 2 ZPO sei, wenn kein deutscher Schiedsort besteht und wenn für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auch nicht an den Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners, dessen Vermögen oder den von der Schiedsklage betroffenen Gegenstand angeknüpft werden kann, das Kammergericht zuständig. Diese Regelung spreche unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens der Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeit dafür, dass § 1025 Abs. 2 ZPO für die internationale Zuständigkeit über seinen Wortlaut hinaus immer dann einschlägig sein solle, wenn "kein deutscher Schiedsort" bestehe. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich im Zweifel, wenn besondere Zuständigkeitsregeln fehlten, mittelbar aus den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, also § 1062 Abs. 2 ZPO.

70Die vergleichbare Interessenslage sieht der Bundesgerichtshof darin, dass nach dem Willen des Gesetzgebers, der sich im Gesetzeswortlaut manifestiert habe, die deutschen Gerichte in den in § 1025 Abs. 2 ZPO aufgeführten Fällen auch dann angerufen werden können sollen, wenn das Schiedsverfahren im Ausland stattfinde. Das darin zum Ausdruck kommende Interesse an einer globalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte in den genannten Fällen sei bei delokalisierten Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen ebenso gegeben wie bei Schiedsverfahren mit Schiedsort im Ausland.

71Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren, ausführlichen Begründung haben die Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, dass der Bundesgerichtshof in methodisch nicht mehr vertretbarer Weise eine einfachgesetzliche Lücke angenommen und geschlossen habe.

72bb) Ein Widerspruch zu den Wertungen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten, ist ebenfalls nicht substantiiert dargetan. Zwar dürfte die Auslegung in einem Spannungsverhältnis zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem ICSID-Übereinkommen, das Bestandteil der deutschen Rechtsordnung ist, stehen (1). Allerdings begründet der Bundesgerichtshof seine Auslegung mit einer Ausnahme im Anwendungsbereich des Unionsrechts. Soweit er auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Unionsrechtswidrigkeit von investitionsschutzrechtlichen Schiedsklauseln von einer unionsrechtlichen Verpflichtung zu der von ihm vorgenommenen Auslegung ausgegangen ist, ist er an einer Bezugnahme auf die von ihm angeführte Rechtsprechung nicht deswegen gehindert, weil diese als Ultra-vires-Akt zu charakterisieren wäre. Die diesbezüglich hohen Substantiierungsanforderungen haben die Beschwerdeführerinnen nicht erfüllt (2). Auch wenn unterschiedlich beurteilt werden kann, ob der Bundesgerichtshof zu Recht von der von ihm angenommenen unionsrechtlichen Verpflichtung ausgegangen ist, ist jedenfalls nicht substantiiert aufgezeigt worden, dass seine Auslegung schlechthin unvertretbar und damit willkürlich ist (3).

73(1) (a) Das ICSID-Übereinkommen ist kraft des Rechtsanwendungsbefehls des Zustimmungsgesetzes vom (vgl. Rn. 2) Bestandteil der deutschen Rechtsordnung im Rang eines einfachen Gesetzes.

74Das Zustimmungsgesetz sieht vor, dass die aufgrund des Übereinkommens ergangenen Schiedssprüche vollstreckbar sind, wenn die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch gerichtlich festgestellt worden ist, wofür die Vorschriften über das Verfahren bei der Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche entsprechend anzuwenden sind (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 InvStreitBeilG). Zugleich sieht Art. 2 Abs. 4 InvStreitBeilG vor, dass der Antrag über die Feststellung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nur abgelehnt werden kann, wenn der Schiedsspruch in einem Verfahren nach Art. 51 oder Art. 52 des ICSID-Übereinkommens aufgehoben worden ist.

75Das Zustimmungsgesetz beansprucht nach wie vor Geltung. Das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz ordnete in Art. 2 § 11 SchiedsVfG lediglich an, dass für das Verfahren über den Antrag, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem ICSID-Schiedsspruch festzustellen, nunmehr die Vorschriften über das Verfahren bei der Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche anzuwenden seien. Eine weitergehende Überschreibung erfolgte indes nicht. Das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz verfolgte das Ziel, das Schiedsverfahrensrecht zu modernisieren und das von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) ausgearbeitete UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in das deutsche Recht zu übernehmen, "und zwar für alle, also auch für nationale Schiedsverfahren" (BRDrucks 211/96, S. 1). Im Unterschied zum Modellgesetz, dessen Art. 1 Abs. 1 in Kraft stehende völkerrechtliche Verträge vom Anwendungsbereich ausklammert, wurde in dem Regierungsentwurf zu § 1025 ZPO hierauf verzichtet mit dem Argument, dass der Vorrang völkerrechtlicher Verträge selbstverständlich sei (BTDrucks 13/5274, S. 31). Laut dem Bericht und der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom sollten die neuen Vorschriften "über den selbst definierten Anwendungsbereich dieses Modellgesetzes hinaus für alle Schiedsverfahren gelten. Dies schafft einen Anreiz, auch in nationalen Streitigkeiten von der Schiedsgerichtsbarkeit vermehrt Gebrauch zu machen und damit die staatliche Justiz zu entlasten" (BTDrucks 13/9124, S. 1).

76Vor diesem Hintergrund ist es vertretbar, die Formulierung "alle Schiedsverfahren" dahingehend zu verstehen, dass das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts über die Schiedsverfahren des internationalen Handelsrechts, die Anlass für die Gesetzgebung waren, hinausgehend auch nationale Schiedsverfahren erfassen sollte. Eine ausdrückliche inhaltliche Modifizierung der innerstaatlichen Anwendung des ICSID-Übereinkommens beziehungsweise eine ausdrückliche Überschreibung der Art. 26 und Art. 41 des ICSID-Übereinkommens erfolgte hingegen nicht (so auch Tietje, SchiedsVZ 2023, S. 289 <305>; Wettstein/Schöttmer, EuZW 2023, S. 997 <1004 f.>). Die in Art. 2 §§ 3-10 SchiedsVfG vorgenommene Änderung der Zustimmungsgesetze zu Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten zur Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit deutet darauf hin, dass der Schwerpunkt des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes auf Schiedsverfahren in Zivil- und Handelssachen lag. In der angeordneten entsprechenden Anwendung der Vorschriften über das Verfahren bei der Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche in Art. 2 § 11 SchiedsVfG zeigt sich zudem, dass der Gesetzgeber weiterhin ICSID-Schiedsverfahren weder als Schiedsverfahren im Inland noch im Ausland ansah. In welchem Verhältnis diese Regelungen zu § 1025 Abs. 2 ZPO stehen, blieb offen.

77(b) Es spricht vieles dafür, dass die Auslegung des Bundesgerichtshofs in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes steht, weil sie - wovon jener bei isolierter Betrachtung des ICSID-Übereinkommens selbst ausgeht - gegen Art. 41 des ICSID-Übereinkommens verstößt (aa) und das ICSID-Übereinkommen auch in Bezug auf den Einwand einer unwirksamen Schiedsabrede anwendbar ist (bb).

78(aa) Wie bereits dargelegt (vgl. oben Rn. 17 ff.), ist der Bundesgerichtshof der Ansicht, § 1025 Abs. 2 ZPO finde, soweit er auf § 1032 Abs. 2 ZPO verweist, auf Intra-EU-ICSID-Schiedsverfahren analog Anwendung. Folglich sieht er die Schiedsabrede entgegen Art. 26 und Art. 41 des ICSID-Übereinkommens nach § 1032 Abs. 2 ZPO als unzulässig an. Dabei geht er in der angegriffenen Entscheidung von einem Konflikt seiner durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebotenen Auslegung mit Art. 41 des ICSID-Übereinkommens aus (vgl. auch Tietje, SchiedsVZ 2023, S. 289 <304>).

79Nach Art. 26 des ICSID-Übereinkommens gilt die Zustimmung der Parteien zum Schiedsverfahren im Rahmen dieses Übereinkommens, sofern nicht etwas anderes erklärt wird, zugleich als Verzicht auf jeden anderen Rechtsbehelf. Gemäß Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens entscheidet das Schiedsgericht selbst über seine Zuständigkeit (sog. Kompetenz-Kompetenz). Art. 26 und die in Art. 41 Abs. 1 des ICSID-Übereinkommens zum Ausdruck kommende Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts schließen - wovon auch der Bundesgerichtshof ausgeht - grundsätzlich die Entscheidung eines nationalen Gerichts nach Einleitung eines ICSID-Schiedsverfahrens aus (vgl. Bubrowski, Internationale Investitionsschiedsverfahren und nationale Gerichte, 2013, S. 215 ff.; Alexandrov, in: Schill, Schreuer's Commentary on the ICSID Convention, 3. Aufl. 2022, Art. 26 Rn. 6, 230; Kriebaum, ebenda, Art. 41 Rn. 25 ff.; Schill/Schreuer/Sinclair, ebenda, Art. 25 Rn. 1091; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO <März 2025>, § 1062 Rn. 2.5). Auch das Schiedsgericht hat in seiner Entscheidung vom zu erkennen gegeben, dass die Gerichtsverfahren vor den deutschen Gerichten nach seiner vorläufigen Einschätzung gegen das ICSID-Übereinkommen verstoßen könnten (Mainstream Renewable Power Ltd and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/21/26, Procedural Order No. 8, , Rn. 61).

80(bb) Ob eine wirksame Schiedsabrede vorliegt, wird aus unionsrechtlicher und völkerrechtlicher Perspektive teils unterschiedlich bewertet (α). Jedenfalls dürfte aber die Frage der Wirksamkeit einer Schiedsabrede in den Anwendungsbereich des ICSID-Übereinkommens fallen, sodass für die Beantwortung dieser Frage grundsätzlich das ICSID-Schiedsgericht zuständig wäre (β).

81(α) Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erscheint es naheliegend, dass die Schiedsklausel des Art. 26 ECV als unionsrechtswidrig anzusehen ist, soweit sie für Schiedsverfahren zwischen einem Investor aus einem Mitgliedstaat gegen einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union herangezogen wird, und daher keine Wirkungen entfalten darf. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Schiedsklauseln in bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie ad hoc vereinbarte Schiedsabreden wegen Verstoßes gegen den in Art. 267, 344 AEUV zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Autonomie der Unionsrechtsordnung unionsrechtswidrig (vgl. EuGH, Achmea, , C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 59 f.; PL Holdings, , C-109/20, EU:C:2021:875, Rn. 56). Der Gerichtshof gab ferner zu erkennen, dass diese Erwägungen auch in Bezug auf die Schiedsklausel des Art. 26 ECV im Binnenverhältnis der EU-Mitgliedstaaten Anwendung finden (vgl.EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 42 ff.; EuGH, Gutachten 1/20, Entwurf eines modernisierten Vertrags über die Energiecharta, , EU:C:2022:485, Rn. 47) und Schadensersatzzahlungen infolge eines Schiedsspruchs unter Umständen als unionsrechtswidrige Beihilfe angesehen werden können. So hob er in der Rechtssache European Food ein Urteil des Gerichts auf, welches einen Beschluss der Europäischen Kommission, wonach die Begleichung eines Schiedsspruchs durch Rumänien eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, für nichtig erklärt hatte (vgl. EuGH, European Food, , C-638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 109 ff., 137 ff.). Dabei ließ der Gerichtshof allerdings offen, ob die Entscheidung des Gerichts gegen Art. 19 EUV sowie Art. 267 und Art. 344 AEUV verstieß (EuGH, European Food, , C-638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 148). In späteren Entscheidungen folgerte er aus seinen Entscheidungen in den Rechtssachen Achmea und European Food, dass ein Schiedsspruch, der mit Art. 267 und Art. 344 AEUV unvereinbar sei, keine Wirkung entfalten könne (vgl. EuGH, Romatsa, , C-333/19, EU:C:2022:749, Rn. 42 f.; Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, , C-516/22, EU:C:2024:231, Rn. 41).

82Die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten - mit Ausnahme Ungarns - gaben am eine Erklärung ab und bekräftigten unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass nach ihrem gemeinsamen Verständnis Art. 26 ECV nicht als Rechtsgrundlage für EU-interne Schiedsverfahren dienen könne und niemals habe dienen können. Der Vorrang des Unionsrechts als Regel des Völkerrechts zur Lösung von Normkonflikten komme in den gegenseitigen Beziehungen der Mitgliedstaaten zur Anwendung (ABl EU, L 2024/2121, , S. 4 f.).

83Aus völkerrechtlicher Sicht lässt die Unionsrechtswidrigkeit die Rechtsgültigkeit der Schiedsabrede allerdings grundsätzlich unberührt (vgl. Pache/Bielitz, EuR 2006, S. 316 <334 f.>; Kokott, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 351 Rn. 4; Hummer, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, AEUV Art. 351 Rn. 7; Wolfrum, IPRax 2022, S. 321 <323 ff.>; Lorenzmeier, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 351 Rn. 23 <Feb. 2019>). Die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung, wie sie in Art. 31 bis 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom (BGBl II 1985 II S. 926, Wiener Vertragsrechtskonvention, nachfolgend: WVRK) zum Ausdruck kommen. Konflikte zwischen völkerrechtlichen Verträgen lassen grundsätzlich deren Gültigkeit unberührt. Die Nichtigkeit einer vertraglichen Verpflichtung ist lediglich im Falle eines Verstoßes gegen zwingendes Völkerrecht nach Art. 53 WVRK anzunehmen. Das Verhältnis mehrerer Verträge über denselben Gegenstand wird in Art. 30 WVRK adressiert, wonach das Verhältnis spezialvertraglich geregelt werden (Art. 30 Abs. 2 WVRK) oder der lex posterior-Grundsatz, wonach der spätere Vertrag dem früheren vorgeht, zur Anwendung kommen kann (Art. 30 Abs. 3 und Abs. 4 WVRK). Nach Art. 41 Abs. 1 WVRK können zwei oder mehr Parteien eines mehrseitigen Vertrags eine Übereinkunft schließen, um den Vertrag ausschließlich im Verhältnis zueinander zu modifizieren, wenn die Möglichkeit einer solchen Modifikation in dem Vertrag vorgesehen ist oder eine derartige Modifikation durch den Vertrag nicht verboten ist, sich nicht auf eine Bestimmung bezieht, von der abzuweichen mit der vollen Verwirklichung von Ziel und Zweck des gesamten Vertrags unvereinbar ist, und die anderen Vertragsparteien nicht beeinträchtigt werden.

84Ob unter Anwendung dieser Regeln auch aus völkerrechtlicher Sicht keine wirksame Schiedsabrede vorliegt, etwa weil die Schiedsklausel des Art. 26 ECV dahingehend auszulegen ist, dass sie innerunionale Streitigkeiten nicht erfasst, oder die Verpflichtungen aus dem Unionsrecht jenen aus dem Vertrag über die Energiecharta vorgehen, ist im Schrifttum umstritten (vgl. von der Decken, in: Dörr/Schmalenbach, Vienna Convention on the Law of Treaties, 2. Aufl. 2018, Art. 30, Rn. 13 Fn. 31; Hobér, The Energy Charter Treaty, 2020, S. 401 ff.; Happold, ICSID Review 2021, S. 278 <280 ff.>; De Boeck, EU Law and International Investment Arbitration, 2022, S. 43 ff., 104 ff.; Köster, Investitionsschutz in Europa, 2022, S. 129 f., 168 f.; van der Beck, Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union, 2022, S. 173 ff.).

85Mit Blick auf die Praxis nationaler Gerichte ergibt sich kein einheitliches Bild (vgl. Tietje, SchiedsVZ 2023, S. 289 <306>). In der Europäischen Union entschieden mehrere mitgliedstaatliche Gerichte, Schiedssprüche wegen der Unvereinbarkeit der zugrundeliegenden Schiedsabrede mit dem Unionsrecht aufzuheben beziehungsweise nicht für vollstreckbar zu erklären (vgl. Cour d'Appel de Paris, , RG 20/14581, Rn. 72; , RG 20/13085, Rn. 97; Luxembourg Cour de cassation, , 116/2022, S. 30; Svea hovrätt, , T-4658/18, S. 2; Högsta domstolen, , T 1569-19, Rn. 56, 60; vgl. hierzu Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2023, S. 121 <135, 137>). Der Oberste Gerichtshof in Litauen bestätigte eine Entscheidung der Vorinstanz, wonach eine Klage der Republik Litauen gegen einen französischen Investor vor einem litauischen Gericht nicht durch ein auf ein bilaterales Investitionsschutzabkommen gestütztes laufendes ICSID-Schiedsverfahren ausgeschlossen werde, da die Schiedsklausel unionsrechtswidrig sei (vgl. Lietuvos Aukščiausiasis Teismas, , e3K-3-121-916/22, BeckRS 2022, 12132, EuZW 2022, S. 567, mit Anm. Wackernagel). Die Rechtsbank Amsterdam stellte fest, dass die durch einen Schiedsspruch auf Grundlage des Vertrags über die Energiecharta zugesprochene Entschädigung eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle und rechtswidrig sei, solange die Kommission diesen Schiedsspruch nicht ganz oder teilweise für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe (vgl. Rechtsbank Amsterdam, , C/13/728512/HA ZA 23-65, EuZW 2025, S. 379, mit Anm. Striebel).

86Demgegenüber gibt es außerhalb der Europäischen Union weiterhin staatliche Gerichte, die unter Berufung auf die abschließenden Regelungen des ICSID-Übereinkommens Schiedssprüche, die zwischen einem EU-Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat auf Grundlage eines bilateralen Investitionsschutzvertrags oder des Vertrags über die Energiecharta ergangen sind, anerkannt und für vollstreckbar erklärt beziehungsweise Streitigkeiten zwischen einem Investor aus einem Mitgliedstaat und einem anderen Mitgliedstaat als von der Schiedsklausel des Art. 26 ECV erfasst angesehen (vgl. High Court of Australia, , S43/2022, Rn. 78 f.; High Court of Justice, , [2023] EWHC 1226 (Comm), Rn. 86 ff.; Schweizer Bundesgericht, , 4A_244/2023, Rn. 7.7.6. ff.; vgl. hierzu Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2024, S. 121 <140>; Wilske/Krahn, IWRZ 2024, S. 171; Hubbes, EuR 2025, S. 157) oder die bis zur Veröffentlichung einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerichtlich angeordnete Suspendierung einer Vollstreckung unter Verweis auf die Regelungen im ICSID-Übereinkommen aufgehoben haben (vgl. UK Supreme Court, , [2020] UKSC 5, Rn. 117 f.; die Entscheidung ist Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens gewesen, vgl. EuGH, Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, , C-516/22, EU:C:2024:231, Rn. 176).

87Schiedsgerichte sind bislang mehrheitlich dem Einwand der Unionsrechtswidrigkeit nicht gefolgt und von einer völkerrechtlich wirksamen Schiedsvereinbarung ausgegangen (vgl. Schill/Schreuer/Sinclair, in: Schill, Schreuer's Commentary on the ICSID Convention, 3. Aufl. 2022, Art. 25, Rn. 1089; Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2023, S. 121 <136 f.>; Tietje, SchiedsVZ 2023, S. 289 <306>). Allerdings gibt es auch Schiedssprüche, in denen das jeweilige Schiedsgericht seine Zuständigkeit aufgrund der Unwirksamkeit der Schiedsabrede wegen deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht verneint hat (vgl. Green Power Partners v. Spain, Award, , SCC Case No. V 2016/135, Rn. 477; vgl. Lavranos/Lath/Varma, SchiedsVZ 2023, S. 38 <40>; Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2023, S. 121 <137>). Am entschieden erstmalig zwei ICSID-Schiedsgerichte in Verfahren gegen Spanien in nicht veröffentlichten Schiedssprüchen, dass Art. 26 ECV keine wirksame Schiedsabrede für innerunionale Streitigkeiten darstelle (vgl. European Solar Farms A/S v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/18/45; Sapec, S.A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/19/23; vgl. die Pressemitteilung des Königreichs Spanien, , abrufbar unter https://www.italaw.com/cases/12085 sowie https://www.italaw.com/ cases/8228).

88(β) Auch wenn die Wirksamkeit einer Schiedsabrede nach Art. 26 ECV bei innerunionalen Streitigkeiten unterschiedlich bewertet wird, dürfte jedenfalls die Frage der Auslegung der Schiedsklausel und der Beurteilung ihrer Wirksamkeit in die Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts fallen; die Einrede, die Schiedsabrede sei nicht wirksam, kann regelmäßig nicht dazu führen, die Zuständigkeit eines ICSID-Schiedsgerichts von vornherein zu verneinen (vgl. Alexandrov, in: Schill, Schreuer's Commentary on the ICSID Convention, 3. Aufl. 2022, Art. 26 Rn. 22, 230; Schill/Schreuer/Sinclair, ebenda, Art. 25 Rn. 1091; a.A. Rusche, IPRax 2021, S. 494 <500>; Steinbrück/Krahé, IPRax 2023, S. 36 <38 f.>). Selbst wenn also die Wirksamkeit der Schiedsabrede in Zweifel steht, haben die Vertragsparteien des ICSID-Übereinkommens diese Entscheidung auf das jeweilige Schiedsgericht und nicht auf die eigenen nationalen Gerichte übertragen.

89(2) Soweit sich der Bundesgerichtshof auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beruft, um den Konflikt mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Energiecharta und dem ICSID-Übereinkommen aufzulösen, ist er an deren Heranziehung nicht deshalb gehindert, weil diese Rechtsprechung als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren wäre. Die Verfassungsbeschwerde bleibt hinter den besonderen Substantiierungsanforderungen zurück, die für die Rüge von Ultra-vires-Verstößen durch Organe der Europäischen Union gelten (vgl. oben Rn. 64). Die Beschwerdeführerinnen haben nicht dargelegt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union seine Rechtsprechungskompetenzen offensichtlich überschritten hat und seine Auslegung der Art. 267, 344 AEUV nicht vom Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften gedeckt ist (a). Weiterhin haben sie nicht aufgezeigt, dass die Rechtsanwendung durch den Gerichtshof zu einer strukturellen Verschiebung von Kompetenzen auf die Europäische Union zulasten der Mitgliedstaaten führt (b).

90(a) Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Entscheidung in der Rechtssache Achmea (aa) oder die Erstreckung der daraufhin ergangenen Rechtsprechung auf den multilateralen Vertrag über die Energiecharta (bb) nicht von den Rechtsprechungskompetenzen des Gerichtshofs gedeckt ist. Gegen eine solche Annahme sprechen auch die Reaktionen der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten (cc).

91(aa) Vor dem Hintergrund des Vortrags der Beschwerdeführerinnen ist nicht ersichtlich, dass die Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht auf einer vertretbaren Auslegung und Anwendung des Unionsrechts beruht. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der bereits zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dem Grundanliegen des Achmea-Urteils und dessen Rezeption im Schrifttum.

92Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Achmea entschieden, dass die Art. 267 und Art. 344 AEUV einer Schiedsklausel eines Investitionsschutzvertrags zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, entgegenstehen (vgl. EuGH, Achmea, , C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 60).

93Das Achmea-Urteil und die seitdem ergangene Rechtsprechung sind im Kern von der Auffassung getragen, dass Investor-Staat-Streitigkeiten innerhalb der Europäischen Union typischerweise Sachverhalte betreffen, die auch in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Grundrechte nach der Grundrechtecharta fallen. Überließen die Mitgliedstaaten die verbindliche Klärung dieser Fragen Investitionsschiedsgerichten, die nicht am richterlichen Dialog mit dem Gerichtshof der Europäischen Union teilnehmen, bestünde aus Sicht des Gerichtshofs eine Gefahr für die einheitliche Anwendung und die Autonomie des Unionsrechts, deren Wahrung seine Aufgabe ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 557/19 -, Rn. 67).

94Bereits in seiner vor Achmea ergangenen Rechtsprechung hat der Gerichtshof entschieden, dass Gerichte, die auf Grundlage völkerrechtlicher Verträge der Mitgliedstaaten errichtet werden, geeignet sein können, die in den Europäischen Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft beziehungsweise der Union zu beeinträchtigen, deren Wahrung der Gerichtshof sichert (vgl. EuGH, Gutachten 1/91, EWR, , EU:C:1991:490, Rn. 35; Kommission gegen Irland, , C-459/03, EU:C:2006:345, Rn. 154; Gutachten 1/09, Patentgericht, , EU:C:2011:123, Rn. 79 ff.; Gutachten 2/13, EMRK, , EU:C:2014:2454, Rn. 182 ff.; vgl. für einen Überblick van der Beck, Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union, 2022, S. 102 ff.; Reissner, Die Autonomie der Unionsrechtsordnung, 2023, S. 38 ff.; Langenfeld, Die Autonomie des Unionsrechts, 2024, S. 73 ff.). Dabei stellte er schon damals auf Art. 267 und Art. 344 AEUV ab. Eine Verankerung des Grundsatzes, dass eine internationale Übereinkunft nicht die Autonomie der Unionsrechtsordnung beeinträchtigen darf, in Art. 344 AEUV erfolgte bereits ausdrücklich in dem EMRK-Gutachten des Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 (vgl. EuGH, Gutachten 2/13, EMRK, , EU:C:2014:2454, Rn. 201 m.w.N.).

95Dass Art. 344 AEUV sich nicht nur auf Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (vgl. für eine entsprechend enge Auslegung: -, juris, Rn. 36 ff.; Schlussanträge des GA Wathelet, , Achmea, Rs. C-284/16, EU:C:2017:699, Rn. 181 ff.), sondern auch auf solche zwischen Mitgliedstaaten und Investoren anderer Mitgliedstaaten beziehen kann, wird auch im Schrifttum vertreten. In diesem Zusammenhang wird angeführt, dass Art. 344 AEUV vor dem Hintergrund des Art. 19 EUV auszulegen sei. Diese Vorschrift habe insoweit abschließenden Charakter für den Rechtsschutz innerhalb der Europäischen Union. Zudem sei der Wortlaut des Art. 344 AEUV, anders als Art. 273 AEUV, nicht auf Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten beschränkt. Auch schließe die Formulierung "Regelung von Streitigkeiten" investitionsschutzrechtliche Verfahren nicht aus (vgl. insgesamt Dittert, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, AEUV Art. 344 Rn. 4 f.; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 344 Rn. 6 f.; Jaeger, EuR 2016, S. 203 <225 ff.>; van der Beck, Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union, 2022, S. 100; Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 344 Rn. 1 <Juli 2024>). Vor diesem Hintergrund wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass sich das Achmea-Urteil auf der bisherigen Linie der Rechtsprechung zur Autonomie des Unionsrechts bewege und daher nachvollziehbar sei (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 557/19 -, Rn. 66, unter Verweis auf Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, 2020, S. 170, 252, 305; Classen, EuR 2018, S. 361 <369>; Ruddigkeit, ZUR 2018, S. 420; Thörle, Der Konflikt zwischen Investitionsschutzabkommen und dem Recht der Europäischen Union, 2017, S. 213 ff.; van der Beck, a.a.O., S. 122 f., 137, 149, 272; ders., IWRZ 2021, S. 249 <253>). Selbst der Auslegung des Gerichtshofs gegenüber kritische Stimmen vertreten nicht ausdrücklich die Auffassung, dass das Achmea-Urteil einen Ultra-vires-Akt darstelle (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 557/19 -, Rn. 66 m.w.N.). Dem setzen die Beschwerdeführerinnen keine überzeugenden Argumente entgegen. Ihre Begründung dafür, dass die Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar" sei beziehungsweise "arbiträr" anmute, fällt recht knapp aus. Der Begründung des Gerichtshofs stellen sie ihre eigene Wertung pauschal gegenüber. Mit den Stimmen im Schrifttum, die ihre Rechtsauffassung nicht stützen, setzen sie sich nicht vertieft auseinander.

96(bb) Soweit die Beschwerdeführerinnen rügen, die Erstreckung der für bilaterale Investitionsschutzabkommen entwickelten Rechtsprechung auf multilaterale Abkommen sei methodisch nicht nachvollziehbar und von einem schwerwiegenden Begründungsausfall seitens des Gerichtshofs der Europäischen Union geprägt, weil dieser sich weder mit dem Argument einer fehlenden Trennungsklausel im Vertrag über die Energiecharta noch mit den Auswirkungen auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten und auf die Grundrechte der vom Verbot von Schiedsverfahren Betroffenen auseinandersetze, ist der Vortrag ebenfalls nicht hinreichend, eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung aufzuzeigen.

97Die Erstreckung der Achmea-Rechtsprechung auf den multilateralen Vertrag über die Energiecharta in der Komstroy-Entscheidung (EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 66) und im Gutachten 1/20 (EuGH, Gutachten 1/20, Entwurf eines modernisierten Vertrags über die Energiecharta, , EU:C:2022:485, Rn. 47) erscheint folgerichtig und vorhersehbar (vgl. Nikolov, EuR 2022, S. 496 <498>; Scheu/Nikolov, German Yearbook of International Law 2019, S. 475 <491 ff.>; Köster, Investitionsschutz in Europa, 2022, S. 134; van der Beck, IWRZ 2022, S. 260 <262>). Denn es ist nicht unvertretbar, die diesbezüglichen Erwägungen, die dem Achmea-Urteil und der seitdem ergangenen Rechtsprechung zugrunde liegen (vgl. oben Rn. 81), auf den Vertrag über die Energiecharta, soweit seine Anwendbarkeit in Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und Investoren aus anderen Mitgliedstaaten in Rede steht, zu übertragen. Dies entspricht auch dem Verständnis des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach ein multilateraler Vertrag im Investitionsschutzrecht im Wesentlichen bilaterale Beziehungen zwischen einem Staat und einem Investor eines anderen Staats regele (vgl. EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 64; vgl. zum ICSID-Übereinkommen EuGH, Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, , C-516/22, EU:C:2024:231, Rn. 75). Soweit die Beschwerdeführerinnen kritisieren, dass sich der Gerichtshof in der Komstroy-Entscheidung zu einer Rechtsfrage geäußert habe, die in dem konkreten Verfahren zwischen einem ukrainischen Investor und der Republik Moldau mangels Bezugs zum Unionsrecht irrelevant war (vgl. für eine ähnliche Kritik Wilske/Ebert, IWRZ 2021, S. 279 <281>; Dashwood, European Law Review 2022, S. 127 <131, 135>; Lavranos/Lath/Varma, SchiedsVZ 2023, S. 38 <42 f.>; Wolff, SchiedsVZ 2023, S. 281 ff.), stellen sie die Argumentation des Bundesgerichtshofs nicht überzeugend infrage. Nach dessen Auffassung sei der Gerichtshof zur Auslegung von durch die Europäische Union geschlossenen internationalen Übereinkünften wie den Vertrag über die Energiecharta befugt und habe sich auf eine Auslegung des Art. 26 ECV allein im Intra-EU-Kontext beschränkt (vgl. oben Rn. 29). Es erschließt sich nicht, wieso es die Kompetenzen des Gerichtshofs überschreiten sollte, im Rahmen eines obiter dictums seine Rechtsauffassung zur Frage der Übertragbarkeit der Achmea-Rechtsprechung auf Art. 26 ECV - der Bestandteil des Unionsrechts ist - darzulegen. Auch der Einwand, der Vertrag über die Energiecharta enthalte keine ausdrückliche Trennungsklausel, vermag einen Ultra-vires-Verstoß nicht ohne Weiteres aufzuzeigen. Denn der Gerichtshof begründet seine Entscheidung nicht primär mit einer Auslegung des Vertrags über die Energiecharta nach den völkerrechtlichen Regeln der Vertragsauslegung, sondern mit einem dualistischen Ansatz, der auf die Autonomie der Unionsrechtsordnung und die Unvereinbarkeit der Schiedsklausel des Vertrags über die Energiecharta - bezogen auf innerunionale Streitigkeiten - mit dieser Rechtsordnung abstellt. Dieser Begründungsansatz ist in der Rezeption zwar auf Kritik gestoßen (vgl. Schweizer Bundesgericht, , 4A_244/2023, Rn. 7.6.2., 7.6.5., 7.8.2. ff.; Wilske/Ebert, IWRZ 2021, S. 279 <281>; Dashwood, European Law Review 2022, S. 127 <137 f.>), vermag aber einen offensichtlichen Kompetenzverstoß ebenfalls nicht zu begründen.

98(cc) Zudem setzen sich die Beschwerdeführerinnen nicht hinreichend mit den Reaktionen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Achmea-Rechtsprechung auseinander. In einer Erklärung vom kündigten 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter Deutschland und Irland, an, aus der Achmea-Entscheidung die notwendigen Konsequenzen ziehen zu wollen, und vertraten die Ansicht, dass auch die Schiedsklausel des Vertrags über die Energiecharta auf Grundlage dieser Rechtsprechung unanwendbar sei. Demgegenüber teilten Finnland, Luxemburg, Malta, Slowenien und Schweden in einer Erklärung vom mit, sich nicht zur Vereinbarkeit des Vertrags über die Energiecharta mit dem Unionsrecht äußern zu wollen. Ungarn erklärte am selben Tag, dass das Achmea-Urteil den Vertrag über die Energiecharta nicht berühre. Keiner dieser Staaten rügte die Achmea-Entscheidung als Ultra-vires-Entscheidung. Schließlich unterzeichneten 23 Mitgliedstaaten am das Übereinkommen zur Beendigung der bilateralen Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (BGBl II 2021, S. 3 ff.; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 141/22 -, Rn. 11, 14). Am erklärten alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Ungarns, dass Art. 26 ECV wegen seiner Unionsrechtswidrigkeit nicht anwendbar sei (vgl. oben Rn. 82). Selbst wenn diese Erklärung, worauf die Beschwerdeführerinnen hinweisen, nicht von allen Vertragsparteien des Vertrags über die Energiecharta abgegeben worden ist, schließt das nicht aus, dass sie bei der Auslegung des Vertrags herangezogen werden kann. Eine solche Erklärung kann im Rahmen der Auslegung des Vertrags über die Energiecharta - gegebenenfalls als ergänzendes Auslegungsmittel im Sinne des Art. 32 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens - auch dann Berücksichtigung finden, wenn sie - wie vorliegend - nicht von allen Parteien dieses Vertrags oder allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgegeben worden ist (vgl. allgemein Dörr, in: Dörr/Schmalenbach, Vienna Convention on the Law of Treaties, 2. Aufl. 2018, Art. 31 Rn. 90; International Law Commission, Draft Conclusions on subsequent agreements and subsequent practice in relations to the interpretation of treaties, with commentaries, 2018, UN Doc A/73/10, S. 27 <Conclusion 4(3)>, S. 75 <Conclusion 10(2)>). Dass andere Vertragsparteien dieser Erklärung widersprochen hätten, zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf.

99(b) Die Beschwerdeführerinnen haben auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Rechtsanwendung durch den Gerichtshof zu einer strukturellen Verschiebung von Kompetenzen auf die Europäische Union zulasten der Mitgliedstaaten führt. Die Achmea-Rechtsprechung hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus unionsrechtlicher Sicht kein wirksames Angebot auf Einleitung eines Schiedsverfahrens in Bezug auf Investitionen von Investoren aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat mehr abgeben können. Hierdurch zieht die Union keine Kompetenzen der Mitgliedstaaten an sich, sondern beschränkt allenfalls deren Wahrnehmung bestimmter Kompetenzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 557/19 -, Rn. 68).

100(3) Auch wenn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Bedenken aufwirft, ob sich die von ihm angenommene Verpflichtung, das Schiedsverfahren für unzulässig zu erklären, aus dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt (a), ist jedenfalls nicht dargetan, dass sich die Entscheidung als unvertretbar und mithin objektiv willkürlich darstellt (b).

101(a) Mit Blick auf laufende Schiedsverfahren folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. oben Rn. 81) bislang lediglich, dass die Mitgliedstaaten, "sobald eine solche Streitigkeit aufgrund einer unionsrechtswidrigen Verpflichtung bei einer Schiedsstelle anhängig gemacht wird, verpflichtet sind, vor dieser Schiedsstelle oder vor dem zuständigen Gericht die Gültigkeit der Schiedsklausel oder der ad hoc abgeschlossenen Schiedsvereinbarung zu rügen, aufgrund deren diese Stelle angerufen wurde" (vgl. EuGH, PL Holdings, , C-109/20, EU:C:2021:875, Rn. 52).

102Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Rüge der Zuständigkeit des Schiedsgerichts im laufenden Schiedsverfahren ihren unionsrechtlichen Verpflichtungen hinreichend nachgekommen ist, ohne dass ein Verstoß gegen das ICSID-Übereinkommen in dem gegenwärtigen Verfahrensstadium erforderlich gewesen wäre. Dies entspricht zudem der Praxis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie sie in Art. 7 des Übereinkommens zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Ausdruck kommt. Nach Art. 7 sind die Vertragsparteien im Hinblick auf anhängige Schiedsverfahren und neue Schiedsverfahren verpflichtet, die Schiedsgerichte über die Rechtsfolgen des Urteils in der Rechtssache Achmea zu unterrichten und das zuständige nationale Gericht darum zu ersuchen, einen ergangenen Schiedsspruch aufzuheben oder zu annullieren oder von dessen Anerkennung und Vollstreckung abzusehen. Art. 7 des Übereinkommens differenziert mithin zwischen der Pflicht zur Unterrichtung des Schiedsgerichts im Rahmen von laufenden Schiedsverfahren und einer Pflicht, von einem zuständigen Gericht die Aufhebung eines Schiedsspruchs nach Abschluss eines Schiedsverfahrens zu veranlassen. Auch Art. 9 des Überkommens über den auf eine gütliche Einigung abzielenden "Strukturierten Dialog" verdeutlicht diesen Ansatz und das Bestreben um eine schonende, möglichst nicht mit Rechtsverletzungen einhergehende Umsetzung der Achmea-Rechtsprechung.

103Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Investitionsschiedsverfahren folgt mithin nicht zwingend eine Verpflichtung des Unionsrechts, die prozessrechtliche Zuständigkeit eines nationalen Gerichts zur Unzulässigerklärung eines laufenden Schiedsverfahrens zu schaffen. Der Gerichtshof erkennt vielmehr an, dass das nationale Schiedsverfahrensrecht unterschiedlich ausgeprägt ist. Ein Argument, das der Gerichtshof zugunsten der Unionsrechtswidrigkeit einer Schiedsklausel anführt, ist nämlich, dass die Möglichkeit einer umfänglichen Nachprüfung eines Schiedsspruchs durch ein nationales Gericht nicht angenommen werden kann, da "eine solche gerichtliche Überprüfung durch [ein] Gericht nur vorgenommen werden kann, soweit das nationale Recht sie gestattet" (vgl. EuGH, Achmea, , C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 53). Prozessrechtliche Verfahren zur Klärung der Zulässigkeit eines laufenden Schiedsverfahrens sind in anderen Mitgliedstaaten auch nicht weit verbreitet (vgl. zur unterschiedlichen Bewertung des Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO Steinbrück/Krahé, EuZW 2022, S. 357 ff.; Seelmann-Eggebert, SchiedsVZ 2023, S. 32 ff.). Die Begründung einer Zuständigkeit im Wege der analogen Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften erscheint auch deshalb nicht zwingend, weil die Autonomie der Unionsrechtsordnung auf Vollstreckungsebene gewahrt werden kann (vgl. Tietje, SchiedsVZ 2023, S. 289 <305>).

104(b) Diese Einwände führen aber nicht zu dem Schluss, dass sich die Rechtsauslegung und -anwendung des Bundesgerichtshofs als schlechthin unvertretbar und damit objektiv willkürlich darstellt.

105Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden wird. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2053/14 -, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 4.).

106Hieran gemessen ist eine willkürliche Rechtsanwendung nicht substantiiert dargetan. Der Bundesgerichtshof hat den Konflikt seiner Rechtsauslegung und -anwendung mit Art. 41 des ICSID-Übereinkommens ausdrücklich benannt. Er hat sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt und zur Begründung einer Ausnahme der Sperrwirkung dieser Vorschrift in der besonderen Konstellation des Streitfalls eines Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahrens auf den Anwendungsvorrang und den Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts bezogen. Auch wenn ein Rechtsbehelf wie der des § 1032 Abs. 2 ZPO nach dem Unionsrecht nicht zwingend geboten erscheint (vgl. oben Rn. 101 ff.), ist es methodisch nachvollziehbar (vgl. oben Rn. 68 ff.) und nicht unvertretbar, einen im deutschen Schiedsrecht bereits vorhandenen Rechtsbehelf über seinen bisherigen Anwendungsbereich hinaus und damit im Sinne des "effet utile" des Unionsrechts anzuwenden. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Auslegung, die auf die besondere Bedeutung und den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung abstellt, sachfremde Erwägungen zugrunde lagen.

107Die Grundannahme des Bundesgerichtshofs, wonach der Streitbeilegungsmechanismus in Art. 26 Abs. 2 Buchstabe c ECV gegen Unionsrecht verstoße und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch auf Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen Anwendung finde, erweist sich ebenfalls als nicht unvertretbar. Sie entspricht - mit Blick auf die Schiedsklausel des Vertrags über die Energiecharta - auch der nahezu einstimmigen Auffassung der Mitgliedstaaten und - mit Blick auf ICSID-Schiedsverfahren - der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. unten Rn. 112).

108Auch seine Annahme, dass Art. 351 AEUV in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland nicht analog auf den multilateralen Vertrag über die Energiecharta anzuwenden sei, wird auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs nachvollziehbar entwickelt (vgl. EuGH, PPU, , C-435/22, EU:C:2022:852, Rn. 115 ff.). Diese restriktive Auslegung wird im Kern durch eine spätere Entscheidung des Gerichtshofs bestätigt, wonach Art. 351 AEUV noch nicht einmal auf vor dem Beitritt geschlossene völkerrechtliche Verträge anzuwenden sei, wenn deren multilaterale Erfüllungsstruktur nicht hinreichend dargelegt wurde (vgl. mit Blick auf das ICSID-Übereinkommen EuGH, Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, , C-516/22, EU:C:2024:231, Rn. 58 ff.). Dass der Anwendungsbereich des Art. 351 AEUV weiter verstanden werden kann (vgl. BVerfGE 123, 267 <421 f.>; Lavranos, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, AEUV Art. 351 Rn. 6; Kokott, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 351 Rn. 6; Lorenzmeier, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 351 Rn. 24 <Aug. 2023>), stellt die Vertretbarkeit der engeren Auslegung nicht ohne Weiteres infrage.

1092. Überdies haben die Beschwerdeführerinnen ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht substantiiert dargelegt. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht hinreichend, gerade durch die angegriffene Entscheidung beschwert zu sein (a). Auch haben sie nicht dargetan, inwiefern eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihnen Abhilfe schaffen könnte (b).

110a) Die Beschwerdeführerinnen zeigen nicht auf, inwiefern die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Beschwer für sie darstellt.

111Soweit man in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, ein laufendes ICSID-Schiedsverfahren für unzulässig zu erklären, einen Verstoß gegen die Exklusivität des ICSID-Übereinkommens sehen wollte, haben die Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, durch die angegriffene Entscheidung - über die Durchführung des Verfahrens selbst hinaus - belastet worden zu sein. Die Entscheidung beeinträchtigt nicht unmittelbar die Ausübung der Kompetenz-Kompetenz durch das zuständige Schiedsgericht. Dieses hat das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof zwar zur Kenntnis genommen, aber einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. oben Rn. 15). Deshalb ist davon auszugehen, dass das Schiedsgericht die Frage der Wirksamkeit der Schiedsklausel selbst beurteilen wird, ohne sich an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gebunden zu sehen. Auch wenn Art. 41 des ICSID-Übereinkommens verletzt worden sein sollte, ist den Beschwerdeführerinnen - über die Prozesskosten hinaus - kein Schaden entstanden. Allein die Prozesskosten können aber das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für die verfassungsrechtliche Prüfung der gesamten Gerichtsentscheidung nicht ohne Weiteres begründen, wenn von der angegriffenen Entscheidung keine Beschwer (mehr) ausgeht (vgl. BVerfGE 33, 247 <256 ff.>; 39, 276 <292>; 50, 244 <248>; 75, 318 <325>). Dies ist hier der Fall.

112Sofern die Beschwerdeführerinnen in der Sache darauf hinweisen, dass die Entscheidung eine spätere Vollstreckung eines etwaigen Schiedsspruchs in Deutschland ausschließt, resultieren derartige Schwierigkeiten zuvörderst aus den unionsrechtlichen Regeln, wie sie vom Gerichtshof der Europäischen Union ausgelegt werden. Denn aufgrund dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand, dass ein etwaiger Schiedsspruch in Deutschland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat ohnehin nicht vollstreckt werden darf. Der Gerichtshof hat - nach Erhebung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde - ausdrücklich klargestellt, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts auch gegenüber etwaigen Verpflichtungen aus dem ICSID-Übereinkommen greift und dass es sich aus seiner Sicht bei dem ICSID-Übereinkommen um eine Übereinkunft handelt, die "trotz ihres multilateralen Charakters die bilateralen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien in einer Weise regel[t], die einem bilateralen Abkommen entspricht" (vgl. EuGH, Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, , C-516/22, EU:C:2024:231, Rn. 75; vgl. auch EuG, Micula, , T-624/15 RENV, T-694/15 RENV, T-704/15 RENV, EU:T:2024:659, Rn. 105 ff.). Die nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde veröffentlichte Erklärung der Europäischen Union und aller Mitgliedstaaten mit Ausnahme Ungarns (vgl. oben Rn. 82) zeigt zudem, dass die Rechtsauffassung des Gerichtshofs zu Art. 26 ECV von ihnen nahezu einhellig geteilt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass ein ICSID-Schiedsspruch nicht nur in Deutschland, sondern auch in nahezu allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht vollstreckbar sein wird. Die Vollstreckung eines etwaigen Schiedsspruchs in Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, wird indes durch die angegriffene Entscheidung nicht präjudiziert.

113b) Vor diesem Hintergrund, insbesondere mit Blick auf die inzwischen ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, sind die Beschwerdeführerinnen ihrer aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Darlegungsobliegenheit für das Fortbestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 106, 210 <214 f.>) nicht hinreichend nachgekommen. Es fehlt an einer Auseinandersetzung damit, ob sie mit der Verfassungsbeschwerde ihr Rechtsschutzziel (noch) erreichen können (vgl. BVerfGE 90, 22 <26 f.>; 119, 292 <301 f.>).

114Im Falle ihres Obsiegens würde die angegriffene Entscheidung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Selbst wenn der Bundesgerichtshof dann die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Kammergerichts zurückwiese, hätte sich - mit Ausnahme der Kostentragungspflicht(vgl. oben Rn. 111)- für die Beschwerdeführerinnen nichts Wesentliches geändert. Da auch die übrigen Grundrechtsrügen teils darauf aufbauen, dass der Bundesgerichtshof ein Ultra-vires-Handeln des Gerichtshofs der Europäischen Union verkannt und folglich die verfahrensgegenständlichen Bestimmungen der Zivilprozessordnung willkürlich ausgelegt und angewendet habe, hätte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Kern allein die Frage beantwortet, ob der Bundesgerichtshof bei der Auslegung und Anwendung deutschen Prozessrechts die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten hat. Dies wäre aber für das weiter andauernde Schiedsverfahren, welches die Auslegung und Anwendung des Vertrags über die Energiecharta und des ICSID-Übereinkommens betrifft, nicht von Bedeutung. Die Position der Beschwerdeführerinnen hätte sich in dem konkreten Schiedsverfahren also nicht verbessert beziehungsweise verändert.

115Im Übrigen haben die Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, wieso sie nicht auf Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen des ICSID-Systems verwiesen werden können. So erscheint es vor dem Hintergrund entsprechender Ausführungen des Schiedsgerichts (vgl. oben Rn. 15) nicht ausgeschlossen, etwaige Verstöße gegen das ICSID-Übereinkommen in Zusammenhang mit dem konkreten Schiedsverfahren vor dem Schiedsgericht zu rügen. Dies würde auch der Exklusivität des ICSID-Systems entsprechen.

1163. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

117Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250731.2bvr127723

Fundstelle(n):
QAAAJ-99987