Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl des Unterlassens einer EuGH-Vorlage zur Vereinbarkeit eines bilateralen Investitionsschutzvertrags mit dem Unionsrecht - hier: Zur Frage der Unionsrechtskonformität von Schiedsklauseln in einem zwischen einem Mitgliedsstaat und einem Drittstaat geschlossenen Investitionsschutzabkommen - Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG nicht hinreichend substantiiert dargelegt
Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, ECHVertr, Art 47 EUGrdRCh, §§ 1025ff ZPO, § 1025 ZPO
Instanzenzug: Az: I ZB 12/23 Beschluss
Gründe
1Die Beschwerdeführerin rügt die unterlassene Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Klärung der Vereinbarkeit der Schiedsklausel des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien geschlossenen bilateralen Investitionsschutzvertrags mit dem Unionsrecht.
I.
21. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Indien, zugleich die Beschwerdeführerin, schlossen am einen Investitionsschutzvertrag (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien über die Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen vom , BGBl II 1998 S. 620), der unter anderem die folgenden Regelungen enthält:
Artikel 3 Förderung und Schutz von Kapitalanlagen
(1) Jede Vertragspartei wird für Investoren der anderen Vertragspartei günstige Bedingungen fördern und schaffen und ferner Kapitalanlagen in ihrem Hoheitsgebiet in Übereinstimmung mit ihren Rechtsvorschriften und Richtlinien zulassen.
[…]
Artikel 9 Investitionsstreitigkeiten
(1) Streitigkeiten zwischen einem Investor einer Vertragspartei und der anderen Vertragspartei im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei werden, soweit möglich, zwischen den Streitparteien im Verhandlungsweg gütlich beigelegt. Die Partei, die beabsichtigt, die Streitigkeit im Verhandlungsweg beizulegen, zeigt der anderen Partei ihre Absichten an.
(2) Kann eine Streitigkeit nicht gemäß Absatz 1 innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Anzeige beigelegt werden, so kann sie in Übereinstimmung mit den Vergleichsregeln der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht von 1980 einem Vergleichsverfahren unterworfen werden, sofern beide Parteien dem zustimmen. Stimmt eine Partei dem Vergleichsverfahren nicht zu oder verläuft das Verfahren ergebnislos, so kann eine Partei die Streitigkeit einem Schiedsverfahren in Übereinstimmung mit der Schiedsgerichtsordnung der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht von 1976 unter folgenden Voraussetzungen unterwerfen […]
b) bei Schiedsverfahren gilt folgendes:
[…]
ii) Der Schiedsspruch wird in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Abkommens, den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, einschließlich der Kollisionsnormen der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die Investitionsstreitigkeit entstanden ist, und den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts gefällt. […]
Artikel 11 Anwendbare Rechtsvorschriften
Vorbehaltlich dieses Abkommens unterliegen alle Kapitalanlagen den im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der die Kapitalanlagen vorgenommen werden, geltenden Rechtsvorschriften.
Artikel 13 Anwendung sonstiger Regeln
(1) Ergeben sich aus den Rechtsvorschriften einer Vertragspartei oder aus völkerrechtlichen Verpflichtungen, die neben diesem Abkommen zwischen den Vertragsparteien bestehen oder in Zukunft begründet werden, allgemeine oder besondere Regeln, durch die den Kapitalanlagen von Investoren der anderen Vertragspartei eine günstigere Behandlung als nach diesem Abkommen zu gewähren ist, so gehen diese Regeln dem vorliegenden Abkommen insoweit vor, als sie günstiger sind.
(2) Jede Vertragspartei wird jede andere Verpflichtung einhalten, die sie in bezug auf Kapitalanlagen von Investoren der anderen Vertragspartei in ihrem Hoheitsgebiet übernommen hat, wobei Streitigkeiten, die sich aus diesen Verpflichtungen ergeben, nur nach den Bestimmungen der diese Verpflichtungen begründenden Verträge beigelegt werden.
Artikel 15 Geltungsdauer und Außerkrafttreten
Dieses Abkommen bleibt zehn Jahre in Kraft. Nach deren Ablauf verlängert sich die Geltungsdauer, sofern nicht eine der beiden Vertragsparteien das Abkommen mit einer Frist von zwölf Monaten vor Ablauf schriftlich gekündigt hat; jedoch gelten für Kapitalanlagen, die während der Geltungsdauer des Abkommens vorgenommen worden sind, dessen Bestimmungen für weitere fünfzehn Jahre vom Tag des Außerkrafttretens des Abkommens an, unbeschadet der Anwendung der Regeln des allgemeinen Völkerrechts nach Ablauf dieser Frist. […]
32. Mit dem Vertrag von Lissabon erhielt die Europäische Union die ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e, Art. 206 AEUV). Nach Art. 3 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländer (Abl EU Nr. 351/40 vom ) werden unter den dort genannten Voraussetzungen bilaterale Investitionsschutzverträge mit Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören, aufrechterhalten, bis ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen der Union und dem Drittstaat in Kraft tritt. Die Republik Indien kündigte den mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen bilateralen Investitionsschutzvertrag, der infolgedessen am außer Kraft trat (vgl. BTDrucks 19/20244, S. 3).
43. Die Antragstellerin des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens, ein international tätiges deutsches Telekommunikationsunternehmen, beteiligte sich über ihre Tochtergesellschaft mit Sitz in Singapur an der in Indien ansässigen Gesellschaft (…) (im Folgenden: …) mit Investitionen in Höhe von 75 Millionen US-Dollar im Jahr 2008 und mit weiteren 22,2 Millionen US-Dollar im Jahr 2009. Aufgrund eines Vertrags mit dem indischen Staatsunternehmen (…) (im Folgenden: …) waren der indischen Gesellschaft (…) im Jahr 2005 Rechte zur Nutzung eines Teils des elektromagnetischen Spektrums (S-Band) eingeräumt worden, um einen Service für Mobilfunk und Breitbanddaten auf dem indischen Markt anzubieten. Im Februar 2011 beendete (…) diesen Vertrag unter Berufung auf höhere Gewalt mit der Begründung, das Indian Cabinet Committee on Security sehe aus Sicherheitsgründen keine Möglichkeit, das S-Band für kommerzielle Aktivitäten bereitzustellen.
54. Die Antragstellerin des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens machte daraufhin gegen die Beschwerdeführerin auf Grundlage des bilateralen Investitionsschutzabkommens in einem Schiedsverfahren (PCA Case No. 2014-10) nach den Regelungen der Schiedsgerichtsordnung der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) Schadensersatzansprüche geltend. Mit Zwischenentscheidung vom bejahte das Schiedsgericht in Genf seine Zuständigkeit sowie die Haftung der Beschwerdeführerin dem Grunde nach. Einen gegen diese Entscheidung gerichteten Aufhebungsantrag der Beschwerdeführerin wies das Schweizer Bundesgericht mit Entscheidung vom zurück. Mit Schiedsspruch vom verurteilte das Schiedsgericht die Beschwerdeführerin unter Abweisung weitergehender Ansprüche zur Zahlung von 93,3 Millionen US-Dollar nebst Zinsen sowie zur Kostentragung in Bezug auf das schiedsgerichtliche Verfahren.
65. Auf Antrag der Antragstellerin des fachgerichtlichen Verfahrens erklärte das den Schiedsspruch in Höhe eines Teilbetrags von 10 Millionen US-Dollar für vollstreckbar.
76. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Rechtsbeschwerde.
8Sie rügte unter anderem, das Kammergericht habe rechtsfehlerhaft die Prüfung unterlassen, ob die Voraussetzungen des Art. V Abs. 2 Buchstabe a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom (UNÜ; BGBl II 1961 S. 122) vorgelegen hätten. Hiernach dürfe die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs versagt werden, wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht werde, feststelle, dass der Gegenstand des Streits nach dem Recht dieses Landes nicht auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden könne. Diese Voraussetzungen könnten hier vorliegen. In Fortführung der Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Achmea, , C-284/16, EU:C:2018:158) könnten nicht nur Schiedsklauseln in einem bilateralen Investitionsschutzvertrag zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auch solche in einem Investitionsschutzvertrag zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat unwirksam sein, wenn die abstrakte Gefahr bestehe, dass der dem Schiedsgericht unterbreitete Sachverhalt einen Bezug zum Unionsrecht habe beziehungsweise unter Einbeziehung des Unionsrechts entschieden werden könne. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Denn Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b Ziffer ii des streitgegenständlichen Vertrags verweise auf das jeweilige Kollisionsrecht der Vertragsstaaten und Art. 13 Abs. 1 auf die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, zu denen für die Bundesrepublik Deutschland auch das Unionsrecht gehöre. Die Frage der Anwendbarkeit der Achmea-Grundsätze auf einen zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossenen Investitionsschutzvertrag sei entscheidungserheblich. Wenn nämlich die Achmea-Rechtsprechung auf die streitgegenständliche Konstellation Anwendung finde, sei die Schiedsvereinbarung ungültig.
9Wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei eine Entscheidung des Senats notwendig. Die Einleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV erscheine nicht zwingend erforderlich, denn es könne sich hier um einen acte clair handeln. Sollte der Senat anderer Auffassung sein, werde die Aussetzung des Rechtsstreits angeregt. Der Bundesgerichtshof solle dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorlegen, ob Unionsrecht, insbesondere Art. 344, Art. 267 oder Art. 18 Abs. 1 AEUV, der Anwendung eines bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat entgegenstehe.
107. Der Bundesgerichtshof wies die Rechtsbeschwerde mit angegriffenem Beschluss vom zurück.
11Das Kammergericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung des streitgegenständlichen Schiedsspruchs vorlägen. Der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs stehe insbesondere nicht die Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Achmea, , C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 31 ff.) entgegen.
12a) Nach dieser Rechtsprechung seien Art. 267 und Art. 344 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten entgegenstünden, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten dürfe, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen habe. Das habe der Gerichtshof damit begründet, dass eine internationale Übereinkunft die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Union, deren Wahrung der Gerichtshof sichere, nicht beeinträchtigen dürfe.
13b) Diese Rechtsprechung sei nicht auf bilaterale Investitionsschutzabkommen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Drittstaaten übertragbar. Der Entscheidung in der Rechtssache Komstroy (vgl. EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 65) lasse sich klar entnehmen, dass Schiedsklauseln in Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten dem Unionsrecht nicht widersprächen. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe ausgeführt, dass der Vertrag über die Energiecharta vom (BGBl II 1997 S. 5) den Mitgliedstaaten vorschreiben könne, in ihren Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten, die ebenfalls Vertragsparteien des Vertrags seien, im Hinblick auf deren Investitionen in diesen Staaten die im Vertrag vorgesehenen schiedsgerichtlichen Mechanismen einzuhalten. Der Erhaltung der Autonomie und des eigenen Charakters des Unionsrechts stehe aber entgegen, dass der Vertrag den Mitgliedstaaten untereinander dieselben Pflichten auferlegen könne. Aus dieser insoweit eindeutigen Formulierung des Gerichtshofs ergebe sich, dass die Schiedsklausel in dem Vertrag dem Unionsrecht im Verhältnis eines Mitgliedstaats zu einem Drittstaat nicht widerspreche. Diese Ausführungen zum Vertrag über die Energiecharta seien auf bilaterale Investitionsschutzabkommen mit Drittstaaten übertragbar. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union gehe selbst davon aus, dass die Schiedsklausel in dem Vertrag trotz des multilateralen Charakters der internationalen Übereinkunft, zu der sie gehöre, in Wirklichkeit die bilateralen Beziehungen zwischen zwei der Vertragsparteien in einer Weise regeln solle, die der Bestimmung des bilateralen Investitionsschutzabkommens entspreche, um das es in der Rechtssache Achmea gegangen sei. Die Ausführungen in Randnummer 65 des Urteils in der Rechtssache Komstroy seien erst recht auf die Beziehungen zwischen einem Investor aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat übertragbar.
14c) Soweit in Teilen des von der Beschwerdeführerin angeführten Schrifttums in Bezug auf die Formulierung des Gerichtshofs, wonach der Vertrag über die Energiecharta den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Investoren aus Drittstaaten die Einhaltung der vertraglich vorgesehenen schiedsgerichtlichen Mechanismen vorschreiben könne, vertreten werde, der Gerichtshof habe sich nicht eindeutig, sondern zurückhaltend geäußert, überzeuge dies nicht. Die Wendung "können" beziehe sich tatsächlich im Sinne eines Dürfens auf die mit dem Unionsrecht zu vereinbarende Möglichkeit, schiedsgerichtliche Mechanismen in Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten vorzusehen. Das ergebe sich nicht zuletzt auch aus der kontrastierenden Gegenüberstellung von bilateralen Investitionsschutzverträgen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und solchen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat. Soweit in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Schrifttum die Übertragbarkeit der Rechtsprechung in der Rechtssache Achmea auf Abkommen mit Drittstaaten als ungeklärte Rechtsfrage bewertet worden sei, sei die Entscheidung in der Rechtssache Komstroy einschließlich deren Randnummer 65 dort (noch) nicht berücksichtigt worden.
15d) Die Achmea-Entscheidung sei außerdem von der Auffassung getragen, im Hinblick auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anerkennung der gemeinsamen Werte der Union und der Beachtung des Unionsrechts könnten Investoren effektiven Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten der Mitgliedstaaten erhalten. Dieser Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens sei in Konstellationen mit einem Drittstaat jedoch gerade nicht einschlägig.
16e) Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union die Regelungen zum CETA-Gericht mit der Begründung für unionsrechtskonform erklärt habe, das CETA-Gericht berücksichtige gemäß Art. 8.31 Abs. 2 CETA-Abkommen (vgl. BGBl II 2023 Nr. 9) das Unionsrecht lediglich als Tatsache und lege dieses nicht bindend aus, folge daraus nicht, dass ein zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossenes bilaterales Investitionsschutzabkommen nur dann nicht dem Unionsrecht widerspreche, wenn es ebenfalls die Berücksichtigung von Unionsrecht lediglich als Tatsache vorsehe. Eine entsprechende Einschränkung ergebe sich nicht aus dem zeitlich nachfolgenden Urteil in der Rechtssache Komstroy, obwohl dem Gerichtshof bewusst gewesen sei, dass Rechtsstreitigkeiten unter dem Vertrag über die Energiecharta zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer eines Drittstaats und einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unmittelbar dem Unionsrecht unterlägen. Gegen eine Gleichsetzung des CETA-Abkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada mit einem zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossenen bilateralen Investitionsschutzabkommen spreche außerdem, dass es sich bei dem CETA-Abkommen um eine von der Union und nicht von deren Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkunft handele.
17f) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV sei nicht veranlasst. Im Streitfall stelle sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten sei. Insbesondere sei geklärt, dass Schiedsklauseln in bilateralen Investitionsschutzverträgen zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat dem Unionsrecht nicht widersprächen.
II.
18Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 47 GRCh.
191. Der Bundesgerichtshof gehe davon aus, dass sich die Achmea-Rechtsprechung nicht auf den streitgegenständlichen bilateralen Investitionsschutzvertrag übertragen lasse, weil diese Rechtsprechung den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betont habe. Hiermit verkenne der Bundesgerichtshof aber die Ratio dieser Rechtsprechung. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe nämlich geprüft, ob sich die Streitigkeiten, über die das Schiedsgericht zu erkennen habe, auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen könnten und ob das Schiedsgericht als Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne des Art. 267 AEUV angesehen werden könne. Der Gerichtshof habe die erste Frage bejaht, die zweite verneint und daher gefolgert, dass die Schiedsvereinbarung unionsrechtlich unwirksam sei. Unter Zugrundelegung dieses zweistufigen Tests müsse man bei dem vorliegenden Investitionsschutzvertrag zu demselben Ergebnis kommen. Denn zumindest in der Konstellation der Klage eines Investors aus einem Drittstaat gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union müsse ein nicht in das Gerichtssystem des Unionsrechts eingegliedertes Investitionsschiedsgericht Unionsrecht anwenden. Es komme nicht darauf an, dass in ihrem konkreten Fall das Schiedsgericht kein Unionsrecht anwenden könne. Denn die Schiedsvereinbarung könne nur entweder vollständig wirksam oder unwirksam sein. Es sei unvertretbar anzunehmen, dass Schiedsvereinbarungen zugunsten von Investoren aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber Drittstaaten wirksam seien, während sie gleichzeitig im Fall von Schiedsklagen von Investoren aus Drittstaaten gegen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unwirksam seien.
202. Das vom Bundesgerichtshof angeführte Komstroy-Urteil verhalte sich nicht zur Frage der Wirksamkeit eines bilateralen Investitionsschutzvertrags zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat. Die von ihm in Bezug genommenen Ausführungen beträfen den Vertrag über die Energiecharta. Da die Europäische Union selbst Signatarstaat des Vertrags über die Energiecharta sei, liege ihr erforderliches Einverständnis mit dem Investitionsschutzabkommen und der damit einhergehenden Möglichkeit der Streitbeilegung im Verhältnis zwischen einem EU-Mitgliedstaat und einem Drittstaat durch ein Investitionsschiedsgericht ausnahmsweise vor. An einem solchen Einverständnis der Union fehle es jedoch, wenn die Union nicht als Vertragspartei involviert sei und deren Mitgliedstaaten eigenständig mit Drittstaaten bilaterale Investitionsschutzabkommen vereinbart hätten. Dies sei ein entscheidender Unterschied. Für die Union erkenne der Gerichtshof der Europäischen Union nämlich explizit die Kompetenz an, sich den Entscheidungen eines durch solche Übereinkünfte geschaffenen oder bestimmten Gerichts in Bezug auf die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen zu unterwerfen, sofern die Autonomie der Union und ihrer Rechtsordnung gewahrt bleibe. Eine derartige Kompetenz gestehe der Gerichtshof der Europäischen Union den Mitgliedstaaten jedoch gerade nicht zu.
213. Das Gutachten zum CETA-Abkommen (EuGH, Gutachten 1/17, CETA, , EU:C:2019:341) habe zudem dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass gemäß Art. 8.31 des CETA-Abkommens das innerstaatliche Recht einer Vertragspartei, soweit angezeigt, als Tatsache heranzuziehen sei. Dies zeige, dass die Unionskonformität einer Schiedsvereinbarung dann ausscheide, wenn Schiedsgerichte oder Sondergerichte uneingeschränkt Unionsrecht auslegen oder anwenden dürften. Genau das sei aber bei einem Investitionsschiedsgericht der Fall, das auf der Grundlage eines zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossenen Investitionsschutzvertrags errichtet werde.
224. Der Bundesgerichtshof habe diese fundamentalen Unterschiede zwischen den Konstellationen in den Rechtssachen Achmea und Komstroy einerseits und dem hiesigen Fall andererseits erkennbar übersehen, da die Besonderheiten multilateraler Übereinkünfte mit der Union als Vertragspartei im Vergleich zu bilateralen, zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossenen Investitionsschutzabkommen nicht thematisiert worden seien. Zudem habe er sich nicht mit der Frage des anwendbaren Rechts auseinandergesetzt. Art. 9 Abs. 2 Ziffer ii, Art. 11 und Art. 13 des Investitionsschutzabkommens fänden keine Erwähnung.
235. Durch die Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei ihr Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden. Der Bundesgerichtshof sei fälschlicherweise von einem acte éclairé beziehungsweise einem acte clair ausgegangen. Er habe dabei verkannt, dass bilaterale Investitionsschutzverträge zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat nicht Gegenstand der von ihm angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union gewesen seien und sich dessen Erwägungen in der Rechtssache Komstroy nicht auf bilaterale Investitionsschutzverträge mit Drittstaaten übertragen ließen. Es fehle folglich an einer einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs.
III.
24Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Sie genügt nicht den Substantiierungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
251. Zu einer ordnungsgemäßen Begründung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG gehört, dass der die Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 113, 29 <44>; 130, 1 <21>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Es muss deutlich werden, inwieweit gerade durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 130, 1 <21>; 140, 229 <232 Rn. 9>). Zur Begründung gehört demgemäß eine Auseinandersetzung mit den angegriffenen instanzgerichtlichen Entscheidungen auf der Ebene des Verfassungsrechts am Maßstab der als verletzt gerügten grundrechtlichen Positionen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1207/18 -, Rn. 16). Werden mehrere gerichtliche Entscheidungen angegriffen, muss sich der Beschwerdeführer mit dem Inhalt jeder einzelnen Entscheidung auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 96, 171 <180>; 116, 24 <35 f.>; 128, 90 <99>; 151, 67 <84 f. Rn. 49> - Erreichbarkeit des Ermittlungsrichters; BVerfGK 1, 145 <156>; 17, 319 <326>). Geht die angegriffene Entscheidung ausdrücklich auf die verfassungsrechtlich relevanten Fragen ein, spricht dies dafür, dass die Bedeutung grundrechtlicher Gewährleistungen nicht verkannt wurde. Daher ist es nicht ausreichend, wenn der Beschwerdeführer den angegriffenen Entscheidungen nur seine eigene Sichtweise entgegenstellt, ohne deutlich zu machen, weshalb die angegriffene Entscheidung verfassungsrechtlich fehlerhaft sein soll (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 852/20 -, Rn. 9 f.).
262. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Die Beschwerdeführerin legt eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend substantiiert dar (a). Auch eine Verletzung von Art. 47 GRCh ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht (b).
27a) Im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat die Beschwerdeführerin eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan. Sie zeigt nicht auf, dass der Bundesgerichtshof eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise unterlassen hat.
28aa) Ein Rechtssuchender kann seinem gesetzlichen Richter dadurch entzogen werden, dass ein Gericht die Einleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV unterlässt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 f.>; 82, 159 <195 ff.>; 135, 155 <230 f. Rn. 177>). Die Einheit der Unionsrechtsordnung ist bedroht, wenn gleiches Recht in den jeweiligen Mitgliedstaaten ungleich ausgelegt und angewendet wird. Deshalb gliedert Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union funktional in die Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten ein, soweit ihm im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts aufgegeben ist (vgl. BVerfGE 73, 339 <368>). Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt aber zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>; 147, 364 <380 Rn. 40>). Durch einen schlichten error in procedendo wird niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen (vgl. BVerfGE 3, 359 <365>; 138, 64 <87 Rn. 71>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (Willkürmaßstab; vgl. BVerfGE 82, 159 <194 f.>; 126, 286 <315>; 128, 157 <187>; 135, 155 <231 Rn. 179 f.>; 147, 364 <380 Rn. 40>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <232 Rn. 180>; 147, 364 <380 Rn. 40>). Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen das Fachgericht eine Vorlage trotz Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht) oder in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abweicht (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht oder nicht erschöpfend vor oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschreitet (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines acte clair oder eines acte éclairé willkürlich bejahen (vgl. BVerfGE 135, 155 <232 f. Rn. 181 ff.>; 147, 364 <380 f. Rn. 41 ff.>, jeweils m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 684/22 -, Rn. 69 ff. m.w.N.).
29Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 147, 364 <381 Rn. 43>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Auslegung und Anwendung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <187>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig (acte clair) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt (acte éclairé; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht das Vorliegen einer von vornherein eindeutigen oder zweifelsfrei geklärten Rechtslage ohne sachlich einleuchtende Begründung bejaht (vgl. BVerfGE 135, 155 <233 Rn. 185>; 147, 364 <382 Rn. 43>).
30bb) Nach diesen Maßstäben lässt das Vorbringen der Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht als möglich erscheinen.
31(1) Der Bundesgerichtshof hat die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV weder grundsätzlich verkannt noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass er in der angegriffenen Entscheidung ohne Vorlagebereitschaft bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen wäre (vgl. BVerfGE 128, 157 <189>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1702/18 -, Rn. 26). Er hat die im Raum stehenden Rechtsfragen erkannt und ist unter Einbeziehung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Rechtsprechung zur Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln in Investitionsschutzverträgen nicht übertragen lässt auf den vorliegenden Fall eines auf Grundlage eines bilateralen Investitionsschutzvertrags durchgeführten Schiedsverfahrens eines Investors aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gegen einen Drittstaat.
32(2) Es ist weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Bundesgerichtshof hierdurch seinen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hätte.
33(a) Der Bundesgerichtshof hat nachvollziehbar herausgestellt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in der Komstroy-Entscheidung zwischen den Beziehungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Investoren aus Drittstaaten, die ebenfalls Vertragsparteien des Vertrags über die Energiecharta sind, einerseits und den Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander andererseits differenziert. Denn während der Vertrag über die Energiecharta den Mitgliedstaaten in ihren Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten die Einhaltung der schiedsgerichtlichen Mechanismen vorschreiben könne, stehe die Erhaltung der Autonomie und des eigenen Charakters des Unionsrechts dem Umstand entgegen, dass der Vertrag den Mitgliedstaaten untereinander dieselben Pflichten auferlegen könne (vgl. EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 65).
34(b) Dabei hat der Bundesgerichtshof - anders als die Beschwerdeführerin meint - nicht übersehen, dass sich der Gerichtshof der Europäischen Union insoweit nicht auf zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossene bilaterale Investitionsschutzabkommen, sondern auf den Vertrag über die Energiecharta bezogen hat. Denn er erklärt nachvollziehbar die Relevanz der von ihm in Bezug genommenen Passage für die Bewertung des verfahrensgegenständlichen Investitionsschutzvertrags. In diesem Zusammenhang weist er insbesondere darauf hin, dass nach der Ansicht des Gerichtshofs der Vertrag über die Energiecharta trotz seines multilateralen Charakters in Wirklichkeit die bilateralen Beziehungen zwischen zwei Vertragsparteien in einer Weise regeln solle, die einem bilateralen Investitionsschutzvertrag entspreche, wie er Gegenstand der Achmea-Entscheidung gewesen sei (vgl. EuGH, Komstroy, , C-741/19, EU:C:2021:655, Rn. 64). Knüpft der Gerichtshof seine Ausführungen zur Unionsrechtswidrigkeit der Schiedsklausel des Vertrags im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union an sein Urteil zur Unionsrechtswidrigkeit einer Schiedsklausel eines bilateralen Vertrags zwischen Mitgliedstaaten, so erscheint es folgerichtig, jedenfalls von Verfassungs wegen unbedenklich, dass der Bundesgerichtshof die Aussagen des Gerichtshofs zum Verhältnis zwischen einem Mitgliedstaat und Investoren aus Drittstaaten unter dem Vertrag über die Energiecharta auf den verfahrensgegenständlichen bilateralen Investitionsschutzvertrag mit einem Drittstaat überträgt. Wenn der Gerichtshof in der Komstroy-Entscheidung keinen Konflikt mit dem Unionsrecht angenommen hat, soweit die Mitgliedstaaten "in ihren Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten" das schiedsgerichtliche Verfahren einhalten, erscheint die Schlussfolgerung des Bundesgerichtshofs, dass diese Ausführungen "erst recht" auf die Beziehungen zwischen einem Investor aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat übertragbar seien, ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Bundesgerichtshof hat sich in diesem Zusammenhang auch mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht auseinandergesetzt, wonach sich der Gerichtshof der Europäischen Union zurückhaltend geäußert und einer abschließenden unionsrechtlichen Bewertung von Schiedsverfahren zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat enthalten habe (vgl. Nikolov, EUR 2022, S. 496 <498 f.>; a.A. Dashwood, ELR 2022, S. 127 <137 Fn. 52>, dem zufolge der Gerichtshof die Zulässigkeit solcher Verfahren anerkannt habe; ähnlich van der Beck, IWRZ 2022, S. 260 <263>).
35(c) Auch die Annahme des Bundesgerichtshofs, gegen die Unionsrechtswidrigkeit einer Schiedsklausel in einem zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geschlossenen bilateralen Investitionsschutzvertrag spreche, dass der in der Achmea-Entscheidung herangezogene Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Anwendung komme, ist nachvollziehbar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die Mitgliedstaaten in allen unter das Unionsrecht fallenden Bereichen zur Beachtung dieses Grundsatzes verpflichtet, der von jedem Mitgliedstaat verlangt, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht einschließlich der Grundrechte wie das in Art. 47 GRCh niedergelegte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht beachten (vgl. EuGH, Gutachten 2/13, EMRK, , EU:C:2014:2454, Rn. 191; Donnellan, , C-34/17, EU:C:2018:282, Rn. 40, 45; Gutachten 1/17, CETA, , EU:C:2019:341, Rn. 128). Zwar schließt der Gerichtshof nicht aus, dass eine internationale Übereinkunft ein hohes Maß an Vertrauen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten und bestimmten Drittstaaten schaffen kann (vgl. aus dem Bereich des Auslieferungsrechts EuGH, Alchaster, , C-202/24, EU:C:2024:649, Rn. 61, 65). Eine solche Grundlage ist jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem kein Investitionsschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Indien besteht und letztere den bilateralen Investitionsschutzvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland gekündigt hat, aber nicht ersichtlich. Wie der Gerichtshof weiterhin entschieden hat, gilt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens nicht in den Beziehungen zwischen der Union und einem Drittstaat, insbesondere, was die Beachtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht angeht (vgl. EuGH, Gutachten 1/17, CETA, , EU:C:2019:341, Rn. 129).
36Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs sind auch insoweit plausibel, als die zur Begründung der Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln seitens des Gerichtshofs in der Achmea-Entscheidung herangezogenen Normen - Art. 344 und Art. 267 AEUV als Ausdruck der Autonomie der Unionsrechtsordnung - auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beschwerdeführerin die Unionsrechtswidrigkeit einer Schiedsklausel in einem zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossenen Investitionsschutzvertrag nicht nahelegen. Art. 344 AEUV adressiert allein die Mitgliedstaaten, die sich verpflichten, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln. Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert aufgezeigt, dass ein zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geschlossener bilateraler Investitionsschutzvertrag eine "offenkundige Gefahr der Beeinträchtigung der in den Verträgen festgelegten Zuständigkeitsordnung und damit der Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft" (vgl. EuGH, Kommission gegen Irland, , C-459/03, EU:C:2006:345, Rn. 154) berge. Aus ihrem Vortrag ergibt sich auch nicht, dass ein solches Abkommen - jedenfalls soweit im vorliegenden Fall Rechtsfragen bezüglich Investitionen in Drittstaaten in Rede stehen - dazu führt, dass ein Schiedsgericht an die Stelle der nationalen Gerichte tritt und diesen damit die Möglichkeit nimmt, den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV anzurufen (vgl. EuGH, Gutachten 1/09, Patentgericht, , EU:C:2011:123, Rn. 79).
37Vor diesem Hintergrund und unter Hinweis darauf, dass im Falle der Unionsrechtswidrigkeit solcher bilateralen Abkommen die Investoren aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Drittstaaten schutzlos stünden, sprechen sich auch weite Teile des Schrifttums gegen die Unionsrechtswidrigkeit bilateraler Investitionsschutzverträge mit einem Drittstaat aus (vgl. Lang, EuR 2018, S. 525 <558 f.>; Stendel, MPEPIL, Achmea Case, Rn. 33 <Juli 2019>; Köster, Investitionsschutz in Europa, 2022, S. 145 ff.; Damjanovic, The European Union and International Investment Law Reform, 2023, S. 172; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, § 1062 Rn. 2.5 <Stand >). Hierfür spricht auch, dass der Unionsgesetzgeber vor der Achmea-Entscheidung die Aufrechterhaltung der zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geschlossenen bilateralen Investitionsschutzverträge unterstützte (vgl. Rn. 3). Nach der Achmea-Entscheidung betonte die Europäische Kommission, dass diese Entscheidung keine unmittelbaren Auswirkungen auf Abkommen mit Drittstaaten habe, für welche andere rechtliche Erwägungen gälten (vgl. Europäische Kommission, Commission provides guidance on protection of cross-border EU investments - Questions and Answers, , abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/fi/memo_18_4529).
38Zwar haben Teile des Schrifttums demgegenüber die Ansicht vertreten, dass die durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Achmea-Entscheidung angestellten Erwägungen auf einen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geschlossenen Investitionsschutzvertrag grundsätzlich übertragbar seien oder sein könnten, was zur Folge hätte, dass die Schiedsklauseln in derartigen Abkommen unionsrechtswidrig wären (vgl. etwa Krajewski, in: Ludwigs/Remien, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, 2018, S. 113 <127 f.>; van der Beck, Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union, 2022, 163 ff. m.w.N.; De Boeck, EU Law and International Investment Arbitration, 2022, S. 314 ff., 419 f.). Allerdings geschah dies - worauf der Bundesgerichtshof auch hingewiesen hat - nicht unter Berücksichtigung der Komstroy-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
39(d) Schließlich legt die Beschwerdeführerin einen Konflikt zwischen dem streitgegenständlichen Investitionsschutzvertrag und dem Unionsrecht nicht substantiiert dar. Sie verweist pauschal auf die abstrakte Möglichkeit, dass über den Verweis der Schiedsklausel auf innerstaatliches Recht - in der hier nicht vorliegenden Konstellation eines Schiedsverfahrens zwischen einem indischen Investor und der Bundesrepublik Deutschland - Unionsrecht zur Anwendung kommen könnte. Hingegen setzt sie sich nicht damit auseinander, dass das Unionsrecht - anders als in der innereuropäischen Konstellation, die der Rechtssache Achmea zugrunde lag - das Verhältnis zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Drittstaat und Investoren aus beiden Ländern nicht in Gänze reguliert, weil das Unionsrecht nicht Investoren aus Mitgliedstaaten in Drittstaaten schützt. Auch berücksichtigt die Beschwerdeführerin nicht, dass nicht sämtliche unionsrechtlichen Normen im Verhältnis zwischen einem Investor aus einem Drittstaat und einem Mitgliedstaat zur Anwendung kommen (vgl. nur Köster, Investitionsschutz in Europa, 2022, S. 148, der darauf hinweist, dass die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV zwar auch zugunsten von Investoren aus Drittstaaten gilt, wohingegen die Niederlassungsfreiheit nach dem Wortlaut des Art. 49 AEUV, der auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats abstellt, schon nicht greift; vgl. auch Wojcik, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 63 AEUV Rn. 10; Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 63 AEUV Rn. 22 f.; Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 49 AEUV Rn. 8; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV Rn. 12 <Feb. 2019>; Tiedje, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, vor Art. 49 AEUV Rn. 35). Damit kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen zur Versagung der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs dann erfüllt wären, wenn die Schiedsklausel in der - hier nicht vorliegenden - Konstellation eines Schiedsverfahrens eines Investors aus einem Drittstaat gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union als unionsrechtswidrig zu beurteilen wäre (dies offenlassend van der Beck, Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union, 2022, S. 161 ff., 164). Soweit die Beschwerdeführerin anführt, die Schiedsvereinbarung könne nur insgesamt wirksam oder unwirksam sein, führte dies in der Sache dazu, dass dem Unionsrecht ein Geltungsvorrang zukäme, und widerspricht damit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, der von einem Anwendungsvorrang ausgeht, welcher nur im Falle eines konkreten Konflikts mit dem Unionsrecht greift (vgl. EuGH, Ministero delle Finanze gegen IN.CO.GE.'90 Srl u.a., , C-10/97 u.a., EU:C:1998:498, Rn. 21; vgl. auch Berger, Anwendungsvorrang und nationale Verfassungsgerichte, 2015, S. 17 f; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 4 EUV Rn. 37; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 1 AEUV Rn. 18). Ein solcher ist vorliegend weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
40b) Im Hinblick auf Art. 47 GRCh ist der Vortrag der Beschwerdeführerin gleichfalls nicht hinreichend substantiiert. Sie setzt sich weder mit den Voraussetzungen der Anwendbarkeit dieser Bestimmung (vgl. dazu BVerfGE 152, 216 <233 ff. Rn. 42 ff.> - Recht auf Vergessen II; 156, 182 <197 ff. Rn. 34 ff.> - Rumänien II; 158, 1 <23 ff. Rn. 35 ff.> - Ökotox-Daten) noch mit deren Anwendung auf die Frage der Einhaltung des Art. 267 AEUV und dessen möglicher Verletzung hinreichend auseinander.
41c) Die Beschwerdeführerin kann schließlich auch nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, das Bundesverfassungsgericht solle - entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Rn. 28 f.) - die Einhaltung des Art. 267 AEUV vollständig kontrollieren. Sie hat schon nicht aufgezeigt, dass dies vorliegend zu einem anderen Ergebnis führen würde. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann zwar ein in letzter Instanz entscheidendes mitgliedstaatliches Gericht nur dann, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass es keine Anhaltspunkte gibt, die einen vernünftigen Zweifel an der richtigen Auslegung des Unionsrechts aufkommen lassen, davon absehen, dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen. Die bloße Möglichkeit, eine Vorschrift des Unionsrechts unterschiedlich auslegen zu können, sofern keine der Auslegungsmöglichkeiten dem betreffenden mitgliedstaatlichen Gericht insbesondere im Hinblick auf den Zusammenhang und die Ziele der Vorschrift sowie die Regelung, zu der sie gehört, hinreichend plausibel erscheine, könne aber nicht die Annahme begründen, dass an der richtigen Auslegung dieser Vorschrift ein vernünftiger Zweifel bestehe. Wenn dem in letzter Instanz entscheidenden mitgliedstaatlichen Gericht jedoch das Vorliegen voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen - von Gerichten ein und desselben Mitgliedstaats oder zwischen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten - zur Auslegung einer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Vorschrift des Unionsrechts zur Kenntnis gebracht werde, müsse es bei seiner Beurteilung der Frage, ob es an einem vernünftigen Zweifel in Bezug auf die richtige Auslegung der fraglichen Unionsrechtsvorschrift fehlt, besonders sorgfältig sein und dabei insbesondere das mit dem Vorabentscheidungsverfahren angestrebte Ziel, die einheitliche Auslegung des Unionsrechts zu gewährleisten, berücksichtigen (vgl. insbesondere EuGH, CILFIT, , C-283/81, EU:C:1982:335, Rn. 16 ff.; Consorzio Italian Management, , C-561/19, EU:C:2021:799, Rn. 47 ff.). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, mit der sich die Beschwerdeführerin schon nicht im Einzelnen auseinandersetzt, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine Verletzung des Art. 267 Abs. 3 AEUV überhaupt möglich erscheint.
42Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
43Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250731.2bvr008524
Fundstelle(n):
WAAAJ-99985