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BAG Urteil v. - 4 AZR 275/24 (F)

Instanzenzug: Az: 56 Ca 1358/19 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 8 Sa 332/20 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Zinsen.

2Die Klägerin ist bei dem beklagten Land seit dem beschäftigt, zuletzt in einer Serviceeinheit der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts B. Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis „nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die mit dem Lande Berlin bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das Land Berlin angehört, bisher vereinbarten, noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der Angestellten Anwendung.“ Die Klägerin erhielt seit Überleitung in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) eine Vergütung nach Entgeltgruppe 6 mit individueller Endstufe (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts, TVÜ-Länder).

3Die der Klägerin übertragenen Aufgaben ergeben sich aus der „Beschreibung des Aufgabenkreises“ vom (BAK), nach der sie zu 71,57 vH ihrer Arbeitszeit „Tätigkeiten i.S.d. Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II Abschnitt T UA 1d. Anl. 1a zum BAT“ und zu 28,43 vH ihrer Arbeitszeit „Schwierige Tätigkeit im Sinne der Protokollnotiz Nr. 2 a.a.O.“ auszuüben hat.

4Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom hat die Klägerin mit ihrer Klage die Auffassung vertreten, seit dem Vergütung nach Entgeltgruppe 9 TV-L beanspruchen zu können.

5Sie hat ursprünglich - sinngemäß - beantragt festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, sie ab dem nach Entgeltgruppe 9 TV-L zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Differenzbeträge für die Monate ab Januar 2018 ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision ist ursprünglich unter dem Aktenzeichen - 4 AZR 337/20 - geführt worden. Der Senat hat das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO im Einvernehmen mit den Parteien im Hinblick auf die durch das beklagte Land gegen Entscheidungen des Senats über die Eingruppierung anderer beim Land Berlin als Beschäftigte in Serviceeinheiten tätiger Arbeitnehmerinnen eingelegte Verfassungsbeschwerde im Mai 2021 ausgesetzt. Nachdem die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden war ( -), hat die Klägerin das Verfahren im Dezember 2022 wieder aufgenommen (- 4 AZR 35/22 (F) -). Das beklagte Land hat nachfolgend mitgeteilt, „unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senates sowie des Bundesverfassungsgerichts verfahren“ zu wollen und eine Abrechnung und Nachzahlung vorzunehmen. Der Senat hat daraufhin im Einvernehmen mit den Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

6Die Klägerin hat am eine Zahlung auf die rückständigen Beträge für Januar 2023 bis Oktober 2023, am auf die rückständigen Beträge für Januar 2019 bis Dezember 2022 und mit Wirkung zum auf diejenigen für Dezember 2017 bis Dezember 2018 erhalten. Zinszahlungen hat das beklagte Land nicht geleistet. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin das Verfahren wieder aufgenommen. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf die Vergütungspflicht sowie hinsichtlich der Zinsansprüche für die Zeit nach den Zahlungen übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat die Klägerin zuletzt Zinsen auf verspätet gezahlte Differenzvergütung für die Monate Dezember 2017 bis Oktober 2023 begehrt und sinngemäß beantragt,

7Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, es habe sich wegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums nicht mit der Zahlung der Differenzvergütung im Verzug befunden. Zudem sei die Berechnung der Zinsen unzutreffend.

Gründe

8Die Revision der Klägerin ist im Ergebnis ohne Erfolg. Die Klageänderung ist unzulässig. Der ursprüngliche Feststellungsantrag ist - soweit noch streitgegenständlich - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht unbegründet, sondern bereits unzulässig.

9I. Die in der Revisionsinstanz vorgenommene Klageänderung vom Feststellungsbegehren zu einem bezifferten Leistungsantrag und die Klageerweiterung hinsichtlich des Monats Dezember 2017 sind unzulässig.

101. Antragserweiterungen und sonstige Antragsänderungen sind in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Antragsänderungen können nur ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt, der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden ( - Rn. 13 mwN).

112. Nach diesen Grundsätzen ist die Klageänderung unzulässig. Der Übergang von einem Feststellungs- auf einen Leistungsantrag stellt zwar als Erweiterung des zweitinstanzlichen Klageantrags bei gleichbleibendem Klagegrund nach § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung iSv. § 263 ZPO dar (vgl.  - Rn. 14 mwN, BAGE 177, 45). Vorliegend kann sich der neue Antrag aber weder auf den in der Berufungsinstanz festgestellten noch auf von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen. Die Höhe der Differenzbeträge, die als Hauptforderungen der Berechnung der Zinsforderungen zugrunde zu legen sind, lässt sich aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht ermitteln und steht zwischen den Parteien im Streit. Das beklagte Land hat zwar Zahlungen erbracht, welche die Klägerin als Erfüllung der Hauptforderungen akzeptiert hat. Die Parteien haben jedoch die Höhe der geleisteten Zahlungen nicht mitgeteilt. Es ist nicht ersichtlich, ob die Klägerin zur Ermittlung der Zinsen die geleisteten Zahlungen oder andere - auf nicht näher dargelegte Weise berechnete - Differenzbeträge zugrunde gelegt hat. Ferner ist nicht erkennbar, ob das beklagte Land nunmehr der Auffassung ist, die Hauptforderungen seien tatsächlich geringer als die abgerechnete und ausgezahlte Differenzvergütung. Das beklagte Land macht weiterhin geltend, die Klägerin sei von einem unzutreffenden individuellen Vergleichsentgelt ausgegangen, habe die Entgeltgruppenzulage sowie die - in der Entgeltgruppe 6 TV-L höheren - Jahressonderzahlungen unberücksichtigt gelassen und nicht in ihre Berechnungen einbezogen, dass sie im Streitzeitraum zum Teil keinen Anspruch auf Tabellenentgelt, sondern nur auf Krankengeldzuschuss gehabt habe. Zur Berechnung der Zinsforderung sind daher weitere Feststellungen erforderlich.

123. Soweit die Klägerin nunmehr auch Zinsen für Differenzvergütung aus Dezember 2017 geltend macht, ist die darin liegende Klageerweiterung ebenfalls unzulässig. Bislang waren lediglich Ansprüche ab Januar 2018 streitgegenständlich. Über den Anspruch aus Dezember 2017 könnte erst nach weitergehendem Sachvortrag, insbesondere zur rechtzeitigen Geltendmachung, entschieden werden.

13II. Da die Klageänderung unzulässig ist, ist auf Grundlage der bisherigen Anträge zu entscheiden ( - Rn. 15 mwN). Der danach zur Entscheidung angefallene Feststellungsantrag ist in Bezug auf die Zinsen unzulässig.

141. Der Antrag ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, auf die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes zur Zinszahlung bezüglich der Bruttodifferenzbeträge zwischen der Vergütung nach Entgeltgruppe 6 und Entgeltgruppe 9 TV-L für die Monate Januar bis Dezember 2018 und Entgeltgruppe 9a TV-L für den Zeitraum vom bis gerichtet. Anderenfalls bliebe der Umstand der seit dem veränderten Bezeichnung der Entgeltgruppen bei gleichbleibendem Inhalt unberücksichtigt (vgl.  - Rn. 15, BAGE 172, 130). Er ist darüber hinaus aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien auf den Zeitraum bis zur Zahlung durch das beklagte Land begrenzt.

152. Für den so verstandenen Antrag fehlt es am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.

16a) Ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO besteht nur, wenn durch die Entscheidung Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft der Feststellungsentscheidung muss den Streit insgesamt beseitigen und das Rechtsverhältnis abschließend klären. Das setzt bei einem auf die Feststellung einer Zinszahlungspflicht gerichteten Antrag jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Höhe der Zinsen bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht werden, damit nicht lediglich eine Vorfrage geklärt wird (vgl. zur Feststellung der Vergütungspflicht  - Rn. 46, BAGE 178, 201; - 10 AZR 130/19 - Rn. 14 mwN).

17b) Nach diesen Grundsätzen ist kein Feststellungsinteresse gegeben. Ein solches besteht zwar grundsätzlich, wenn neben einem Eingruppierungsfeststellungsantrag die hierzu akzessorische Zinsforderung im Wege der Feststellung geltend gemacht wird (vgl.  - Rn. 15; - 4 AZR 128/23 - Rn. 11). Vorliegend ist allerdings zwischen den Parteien neben der Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung von Zinsen auch die Berechnung des dem Zinsanspruch zugrunde liegenden Zahlungsanspruchs und damit die Höhe des geltend gemachten Zinsanspruchs streitig. Die Parteien sind sich insbesondere weder über die Höhe des an die Klägerin gezahlten individuellen Vergleichsentgelts noch über die Berücksichtigung der Entgeltgruppenzulage und Jahressonderzahlungen sowie etwaige Zeiträume mit Krankengeldbezug einig. Dementsprechend handelt es sich bei der Bestimmung der Zinshöhe nicht um eine reine Rechenaufgabe. Vielmehr wären nach Feststellung einer Zinszahlungspflicht weiterer Streit und ein erneutes gerichtliches Verfahren vorprogrammiert.

183. Dem Senat ist ein Sachurteil auch nicht unter dem Gesichtspunkt möglich, dass das Feststellungsinteresse echte Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil ist und das Revisionsgericht auch bei seinem Fehlen jedenfalls dann zu einer Sachentscheidung befugt ist, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa weil die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl.  - Rn. 22 mwN). Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen nach § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht nach § 286 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. Dieses befand sich mit der Zahlung der Differenzvergütung in Verzug.

19a) Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Zu vertreten hat der Schuldner nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Der Schuldner ist darlegungs- und beweispflichtig, dass die geschuldete Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt unterblieben ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft ( - Rn. 25; - 5 AZR 385/20 - Rn. 18, BAGE 175, 182; - 4 AZR 77/21 - Rn. 29). Soweit der Senat dies in der Vergangenheit für Zinsansprüche bei Entgeltdifferenzen wegen fehlerhafter Eingruppierung im öffentlichen Dienst anders beurteilt hat, hat er diese Rechtsprechung bereits mit Entscheidung vom (- 4 AZR 167/09 - Rn. 46) ausdrücklich aufgegeben.

20b) Das beklagte Land hat keine Umstände dargelegt, die einen Ausschluss des Schuldnerverzugs begründen könnten. Es hat geltend gemacht, sich in einem „unvermeidbaren Rechtsirrtum“ befunden zu haben, da nicht vorhersehbar gewesen sei, dass es mit seiner Auffassung, der Klägerin stünde eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9/9a TV-L nicht zu, weil die von ihr nicht zeitlich überwiegend zu erbringenden schwierigen Tätigkeiten einen eigenen Arbeitsvorgang bildeten, nicht durchdringen werde. Das ist nicht der Fall.

21aa) Der Ausschluss des Schuldnerverzugs wegen unverschuldeten Rechtsirrtums ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Grundsätzlich erfordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und nicht der Gläubigerin aufbürden kann. Der Schuldner muss die Rechtslage genau prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten. Fahrlässig handelt, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Ein Rechtsirrtum ist nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht ( - Rn. 27; - 5 AZR 385/20 - Rn. 21 mwN, BAGE 175, 182; vgl. zum Rechtsirrtum bei einer Eingruppierung  - Rn. 46 ff.).

22bb) Nach diesen Grundsätzen war der Rechtsirrtum des beklagten Landes nicht unverschuldet.

23(1) Dieses hat sich mit seiner Auffassung erkennbar zumindest in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt. Der Senat hatte seine Rechtsprechung zu der - vorliegend maßgebenden - Frage, ob Tätigkeiten unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden können, spätestens mit den Entscheidungen vom (- 4 AZR 933/11 - Rn. 19, BAGE 146, 22; - 4 AZR 968/11 - Rn. 18) erkennbar geändert. Seither entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass erst der Arbeitsvorgang ohne Berücksichtigung der tariflichen Wertigkeit der Tätigkeiten zu bestimmen und dann zu bewerten ist (vgl. ausf. zur Rechtsprechungsentwicklung  - Rn. 52 ff., BAGE 172, 130). Das beklagte Land musste daher bereits zu Beginn des Streitzeitraums Anfang Januar 2018 mit der Möglichkeit rechnen, mit seiner Rechtsauffassung letztlich nicht durchzudringen. Mit der Entscheidung des Senats vom (- 4 AZR 816/16 - BAGE 162, 81), die die Eingruppierung einer Geschäftsstellenverwalterin beim Bundesverwaltungsgericht betraf, war dies offenkundig.

24(2) Dem steht nicht entgegen, dass „das beklagte Land vertreten durch die Präsidentin/den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts … aufgrund eigener Fachkompetenz die Rechtslage geprüft“ und die Vorinstanzen sowie andere Instanzgerichte den Standpunkt des beklagten Landes geteilt haben (vgl.  - Rn. 25, BAGE 175, 182). Dieser entsprach - wie von den Instanzgerichten erkannt und zum Ausdruck gebracht - nicht der vorhandenen, bereits über mehrere Jahre gefestigten, höchstrichterlichen Rechtsprechung.

25(3) Ebenso wenig führt die Tatsache, dass der Senat den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO im Einvernehmen mit den Parteien im Hinblick auf die anhängige Verfassungsbeschwerde (sh. Rn. 5) ausgesetzt hat, zu einem anderen Ergebnis. Die Aussetzung lässt nicht den Schluss zu, das beklagte Land habe nicht damit rechnen müssen, dass der Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9/9a TV-L zusteht.

26(a) Bei Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG in einem Parallelverfahren kommt eine Aussetzung der Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO in Betracht, wenn die Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen - im Hinblick auf eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - und dem Beschleunigungsgebot im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine solche als angemessen erscheinen lässt (ausf.  (A) - Rn. 42 ff. mwN, BAGE 172, 175).

27(b) Ausreichend für die Aussetzung ist damit bereits die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Diese entspricht aber allenfalls dem allgemeinen Prozessrisiko, das das beklagte Land zu tragen hatte. Allein die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Hinblick auf eine etwaige Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts führt nicht dazu, dass das beklagte Land seinen Rechtsirrtum nicht mehr zu vertreten hatte.

28III. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, was auch noch im Revisionsrechtszug möglich ist ( - Rn. 13, BAGE 179, 200;  - Rn. 11), hat das beklagte Land nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Klage war im Zeitpunkt der (letzten) Zahlung des beklagten Landes als erledigendem Ereignis unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zulässig und begründet. Insbesondere bestand zu diesem Zeitpunkt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Bis dahin hatten die Parteien einzig darüber gestritten, ob das beklagte Land zur Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 9/9a TV-L verpflichtet ist. Die später zu Tage getretenen Unstimmigkeiten über die Höhe der Differenzvergütung waren (noch) nicht erkennbar. Dies ist für das Vorliegen des Feststellungsinteresses ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass ein künftiger Streit der Parteien über die Anspruchshöhe ausgeschlossen werden kann. Maßgebend ist, ob bereits ersichtlich ist, dass der Streit der Parteien zu einem weiteren Prozess - einer Leistungsklage der Klägerin - führen muss ( - Rn. 17 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:250625.U.4AZR275.24F.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-99963