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Online-Nachricht - Donnerstag, 18.09.2025

Umsatzsteuer | Zur Umsatzsteuerbefreiung von Betreuungs- und Pflegeleistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden (BFH)

Eine Leistung ist nicht bereits dann in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubeziehen, wenn die Gegenleistung aus dem Persönlichen Budget (§ 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) bestritten wird (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a.F. sind steuerfrei die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind.

Sachverhalt: Die Klägerin erbrachte als Leistungserbringerin im sozialrechtlichen Sinne Leistungen im Bereich der sozialen Teilhabe, die es den Leistungsberechtigten – hilfsbedürftigen Personen – ermöglichen sollte, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Hierzu stellten die Leistungsberechtigten zunächst einen Antrag beim Leistungsträger – den Sozialträgern – auf ein sog. Persönliches Budget nach § 29 SGB IX. Nach Genehmigung des Persönlichen Budgets erhielten die Leistungsberechtigten monatlich Geldleistungen, mit denen sie die begehrten Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen konnten. Der Budgetgenehmigung ging stets eine vorherige Zielvereinbarung und ein Gesamtplan einher, wo die Klägerin als Leistungserbringerin explizit bezeichnet worden ist und u.a. vereinbart worden ist, wie die individuelle Teilhabe der Leistungsberechtigten konkret ermöglicht werden soll. Das Persönliche Budget konnte durch die Leistungsberechtigten grundsätzlich frei für Leistungen, die der Zielsetzung der Vereinbarung nicht widerstreben, ausgegeben werden; über die Mittelverwendung musste gegenüber dem Leistungsträger Rechenschaft abgelegt werden (Vorlage von Rechnungen zu den beanspruchten Leistungen und Maßnahmen). Die Klägerin rechnete die Leistungen gegenüber den Leistungsberechtigten ab, stellte ihnen eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus und behandelte die Umsätze unter Verweis auf § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a. F. steuerfrei.

Das FA verneinte eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a. F. für die streitbefangenen Leistungen, da nicht – wie gesetzlich gefordert – in mindestens 25 % der Fälle die Kosten für Teilhabeleistungen ganz oder überwiegend vom Sozialträger vergütet worden sind. Die Vergütung erfolgte nämlich aufgrund der Konzeption des Persönlichen Budgets stets direkt durch die Leistungsberechtigten und gerade nicht durch die Sozialträger, weshalb die sog. 25 %-Sozialquote nicht erfüllt werden konnte.

Das Hessische FG verneinte die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a. F. für die streitbefangenen Leistungen und wies die hiergegen gerichtete Klage ab (; s. hierzu Bender, USt direkt digital 23/2024 Seite 10).

Die Richter des BFH sahen die Revision der Klägerin als begründet an und hoben das FG-Urteil auf:

  • Die Klägerin erhielt ihre Zahlungen nicht in mindestens 25 % der Fälle unmittelbar von den in § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. genannten gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge, sondern von den Leistungsempfängern. Der Umstand, dass diese die Zahlungen aus dem Persönlichen Budget bestritten haben, das die Budgetnehmer zuvor von den in § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. genannten Personen als Geldleistung erhalten hatten, ist als solcher nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen.

  • Eine Leistung ist nicht bereits dann in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubeziehen, wenn die Gegenleistung aus dem Persönlichen Budget (§ 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) bestritten wird.

  • Eine Leistung ist jedoch in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubeziehen, wenn ein Budgetnehmer mit einem in der Vorschrift genannten Kostenträger als Budgetgeber eine individuelle Zielvereinbarung abgeschlossen hat sowie ein Gesamtplan des Budgetgebers vorliegt, in denen jeweils der Leistungserbringer namentlich genannt wird (Anschluss an das ; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.5.2025 und Leonard, USt direkt digital 10/2025 Seite 4).

  • Daher sind - entgegen der Auffassung des FG - auch aus dem Persönlichen Budget (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F., nunmehr § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX n.F.) bestrittene Leistungen für die Bemessung der Mindestvergütungsquote des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k, l, m oder n UStG a.F. zu berücksichtigen, wenn eine explizite Entscheidung auch in Bezug auf die Person des Leistungserbringers durch einen in dieser Vorschrift genannten Träger (z.B. gesetzlicher Träger der Sozialversicherung, Träger der Sozialhilfe, Träger der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX) vorliegt.

Quelle: ; NWB Datenbank (lb)

Fundstelle(n):
GAAAJ-99921