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NWB-BB Nr. 10 vom Seite 293

Krankenstand im Griff – mit arbeitsrechtlichem Know-how

Dipl.-Kfm. Heiko Lucius | Verantw. Redakteur | nwb-bb-redaktion@nwb.de

„Keine Lohnfortzahlung mehr am ersten Krankheitstag und die Wiedereinführung des Karenztags“ – dieser Vorschlag von Allianz-Chef Oliver Bäte löste Anfang des Jahres eine große Debatte aus. Denn hierzulande gilt bekanntlich, anders als in einigen anderen Ländern, seit Jahrzehnten die Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag.

Was für den einen oder anderen als „ungerecht“ empfunden wird, hat einen ernsten Hintergrund: Auch wenn Deutschlands Beschäftigte nach relativ kurzer Zeit wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, melden sie sich immer öfter krank. Das ist ein Ergebnis des BKK Gesundheitsreports „Spurwechsel Prävention“ des BKK Dachverbands. Den Zahlen zufolge ist die Zahl der Krankschreibungen im Jahr 2023 hierzulande mit 22,4 Fehltagen pro Beschäftigtem zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, der Krankenstand verharrt allerdings noch immer auf hohem Niveau. Und das in einer Zeit, in der Unternehmen angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels ohnehin händeringend nach arbeitsfähigen Mitarbeitern suchen.

Wie können Unternehmen die Anzahl der Fehltage im Unternehmen reduzieren? Wir sprechen hier natürlich nicht von begründeten AU-Tagen, sondern von der Grauzone mit leichten Erkrankungen und Motivationsdefiziten. Kann vielleicht eine Verkürzung der Arbeitszeit die Gesundheit fördern? Ich denke da spontan an die in jüngster Vergangenheit häufig diskutierte Viertagewoche. Zugegeben – ein schöner Gedanke, weniger zu arbeiten für das gleiche Gehalt. Mehr Freizeit müsste doch dazu führen, ausgeruhter zu sein und damit weniger krankheitsanfällig. Doch ist das wirklich so? Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) widerspricht dieser landläufig verbreiteten Meinung: Sie belegt, dass Vollzeitkräfte nicht häufiger erschöpft sind als Teilzeitkräfte. So gaben fast 38 % der Vollzeitbeschäftigten an, sich häufig körperlich erschöpft zu fühlen. Bei Teilzeitbeschäftigen sind es 42 %. Ob sich Mitarbeiter ausgelaugt fühlen, hängt demnach nicht nur von der reinen Arbeitszeit ab, sondern auch von der Gestaltung ihres Arbeitsumfeldes.

Viertagewoche also adé bzw. sogar kontrapoduktiv – was bleibt dann noch übrig? RA Julian Stinauer und StB Dr. Christian Sielaff zeigen ab in ihrem Beitrag „Krankenstand reduzieren: Arbeitsrechtliche Handlungsoptionen“, dass es durchaus diverse Möglichkeiten gibt, wie sowohl positive Anreize als auch arbeitsrechtliche Sanktionen genutzt werden können. In Kombination mit einem individuell zugeschnittenen betrieblichen Gesundheitsmanagement und Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung kann eine Reduzierung der Fehltage, zumindest in einem bestimmten Umfang, erreicht werden.

Vielleicht reicht es schon, die aktuell zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Instrumente zu nutzen, als an der Lohnfortzahlung herumzuschrauben? Wir dürfen gespannt sein, ob die Politik dieses Thema demnächst auf die Tagesordnung bringen wird.

Beste Grüße

Heiko Lucius

Fundstelle(n):
NWB-BB 10/2025 Seite 293
UAAAJ-99805