Gründe
1Das Kammergericht – Senat für Wirtschaftsprüfersachen – hat auf die Berufungen des Berufsträgers und der Generalstaatsanwaltschaft ein Urteil des Landgerichts Berlin – Kammer für Wirtschaftsprüfersachen – vom dahingehend abgeändert, dass zwei Geldbußen herabgesetzt worden sind, die mit berufsrechtlichen Maßnahmen verbunden waren; im Übrigen hat es die Berufungen verworfen. Die gegen den Rechtsfolgenausspruch gerichtete, vom Kammergericht zugelassene und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Generalstaatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, während die Nichtzulassungsbeschwerde des Berufsträgers ohne Erfolg bleibt.
I.
21. Zugrunde liegen dem Verfahren zwei ursprünglich getrennte Maßnahmen: Dem Berufsträger hat die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) mit Bescheid vom eine Rüge erteilt und dies mit einer Geldbuße in Höhe von 3.000 Euro verbunden. Vorgeworfen werden dem Berufsangehörigen unsachliche Äußerungen in Telefonaten mit Mitarbeitern der WPK am und am . Der dagegen erhobene Einspruch ist von der WPK zurückgewiesen worden; hiergegen hat der Berufsträger rechtzeitig die berufsgerichtliche Entscheidung beantragt.
3Die Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) hat dem Berufsträger mit Bescheid vom eine Rüge erteilt und dies mit einer Geldbuße in Höhe von 8.000 Euro verbunden; zudem hat sie festgestellt, dass ein Bestätigungsvermerk zur Prüfung des Jahresabschlusses der V. AG zum nicht den Anforderungen des Art. 10 AP-VO entspricht. Dem Berufsangehörigen werden in dem Bescheid eine Berufspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem genannten Jahresabschluss, die Verletzung berufsrechtlicher Auskunfts- und Vorlagepflichten und die Verletzung der Berufspflichten aus Art. 13 f. AP-VO bezüglich des Berichtsjahres 2018 vorgeworfen. Hiergegen hat der Berufsträger Einspruch eingelegt, den die APAS zurückgewiesen hat. Hierbei hat sie die Vorwürfe um die Verletzung der Berufspflichten aus Art. 13 f. AP-VO für das Berichtsjahr 2020 erweitert. Der Berufsangehörige hat rechtzeitig hiergegen die gerichtliche Entscheidung beantragt.
42. Das Landgericht Berlin – Kammer für Wirtschaftsprüfersachen – hat mit Beschluss vom beide Verfahren verbunden. Mit Urteil vom hat es die Anträge des Berufsangehörigen auf berufsgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
53. Auf die hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Berufungen des Berufsträgers und der Generalstaatsanwaltschaft hat das Kammergericht – Senat für Wirtschaftsprüfersachen – mit Urteil vom das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Maßnahme der WPK mit einer Geldbuße von 2.000 Euro und die Maßnahme der APAS mit einer Geldbuße von 7.000 Euro verbunden wird. Die Revision gegen dieses Urteil hat das Kammergericht zunächst nicht zugelassen.
6Auf die zulässigen Nichtzulassungsbeschwerden der Generalstaatsanwaltschaft und des Berufsangehörigen hat das die Revision der Generalstaatsanwaltschaft zugelassen und der Nichtzulassungsbeschwerde des Berufsangehörigen nicht abgeholfen.
II.
7Die Nichtzulassungsbeschwerde des Berufsangehörigen hat keinen Erfolg, weil der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift entgegen § 107 Abs. 3 Satz 3 WPO keine Rechtsfragen oder Fragen der Berufspflichten von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, deren Lösung sich nicht schon aus dem Gesetz ergibt oder die nicht bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt sind (vgl. die Antragsschrift des Generalbundesanwalts).
III.
8Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft führt im Anfechtungsumfang zu Gunsten des Berufsträgers zur Aufhebung des angegriffenen Urteils.
91. Die zugelassene Revision ist, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nach ihrem maßgeblichen Inhalt auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und greift auch die zugehörigen Feststellungen nicht an (vgl. zur diesbezüglichen Auslegung der Revision der Staatsanwaltschaft nur Rn. 13 f. mwN). Weil die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel eine einheitliche Rechtsfolge erstrebt und die Verhängung zweier getrennter Rechtsfolgen den Berufsträger beschwert, sieht der Senat mit dem Generalbundesanwalt die Revision als lediglich zu Gunsten des Berufsträgers eingelegt an.
102. Das Rechtsmittel hat – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – Erfolg. Das Kammergericht hat zu Unrecht zwei getrennte Rechtsfolgen für die Berufspflichtverletzungen des Berufsträgers festgesetzt. Denn nach dem auch für Wirtschaftsprüfer weiterhin geltenden Grundsatz der Einheitlichkeit beruflicher Pflichtverletzungen ist in einem Gerichtsverfahren, das mehrere Pflichtverletzungen des Berufsträgers zum Gegenstand hat, eine einheitliche Rechtsfolge auszusprechen (vgl. bereits WpSt [R]) 1/12, BGHSt 57, 289). Das ergibt sich aus Folgendem:
11a) Im Berufsrecht gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung (vgl. für Rechtsanwälte AnwSt [R] 5/77, BGHSt 27, 305; Beschluss vom – AnwSt [R] 5/05, NJW 2009, 534, 536; für Steuerberater StbSt [R] 9/84, BGHSt 33, 225, 229; Beschluss vom – StbSt [R] 1/15, BGHSt 61, 92 Rn. 34; für Wirtschaftsprüfer WpSt [R] 1/12, BGHSt 57, 289; ausführlich zum Thema Steffen, Der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung im anwaltsgerichtlichen Verfahren unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens im Disziplinarrecht, 2009). Dieser beinhaltet, dass gegen den Berufsangehörigen innerhalb eines Verfahrens auch bei unterschiedlichen Pflichtverletzungen nur auf eine einheitliche berufsaufsichtliche Maßnahme erkannt werden kann. Denn das berufsgerichtliche Verfahren zielt auf die Beurteilung der Frage ab, ob und inwieweit der Berufsangehörige aufgrund seiner Persönlichkeit für seinen Beruf noch tragbar ist oder bei ihm eine erzieherische Einwirkung mit dem Ziel geboten erscheint, den Eintritt der Untragbarkeit abzuwenden ( WpSt [R] 1/12, BGHSt 57, 289, 296).
12Diese Auffassung wird von der Literatur zwar wegen prozessualer Unklarheiten teilweise kritisiert (näher Reelsen in Weyland, BRAO, 11. Aufl., § 113 Rn. 47 ff. mwN; Jähnke, FS Pfeiffer S. 941 ff.). Auch Kritiker des prozessualen Einheitlichkeitsbegriffs gehen indes davon aus, dass mehrere Pflichtwidrigkeiten, die gleichzeitig berufsgerichtlich geahndet werden, materiell-rechtlich mit nur einer berufsaufsichtlichen Maßnahme zu belegen sind (vgl. Reelsen, aaO, Rn. 57).
13b) Daran hat das zum in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der aufsichts- und berufsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz – APAReG) vom (BGBl. I S. 518) entgegen der Auffassung des Kammergerichts nichts geändert.
14aa) Zwar können danach – wie im vorliegenden Verfahren geschehen – sowohl die WPK als auch die APAS Berufspflichtverletzungen des Berufsträgers ahnden. Für die APAS besteht eine derartige Zuständigkeit im Rahmen ihrer Abschlussprüferaufsicht für Verletzungen des Berufsrechts, die bei Ermittlungen nach § 66a Abs. 6 Satz 1 WPO zu Tage getreten sind (vgl. § 66a Abs. 6 Satz 3 WPO). Der Gesetzgeber wollte aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben lediglich im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 die Zuständigkeit zum Erlass berufsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen auf die APAS übertragen (vgl. BT-Drucks. 18/6282 S. 93). Jenseits von § 66a WPO ist für die Berufsaufsicht und die Entscheidung über berufsaufsichtliche Maßnahmen nach § 68 WPO hingegen – wie zuvor insgesamt – die WPK zuständig.
15bb) Dieses ausdrücklich angeordnete Nebeneinander von Ahndungszuständigkeiten hat nichts an dem gesetzgeberischen Willen geändert, an dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Pflichtverletzung festzuhalten. Im Zusammenhang mit der Änderung des für die WPK geltenden § 68 Abs. 2 Satz 2 WPO (der nach § 66a Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WPO entsprechend für die APAS gilt) ist vielmehr ausgeführt (BT-Drucks. 18/6282 S. 97):
„Satz 2 soll gewährleisten, dass der Vorstand der Wirtschaftsprüferkammer im Sinne des durch den Bundesgerichtshof geprägten Grundsatzes der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung (vgl. u.a. WpSt [R] 1/12, NJW 2012, S. 3251) alle Berufspflichtverletzungen eines Berufsangehörigen, die im Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme bekannt und noch nicht sanktioniert worden sind, in einer abschließenden Entscheidung behandelt. Dies soll eine einheitliche Würdigung des gesamten berufsrechtlich relevanten Verhaltens des Berufsangehörigen ermöglichen. Erst hierdurch wird es der Wirtschaftsprüferkammer ermöglicht, den Einwirkungsbedarf auf den Berufsangehörigen festzustellen, das heißt abzuschätzen, ob zum Beispiel eine Rüge und eine Geldbuße genügen, um ihn zu berufsrechtskonformen Verhalten anzuhalten, oder ob angesichts der verschiedenen oder sich wiederholenden Berufspflichtverletzungen bereits schwerere Maßnahmen wie ein Tätigkeits- oder Berufsverbot erforderlich sind.
Zugleich wird mit dem Wort ‚soll‘ jedoch zum Ausdruck gebracht, dass die Tatsache, dass der Vorstand der Wirtschaftsprüferkammer aus bestimmten Gründen nicht alle Berufspflichtverletzungen in einer Entscheidung zusammengefasst hat, nicht dazu führt, dass diese Verfehlungen nicht mehr verfolgt werden können (solange sie nicht untrennbar mit den abgehandelten Verfehlungen verbunden sind). Eine solche getrennte Behandlung kann z.B. sachgerecht sein, wenn wegen einzelner Verfehlungen die Ermittlungen abgeschlossen sind und eine unverzügliche Sanktionierung zur Einflussnahme auf den Berufsangehörigen erforderlich erscheint, während zu anderen möglichen Verfehlungen noch länger andauernde Ermittlungen anstehen.“
16Daraus lässt sich zumindest der gesetzgeberische Wille ableiten, den vom Bundesgerichtshof geprägten Grundsatz der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung auch nach Änderung der Wirtschaftsprüferordnung beizubehalten und Ausnahmen davon nur dann zuzulassen, wenn dies aus sachlichen Gründen geboten ist.
17cc) Dieser gesetzgeberische Wille hat im Gesetz allerdings nur unvollkommen Niederschlag gefunden. Nach dem Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz ist eine Zusammenführung von parallel geführten berufsaufsichtsrechtlichen Verfahren der WPK und der APAS gegen einen Berufsangehörigen nicht ausdrücklich geregelt. Werden diese Verfahren getrennt geführt, können gegen den Berufsträger – wie im vorliegenden Fall – mehrere Maßnahmen verhängt werden, ohne dass auf dieser Ebene gesetzlich vorgesehen ist, beide Verfahren zu verbinden. Wie sich dieses Nebeneinander der Ahnungszuständigkeit mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung vertragen soll, hat der Gesetzgeber nicht näher ausgeführt.
18dd) Welche Folgerungen hieraus für berufsaufsichtliche Maßnahmen von WPK und APAS zu ziehen sind, kann dahinstehen. Denn der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung beansprucht jedenfalls dann Geltung, wenn – wie hier – verschiedene anhängige Verfahren durch das Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden. Das gilt unabhängig davon, ob der Berufsträger gerichtlich gegen mehrere Maßnahmen der WPK, gegen mehrere Maßnahmen der APAS oder wie im vorliegenden Fall gegen Maßnahmen sowohl der WPK als auch der APAS vorgeht.
19Sind mehrere Verfahren wegen Berufspflichtverletzungen des Berufsträgers vom zuständigen Gericht verbunden worden (vgl. § 72 Abs. 3 WPO), ist dieses in der Lage, über das gesamte Verhalten des Berufsträgers einheitlich zu entscheiden (vgl. § 103 Abs. 2 Satz 1 WPO). Die vom Gesetzgeber auch nach Inkrafttreten des Abschlussprüferaufsichtsreformgesetzes beabsichtigte Fortgeltung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Berufspflichtverletzung kann und muss dann wieder Beachtung finden. Wie der Gesetzgeber zur Fassung des § 68 Abs. 2 Satz 2 WPO näher ausgeführt hat (vgl. BT-Drucks. 18/6282 S. 97), soll auf verschiedene berufsrechtliche Verfehlungen nur dann getrennt reagiert werden, wenn sachliche Gründe dies gebieten. Derartige Gründe sind nach der Verbindung mehrerer berufsgerichtlicher Verfahren bei Gericht – die sich deshalb regelmäßig anbieten wird – nicht ersichtlich.
20ee) Eine einheitliche Reaktion auf berufsrechtliche Pflichtverletzungen innerhalb eines Verfahrens ist auch deshalb angezeigt, weil die WPO bewusst keine Regeln zur Gesamtsanktionenbildung vorsieht. Eine bloße Addition verschiedener berufsaufsichtlicher Maßnahmen nach § 68 Abs. 1 Satz 2 WPO in einem verbundenen Verfahren könnte aber – wie das Kammergericht zu Recht ausführt – zu untragbaren Ergebnissen führen. Für die vom Kammergericht vorgenommene „fiktive Gesamtstrafenbildung analog § 54 StGB“ hinsichtlich beider Geldbußen fehlt es allerdings an einer planwidrigen Regelungslücke (vgl. dazu als Voraussetzung einer Analogie etwa Rn. 6), da der Gesetzgeber den Grundsatz der Einheitlichkeit der Pflichtwidrigkeit nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich bestätigt und damit zugleich eine einheitliche Reaktion auf verschiedene Pflichtverletzungen gewollt hat, soweit dies das Verfahren zulässt.
213. Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft hat damit im gesamten Anfechtungsumfang Erfolg. Der zur neuen Verhandlung berufene Wirtschaftsprüfersenat des Kammergerichts wird auf der Grundlage der bestandskräftigen Feststellungen erneut über die Rechtsfolge zu entscheiden und hierbei § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 127 WPO zu berücksichtigen haben; er kann dabei ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Jäger Mosbacher Leplow
Lickfett Aicher
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260525BWPST.R.1.24.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-99567