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NWB Nr. 38 vom Seite 2577

Freistellung oder Anrechnung?

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, M.I.Tax, Bonn | Herausgeber des Stichwort-Fachkommentars Hilbert/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

BFH zu Orchestermusiker im öffentlichen Dienst Luxemburgs

Bei grenzüberschreitender unselbständiger Arbeit Besteuerung im Tätigkeitsstaat und, für Outbound-Konstellationen, Freistellung in Deutschland – wer diese Grundzüge für DBA-Fälle verinnerlicht, dürfte häufig richtig liegen. Wie so oft bei Faustregeln sind diese aber bestenfalls die halbe Miete, wie sich am BFH-Urteil VI R 25/23 vom aufzeigen lässt. Geklagt hatte dort ein in Deutschland wohnender und in Luxemburg bei einem staatlichen Orchester beschäftigter Musiker. Sein lohnsteuerlicher Arbeitgeber war eine luxemburgische Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das deutsche Finanzamt besteuerte die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit unter Anrechnung der luxemburgischen Steuer. Die vom Kläger begehrte (DBA-)Freistellung lehnten das Finanzgericht und nun auch der BFH ab. Lehrreich ist der Fall vor allem für das Regel-Ausnahme-Verhältnis der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen untereinander. Bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist zunächst an die Kassenstaatsklausel im DBA zu denken (hier Art. 18, konkret Abs. 1 Buchst. a). Demnach darf nur im Staat der zahlenden Kasse besteuert werden, allerdings gibt es eine Ausnahme bei Vergütungen „für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit eines Vertragsstaats [...] erbracht werden“ (Art. 18 Abs. 3). Auf diese sind die davor stehenden Verteilungsnormen der Art. 14 bis 17 anzuwenden. Der BFH erläutert hierzu, dass es diesbezüglich nicht darauf ankommt, ob sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Gewinnerzielungsabsicht betätigt; auch aus dem Begriff „Unternehmen“ und den damit zusammenhängenden Regelungen des DBA lässt sich dies nicht ableiten. Entscheidend sind vielmehr die Absicht, Einnahmen zu erzielen, eine nachhaltige wirtschaftliche Betätigung, die sich innerhalb der Gesamtbetätigung des Vertragsstaats wirtschaftlich heraushebt, sowie ein Wettbewerb mit privaten Anbietern.

Bei der unselbständigen Arbeit des Klägers scheint sodann eine Heranziehung des Art. 14 Abs. 1 mit seinem eingangs erwähnten Tätigkeitsortprinzip naheliegend. Diese Regelung gilt jedoch vorbehaltlich der Art. 15 bis 19 und führt einen ob des maßgeblichen Tätigkeitsfelds sodann in den Art. 16 zu Künstlern und Sportlern. Auch in dessen Anwendungsbereich können die Einkünfte im Staat der Tätigkeitsausübung besteuert werden, allerdings stellt Deutschland als Wohnsitzstaat dann nicht frei, sondern vermeidet die Doppelbesteuerung durch Anrechnung. Eine Beschränkung auf selbständige und/oder reisende Künstler sieht der BFH nicht; zudem gilt die als lex specialis vorgehende Regelung für sämtliche Mitglieder einer gemeinsam auftretenden Gruppe oder eines Ensembles. Das Gericht geht letztlich noch darauf ein, dass die unterschiedliche Behandlung gegenüber nichtkünstlerisch tätigen Arbeitnehmern kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist. Ob verschiedene Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einen gleichheitsrechtlichen Bezug aufweisen, lässt der Senat dahinstehen und weist u. a. darauf hin, dass im Bereich des internationalen Steuerrechts das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch das Prinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit eingeschränkt wird.

Das Ergebnis der BFH-Entscheidung ist gut nachvollziehbar und verdeutlicht anschaulich die Herausforderungen der Abkommensanwendung in der Praxis.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 2577
DAAAJ-99478