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Oberfinanzdirektion Baden-Württemberg - S 0365

Unterrichtung der steuerberechtigten Gemeinden

1 Unterrichtung über Rechtsbehelfe gegen Realsteuermessbescheide von größerer Bedeutung (AEAO zu § 184 Satz 2)

1.1 Unterrichtung der Gemeinden über Einspruchseinlegung

Für eine zuverlässige Haushaltsplanung haben die Kommunen großes Interesse zu erfahren, wenn in bedeutenden Fällen Gewerbesteuer-Messbescheide angefochten worden sind. Deswegen sollen nach AEAO zu § 184 Satz 2 die Finanzämter die steuerberechtigten Gemeinden über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbescheide von größerer Bedeutung unterrichten.

Auch die Fälle, in denen die einspruchsführende Person keine Aussetzung der Vollziehung beantragt und stattdessen – möglicherweise wegen der Höhe der Aussetzungs- und Erstattungszinsen – zunächst die Realsteuer entrichtet hat, unterliegen der Unterrichtungspflicht nach AEAO zu § 184 Satz 2. Es soll vermieden werden, dass die Gemeinde von dem Ausgang eines Rechtsbehelfsverfahrens mit finanzieller Tragweite überrascht wird. Durch die Unterrichtung über das anhängige Rechtsbehelfsverfahren kann sich die Gemeinde auf eventuelle Haushaltsrisiken einstellen. Die Unterrichtungspflicht nach AEAO zu § 184 Satz 2 greift bei Einsprüchen gegen folgende Verwaltungsakte: „Gewerbesteuer – Messbetragsfestsetzung“, „Gewerbesteuer – Änderung Ablehnung“, „Gewerbesteuer – Verlustfeststellung“ und „Gewerbesteuer – Änderung Verlustfeststellung Ablehnung“.

Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter haben bei Erfassung des Einspruchs in der Datenbank Rechtsbehelfsverfahren (DB-Rb) die Prüfung der Unterrichtungspflicht im Datenblatt „Rechtsbehelf“ über das Markierfeld „Unterrichtung der Gemeinde(n) geprüft“ zu dokumentieren. In einschlägigen Fällen werden die Bearbeiterinnen und Bearbeiter durch einen Hinweistext auf die Unterrichtungspflicht aufmerksam gemacht.

1.2 Einspruchsverfahren von größerer Bedeutung

Zur Frage, wann ein Einspruchsverfahren im obigen Sinne von größerer Bedeutung ist, liegen keine bundeseinheitlichen Festlegungen vor, sodass die Entscheidung vom Finanzamt für jeden Einzelfall gesondert zu treffen ist. Als Entscheidungsgrundlage, ob ein Einspruchsverfahren erhebliche Bedeutung für eine steuerberechtigte Gemeinde haben kann, ist von der (erkennbaren) Auswirkung der Streitfrage(n) auf den Gewerbeertrag auszugehen. Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass bei einer voraussichtlichen Auswirkung des Einspruchsbegehrens auf den Gewerbeertrag in Höhe von über 1 Million Euro je Veranlagungszeitraum ein Fall von größerer Bedeutung vorliegt.

Die Höhe der voraussichtlichen Auswirkung des Einspruchsbegehrens auf den Gewerbeertrag ist in den einschlägigen Fällen (über 1 Million Euro) im Datenblatt „Rechtsbehelf“ der DB-Rb zu dokumentieren. Hierfür gibt es in der DB-Rb ein Eingabefeld „Auswirkung auf den Gewerbeertrag“.

Sind in Zerlegungsfällen Gemeinden aufgrund eines geringen Zerlegungsanteils erkennbar kaum von einem Einspruchsverfahren, das bezogen auf den Gewerbeertrag größere Bedeutung hat, betroffen, kann bei diesen von einer Mitteilung abgesehen werden.

Eine Vorlage zur Unterrichtung der Gemeinden ist unter „Rb-Vorlagen“ verfügbar.

1.3 Information der Gemeinden über den Fortgang des Einspruchsverfahrens

Die Verpflichtung der Finanzämter nach AEAO zu § 184 Satz 2, die steuerberechtigten Gemeinden über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbescheide von größerer Bedeutung zu unterrichten, führt nicht dazu, dass die Gemeinden über den weiteren Fortgang des Einspruchsverfahrens zwingend von Amts wegen zu informieren sind.

Ungeachtet dessen haben die steuerberechtigten Gemeinden aber nach § 21 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) das Recht, sich über die für die Festsetzung der Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer, § 3 Abs. 2 AO) erheblichen Vorgänge bei den zuständigen Finanzbehörden zu informieren. Zu diesem Zweck steht ihnen insoweit das Recht auf Akteneinsicht sowie auf mündliche und schriftliche Auskunft zu.

Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) steht den Informations- und Teilnahmerechten der Gemeinden nicht entgegen. Es stellt auch keinen Verstoß gegen § 30 AO dar, wenn ein Finanzamt von Amts wegen die steuerberechtigte Gemeinde über hinreichend belastbare gewerbesteuerrelevante Umstände von erheblicher Bedeutung (zum Beispiel über anhängige gerichtliche Verfahren) unterrichtet.

2 Unterrichtung über Verständigungs- und Schiedsverfahren von größerer Bedeutung

Die Gemeinden sind auch über Verständigungs- und Schiedsverfahren im Sinne des § 175a AO von größerer Bedeutung zu unterrichten, wenn diese Auswirkungen auf die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbescheids haben können und nicht bereits eine Meldung wegen eines anhängigen Einspruchsverfahrens im Sinne der Tz 1. an die Gemeinde erfolgt ist.

Die Unterrichtung soll möglichst frühzeitig, bereits bei Antragstellung oder Einleitung des Verfahrens, erfolgen. Auch hier kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass bei einer voraussichtlichen Auswirkung einer inländischen Einkünftekorrektur in Folge eines abgeschlossenen Verständigungs- oder Schiedsverfahrens auf den Gewerbeertrag in Höhe von über 1 Million Euro je Veranlagungszeitraum ein Fall von größerer Bedeutung vorliegt. Sind in Zerlegungsfällen Gemeinden aufgrund eines geringen Zerlegungsanteils erkennbar kaum von einem Verständigungs- oder Schiedsverfahren, das bezogen auf den Gewerbeertrag größere Bedeutung hat, betroffen, kann bei diesen von einer Mitteilung abgesehen werden.

Eine Vorlage zur Unterrichtung der Gemeinden ist im TVS-Explorer verfügbar.

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VAAAJ-99472