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BFH Urteil v. - VI R 9/23

Keine gewerbliche Tätigkeit bei bloßer Übernahme der Kosten der Erschließung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks

Leitsatz

Die bloße Übernahme der Kosten der Erschließung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks aufgrund eines Vertrags mit dem von der Gemeinde beauftragten Erschließungsträger führt nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1; EStG § 6b; EStG § 15 Abs. 2; BauGB § 123; BauGB § 124; BauGB § 129 Abs. 1 Satz 3

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für die Streitjahre (2010 bis 2012) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Neben anderen Einkünften erzielte der Kläger solche aus Land- und Forstwirtschaft. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

2 Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb umfasste unter anderem das Grundstück Gemarkung ., Flur ., Flurstück ., welches innerhalb des Bebauungsplangebiets „.“ der Stadt X lag.

3 Am schloss der Kläger mit der Stadt X im Hinblick darauf, dass diese beabsichtigte, für das Flurstück . und gegebenenfalls weitere angrenzende Grundstücke einen Bebauungsplan aufzustellen, einen städtebaulichen Vertrag über die „wesentlichen Eckpunkte der Baulandentwicklung“. Danach sollte die Stadt X den Bebauungsplan erarbeiten; die Erschließung des Baugebiets sollte durch einen von der Stadt X zu benennenden Erschließungsträger erfolgen. Der Kläger sollte die anteilig anfallenden Kosten für die Aufstellung des Bebauungsplans, für die Durchführung eines eventuell erforderlichen Umlegungsverfahrens, die Erschließung und den ökologischen Ausgleich tragen.

4 Ziffer 5 des Vertrags sah zudem folgende Regelung vor:

„... Herr [Kläger] will in seinen Betrieb reinvestieren und hat bei der Stadt X eine entsprechende Bauvoranfrage gestellt. Die Zustimmung zu diesem Vertrag durch Herrn [Kläger] ist solange unwirksam, bis dass die Bauvoranfrage positiv beschieden ist.“

5 Am traf der Kläger mit der Stadt X eine Vereinbarung, die die Durchführung, die Information des Klägers und die Absprache mit diesem bezüglich der Vorgehensweise hinsichtlich archäologischer Voruntersuchungen betraf.

6 Am schlossen die . (H-AG) und der Kläger einen „Vertrag zur Durchführung von Erschließungsmaßnahmen“ bezüglich der beabsichtigten Bauleitplanung. Dabei gingen die Vertragsparteien davon aus, dass zwischen der Stadt X und der H-AG ein städtebaulicher Erschließungsvertrag für das Bebauungsplangebiet abgeschlossen wird. In dem Vertrag mit der H-AG verpflichtete sich der Kläger, alle sich aus dem beabsichtigten Erschließungsvertrag zwischen der Stadt X und der H-AG ergebenden Kosten (insbesondere die Herstellungskosten für die öffentlichen Erschließungsanlagen, Verkehrs- und Grünflächen, Lärmschutzanlagen, Straßenbeleuchtung sowie die Kosten für Anlagen zur öffentlichen Ver- und Entsorgung und für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen einschließlich der darauf entfallenden Planungskosten) in voller Höhe zu übernehmen. Zudem hatte er an die H-AG als Erschließungsträger eine Verwaltungskostenpauschale zu entrichten.

7 Im Vorgriff auf den Erschließungsvertrag zwischen der Stadt X und der H-AG übertrug der Kläger mit notariellen Verträgen vom eine Teilfläche von circa . m², die der Errichtung öffentlicher Grün- und Verkehrsflächen sowie Fußwegflächen dienen sollte, und zwei Bauplätze (insgesamt circa . m², bezeichnet als „Strukturausgleich“) unentgeltlich an die Stadt X.

8 Am schlossen die Stadt X, die Entsorgungsbetriebe und die Stadtwerke X als Wasserversorger mit der H-AG als Erschließungsträger einen Erschließungsvertrag nach § 124 des Baugesetzbuchs in der damals geltenden Fassung (BauGB). Darin übertrug die Stadt X der H-AG die Erschließung des betroffenen Bebauungsplangebiets. Letztere verpflichtete sich, die Erschließung im eigenen Namen und auf eigene Kosten vorzunehmen. Dabei war es der H-AG überlassen, zur Refinanzierung eine Beteiligung der Eigentümer der Fremdanliegergrundstücke an den Erschließungskosten zu erreichen. Einen Anspruch auf eine Beteiligung an den Erschließungskosten gegenüber der Stadt X hatte die H-AG nicht. Zudem war vereinbart, dass die Stadt X —bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Erschließungsvertrags— die Eigentümer der Grundstücke im Bebauungsplangebiet nicht zur Zahlung von Erschließungs- und Kanalanschlussbeiträgen für die vom Erschließungsträger hergestellten Erschließungsanlagen heranziehen werde. Für Schäden aufgrund einer Verletzung der dem Erschließungsträger obliegenden Verkehrssicherungspflicht und für Schäden an bereits verlegten Leitungen infolge der Erschließungsmaßnahmen oder auf sonstige Weise haftete die H-AG gegenüber der Stadt X. Dieser gegenüber war sie auch gewährleistungsverpflichtet. Zur Sicherung aller sich aus diesem Vertrag für die H-AG ergebenden Verpflichtungen hatte diese zudem eine Sicherheit in Höhe von circa . € durch Übergabe einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu leisten.

9 In den Streitjahren veräußerte der Kläger schließlich mehrere Baugrundstücke. Im jeweiligen Kaufpreis waren alle Erschließungslasten enthalten. Die Veräußerungsgewinne setzte er bei seinen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft an und stellte sie zum Großteil in eine Rücklage nach § 6b EStG ein.

10 Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, die Verkäufe der Baugrundstücke seien im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt. Zwar habe der Kläger die Grundstücke nicht selbst erschlossen. Ihm seien jedoch die dahingehenden Aktivitäten der H-AG zuzurechnen. Denn er habe die gesamten Erschließungskosten getragen, die erschlossenen Grundstücke eigeninitiativ vermarktet und im Zuge dessen seine Kosten auf die Erwerber der Grundstücke überwälzt. Damit habe der Kläger das wirtschaftliche Risiko der Erschließung wie ein Erschließungsunternehmer getragen. Die veräußerten Baugrundstücke seien daher zum Buchwert aus dem Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in das Umlaufvermögen des Gewerbebetriebs „gewerblicher Grundstückshandel“ überführt worden, so dass die Veräußerungsgewinne nicht in eine Rücklage gemäß § 6b EStG hätten eingestellt werden können.

11 Entsprechend dieser Rechtsauffassung änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und erließ erstmalig Gewerbesteuermessbescheide.

12 Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Veräußerung der Grundstücke stelle keinen gewerblichen Grundstückshandel dar. Es handele sich hierbei vielmehr um Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Daher habe der Kläger die streitigen Rücklagen nach § 6b Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG bilden können.

13 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

14 Es beantragt,

das , G aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15 Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

16 Die Revision des FA ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zutreffend entschieden, dass es sich bei den streitigen Grundstücksveräußerungen um Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers handelt, so dass dieser bis zu der Höhe der bei den Veräußerungen entstandenen Gewinne eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG bilden konnte.

17 1. Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört, führt grundsätzlich zu Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, weil die Veräußerung ein Hilfsgeschäft der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung ist. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dann, wenn ein großes, bisher landwirtschaftlich genutztes Areal parzelliert wird und zahlreiche Parzellen an verschiedene Erwerber mit erheblichem Gewinn veräußert werden. Ein Land- und Forstwirt veräußert daher Grundvermögen grundsätzlich als reinvestitionsbegünstigtes Anlagevermögen, solange er nicht einen gewerblichen Grundstückshandel eröffnet (, BFHE 219, 306, BStBl II 2008, 231 und vom  - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, jeweils unter II.1., m.w.N.).

18 a) Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen (, BFHE 211, 195, BStBl II 2006, 166, unter 1.a und b). Denn damit verwertet der Landwirt die Grundstücke seines Anlagevermögens wie ein Gewerbetreibender und erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG. Zum Zeitpunkt der in Veräußerungsabsicht vorgenommenen werterhöhenden Aktivitäten werden die Grundstücke zum gewerblichen Umlaufvermögen (, BFHE 219, 306, BStBl II 2008, 231 und vom  - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, jeweils unter II.1.a).

19 b) Ob die Aktivitäten im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen zu einer gewerblichen Tätigkeit führen, muss zur Abgrenzung von der privaten Vermögensverwaltung und von den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach gleichen Grundsätzen entschieden werden (, BFH/NV 1991, 317, unter 1.). Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.II.).

20 aa) Für die Beurteilung als landwirtschaftliches Hilfsgeschäft schädlich sind danach etwa die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung (, BFHE 197, 109, BStBl II 2002, 289, unter 2.b cc) oder die aktive Mitwirkung an der Erschließung (, BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798, unter 1.a).

21 bb) Demgegenüber reichen die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt einschließlich der entsprechenden Baulastbewilligung nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen (vgl. , BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798, unter 1.b). Für eine aktive Beteiligung an der Erschließung genügt auch der Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde für sich genommen nicht; maßgeblich ist, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist (, BFH/NV 1988, 301).

22 Unschädlich sind nach der Rechtsprechung des BFH außerdem die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde, die Vorlage eigener Planungsentwürfe und die Anregung zur Vornahme der Erschließung in Teilabschnitten, solange der Landwirt keine kommunalen Aufgaben übernimmt, sondern lediglich im Rahmen seiner bauplanungsrechtlichen Mitwirkungsrechte tätig wird. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen die bloße Übernahme von Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich (, BFHE 211, 195, BStBl II 2006, 166, unter 1.b).

23 cc) Die Erschließung des Baugeländes ist dem Verkäufer allerdings dann als eigene Tätigkeit zuzurechnen, wenn er sich zu ihrer Durchführung eines Dritten bedient, der Geschäfte dieser Art eigengewerblich betreibt (, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.1.c). Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer die durch die Beauftragung des Dritten entstehenden Kosten als Teil des Gesamtkaufpreises von den Parzellenkäufern verlangt (, BFHE 107, 501, BStBl II 1973, 239).

24 Dagegen können dem Grundstückseigentümer Aktivitäten eines Dritten nicht zugerechnet werden, wenn dieser die Erschließung und Vermarktung der Grundstücke aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchführt und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränkt, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Denn in einem solchen Fall bedient sich der Grundstückseigentümer nicht des Dritten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt; die Mitwirkung des Grundstückseigentümers dient dann der Verwirklichung der gewerblichen Zwecke des Dritten (, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.1.c). Insofern kommt es maßgeblich darauf an, ob der Vertrag mit dem Grundstückseigentümer der Absicherung des bei der Erschließung von dem Bauunternehmer übernommenen Risikos dient (, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.2.c).

25 2. Danach hat der Kläger im Streitfall die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel nicht überschritten. Vielmehr handelt es sich bei den streitigen Grundstücksveräußerungen um land- und forstwirtschaftliche Hilfsgeschäfte.

26 a) Ausweislich des Erschließungsvertrags vom hat die Stadt X die ihr nach § 123 BauGB obliegende kommunale Aufgabe der inneren Erschließung des Bebauungsplangebiets und damit auch der darin belegenen Grundstücke des Klägers auf die H-AG übertragen. Aufgrund dessen hat diese das Baugebiet im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung erschlossen. Damit hat allein die H-AG als Erschließungsträger und nicht der Kläger die wertsteigernde gewerbliche Tätigkeit betreffend die streitigen Grundstücke entfaltet und dadurch die streitigen Grundstücke zu Objekten anderer Marktgängigkeit gemacht.

27 b) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat sich der Kläger an der Erschließung des Bebauungsplangebiets durch die H-AG auch nicht (schädlich) beteiligt.

28 aa) Zwar hat der Kläger nach den Feststellungen des FG bereits im Vorfeld der Erschließung einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt X abgeschlossen und sich darin bereiterklärt, neben den Kosten der Erschließung durch den Erschließungsträger auch die Kosten der Aufstellung des Bebauungsplans selbst sowie die Kosten für den ökologischen Ausgleich zu übernehmen. Zudem hat der Kläger mit Verträgen vom Grundstücksflächen zur späteren Nutzung als öffentliche Grün- und Verkehrsflächen sowie Fußwegflächen neben zwei Bauplätzen (als Strukturausgleich) an die Stadt X unentgeltlich übertragen und die darauf entfallenden Erschließungskosten übernommen. Die Übernahme der Planungskosten, die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes sowie die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland ist jedoch nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen für die Einordnung als land- und forstwirtschaftliches Hilfsgeschäft unschädlich.

29 bb) Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eigeninitiativ die Aufstellung des Bebauungsplans veranlasst und beantragt und somit kommunale Aufgaben übernommen hat, die über die baurechtlichen Mitwirkungsrechte als Eigentümer oder im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem Baugesetzbuch hinausgehen, hat das FG nicht festgestellt. In dem städtebaulichen Vertrag zwischen dem Kläger und der Stadt X vom heißt es vielmehr, dass die Stadt X die Aufstellung des Bebauungsplans beabsichtige. Auch in der öffentlich abrufbaren Begründung zum Bebauungsplan heißt es —nach den bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) und im Übrigen unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des FG—, mit der Ausweisung der Wohnbaufläche werde der Nachfrage nach weiteren Baugrundstücken für die im Ortsteil ansässige Bevölkerung nachgekommen, da der Bereich aufgrund der Lage und Größe des Gebiets für eine Abrundung der Siedlungsentwicklung geeignet sei.

30 cc) Die Gestattung sowie die Information über die archäologischen Voruntersuchungen hat ebenfalls nicht zu einer anderen Marktgängigkeit der Grundstücke geführt. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass der städtebauliche Vertrag vom von der Bedingung abhing, dass die vom Kläger gestellte Bauvoranfrage (betreffend einer beabsichtigten Reinvestitionsmaßnahme) positiv beschieden werde.

31 dd) Des Weiteren führt der Umstand, dass der Kläger die Grundstücke eigenständig vermarktet und sich insoweit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat, nicht zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels, da —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch umfangreiche Veräußerungen mit erheblichem Gewinn nicht als gewerbliche Tätigkeit einzustufen sind.

32 ee) Im Übrigen begründet das vom Kläger durch die Vorfinanzierung der Erschließungskosten entstandene (teilweise) Kostentragungsrisiko, falls deren Überwälzung auf die Erwerber der Grundstücke nicht (vollständig) gelingen sollte, keine gewerbliche Tätigkeit (so bereits , BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.1.b bb, m.w.N.). Denn die dahingehende Gefahr gründet auf der erschließungsbeitragsrechtlichen Grundentscheidung, dem anliegenden Eigentümer/Erbbauberechtigten als Nutznießer die Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen (teilweise) aufzuerlegen (§§ 127 ff. BauGB). Diese sind daher stets mit den dahingehenden Kosten und dem damit einhergehenden „Refinanzierungsrisiko“ belastet, unabhängig davon, ob die Gemeinde die Erschließung beitragsbewehrt in „Eigenregie“ durchführt, oder ob sie die Erschließung —wie vorliegend— auf einen Dritten überträgt, der sie in „Fremdregie“ unternimmt und sich privatrechtlich refinanziert (vgl. 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 48).

33 Dies gilt auch, soweit der Steuerpflichtige —wie im Streitfall— die Erschließungskosten vollständig und damit über die gesetzliche Beitragspflicht von maximal 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) hinaus übernommen hat. Auch dies ist nicht als aktive Mitwirkung an der Baureifmachung anzusehen.

34 Die Rechtsprechung des BFH, nach der eine aktive Mitwirkung bei der Erschließung seines Baugeländes darin zu erblicken ist, dass der Landwirt die Erwerber seiner Grundstücke verpflichtet, Erschließungskosten über ihre gesetzliche Verpflichtung von 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands hinaus zu tragen (s. , BFHE 94, 457, BStBl II 1969, 236 und vom  - I R 214/71, BFHE 110, 348, BStBl II 1974, 6), steht dem nicht entgegen. Denn diese betrifft —anders als der Streitfall— zum einen nicht die Frage der Übernahme „überobligatorischer“ Kosten durch den Grundstückseigentümer, sondern deren Weitergabe im Interesse der Gemeinde und damit ersichtlich einen anderen Sachverhalt. Zum anderen können die Gemeinden seit dem Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom am (BGBl I 1993, 466 ff.) gemäß § 124 Abs. 2 BauGB a.F. trotz der gesetzlich vorgesehenen Beteiligungspflicht am Erschließungsaufwand von mindestens 10 % (gemeindlicher Eigenanteil nach § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) im Rahmen eines Erschließungsvertrags oder sonstiger städtebaulicher Verträge die Erschließungskosten auch ganz auf einen Dritten abwälzen (z.B. 9 C 11.11, BVerwGE 145, 354, Rz 15). Jedenfalls seither kann die Überwälzung sämtlicher (vertraglich übernommener) Erschließungskosten auf die Erwerber der Grundstücke keine Gewerblichkeit (mehr) begründen.

35 c) Schließlich sind die Erschließungsmaßnahmen der H-AG dem Kläger —entgegen der Auffassung des FA— auch nicht (wirtschaftlich) zuzurechnen. Denn im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger vorliegend zur Erschließung des Bebauungsplangebiets eines Dritten —hier der H-AG— bedient hat. Vielmehr hat die Stadt X —und nicht der Kläger— die H-AG mit den Erschließungsmaßnahmen mit Erschließungsvertrag vom beauftragt. Bei dem zwischen dem Kläger und der H-AG geschlossenen Vertrag vom handelt es sich, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lediglich um eine zivilrechtliche Kostentragungsregelung, die kein dahingehendes Auftragsverhältnis begründet und daher keine Zurechnung der Erschließungsaktivitäten rechtfertigen kann.

36 aa) Zwar weist das FA zutreffend darauf hin, dass zwischen der Stadt X, der H-AG und dem Kläger aufgrund der vorliegenden Vertragsgestaltung ein Dreiecksverhältnis („Erschließungsdreieck“) bestand. Danach hat die Stadt X die Durchführung und finanzielle Abwicklung der Erschließung auf die H-AG als Erschließungsträger übertragen. Diese refinanzierte sich privatrechtlich beim Kläger als Grundstückseigentümer, indem dieser sich verpflichtete, der H-AG die dieser aus der Erfüllung des mit der Stadt X geschlossenen Erschließungsvertrags entstehenden Kosten zu ersetzen sowie eine Verwaltungskostenpauschale zu entrichten. Der Vertrag vom ist damit nicht unabhängig von dem Erschließungsvertrag geschlossen worden (vgl. 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 26). Vielmehr besteht wegen der Refinanzierungsverpflichtung eine „Akzessorietät“ zwischen Erschließungsvertrag und Kostenvereinbarung (vgl. 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 26). An dem Umstand, dass allein die H-AG die Erschließung als privater Erschließungsträger und als „Investor“ durchgeführt hat und sich dabei von kaufmännischen Überlegungen hat leiten lassen und unter Ausnutzung der Möglichkeiten des „Marktes“ mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist (vgl. BTDrucks 12/3944, S. 24 und 29; 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 40), ändert sich dadurch jedoch nichts.

37 bb) Insbesondere folgt aus der Übernahme der Erschließungskosten durch den Kläger —trotz Vorfinanzierung— nicht, dass er das wirtschaftliche Risiko betreffend die Erschließung des Bebauungsplangebiets getragen hat. Vielmehr lag das dahingehende Kostenrisiko ausweislich der Vertragsgestaltung ausschließlich bei der H-AG als Erschließungsunternehmen. Denn diese ist die Verpflichtung zur Erschließung des Bebauungsplangebiets eingegangen und hätte diese —abgesehen von der Möglichkeit grundsätzlich vom Vertrag zurückzutreten— auch dann durchführen müssen, wenn die Refinanzierung fehlgeschlagen wäre und/oder sich die Erschließung für sie nicht gerechnet hätte, weil sie die ihr entstehenden Kosten nicht oder nicht ausreichend auf die Anlieger hätte überwälzen können. Der Umstand, dass der H-AG die Refinanzierung im Streitfall vorzeitig gelungen ist, mag den vorliegenden vertraglichen Gegebenheiten, den kommunalen Rahmenbedingungen und/oder dem unternehmerischen Geschick des Erschließungsträgers geschuldet sein. Auf einer steuererheblichen Risikoverlagerung dahingehend, dass die Erschließung auf eigene Rechnung des Klägers erfolgte und dieser deshalb als Erschließungsunternehmer anzusehen wäre, gründet der wirtschaftliche Erfolg der H-AG jedenfalls nicht.

38 3. Hinsichtlich der sich hieraus für die Steuerfestsetzung ergebenden Auswirkungen, insbesondere betreffend die Höhe und Entwicklung der Rücklage nach § 6b EStG, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, weshalb der Senat von Ausführungen hierzu absieht.

39 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.140525.VIR9.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-99050