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BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 551/25

Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde in einer Familiensache mangels Darlegung eines (fortbestehenden) Rechtsschutzbedürfnisses

Gesetze: Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 50 Abs 1 S 2 Halbs 2 FamFG

Instanzenzug: AG Schwelm Az: 34 F 303/24 Beschluss

Gründe

1Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Umgangsrecht.

I.

21. Der Beschwerdeführer ist der Vater von am (…) Mai 2007 und sowie am (…) Dezember 2008 geborenen Söhnen. Beide leben im Haushalt der Mutter. Mit einem Beschluss vom hat das Familiengericht in einem Hauptsacheverfahren zum Umgangsrecht den Umgang des Beschwerdeführers mit seinem jüngeren Sohn für die Dauer von einem Jahr ausgeschlossen. Dagegen hat der Beschwerdeführer am Beschwerde (§ 58 FamFG) eingelegt. Das Beschwerdeverfahren ist derzeit noch bei dem Oberlandesgericht anhängig.

32. In dem der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Ausgangsverfahren hat der Beschwerdeführer in einem einstweiligen Anordnungsverfahren am bei dem Familiengericht beantragt, seinen Umgang mit beiden Söhnen zu regeln. Diesen Antrag hat das Familiengericht mit angegriffenem Beschluss vom ohne vorherige mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Es sei bereits fraglich, ob wegen des in der Beschwerdeinstanz anhängigen Hauptsacheverfahrens ein dringendes Regelungsbedürfnis bestehe. Jedenfalls könne Umgang gegen den ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willen der Kinder nicht durchgeführt werden.

43. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geltend. In der Sache beanstandet er vor allem, dass sich das Familiengericht nicht allein am subjektiven Willen der betroffenen Söhne habe orientieren dürfen, sondern das objektive Kindeswohl stärker hätte in den Blick nehmen müssen.

II.

5Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig und schon deshalb ohne Aussicht auf Erfolg ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Der Beschwerdeführer hat nicht in einer den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise das Vorliegen des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses für die Verfassungsbeschwerde dargelegt.

61. Beschwerdeführer müssen das Bestehen des für eine zulässige Verfassungsbeschwerde erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses in einer den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise darlegen. Dazu können auch Darlegungen gehören, dass das mit der Verfassungsbeschwerde verfolgte Rechtsschutzziel (noch) erreicht werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 842/24 -, Rn. 14 m.w.N.).

72. Dem genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Aus mehreren Gründen waren vorliegend nähere Darlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis beziehungsweise dessen Fortbestehen geboten, an denen es aber in der Begründung der Verfassungsbeschwerde fehlt.

8a) Soweit es um den im zugrunde liegenden fachgerichtlichen Eilverfahren von dem Beschwerdeführer angestrebten Umgang mit seinem älteren Sohn geht, kann eine solche Umgangsregelung mittlerweile nicht mehr getroffen werden. Der Sohn ist inzwischen volljährig, was eine Umgangsregelung ausschließt. Dass dennoch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde fortbestehen könnte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

9b) Auch soweit der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem jüngeren Sohn betroffen ist, hätte es näherer Darlegungen dazu bedurft, dass und aus welchen Gründen ein Rechtsschutzbedürfnis für die gegen den Beschluss des Familiengerichts gerichtete Verfassungsbeschwerde hätte bestehen können. Zwar hat das Familiengericht in der angegriffenen Entscheidung den im einstweiligen Anordnungsverfahren gestellten Antrag auf eine Umgangsregelung zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat aber nicht dargelegt, dass er dadurch in dem als verletzt gerügten Elterngrundrecht (noch) betroffen sein könnte.

10Auf der Grundlage des vom Beschwerdeführer selbst vorgetragenen Verfahrensablaufs, den auch das Familiengericht zugrunde gelegt hat, ist nicht erkennbar, dass das Familiengericht überhaupt für die Entscheidung über den Antrag sachlich zuständig gewesen sein könnte und in der Sache hätte entscheiden dürfen. Selbst im Falle einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde und einer Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht hätte der Beschwerdeführer die dort von ihm erstrebte vorläufige Regelung des Umgangs mit seinem jüngeren Sohn nicht erreichen können.

11aa) Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FamFG ist für einstweilige Anordnungen (ausschließlich) das Beschwerdegericht zuständig, wenn das Hauptsacheverfahren bei ihm anhängig ist. Das ist mit der Vorlage der Sache bei dem Beschwerdegericht der Fall (vgl. Heiß, in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2021, § 50 Rn. 8 m.w.N.). Nach zum Fachrecht allgemein vertretener Auffassung kommt es für die Begründung der Zuständigkeit des Beschwerdegerichts für einstweilige Anordnungen im Fall der Anhängigkeit der Hauptsache bei ihm auf die Verfahrensidentität von einstweiliger Anordnung und Hauptsacheverfahren an (vgl. -, Rn. 10; Heiß, in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2021, § 50 Rn. 6; Borth, in: Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl. 2022, § 50 Rn. 5; Giers, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 50 Rn. 4 jeweils m.w.N.; siehe auch Soyka, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 4. Aufl. 2025, § 50 Rn. 9). Für die Identität des Verfahrensgegenstands wird zwar fachrechtlich im Ausgangspunkt auf die Übereinstimmung des zugrundeliegenden Sachverhalts abgestellt; eine vollständige Identität der jeweiligen Anträge und der jeweiligen Verfahrensgegenstände soll dagegen nicht erforderlich sein (vgl. Heiß, in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2021, § 50 Rn. 6; Giers, in: Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 50 Rn. 4).

12bb) Diese fachrechtlichen Maßgaben hätten dem Beschwerdeführer jedenfalls bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde Anlass geben müssen, darzulegen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für diese gegeben ist. Denn angesichts des in der Beschwerdeinstanz anhängigen Verfahrens zum Ausschluss des Umgangs mit seinen beiden Söhnen dürfte das Familiengericht für eine einstweilige Regelung des Umgangs nicht zuständig gewesen sein. Da jedenfalls bis zum Ablauf des verfahrensgegenständlich jeweils die Regelung des Umgangs zumindest mit dem jüngeren, noch nicht volljährigen Sohn war, liegen angesichts der fachrechtlichen Regelung in § 50 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FamFG Zweifel an einer Zuständigkeit des Familiengerichts für eine Entscheidung über eine Umgangsregelung geradezu auf der Hand. Dass von einer durch ein wohl unzuständiges Gericht getroffenen Sachentscheidung den Beschwerdeführer beeinträchtigende Rechtswirkungen ausgehen können, obwohl eine einstweilige Regelung nur durch das zuständige Beschwerdegericht hätte erreicht werden können, hätte der Begründung bedurft. Daran fehlt es jedoch vollständig. Dementsprechend zeigt die Begründung der Verfassungsbeschwerde auch nicht die Möglichkeit auf, dass der Beschwerdeführer durch die Entscheidung des Familiengerichts in seinem Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt sein könnte.

13Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

14Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250815.1bvr055125

Fundstelle(n):
JAAAJ-99035