Nichtannahmebeschluss: Ablehnungsgesuch im Anhörungsrügeverfahren nicht per se unzulässig - zur Gewährleistung des gesetzlichen Richters auch im Anhörungsrügeverfahren - hier: verfassungsrechtliche Bedenken gegen fachgerichtliche Entscheidung - allerdings Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Begründung
Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 54 Abs 1 VwGO, §§ 42ff ZPO, § 42 ZPO
Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 8 ZB 22.1906 Beschlussvorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 8 ZB 21.2339 Beschlussvorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: M 2 K 20.1210 Urteilvorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 8 ZB 22.1906 Beschluss
Gründe
1Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist offensichtlich unzulässig, weil sie nicht den gesetzlichen Bestimmungen von § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BVerfGG entsprechend begründet ist.
21. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss vom richtet, mit dem der Verwaltungsgerichtshof das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers unter Verweis darauf verworfen hat, dass es sich um ein erstmals im Anhörungsrügeverfahren gestelltes Ablehnungsgesuch gehandelt habe, ist die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht dargetan.
3a) Zwar begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Verwaltungsgerichtshof das Ablehnungsgesuch mit der Begründung verworfen hat, der Grundsatz, dass Ablehnungsgesuche in allen Verfahrensabschnitten gestellt werden könnten, bedürfe für solche Ablehnungsgesuche einer Einschränkung, die erstmals im Verfahren der Anhörungsrüge gestellt würden, da eine fachgerichtliche Entscheidung, eine Anhörungsrüge zurückzuweisen, verfassungsrechtlich im Verhältnis zu der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung keine eigenständige Beschwer schaffe.
4aa) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht auf den gesetzlichen Richter und garantiert damit auch, dass Rechtsuchende im Einzelfall vor Richtern stehen, die unabhängig und unparteilich sind und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bieten (vgl. BVerfGE 133, 168 <202 Rn. 62> m.w.N.). Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>). Die nach § 54 Abs. 1 VwGO auch für den Verwaltungsprozess maßgeblichen Vorschriften der §§ 42 ff. ZPO über die Behandlung von Ablehnungsgesuchen gelten grundsätzlich für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt. Letzter Zeitpunkt für die Geltendmachung von Ablehnungsgründen ist der vollständige Abschluss der Instanz. Die Verfahrensbeteiligten haben danach während des gesamten Verfahrens, jedenfalls solange eine richterliche Streitentscheidung in materieller oder verfahrensrechtlicher Hinsicht gefordert ist, einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf den unvoreingenommenen gesetzlichen Richter (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2411/10 -, Rn. 23).
5bb) Der angegriffene Beschluss vom berücksichtigt dies nur unzureichend. Anstatt die verfassungsrechtlich gebotene Prüfung vorzunehmen, ob die Entscheidung über die Anhörungsrüge eine richterliche Streitentscheidung in verfahrensrechtlicher Hinsicht darstellt (vgl. dafür etwa 9 B 26.18 -, Rn. 4; -, Rn. 6 ff.), stellt der Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass das Klageverfahren formell rechtskräftig abgeschlossen sei und die Zurückweisung einer Anhörungsrüge verfassungsrechtlich im Verhältnis zu der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung keine eigenständige Beschwer schaffe. Dies steht im Widerspruch zur bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, nach der die Zurückweisung oder Verwerfung einer Anhörungsrüge eine eigenständige, verfassungsrechtlich erhebliche Beschwer bewirken kann (vgl. BVerfGE 119, 292 <295>), die jedenfalls dann vorliegt, wenn die verfassungsrechtliche Rüge sich nicht auf die inhaltliche Überprüfung des Gehörsverstoßes richtet, der bereits Gegenstand der Anhörungsrüge selbst gewesen ist, sondern den Zugang zum Anhörungsrügeverfahren betrifft (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 202/24 -, Rn. 5 m.w.N.).
6b) Jedoch ist die Möglichkeit, dass der angegriffene Beschluss auf einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beruhen könnte (vgl. BVerfGE 4, 412 <417>; 96, 68 <86>; 109, 13 <27>), nicht in einer den Begründungsanforderungen entsprechenden Weise dargelegt. Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Ablehnungsgesuch, wenn es als statthaft angesehen worden wäre, möglicherweise hätte Erfolg haben können. Eine bloß pauschale Bezugnahme auf Anlagen reicht nicht aus, denn das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Aufgabe, in Bezug genommene Dokumente und andere Anlagen auf verfassungsrechtlich relevante Tatsachen oder auf verfassungsrechtlich relevanten Vortrag hin zu durchsuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>; BVerfGK 19, 362 <363>).
72. Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen hat keinen Erfolg, da die Voraussetzungen des § 34a Abs. 2 oder Abs. 3 BVerfGG nicht vorliegen. Eine Erstattung entspricht hier nicht der Billigkeit, weil die Verfassungsbeschwerde vom Zeitpunkt ihrer Einlegung an unzulässig war.
8Von einer weiteren Begründung der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
9Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250731.1bvr009223
Fundstelle(n):
YAAAJ-98836