Zugewinnausgleichsverfahren: Wert des Beschwerdegegenstandes für die Beschwerde gegen einen zur Auskunftserteilung und Vorlage von Belegen verpflichtenden Beschluss; Fall der Benennung des Trennungszeitpunkts in dem angefochtenen Beschluss
Leitsatz
Allein die Benennung des Trennungszeitpunkts in der Beschlussformel oder in den Entscheidungsgründen eines zur Auskunft und Vorlage von Belegen verpflichtenden Beschlusses in einem Zugewinnausgleichsverfahren begründet keine isolierte Feststellung des Trennungszeitpunkts, aufgrund derer dem Rechtsmittelführer ein der Höhe nach zu schätzendes Abwehrinteresse gegen die Titulierung des Trennungszeitpunktes nicht abgesprochen werden könnte (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 334/19, FamRZ 2020, 1572 und vom - XII ZB 499/18, FamRZ 2019, 818).
Gesetze: § 61 Abs 1 FamFG
Instanzenzug: Az: II-4 UF 142/21 Beschlussvorgehend AG Wetter Az: 5 F 218/20
Gründe
I.
1Der Antragsteller wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Belegvorlage in einem Zugewinnausgleichsverfahren. Die Beteiligten heirateten am und trennten sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts am . Der Scheidungsantrag ist seit dem rechtshängig.
2Das Amtsgericht hat den Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen über den Bestand seines Vermögens zu den drei Stichtagen (Anfangsvermögen), (Endvermögen) und (Trennungsvermögen), über unentgeltliche Zuwendungen, die er nach Eintritt des Güterstandes gemacht hat, über Vermögen, das er nach Eintritt des Güterstandes verschwendet hat, über Handlungen, die er in der Absicht vorgenommen hat, die Antragsgegnerin zu schädigen, und über Vermögen, das er nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen und mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat, unter Angabe des Zeitpunkts der Zuwendung. Des Weiteren hat es den Antragsteller verpflichtet, den Wert aller vorstehend bezeichneten Vermögensgegenstände mitzuteilen, das Vermögen zu den drei Stichtagen durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zu „belegen“ sowie im Einzelnen aufgeführte Unterlagen vorzulegen.
3Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers, mit der er die Zurückweisung des Antrags begehrt hat, soweit er „mehr als Auskunft über sein Vermögen zu den Stichtagen und durch Vorlage eines Verzeichnisses erteilen soll“, hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600 € nicht übersteige. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
II.
4Die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Antragsteller insbesondere nicht in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten nach ständiger Rechtsprechung, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom - XII ZB 250/22 - juris Rn. 4 mwN).
51. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in juris veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, zur Bewertung des maßgeblichen Zeitaufwands werde entsprechend § 20 JVEG ein Stundensatz von 4 € zugrunde gelegt, so dass sich selbst bei einem großzügig bemessenen Zeitaufwand von 20 Stunden lediglich ein Betrag von 80 € ergebe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass von diesem Zeitaufwand die gesamte Auskunft erfasst sei, der Antragsteller sich indes mit seiner Beschwerde nicht insgesamt gegen die Verpflichtung zur Auskunft wende.
6Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die titulierte Verpflichtung zur Vorlage von Belegen keinen vollstreckbaren Inhalt habe oder die Erfüllung einer unmöglichen Leistung verlangt werde, übersteige der Wert der Beschwer nicht den Betrag von 600 €. Zwar erhöhe sich die Beschwer in diesem Fall um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten. Diese berechneten sich indessen nach dem Auffangwert von 5.000 €, der hier mangels Angaben der Antragsgegnerin zu ihren Begehrensvorstellungen sowie wegen fehlender Anhaltspunkte, anhand derer sich der erwartete Zugewinnausgleichsanspruch bestimmen ließe, zugrunde zu legen sei, lediglich auf 262,27 €. In der Summe ergebe sich daher eine Beschwer von unter 400 €.
72. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
8a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich die Beschwer eines zur Auskunft und Belegvorlage verpflichteten Beteiligten nach seinem Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen bzw. die Belege nicht vorlegen zu müssen. Dabei kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft bzw. die Belegvorlage erfordern (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 173/24 - FamRZ 2025, 375 Rn. 7 mwN und vom - XII ZB 250/22 - juris Rn. 7 mwN). Zur Bewertung des erforderlichen Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft ist grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 452/23 - FamRZ 2025, 536 Rn. 8 mwN und vom - XII ZB 376/20 - FamRZ 2021, 770 Rn. 11 mwN). Die Kosten der Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist. Dies hat der Auskunftspflichtige substantiiert darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 452/23 - FamRZ 2025, 536 Rn. 8 mwN). Hat die vom Rechtsmittelführer angegriffene Auskunftsverpflichtung keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, erhöht sich die Beschwer insoweit durch die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 173/24 - FamRZ 2025, 375 Rn. 7 mwN und vom - XII ZB 334/19 - FamRZ 2020, 1572 Rn. 11 mwN).
9Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Wert der Beschwer gemäß § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei kann das Rechtsbeschwerdegericht die Bemessung der Beschwer durch das Beschwerdegericht nur darauf überprüfen, ob dieses den ihm eingeräumten Ermessensspielraum gewahrt oder aber die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 173/24 - FamRZ 2025, 375 Rn. 9 mwN und vom - XII ZB 472/22 - FamRZ 2023, 721 Rn. 8 mwN).
10b) Derartige Ermessensfehler liegen hier nicht vor.
11aa) Dass das Beschwerdegericht den Zeitaufwand des Antragstellers für die Auskunftserteilung und Belegvorlage mit 80 € bemessen und keine Kopierkosten angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die für die Erfüllung der Auskunfts- und insbesondere Belegvorlageverpflichtung erforderlichen Kopierkosten fraglos zu dem Aufwand gehören, nach dem sich das maßgebliche Interesse des das Rechtsmittel führenden Auskunftsverpflichteten bemisst (Senatsbeschluss vom - XII ZB 11/19 - FamRZ 2019, 1440 Rn. 11 mwN). Indes hat der Antragsteller vor dem Beschwerdegericht Kopierkosten selbst dann nicht geltend gemacht, als das Beschwerdegericht auf das Nichterreichen des nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdewerts hingewiesen hat. Dieser Vortrag kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 11/19 - FamRZ 2019, 1440 Rn. 14 mwN). Entsprechendes gilt, soweit erstmals mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht wird, dass die Auskunftserteilung und Belegvorlage „Tage, wenn nicht Wochen“ in Anspruch nehme. Weiterer Aufwand hinsichtlich der Belegvorlage ist nicht dargelegt und wird mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht.
12bb) Ebenso wenig ist die Auffassung des Beschwerdegerichts zu beanstanden, dass weder die Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson noch das Erstellen etwaig (noch) nicht vorhandener Belege werterhöhend zu berücksichtigen sei, weil eine Auslegung des amtsgerichtlichen Titels ergibt, dass der Antragsteller über das Vorlegen bereits vorhandener Belege nicht auch zur Erstellung von Belegen verpflichtet werden sollte (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 637/17 - FamRZ 2018, 1762 Rn. 11 mwN und vom - XII ZB 132/15 - FamRZ 2015, 2142 Rn. 13 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 508/23 - FamRZ 2025, 100 Rn. 36 mwN). Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht.
13cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde führt auch der Streit über den Trennungszeitpunkt nicht zu einer Erhöhung der Beschwer des Antragstellers.
14Zwar kann einem Rechtsmittelführer ein der Höhe nach zu schätzendes Abwehrinteresse gegen eine Titulierung des Trennungszeitpunktes dann nicht abgesprochen werden, wenn der Trennungszeitpunkt isoliert festgestellt worden ist. Dies gilt unabhängig von der Wirksamkeit einer solchen isolierten Feststellung, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Gerichte - möglicherweise nicht nur für das weitere Verbundverfahren - an diese Feststellung gebunden sehen, und auch die wirtschaftliche Bedeutung des Feststellungsausspruchs, insbesondere die in § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte Umkehr der Beweislast, zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 334/19 - FamRZ 2020, 1572 Rn. 8 mwN und vom - XII ZB 499/18 - FamRZ 2019, 818 Rn. 12 f.).
15Doch abgesehen davon, dass das Beschwerdegericht nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, von einem gegenüber dem Amtsgericht abweichenden Trennungszeitpunkt ausgegangen ist, sondern insoweit lediglich das Vorbringen der Beteiligten wiedergegeben hat, hat das Amtsgericht eine isolierte Feststellung des Trennungszeitpunkts hier nicht getroffen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Benennung des Trennungszeitpunkts im Tenor und die Ausführungen des Amtsgerichts hierzu nicht als Zwischenfeststellung des Trennungszeitpunkts gewertet hat. Da vorliegend keiner der Beteiligten eine Feststellung des Trennungszeitpunkts beantragt hatte, bestand keine Veranlassung für die Annahme, das Amtsgericht habe unter Verstoß gegen §§ 112 Nr. 2, 113 Abs. 1 FamFG, 256, 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Zwischenfeststellung treffen wollen. Dass die allein für die Vollstreckungsfähigkeit der Entscheidung erforderliche Benennung der Auskunftszeitpunkte in der Beschlussformel oder in den Entscheidungsgründen im Gegensatz zu einer entsprechenden Feststellung nicht zu einer Erhöhung der Beschwer führt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss vom - XII ZB 334/19 - FamRZ 2020, 1572 Rn. 8).
16dd) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde weiter geltend, eine Überschreitung des Beschwerdewerts sei nicht ausgeschlossen, weil die Auskunftsverpflichtung in mehrfacher Hinsicht keinen vollstreckbaren Inhalt habe. Denn das Beschwerdegericht hat die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten bei der Bemessung der Beschwer berücksichtigt. Dass sie nach seinen Erwägungen nicht zu einer Überschreitung der Grenze des § 61 Abs. 1 FamFG führen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
17Das Beschwerdegericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, welche Kosten dem Antragsteller entstünden, um sich gegen die Vollstreckung der Belegvorlagepflicht zur Wehr zu setzen. Im Verfahren der Zwangsvollstreckung können bis zu 0,6 Anwaltsgebühren (§ 18 Nr. 13 RVG iVm VV RVG 3309, 3310) zuzüglich Auslagen (VV RVG 7000 ff.) und Umsatzsteuer anfallen. Maßgeblich ist dabei gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert, den die Vorlage der Belege für die Antragsgegnerin hat. Insoweit ist zwar nach § 42 Abs. 1 FamGKG grundsätzlich ein Bruchteil des Mehrbetrags zugrunde zu legen, den die Antragsgegnerin sich auf der Leistungsstufe ihres Antrags erhofft. Sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, anhand derer sich der von ihr erhoffte Zahlbetrag bestimmen lässt, ist zudem denkbar, für die Bewertung der Pflicht zur Belegvorlage auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG von 5.000 € zurückzugreifen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 472/22 - FamRZ 2023, 721 Rn. 12 mwN).
18Die Rechtsbeschwerde erinnert nichts gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Antragsgegnerin vorliegend im gesamten Verfahren weder einen Betrag mitgeteilt noch Anhaltspunkte vorgetragen hat, anhand derer der von ihr erhoffte Zahlbetrag bestimmt werden könnte. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, es sei ein Betrag von mindestens 20.000 € anzusetzen, da die Antragsgegnerin von den Immobilien des Antragstellers, dem Goodwill seines Unternehmens und seinem Kapital ihren Anteil erhalten wolle, ist allein damit weder dargelegt noch ersichtlich, inwieweit sich die Antragsgegnerin hieraus einen Zahlbetrag in dieser Höhe erhofft. Dass sich auf der Grundlage des Auffangwerts von 5.000 € für die Abwehr etwaiger Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der Verpflichtung zur Belegvorlage ein Betrag von 262,27 € errechnet, stellt die Rechtsbeschwerde zu Recht nicht in Frage.
19Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040625BXIIZB140.24.0
Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 38
NAAAJ-98643