Suchen Barrierefrei
BAG Urteil v. - 4 AZR 155/24

Bezugnahme auf mehrere Tarifwerke - Entfall der zeitlichen Dynamik - anzuwendende Tarifverträge - betriebliche Übung

Instanzenzug: Az: 15 Ca 5908/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 8 Sa 425/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Berechnung einer tariflichen Übergangsversorgung und insoweit über den hierfür maßgebenden Vergütungstarifvertrag.

2Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, als Flugbegleiterin, zuletzt als Purser II beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom heißt es ua.:

3Die Beklagte war zunächst Mitglied der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH). Diese schloss 2003 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di (ver.di) sowie der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation e.V. (UFO) einen Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter der Deutschen Lufthansa AG (TV LH ÜV). Am schloss sie mit beiden Gewerkschaften den gleichlautenden Vergütungstarifvertrag Nr. 37 für das Kabinenpersonal (VTV 37) sowie einen Manteltarifvertrag Nr. 1b für das Kabinenpersonal (MTV Nr. 1b). Nach dem MTV Nr. 1b endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.

4Im Jahr 2010 vereinbarten der Arbeitgeberverband Luftverkehr e.V. (AGVL), dessen Mitglied die Beklagte inzwischen geworden war, die AVH und ver.di die Übernahme sämtlicher zwischen der AVH und ver.di bestehender Tarifverträge durch den AGVL zum . Eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen den genannten Arbeitgeberverbänden und UFO getroffen.

5Ab dem Jahr 2011 schloss der AGVL verschiedene Tarifverträge nur noch mit UFO, hierunter den Vergütungstarifvertrag Nr. 38 für das Kabinenpersonal vom (VTV 38) sowie am rückwirkend zum Januar 2014 den Tarifvertrag zur beitragsorientierten Versorgung für das Kabinenpersonal der Deutschen Lufthansa AG: Betriebliche Altersversorgung mit Leistungen zum vorzeitigen Ausscheiden (TV LH Rente Kabine [UFO]). Dessen Bestimmungen sahen die Ablösung des TV LH ÜV ab dem vor. Arbeitnehmerinnen, die zu diesem Datum bereits hinsichtlich des Bezugs einer Übergangsversorgung nach dem TV LH ÜV antragsberechtigt waren, wurde darin jedoch bis zum die Option eingeräumt, anstelle des neuen Versorgungsmodells eine Versorgung nach dem TV LH ÜV zu wählen. Dieses Wahlrecht hat die Beklagte für die vom TV LH Rente Kabine (UFO) erfassten Arbeitnehmerinnen mehrfach verlängert. Am vereinbarten der AGVL und UFO den Vergütungstarifvertrag Nr. 39 für das Kabinenpersonal (VTV 39).

6Mit Schreiben aus April 2017 erhielt die Klägerin einen vorläufigen Leistungsbescheid über die ihr zustehende Übergangsversorgung. Darin teilte die Beklagte mit, dass sich der AGVL und UFO auf eine Neuregelung der Übergangsversorgung zum geeinigt hätten. Eine Leistungsberechnung nach Maßgabe des neuen Versorgungssystems könne aus technischen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen. Daher würden - ohne Gewährung eines Rechtsanspruchs auf die ermittelten Zahlbeträge - vorerst die Leistungen nach dem alten System gezahlt. Nach erfolgter Umstellung werde eine Verrechnung erfolgen.

7Die Klägerin schied nach Vollendung ihres 55. Lebensjahres Ende April 2017 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Seither erhielt sie eine Übergangsversorgung nach Maßgabe der im TV LH ÜV enthaltenen Berechnungsformel, welche ua. auf die zuletzt bezogene Gesamtvergütung abstellt. Zur Ermittlung jener zog die Beklagte zunächst den VTV 38 und später den VTV 39 heran, welche zwischen dem AGVL und UFO geschlossen worden waren, und legte deren Höchststufe für eine Tätigkeit als Purser II - die Stufe 27 - zugrunde.

8Im April 2021 entschied der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in mehreren Verfahren von Arbeitnehmerinnen der Beklagten, deren Arbeitsverträge weitgehend gleichlautende Bezugnahmeklauseln wie die vorliegende enthielten, dass die Beklagte verpflichtet ist, eine Betriebsrente gemäß dem TV LH ÜV zu gewähren.

9Im Mai 2021 veröffentlichte die Beklagte eine „Pressemitteilung“, in der sie über die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aus dem Vormonat berichtete. Auszugsweise hieß es darin:

10In einem Rechtsstreit der Parteien entschied das Arbeitsgericht Köln mit rechtskräftigem Urteil vom (- 11 Ca 6842/19 -), dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen gemäß dem Tarifvertrag Lufthansa Betriebsrente für das Kabinenpersonal vom , geschlossen zwischen der AVH und ver.di sowie UFO (TV LH Betriebsrente), zu gewähren.

11Seit Juli 2022 leistete die Beklagte an die Klägerin eine Übergangsversorgung nach dem TV LH ÜV unter Zugrundelegung der nach dem VTV 37 für Purser II höchsten Stufe 23. Hieraus ergab sich ein monatlicher Betrag iHv. 3.609,10 Euro brutto. Für die Monate Juli und August 2022 zahlte die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jeweils 3.200,03 Euro netto an die Klägerin.

12Die Beklagte verfuhr gegenüber denjenigen Arbeitnehmerinnen, welche die Anwendbarkeit des TV LH ÜV gerichtlich erstritten haben, ebenso wie gegenüber der Klägerin. Arbeitnehmerinnen, die ein tariflich eingeräumtes Wahlrecht zwischen einer Übergangsversorgung nach Maßgabe des TV LH Rente Kabine (UFO) oder dem TV LH ÜV zugunsten des Letzteren ausgeübt haben, leistete sie weiterhin eine Übergangsversorgung unter Heranziehung des jeweils aktuellen zwischen dem AGVL und UFO geschlossenen Vergütungstarifvertrags.

13Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Übergangsversorgung sei ebenfalls auf diese Weise zu berechnen. Der nach der vertraglichen Bezugnahmeregelung anwendbare TV LH ÜV sehe eine Dynamisierung der maßgebenden zuletzt bezogenen Vergütung vor. Außerdem bestehe aufgrund der geleisteten Zahlungen in der Vergangenheit ein Anspruch aus betrieblicher Übung. Die von der Beklagten vorgenommene Änderung der zuvor praktizierten Leistungsgewährung stelle zudem eine unwirksame - da mitbestimmungswidrig erfolgte - Rückgruppierung dar. Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie aufgrund eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot. Für die Monate Juli und August 2022 habe sie danach Anspruch auf Zahlung einer Übergangsversorgung iHv. jeweils 3.925,00 Euro brutto gehabt.

14Die Klägerin hat - soweit für die Revision relevant - zuletzt beantragt,

15Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags den Standpunkt eingenommen, aufgrund der Bezugnahmeklausel seien die von der AVH zuletzt sowohl mit UFO als auch mit ver.di mit gleichlautendem Inhalt geschlossenen Tarifverträge statisch anzuwenden. Dies führe dazu, dass sich die für den TV LH ÜV maßgebende Vergütung allein nach dem VTV 37 bestimme. Eine Übergangsversorgung in der geltend gemachten Höhe ergebe sich auch nicht aus den weiteren von der Klägerin vorgebrachten Gründen.

16Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter.

Gründe

17Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen.

18I. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags teilweise unzulässig, im Übrigen ist sie zulässig.

191. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es liegt kein Fall einer unzulässigen alternativen Klagehäufung vor.

20a) Eine alternative Klagehäufung, bei der eine Klägerin ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Deshalb muss, was auch konkludent möglich ist, eine Rangfolge gebildet werden. Diese ist grundsätzlich bereits in der Klage anzugeben. Es ist jedoch auch möglich, noch im Lauf des Verfahrens von der (unzulässigen) alternativen auf die (zulässige) eventuelle Klagehäufung überzugehen und die Reihenfolge zu bestimmen, in der die prozessualen Ansprüche geltend gemacht werden sollen ( - Rn. 22 mwN).

21b) Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Nach dem Vortrag der Klägerin stützt sie ihr Begehren primär auf die vertragliche Bezugnahmeregelung, hilfsweise auf eine betriebliche Übung, sodann auf eine von der Beklagten mitbestimmungswidrig vorgenommene Rückgruppierung, anschließend auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und zuletzt auf einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Dieses Verständnis hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.

222. Das für den Antrag zu 3. nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht nicht in vollem Umfang.

23a) Eine Feststellungsklage iSd. § 256 Abs. 1 ZPO kann sich als sog. Elementenfeststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Das Feststellungsinteresse ist allerdings nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag ein zwischen den Parteien bestehender Streit über Leistungsverpflichtungen insgesamt bereinigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt wird ( - Rn. 62).

24b) Nach diesen Maßstäben ist ein Feststellungsinteresse dem Grunde nach gegeben. Durch eine Entscheidung wird die zwischen den Parteien streitige Frage geklärt, ob für die Berechnung der Übergangsversorgung nach dem TV LH ÜV der zwischen dem AGVL und UFO geschlossene VTV 38 sowie die nachfolgenden Vergütungstarifverträge dieser Tarifvertragsparteien - unter Zugrundelegung der Stufe 27 für Purser II - anzuwenden sind. Der Antrag betrifft danach als Rechtsverhältnis den Umfang der Zahlungspflicht der Beklagten. Der hierüber bestehende Streit zwischen den Parteien kann durch eine Entscheidung über den Feststellungsantrag insgesamt geklärt werden (zur Antragstellung vgl. auch  - Rn. 9, 12 f., BAGE 182, 376).

25c) Das Feststellungsinteresse besteht - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - allerdings nicht für die vom Antrag erfassten Monate Juli und August 2022. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welches über die mit den Leistungsanträgen zu 1. und 2. für diesen Zeitraum verfolgten Zahlungen der Übergangsversorgung hinausgehende Interesse an der begehrten Feststellung bestehen könnte. Deshalb ist der Antrag insoweit auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl.  (F) - Rn. 13 mwN).

26II. Im Umfang ihrer Zulässigkeit ist die Klage unbegründet. Die Übergangsversorgung nach dem TV LH ÜV berechnet sich in Anwendung des VTV 37 und dessen Höchststufe für Purser II. Danach ist der Feststellungsantrag ebenso unbegründet wie die Leistungsanträge für die Monate Juli und August 2022. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die geleistete Übergangsversorgung nach dem VTV 37 unstreitig zutreffend berechnet.

271. Die Klägerin kann die von ihr beanspruchte Übergangsversorgung nicht auf die vertragliche Bezugnahmeklausel stützen.

28a) Der TV LH ÜV findet infolge vertraglicher Bezugnahme Anwendung.

29aa) Das steht - anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen - allerdings nicht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des - 11 Ca 6842/19 -) fest. Das Arbeitsgericht hat lediglich über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Betriebsrente nach dem TV LH Betriebsrente, nicht aber über eine Übergangsversorgung nach dem TV LH ÜV entschieden.

30bb) Die Anwendbarkeit des TV LH ÜV folgt aus der Bezugnahmeregelung in Nr. 4 des Arbeitsvertrags. Diese ist dahingehend auszulegen, dass auf das Arbeitsverhältnis diejenigen Tarifverträge Anwendung finden sollen, an die die Beklagte nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 5 TVG normativ gebunden ist. Die Klausel war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht unwirksam, weil die Beklagte an Tarifverträge von verschiedenen Gewerkschaften gebunden war. Solange ausschließlich gleichlautende Tarifverträge geschlossen wurden, waren die in Bezug genommenen tariflichen Regelungen eindeutig bestimmbar. Das ist nach Abschluss von Tarifverträgen der AGVL allein mit UFO seit dem Jahr 2011 nicht mehr der Fall. Für die Beklagte sind seither Tarifwerke mit unterschiedlichem Inhalt „gültig“. Das führt aufgrund einer fehlenden vertraglichen Kollisionsregelung und mangels einer möglichen ergänzenden Vertragsauslegung zur Teilunwirksamkeit der Klausel. Die vereinbarte Dynamik der Bezugnahmeregelung ist entfallen. Dies hat zur Folge, dass die zuletzt einheitlich vereinbarten tarifvertraglichen Regelungen statisch anwendbar bleiben. Hierzu zählt ua. der TV LH ÜV. Das hat der Senat hinsichtlich einer identischen Bezugnahmeklausel einer anderen Arbeitnehmerin der Beklagten bereits mit ausführlicher Begründung entschieden, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird ( - Rn. 22 bis 61, BAGE 174, 382). Von der Anwendbarkeit des TV LH ÜV gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.

31b) Der TV LH ÜV lautet auszugsweise wie folgt:

32c) Danach hatte die Klägerin, die mit Ablauf des Monats April 2017 aufgrund der tarifvertraglichen Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, gem. § 2 Abs. 2 TV LH ÜV ab Mai 2017 bis zum Ende des Monats April 2025, in dem sie das 63. Lebensjahr vollendete, Anspruch auf eine als „Firmenrente“ bezeichnete Übergangsversorgung.

33d) Deren Höhe war infolge der entfallenen Dynamik der Bezugnahmeregelung allein unter Heranziehung des VTV 37 zu berechnen.

34aa) Nach § 2 Abs. 3 Unterabs. 1 TV LH ÜV errechnet sich die Übergangsversorgung ua. aus einem Grundbetrag, welcher anhand der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen „Gesamtvergütung“ zu ermitteln ist. Maßgebend hierfür ist die tarifliche Vergütung, auf die die Klägerin Anspruch hatte, und nicht - wie sie meint - die vor Erreichen der Altersgrenze tatsächlich bezogene Vergütung. Das ergibt die Auslegung der Tarifbestimmung (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl.  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

35bb) Unter der „zuletzt bezogenen … Gesamtvergütung“ könnte zwar diejenige zu verstehen sein, welche einer Arbeitnehmerin tatsächlich gezahlt wurde. Die Tarifvertragsparteien haben das Wort „tatsächlich“ allerdings nicht verwendet. Die gewählte Formulierung im TV LH ÜV erfasst daher sprachlich auch die Gesamtvergütung, die aufgrund der tariflichen Regelung beansprucht werden kann. Aus dem Klammerzusatz in § 2 Abs. 3 Unterabs. 1 TV LH ÜV ergibt sich, dass dieses Verständnis zugrunde zu legen ist. Darin wird näher definiert, dass sich die Gesamtvergütung aus „Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage“ zusammensetzt. Das wäre entbehrlich, wenn nicht der tarifvertraglich geregelte Vergütungsanspruch, sondern alleine das tatsächlich geleistete Entgelt maßgebend wäre. Die gegenteilige Auffassung hätte im Übrigen zur Folge, dass etwa zu Unrecht nicht geleistete Purser- oder Schichtzulagen bei der Berechnung der Übergangsversorgung unberücksichtigt blieben, und eine tarifwidrige Vergütungspraxis im Rahmen der Übergangsversorgung fortgeschrieben würde. Von einem solchen Willen der Tarifvertragsparteien kann nicht ausgegangen werden.

36cc) Die zuletzt bezogene Gesamtvergütung nach § 2 Abs. 3 Unterabs. 1 TV LH ÜV errechnete sich danach aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme nach dem VTV 37 als dem Vergütungstarifvertrag, welcher zuletzt von der AVH übereinstimmend mit ver.di und UFO geschlossen worden war (dazu Rn. 30).

37dd) Diese für die Firmenrente maßgebende Gesamtvergütung unterlag - entgegen der Auffassung der Klägerin - unbeschadet der Regelung in § 2 Abs. 3 Unterabs. 2 TV LH ÜV keiner Dynamisierung.

38(1) § 2 Abs. 3 Unterabs. 2 TV LH ÜV sieht eine Neuberechnung der Übergangsversorgung vor, wenn im Auszahlungszeitpunkt anstelle des Vergütungstarifvertrags, der für die Berechnung der Übergangsversorgung anfänglich maßgebend war, ein neuer Tarifvertrag gilt. Hiervon sind nachfolgende Vergütungstarifverträge jedoch nur dann erfasst, wenn sie von der jeweiligen Gewerkschaft selbst geschlossen wurden und den vormals geltenden Vergütungstarifvertrag daher ablösen.

39(2) Die in § 2 Abs. 3 Unterabs. 2 TV LH ÜV vorgesehene Dynamisierung zielt erkennbar darauf ab, dass Arbeitnehmer, die bereits vor Erreichen der Regelaltersrente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, im Rahmen des Bezugs der Übergangsversorgung noch an der Gehaltsentwicklung teilnehmen, die für sie im Falle des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses maßgebend gewesen wäre. Findet eine solche für diejenigen, die in einem laufenden Arbeitsverhältnis stehen, nicht statt, weil die Gewerkschaft, deren Mitglied sie sind, keinen neuen Vergütungstarifvertrag schließt, ergibt sich danach auch für diejenigen, die bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, kein geänderter Anspruch auf Übergangsversorgung.

40(3) Gilt der TV LH ÜV - wie hier - kraft vertraglicher Bezugnahme, führt dies dazu, dass der jeweils zuletzt geschlossene Vergütungstarifvertrag iSv. § 2 Abs. 3 Unterabs. 2 TV LH ÜV derjenige ist, der kraft Bezugnahme gegolten hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht infolge des Erreichens der tariflichen Altersgrenze geendet hätte. Das ist im Falle der Klägerin aufgrund des Wegfalls der Dynamik der Bezugnahmeklausel im Jahr 2011 (sh. Rn. 30) der VTV 37. Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht aus § 6 Abs. 2 des mit beiden Gewerkschaften geschlossenen MTV Nr. 1b, welcher bestimmt, dass Mitarbeiter die für ihre Beschäftigungsgruppe im Vergütungstarifvertrag ausgewiesene Vergütung nach Maßgabe der dort festgelegten Bestimmungen erhalten. Die Tarifvertragsparteien haben hierdurch lediglich deklaratorisch auf eigenständige, von der jeweiligen Tarifvertragspartei selbst geschlossene Vergütungstarifverträge verwiesen. Im Falle der Klägerin richtet sich dieser Verweis aufgrund des Wegfalls der Dynamik der Bezugnahmeklausel auf die Vergütungstarifverträge, welche zuletzt von der AVH übereinstimmend mit ver.di und UFO geschlossen wurden.

412. Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung, die Übergangsversorgung sei auf Grundlage des im jeweiligen Auszahlungszeitpunkt zwischen dem AGVL und UFO geschlossenen Vergütungstarifvertrags zu berechnen, nicht auf eine bei der Beklagten bestehende betriebliche Übung stützen.

42a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen der Arbeitgeberin zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmerinnen schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten der Arbeitgeberin, das von den Arbeitnehmerinnen in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Dabei ist für die Entstehung eines Anspruchs entscheidend, wie die Erklärungsempfängerin die Erklärung oder das Verhalten der Arbeitgeberin nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte ( - Rn. 19). Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann nur entstehen, wenn keine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht. Er entsteht demnach nicht, wenn die Arbeitgeberin zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war oder sich irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. Wenn die Arbeitgeberin die Leistungen für die Arbeitnehmerinnen erkennbar aufgrund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, können diese nicht davon ausgehen, ihnen solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden ( - Rn. 29 f.).

43b) Danach ist ein Anspruch aus betrieblicher Übung nicht gegeben. Die Beklagte hat im Schreiben vom deutlich gemacht, dass sie die Leistung nach dem „alten System“ lediglich vorläufig weitergewährt. Ferner ließ der Umstand, dass sie bei der Berechnung nach § 2 Abs. 3 TV LH ÜV zunächst den VTV 38 und später den VTV 39 herangezogen hat, nicht den Schluss zu, die Beklagte wolle auf Dauer einen Anspruch begründen, der sich weder aus der Anwendung des TV LH ÜV, mithin nach dem „alten System“, noch nach dem TV LH Rente Kabine (UFO), und damit nach dem „neuen System“, ergab. Vielmehr musste die Klägerin davon ausgehen, die Beklagte stelle auf diejenigen Vergütungstarifverträge ab, die aus ihrer Sicht in Anwendung des TV LH ÜV maßgebend sind.

44c) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte entgegen ihrer Ankündigung im Schreiben vom die Übergangsversorgung nicht zum dritten Quartal auf das „neue Versorgungssystem“ nach dem TV LH Rente Kabine (UFO) umgestellt hat. Dies konnte allenfalls ein Vertrauen dahingehend begründen, die Beklagte wolle auch weiterhin den TV LH ÜV anwenden.

45d) Eine andere rechtliche Bewertung folgt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte die Übergangsversorgung unverändert geleistet habe, obwohl sie im Oktober 2020 in einem anderen Verfahren vor dem Vierten Senat Kenntnis von dessen Rechtsauffassung über den Wegfall der zeitlichen Dynamik der von ihr verwendeten Bezugnahmeregelungen durch einen gerichtlichen Hinweis erhalten habe.

46aa) Soweit die Klägerin annimmt, auf diese Weise sei ein Vertrauen in die Aufrechterhaltung der bisherigen Zahlungspraxis entstanden, ist von ihr schon nicht schlüssig dargetan, wie hierdurch ein Vertrauen von nicht an diesem Verfahren beteiligten Arbeitnehmerinnen in die dauerhafte Gewährung einer überobligatorischen Übergangsversorgung entstanden sein soll. Es fehlt jedenfalls an dem für das Entstehen einer betrieblichen Übung erforderlichen kollektiven Element (zu diesem Erfordernis vgl.  - Rn. 11; - 9 AZR 850/16 - Rn. 22).

47bb) Nichts anderes ergibt sich aus ihrem Vorbringen, die Beklagte habe die Berechnung der Übergangsversorgung nach den Entscheidungen des Vierten Senats vom (- 4 AZR 229/20 ua. - BAGE 174, 382) nicht unmittelbar geändert. Die Beklagte hat bereits in der von der Klägerin selbst vorgelegten „Pressemitteilung“ aus Mai 2021 darauf hingewiesen, aufgrund der mündlichen Verhandlung sei die bisherige Anwendung der Tarifverträge in Frage gestellt, die Rechtslage werde nach Erhalt der Entscheidungsgründe geprüft und etwaige sich ergebende Änderungen veranlasst. Diese hat sie nach Eintritt der Rechtskraft am in dem Verfahren der Parteien vor dem Arbeitsgericht Köln, welches die Auslegung der vertraglichen Bezugnahmeklausel betraf, umgesetzt.

483. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe Anspruch auf Gewährung einer Übergangsversorgung nach der bis Juli 2022 praktizierten Berechnungsweise, weil deren Umstellung mangels Beteiligung der Vertretung der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unwirksam gewesen sei. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass deren Mitbestimmungsrecht nach den tariflichen Bestimmungen nicht über das eines Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG hinausgeht (vgl. etwa  - Rn. 2). Danach war eine etwaige Verletzung des Mitbestimmungsrechts - ebenso wie bei Bestehen eines Betriebsrats - nicht geeignet, Vergütungsansprüche zu begründen (st. Rspr. zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, etwa  - Rn. 39, BAGE 182, 265).

494. Ein Anspruch der Klägerin auf Berechnung der Übergangsversorgung in der von ihr geltend gemachten Weise ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

50a) Nach diesem hat eine Arbeitgeberin, die Teilen ihrer Arbeitnehmerinnen nach einem bestimmten erkennbaren generalisierenden Prinzip Leistungen gewährt, Gruppen von Arbeitnehmerinnen, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Untersagt ist ihr danach sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmerinnen innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstiger sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden lässt (st. Rspr., etwa  - Rn. 38 mwN).

51b) Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt danach nicht vor. Die Klägerin begehrt eine Gleichbehandlung mit denjenigen Arbeitnehmerinnen, die ein im TV LH Rente Kabine (UFO) vorgesehenes Wahlrecht zugunsten einer Übergangsversorgung nach dem TV LH ÜV ausgeübt haben. Die Beklagte hat jedoch insoweit nicht eigenständig Gruppen von Arbeitnehmerinnen gebildet, sondern diesen eine Übergangsversorgung in der Höhe gewährt, die sich aus der gleichförmigen Anwendung des TV LH ÜV ergab. Die Klägerin übersieht, dass sich die Höhe der Übergangsversorgung nicht ausschließlich aus dem TV LH ÜV selbst ergibt, sondern es nach dessen § 2 Abs. 3 auch auf den während des laufenden Arbeitsverhältnisses zuletzt bestehenden Vergütungsanspruch ankommt (Rn. 35). Während sich dieser für die Klägerin aus dem VTV 37 ergibt (Rn. 36, 40), sind für diejenigen, denen ein im TV LH Rente Kabine (UFO) enthaltenes Wahlrecht zustand, die zuletzt zwischen dem AGVL mit UFO geschlossenen Vergütungstarifverträge maßgebend. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte dieses Wahlrecht für diese Arbeitnehmerinnen im Einzelfall - ggf. tarifwidrig - verlängert hat, da sie dieses nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedenfalls nicht auf Beschäftigte ausgedehnt hat, für die der TV LH Rente Kabine (UFO) keine Anwendung fand. Die Berechnung der Übergangsversorgung anhand der unterschiedlichen während des Arbeitsverhältnisses maßgebenden Vergütungstarifverträge stellt danach gerade keine Ungleichbehandlung, sondern die gleichförmige, tarifgetreue Anwendung des TV LH ÜV dar.

525. Schließlich kann die Klägerin ihr Begehren nicht auf eine Verletzung des Maßregelungsverbots nach § 612a BGB stützen.

53a) Gemäß § 612a BGB darf die Arbeitgeberin eine Arbeitnehmerin bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil die Arbeitnehmerin in zulässiger Weise ihre Rechte ausübt. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der Arbeitnehmerin der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist ( - Rn. 14). Dabei schützt § 612a BGB die Arbeitnehmerin nicht nur vor dem Entzug eines Vorteils, auf den sie einen Anspruch hat. Der Normzweck der Vorschrift, die Willensfreiheit der Arbeitnehmerin bei der Ausübung der ihr zustehenden Rechte gegenüber der Arbeitgeberin zu schützen, kommt auch im Bereich freiwilliger Leistungen zum Tragen ( - Rn. 28).

54b) Danach liegt kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vor. Ob ein solcher überhaupt eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen kann, bedarf daher keiner Entscheidung (ebenfalls - für eine Streikbruchprämie - offengelassen in  - Rn. 54 mwN, BAGE 163, 219). Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten geltend gemacht, der TV LH ÜV finde kraft vertraglicher Bezugnahme Anwendung. Die Beklagte hat hierauf die sich daraus ergebenden Ansprüche erfüllt, indem sie die Übergangsversorgung zutreffend in Anwendung des VTV 37 berechnet hat (Rn. 33 ff.). Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe anderen Arbeitnehmerinnen, von denen sie wusste, deren Übergangsversorgung wäre richtigerweise ebenfalls nach dem VTV 37 zu berechnen, deshalb höhere Zahlungen geleistet, weil sich diese - anders als die Klägerin - nicht darauf berufen haben, für sie finde der TV LH ÜV aufgrund vertraglicher Bezugnahme Anwendung, hat die Klägerin nicht dargetan.

55III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO rechtsfehlerhaft, soweit dieses über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Übergangsversorgung kraft Tarifgebundenheit an den VTV 39 entschieden hat.

561. Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat ( - Rn. 38 mwN).

572. Die Klägerin hat ihre Ansprüche nicht auf eine Tarifgebundenheit an die von UFO mit dem AGVL geschlossenen Vergütungstarifverträge als eigenständigen Streitgegenstand (vgl. etwa  - Rn. 20; - 4 AZR 230/20 - Rn. 19 mwN) gestützt. Indem das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, eine Geltung des VTV 39 folge nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, da die Klägerin nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft UFO ist, hat es dennoch hierüber entschieden. Das klageabweisende Urteil ist insoweit - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft zu verhindern (vgl.  - Rn. 41 mwN).

58IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:210525.U.4AZR155.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-98311