(Kranken- und Pflegeversicherung - Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder - keine Berücksichtigung des aufgrund eines Dienstunfalls bezogenen Unfallausgleichs nach § 39 BeamtVG BR 2015)
Gesetze: § 240 SGB 5, § 57 Abs 4 SGB 11, § 3 Abs 1 S 1 SzBeitrVfGrs, § 3 Abs 1 S 3 SzBeitrVfGrs, § 39 BeamtVG BR 2015, § 35 BeamtVG, § 3 Nr 6 EStG
Instanzenzug: Az: S 67 KR 89/20 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 16 KR 204/21 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin wendet sich gegen die Berücksichtigung des von ihr bezogenen Unfallausgleichs bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV).
2Die 1962 geborene Klägerin erlitt im Juni 2011 einen Dienstunfall und wurde im Jahr 2015 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Sie bezieht einen Unfallausgleich nach § 39 Bremisches Beamtenversorgungsgesetz (BremBeamtVG; seit monatlich 199 Euro, ab monatlich 205 Euro) sowie ein Unfallruhegehalt nach § 40 BremBeamtVG.
3Seit ist die Klägerin bei der Beklagten freiwillig kranken- und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Die Beklagte stellte im Januar 2019 fest, dass der Unfallausgleich bislang zu Unrecht bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt worden sei und setzte die Beiträge zur GKV und - im Namen der Beigeladenen - zur sPV unter Einbeziehung des Unfallausgleichs für die Zeit ab neu fest (Bescheide vom , <ab >, <ab 1.2. und >, <ab 1.2. bis und ab , Widerspruchsbescheid vom , Bescheid vom <ab >).
4Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ). Nach weiterer Beitragsneufestsetzung für die Zeit ab (Bescheid vom ) hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Der nach § 39 BremBeamtVG gewährte Unfallausgleich sei bei der Beitragsbemessung ebenso zu berücksichtigen wie der Unfallausgleich nach § 35 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG). Nach § 240 SGB V und den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zugrunde zu legen. Der Unfallausgleich stehe beitragspflichtigen Einkommensarten inhaltlich nahe (Urteil vom ).
5Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 240 SGB V iVm § 3 Abs 1 Satz 1 und 3 BeitrVerfGrsSz. Der Unfallausgleich sei eine zweckgebundene Sozialleistung, die bei wertender Betrachtung entsprechend den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verbeitragt werden dürfe. Der Gesetzgeber habe in § 3 Nr 6 EStG eine wertende Entscheidung zur Charakterisierung des Unfallausgleichs als steuerfrei getroffen. Der Unfallausgleich werde auch anderweitig im Rechtssystem nicht als Einkommen berücksichtigt.
7Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
8Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Gründe
9Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Beitragsbemessung in der GKV und sPV unter Außerachtlassung des Unfallausgleichs.
10I. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Festsetzung geringerer Beiträge zulässig mit einer Teilanfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) verfolgt. Sie hat die Beitragsfestsetzung der Höhe nach nur insoweit angefochten, als der Unfallausgleich als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt worden ist. In diesem Umfang sind der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie die Bescheide vom und rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Nur diese Verwaltungsakte sind Gegenstand des Verfahrens, da durch sie zuletzt die Beiträge für die hier streitige Zeit vom bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG am (vgl - BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19) festgesetzt worden sind. Die während des Rechtsstreits erlassenen Bescheide vom und sind dabei nach § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Sie haben die frühere Beitragsfestsetzung im ursprünglich angefochtenen Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom für die Zeit ab und im Sinne der genannten Vorschriften abgeändert.
11II. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte - jedenfalls in Bezug auf die Beitragserhöhung für die Zeit von Februar bis April 2019 - bei der Beitragsneufestsetzung unter Berücksichtigung des Unfallausgleichs die Voraussetzungen des § 45 SGB X beachtet hat. Sie war nach den Maßstäben für die Beitragserhebung bei freiwilligen Mitgliedern der GKV (dazu 1.) schon materiell-rechtlich nicht berechtigt, den Unfallausgleich der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese von der Rechtsauffassung des LSG abweichende Einschätzung ist dem Senat nicht deshalb verwehrt, weil es sich bei § 39 BremBeamtVG als Rechtsgrundlage des hier zu beurteilenden Unfallausgleichs um grundsätzlich nicht revisibles Landesrecht (vgl § 162 SGG) handelt (dazu 2.). Der im Vordergrund stehende Zweck des Unfallausgleichs, unfallbedingte Mehraufwendungen auszugleichen, erfordert es, der Klägerin den Unfallausgleich ungeschmälert zu belassen (dazu 3.). Die hier gebotene beitragsrechtliche Privilegierung wird zudem durch Wertungen des Gesetzgebers außerhalb des Versorgungsrechts gestützt (dazu 4.).
121. Nach § 240 Abs 1 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 sowie Abs 2 Satz 1 SGB V (in der hier maßgeblichen Fassung des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes vom , BGBl I 2387) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der GKV einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt; dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt und bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds herangezogen werden, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Diesem Regelungsauftrag ist der SpVBdKK durch Erlass der BeitrVerfGrsSz vom (Die Beiträge 2009, 183 ff; für die hier streitige Zeit ab idF der Achten Änderung vom ), die grundsätzlich im Einklang mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht stehen ( - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 mwN), nachgekommen.
13Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BeitrVerfGrsSz werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen, wobei die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen hat. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und ausnahmsweise von der Beitragspflicht ausgenommenen Leistungen erfordert eine wertende Entscheidung dazu, ob sie dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder stattdessen eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (vgl dazu - SozR 4-2500 § 240 Nr 22 RdNr 22). Der Senat hat nur in seltenen Ausnahmefällen bestimmte Einnahmen, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet sind, wegen ihres speziellen Zwecks von der Beitragsbemessung ausgenommen. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die gerade der Kompensation eines besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen (vgl - BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16; - BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17). Zum anderen sind Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts nicht zu verbeitragen, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (vgl - SozR 4-2500 § 240 Nr 37 RdNr 26 mwN; vgl Nachweise zur Rechtsprechung des BSG: Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl 2025, § 240 RdNr 50ff, Stand: ). Solchen Einnahmen ist gemein, dass sie auf einer förmlichen gesetzlichen Grundlage beruhen, aus der sich unmittelbar oder ausnahmsweise mittelbar eine beitragsrechtliche Privilegierung durch eine anerkennenswerte (soziale) Zwecksetzung ableiten lässt. Eine bloße Zweckbestimmung durch den Zuwendenden ist insoweit nicht ausreichend (vgl - SozR 4-2500 § 240 Nr 35 RdNr 23).
142. Diese Voraussetzungen erfüllt der hier zu beurteilende Unfallausgleich. Er stellt bei wertender Betrachtung eine Einnahme dar, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung und ihrer Privilegierung in Teilen der Rechtsordnung ausnahmsweise nicht zu verbeitragen ist. Dem steht nicht schon die gegenteilige Wertung des LSG entgegen. Zwar ist hier die Beitragspflicht des Unfallausgleichs nach der landesrechtlichen Vorschrift des § 39 BremBeamtVG streitig und das Revisionsgericht grundsätzlich an die Anwendung und Auslegung nicht revisiblen Landesrechts durch die Tatsacheninstanz gebunden ( - BSGE 137, 80 = SozR 4-2400 § 63 Nr 1, RdNr 45). Zum einen betrifft die rechtliche Qualifizierung des Unfallausgleichs als beitragspflichtige Einnahme aber die Anwendung und Auslegung des § 240 Abs 1 SGB V iVm § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz und damit einer Vorschrift des Bundesrechts. Zum anderen ist § 39 BremBeamtVG nach den bindenden Feststellungen des LSG als Parallelvorschrift zu § 35 BeamtVG auszulegen. Der bremische Unfallausgleich sei bei der Beitragsbemessung nicht anders zu beurteilen als der bundesrechtliche Unfallausgleich.
153. Gemessen an den dargestellten Maßstäben für die Beitragserhebung freiwilliger Mitglieder schließt die besondere Zwecksetzung des Unfallausgleichs, unfallbedingte echte Mehraufwendungen zu kompensieren, die Zuordnung zu den beitragspflichtigen Einnahmen aus.
16a) Unfallausgleich wird gewährt, wenn infolge des Dienstunfalles für länger als sechs Monate die Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 Prozent gemindert ist (§ 35 Abs 1 Satz 1 BeamtVG idF des vom , BGBl I 17) oder ein wesentlicher Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 25 vorliegt (§ 39 Abs 1 Satz 1 BremBeamtVG idF vom , Brem GBl S 458), und zwar in Höhe der nach der Minderung der Erwerbsfähigkeit oder dem Grad der Schädigungsfolgen gestaffelten Grundrente des Bundesversorgungsgesetzes. Der pauschal gewährte Unfallausgleich bezweckt damit im Sinne eines Nachteilsausgleiches für in der Erwerbsfähigkeit oder anderen Lebensbereichen wesentlich eingeschränkte Unfallverletzte einen Ersatz echter Mehraufwendungen einschließlich sonstiger immaterieller Einbußen und Unannehmlichkeiten, die durch die nicht nur vorübergehend eingetretenen Unfallfolgen bedingt sind (vgl VI C 180.60 - BVerwGE 15, 51; II C 95.64 - BVerwGE 25, 46; - juris RdNr 25; - VersR 1965, 563, 564 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rspr; - VersR 1970, 1034; - VersR 1982, 238; Battis, BBG, 3. Aufl 2004, § 87a RdNr 8). Dieser besondere Zweck würde beeinträchtigt, wenn der Unfallausgleich in die Beitragsbemessung einbezogen und damit monatlich in nicht unerheblichem Ausmaß geschmälert würde.
17b) Zwar benennt weder § 35 BeamtVG noch § 39 BremBeamtVG ausdrücklich einen über das im Begriff des Unfallausgleichs enthaltene Ziel des "Ausgleichs" hinausgehenden bestimmten Verwendungszweck. Bezieher dieser Leistung sind daher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, ihn für den Lebensunterhalt einzusetzen. Der besondere, von der den allgemeinen Lebensunterhalt in erster Linie sicherstellenden Besoldung unabhängige Leistungszweck des Unfallausgleichs ist jedoch hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang des Versorgungsrechts abzuleiten. Daraus ergibt sich, dass der Unfallausgleich dem Schadensausgleich in Form pauschalierten Ersatzes unfallbedingter Mehraufwendungen dient und keine Leistung mit Alimentationscharakter und Einkommensersatzfunktion darstellt.
18Versorgungsrechtlich ist der Unfallausgleich nicht Teil der Besoldung. Nach § 35 Abs 1 Satz 1 BeamtVG und § 39 Abs 1 Satz 1 BremBeamtVG wird der Unfallausgleich "neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt" gezahlt. Sind aufgrund der im Einzelfall anzuwendenden versorgungsrechtlichen Ruhens-, Kürzungs- oder Anrechnungsvorschriften Versorgungsbezüge tatsächlich nicht zu zahlen, hat dies regelmäßig keinen Einfluss auf die Gewährung des Unfallausgleiches (Kümmel, BeamtVG, § 35 RdNr 3, Stand Oktober 2024). Infolgedessen gilt der Unfallausgleich nach § 53 Abs 7 Satz 2 Nr 4 BeamtVG (idF des Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom , BGBl I 17) und § 64 Abs 6 Satz 2 Nr 4 BremBeamtVG (idF vom , Brem GBl S 458) nicht als Erwerbseinkommen und wird beim Zusammentreffen mit Versorgungsbezügen nicht mindernd berücksichtigt. Auch bei der Feststellung der Höchstgrenzen der Hinterbliebenenversorgung kommt der Unfallausgleich sowohl bei der Berechnung des Unterhaltsbeitrags (§ 41 BeamtVG idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 150; § 46 BremBeamtVG idF vom , aaO) als auch bei der vergleichenden Berechnung (§ 25 BeamtVG idF vom aaO; § 29 BremBeamtVG idF vom aaO) nicht zur Anrechnung (§ 42 Satz 4 BeamtVG idF des Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom , BGBl I 2250; § 47 Satz 4 BremBeamtVG idF vom aaO). Auch eine Kürzung der Versorgungsbezüge nach der Ehescheidung gemäß § 57 BeamtVG oder § 69 BremBeamtVG betrifft nur das Ruhegehalt, nicht aber den daneben zu zahlenden Unfallausgleich (vgl Wilhelm in Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Stand 2024, zu § 35 BeamtVG RdNr 38). Der Unfallausgleich wird auch während einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge gewährt (§ 35 Abs 4 BeamtVG idF vom aaO; § 39 Abs 4 BremBeamtVG vom aaO) und zählt nicht zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen (vgl § 5 Abs 1 BremBeamtVG, § 5 Abs 1 BeamtVG idF vom aaO). Nach § 51 Abs 3 Satz 1 BeamtVG (idF vom aaO) und § 62 Abs 3 Satz 1 BremBeamtVG (idF vom aaO) können Ansprüche auf Unfallausgleich weder gepfändet noch abgetreten noch verpfändet werden.
19c) Die besondere Zweckbestimmung spiegelt sich in § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 Buchst b SGB V (idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom , BGBl I 2477) wieder. Danach gehört der Unfallausgleich neben den Leistungen der Beschädigtenversorgung als unfallbedingte Leistung, die einen Entschädigungsteil aufweist - also auch einen immateriellen Schaden ersetzen soll -, nicht zu den für Pflichtmitglieder der GKV beitragspflichtigen Einnahmen (vgl BT-Drucks 9/458 S 34 bereits zu § 180 Reichsversicherungsordnung; Peters in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl 2025, § 229 RdNr 35, Stand: ; Rombach in Hauck/Noftz SGB V, 3. EL 2025, § 229, RdNr 14). Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist eine dieser anerkannten Ersatzfunktion entgegenstehende abweichende Beurteilung für freiwillige Mitglieder nicht zu rechtfertigen.
204. Die wegen der Zweckbindung des Unfallausgleichs gebotene Zuordnung zu den nicht dem Bestreiten des Lebensunterhalts dienenden und damit ausnahmsweise nicht der Beitragspflicht unterworfenen Einnahmen wird hinreichend durch gesetzgeberische Wertungen außerhalb des Beamtenversorgungsrechts gestützt. Auf die in § 3 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 BeitrVerfGrsSz geforderte Ausnahme "im gesamten Sozialrecht" kommt es deshalb hier - wie bereits in der Entscheidung des Senats vom (B 12 KR 2/23 R) zum Erziehungsbeitrag für Pflegekinder - nicht an (dazu c).
21a) Der Unfallausgleich ist als aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber gezahlte Leistung nach § 3 Nr 6 EStG (idF des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom , BGBl I 1266) von der Einkommensteuer befreit. Zwar sind die beitragspflichtigen Einnahmen grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Die Privilegierung von Einnahmen nach § 3 EStG muss in der Regel nicht übernommen werden ( - SozR 4-2500 § 240 Nr 9 RdNr 17). Ungeachtet dessen kann die Wertung des Steuerrechts als nicht der Einkommensteuer unterliegender Bezug bei der Frage der Beitragsprivilegierung berücksichtigt werden, insbesondere wenn die steuerliche Behandlung - wie vorliegend - einer auch im Sozialrecht anerkannten Zweckbindung Rechnung trägt. Unter § 3 Nr 6 EStG fallen Bezüge, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber gezahlt werden, soweit es sich nicht um Bezüge handelt, die aufgrund der Dienstzeit gewährt werden. Der Unfallausgleich wird nicht nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, sondern ausschließlich nach dem Grad der Erwerbsminderung (§ 35 BeamtVG) oder der Schädigungsfolgen (§ 39 BremBeamtVG) bemessen und ist daher steuerfrei ( - BFHE 185, 257, BStBl II 1998, 303, juris RdNr 19).
22b) Im Sozialrecht bleibt der Unfallausgleich bei der Bestimmung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der GKV nach § 62 Abs 1 Satz 1 bis 4 SGB V (idF des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes vom , BGBl I 617) außer Betracht. Den insoweit maßgebenden Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB V) werden alle Einnahmen zugerechnet, die dem Versicherten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung standen ( - SozR 2200 § 180 Nr 12; - BSGE 57, 235 = SozR 2200 § 180 Nr 19; - BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20; vgl Gerlach in Hauck/Noftz SGB V, 3. EL 2025, § 62 RdNr 77). Zwar nimmt § 62 Abs 2 Satz 4 SGB V (idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom , BGBl I 2190) ausdrücklich nur Grundrenten, die Beschädigte nach dem BVG oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des BVG erhalten, sowie Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG von den Einnahmen zum Lebensunterhalt aus. Die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt sind allerdings dadurch gekennzeichnet, dass sie als persönliche Einnahmen dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienen, also der typischen Funktion des Arbeitsentgelts beim Pflichtversicherten entsprechen, so dass zweckgebundene Zuwendungen ausscheiden (vgl zur Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung - BSGE 71, 299 = SozR 3-2500 § 61 Nr 2, juris RdNr 15; zum Kindergeld - SozR 4-2500 § 62 Nr 5 RdNr 15). Damit übereinstimmend zählt nach Anl 1 (Tabellarische Übersicht der Einnahmearten) des vom SpVBdKK gemeinsam mit den Verbänden der Krankenkassen herausgegebenen Gemeinsamen Rundschreibens zu Einnahmen zum Lebensunterhalt vom in der Fassung vom zwar das Unfallruhegehalt nach § 36 BeamtVG, nicht aber der Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG zu den nach § 62 SGB V zu berücksichtigenden Einnahmen.
23Auch im Wohngeldrecht unterfällt der nicht zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs bestimmte Unfallausgleich nicht dem als Berechnungsgröße des Wohngeldes (§ 4 Nr 3 WoGG idF des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom , BGBl I 1856) heranzuziehenden Jahreseinkommen iS des § 14 Abs 2 Nr 2 WoGG (idF des Gesetzes zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes vom , BGBl I 1610). Danach gehören (nur) die einkommensabhängigen, nach § 3 Nr 6 EStG steuerfreien Bezüge, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Wehrdienstbeschädigte, im freiwilligen Wehrdienst Beschädigte, Zivildienstbeschädigte und im Bundesfreiwilligendienst Beschädigte oder ihre Hinterbliebenen, Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene sowie ihnen gleichgestellte Personen gezahlt werden, zum Jahreseinkommen. Nicht einkommensabhängige versorgungshalber gezahlte Bezüge wie der Unfallausgleich, der sich allein nach dem Grad der Erwerbsminderung oder der Schädigungsfolgen und nicht nach dem Einkommen des unfallverletzten Beamten richtet, sind demnach nicht vom wohngeldrechtlichen Begriff des Jahreseinkommens umfasst (vgl Klein in Klein/Schulte/Unkel, WoGG, 2014, § 14 RdNr 94).
24Schließlich stellt der Unfallausgleich als Leistung der Unfallfürsorge kein auf Renten wegen Todes anzurechnendes Erwerbsersatzeinkommen (§ 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV) dar. Nach § 18a Abs 3 Nr 6 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 38710) zählen (nur) das Unfallruhegehalt und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis zum anrechenbaren Erwerbsersatzeinkommen. Der Unfallausgleich ist daher nicht zu berücksichtigen (vgl Paulus/Wildenhain in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl 2021, § 18a RdNr 77, Stand ; Fattler in Hauck/Noftz SGB IV, 4. EL 2024, § 18a RdNr 47).
25c) Aus § 3 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 BeitrVerfGrsSz ergibt sich keine andere Beurteilung. Zwar ist danach eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen ausgeschlossen, es sei denn die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen "im gesamten Sozialrecht" nicht als Einkommen berücksichtigt. Darauf kommt es aber hier nicht an, weil sich das Erfordernis einer Ausnahme von der grundsätzlichen Beitragspflicht bereits aus den - den BeitrVerfGrsSz übergeordneten - gesetzgeberischen Wertungen in der Zusammenschau ergibt. Es genügt, dass der besondere Zweck des Unfallausgleichs als Nachteilsausgleich ohne Einkommensersatzfunktion im Sozialrecht anerkannt ist und diese auch in Bereichen außerhalb des SGB V gesetzlich zu einer eingeschränkten (nicht notwendigerweise vollständig ausgeschlossenen) Anrechnung führt. Eine Bindung an den "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V" des SpVBdKK besteht ohnehin nicht.
26III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:130525UB12KR623R0
Fundstelle(n):
KAAAJ-98216