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BVerwG Beschluss v. - 10 B 18.24

Zugang zu Unterlagen im Zusammenhang mit einer versagten Anerkennung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit

Leitsatz

1. § 21a Abs. 1 Satz 4 und 5 FVG erfassen auch Sitzungsbeschlüsse.

2. Gemeinsame Beschlüsse des Bundesministeriums der Finanzen und der obersten Landesfinanzbehörden über die Veröffentlichung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II stellen "Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern" im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG dar.

3. § 73 Abs. 2 GO-BT ist keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG.

Gesetze: § 1 IFG, § 8 IFG, § 30 AO 1977, § 21a FVG, § 73 Abs 2 BTGO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 12 B 1/23 Urteilvorgehend Az: 2 K 102/21 Urteil

Gründe

I

1Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen im Zusammenhang mit der ihm versagten Anerkennung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit.

2Das Verwaltungsgericht gab der Klage hinsichtlich der Dokumente Nr. 13 bis 15, 17, 18, 20 und 27 der Anlage B1 statt, wies die Klage im Hinblick auf die Dokumente Nr. 23, 24, 64, 68, 70, 76, 79, 83, 84, 96, 97 und 109 ab und stellte, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, das Verfahren ein. Bezüglich des Dokuments Nr. 84 der Anlage B1 änderte das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts im Berufungsverfahren und wies die Berufung im Übrigen zurück. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richten sich die Beschwerden des Klägers und der Beklagten.

II

31. Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

4a) Die Revision ist nicht wegen der vom Kläger erhobenen Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist, oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. 2 B 18.23 - juris Rn. 20 m. w. N.). Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsrechtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. 7 B 6.22 - juris Rn. 5 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

6aa) Der vom Kläger aufgeworfenen Frage,

"ob Informationsansprüche nach § 1 Abs. 1 IFG in Bezug auf Dokumente, die erst nach Antragstellung entstanden sind, durch das in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des 'Vorhandenseins der Informationen' ausgeschlossen sind",

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil das Bundesverwaltungsverwaltungsgericht über sie schon entschieden hat.

7Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich der Zugangsanspruch, auch ohne dass dies in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG wie etwa in § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG ausdrücklich geregelt ist, auf die Informationen, die bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind ( 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41, vom - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 15, vom - 7 C 23.18 - juris Rn. 14 und vom - 10 C 2.22 - BVerwGE 178, 176 Rn. 25; Beschluss vom - 7 B 43.12 - NJW 2013, 2538 Rn. 11). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorhandensein ist der Eingang des Antrags auf Informationszugang bei der informationspflichtigen aktenführenden Stelle ( 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41 und vom - 7 C 22.15 - NVwZ 2018, 179 Rn. 18). Das gilt unabhängig von einer etwaigen Wiederbeschaffungspflicht, weil im Vordergrund die erstmalige Prüfung durch die informationspflichtige Stelle steht.

8Bei Eingang des Antrags auf Informationszugang bei der Beklagten am waren die Dokumente Nr. 96, 97 und 109 dort nicht vorhanden. Dass sie danach entstanden sind, ändert an dem maßgeblichen Zeitpunkt nichts, weil sonst das Antragserfordernis ins Leere liefe. Der Fall weicht auch nicht in entscheidungserheblicher Weise von den bisher entschiedenen Konstellationen ab, weil sich die Beklagte trotz fehlenden vorprozessualen Antrags rügelos auf das Klagefahren zu den Dokumenten Nr. 96, 97 und 109 eingelassen hat. Damit mag das Rechtsschutzbedürfnis, das bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich einen vorherigen Antrag voraussetzt (stRspr, vgl. 6 C 7.20 - BVerwGE 175, 76 Rn. 58), gegeben sein. Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorhandensein einer Information wird dadurch indes nicht verschoben, weil es sich um eine materiell-rechtliche Frage und nicht um eine der Zulässigkeit der Klage handelt (vgl. 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41).

9bb) Auch den Fragen des Klägers,

"Erfasst die Vertraulichkeitsregelung des § 21a Abs. 1 Satz 3 und 4 [gemeint ersichtlich: Satz 4 und 5] FVG auch Sitzungsbeschlüsse?"

und

"Sind 'Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern' im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG ausschließlich Regelungen, die Verfahrensfragen betreffen?"

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden können. § 21a Abs. 1 Satz 4 und 5 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) ist eine Vorschrift im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. Sie erfasst auch Sitzungsbeschlüsse, und Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern im Sinne von § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG sind nicht nur solche über Verfahrensfragen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift gemäß der Gesetzesbegründung.

10Nach dem Wortlaut des § 21a Abs. 1 Satz 4 FVG ist die Vertraulichkeit der Sitzungen zu wahren. Dass damit nicht Beschlüsse vertraulich zu behandeln wären, sondern nur Unterlagen, aus denen das Abstimmungsverhalten der Beteiligten ersichtlich ist, lässt sich nicht mit einem Vergleich des Wortlauts dieser Regelung mit § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG und § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG begründen, wo jeweils das Wort "Beratungen" verwendet wird (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 3. Aufl. 2024, § 3 Rn. 175 ff.). Nach der Gesetzesbegründung ist eine umfassende Vertraulichkeit gewollt. Die Sitzungen erfordern danach den freien, vertrauensvollen Austausch aller Beteiligten und sind nicht öffentlich. Vorbereitende und nachbereitende Sitzungsunterlagen, einschließlich Protokollen und Unterlagen über Sitzungsergebnisse, sind daher, soweit nicht anders beschlossen, vertraulich und nicht zur Weitergabe an Empfänger außerhalb der (Finanz-)Verwaltung bestimmt. Dies soll gewährleisten, dass in den vertraulichen Beratungen in einer Atmosphäre der Offenheit und ohne Zwang zur Berücksichtigung von außen eingebrachter Interessen oder Rechtfertigungsforderungen ein allein an der Sache orientierter Austausch von Argumenten sowie eine unbeeinflusste Abstimmung erfolgen kann. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sachbezogene Diskussionen nicht stattfinden bzw. in den informellen Bereich außerhalb der Sitzung verlagert werden, oder eine Einigung gänzlich unterbleibt (BT-Drs. 19/13436 S. 184). Unabhängig davon, dass auch Beschlüsse Unterlagen über Sitzungsergebnisse sind und damit unter den Wortlaut des Tatbestandsmerkmals "Sitzungen" fallen, würde ihre Offenlegung den Zweck der Vertraulichkeit beeinträchtigen, weil sich dadurch ein Rechtfertigungsdruck ergeben kann (vgl. auch - juris Rn. 25 ff.).

11Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG bestimmt das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder zur Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs von Steuergesetzen und im Interesse des Zieles der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und erteilt allgemeine fachliche Weisungen. Eine Beschränkung auf Verfahrensfragen sieht die Regelung nicht vor. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem Wort "Zusammenarbeit". Diese kann sich auch auf die Auslegung des materiellen Rechts beziehen. Auch bieten weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung und Sinn und Zweck der Regelung Anhaltspunkte dafür, dass Regelungen zur Zusammenarbeit im Sinne von § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG nicht jedem der in § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG genannten Ziele und damit auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen können.

12cc) Die von dem Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Frage,

"ob gemeinsame Beschlüsse des Bundesministeriums der Finanzen und der obersten Landesfinanzbehörden über die Veröffentlichung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II 'Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern' im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG darstellen,"

hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie gleichfalls mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann. Weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung lässt sich - wie der Kläger meint - entnehmen, dass "Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern" nur eine Verwaltungstätigkeit betreffen könnten, die der Bund und die Länder miteinander erledigen. Zweck des § 21a Abs. 1 FVG ist es, einen bundeseinheitlichen Steuervollzug zu gewährleisten. Dies kann auch durch eine Absprache der allseitigen Anerkennung der allgemeinen Anwendung eines Urteils des Bundesfinanzhofs in vergleichbaren Fällen - Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II - erreicht werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der Verwaltungspraxis faktisch erst die Veröffentlichung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II deren allgemeine Berücksichtigung zur Folge hat (vgl. Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung, 2011, S. 55 f.; Isensee, StuW, 1994, 3 <14>; Seer, in: Kahl/​Waldhoff/​Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Februar 2025, Art. 108 Rn. 195; Voß, DStR, 2003, 441 <445>; Juchum, ZG, 1991, 56 <61 f.>; Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, 2009 - WD 4 - 3000 - 080/09 - Der Nichtanwendungserlass im Steuerrecht S. 3 f.).

13b) Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor. Danach ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf oder den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 28.14 - juris Rn. 8 m. w. N., vom - 5 B 17.15 - ZOV 2016, 160 Rn. 3 und vom - 5 B 50.24 - juris Rn. 2). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

14aa) Es ist nicht ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht bezüglich der Dokumente 70, 79 und 83 von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen ist und damit gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen hat.

15Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht aus seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Ein Verfahrensfehler liegt dabei nur vor, wenn die angegriffene Entscheidung von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Im Übrigen ist das Ergebnis der gerichtlichen Tatsachenwürdigung vom Revisionsgericht diesbezüglich grundsätzlich nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. 5 B 50.24 - juris Rn. 4 m. w. N.).

16Den Dokumenten Nr. 70, 79 und 83 hat das Oberverwaltungsgericht keinen aktenwidrigen Inhalt zugrunde gelegt. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass sich aus den Angaben der Beklagten im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht nicht ergibt, dass diese Dokumente die Veröffentlichung der den Kläger betreffenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II betreffen. Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht darauf in seinem Urteil nicht abgestellt. Weil die sitzungsvorbereitenden Dokumente sich auf den Umgang mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs beziehen (vgl. Anlage K3 zur Beschwerdebegründung S. 4) und dies den Zielen des § 21a Abs. 1 Satz 1 FVG diene, hat es sie unter das Sitzungsgeheimnis nach § 21a Abs. 1 Satz 4 und 5 FVG subsumiert. Die tatsächliche Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II hat es als dessen Bestätigung gesehen. Einen relevanten Zusammenhang mit den gleichfalls von der Beschwerde angeführten Dokumenten Nr. 64, 68 und 76, die sich auf die Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs beziehen (vgl. Anlage K3 zur Beschwerdebegründung S. 4), legt der Kläger darüber hinaus nicht nachvollziehbar dar.

17bb) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, indem es unterlassen hat zu ermitteln, ob die in dem Dokument Nr. 84 enthaltenen Daten der dort genannten Körperschaften bereits öffentlich bekannt seien, insbesondere weil ihnen später tatsächlich die Gemeinnützigkeit aberkannt worden und dies öffentlich bekannt geworden sei.

18Unabhängig davon, ob die Beschwerdebegründung des Klägers den Anforderungen an eine Rüge der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt (vgl. dazu stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 42.24 - juris Rn. 17 m. w. N. und vom - 5 B 24.23 - juris Rn. 23 m. w. N.), mussten sich dem Oberverwaltungsgericht keine solchen Ermittlungen aufdrängen, weil es eine Teiloffenlegung des Dokuments Nr. 84 nicht wegen fehlender öffentlicher Bekanntheit von Daten, sondern mit dem Argument abgelehnt hat, dass sonst Rückschlüsse auf die Identität Einzelner aufgrund der geringen Anzahl möglicher Betroffener und deren Konzentration auf einen kleinen regionalen Bereich möglich wären. Dem ist der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht entgegengetreten. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sämtliche in dem Dokument Nr. 84 genannten Körperschaften mittlerweile öffentlich bekannt sind.

192. Die Grundsatzrügen sowie die Verfahrensrügen der Beklagten rechtfertigen ebenso wenig die Zulassung der Revision.

20a) Der Frage der Beklagten

"Bedarf es stets der Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens gemäß § 8 Abs. 1 IFG, wenn sich die informationspflichtige Stelle auf den Schutz des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und damit den Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG beruft?"

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie bereits geklärt ist. Wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, steht § 3 Nr. 4 IFG einem Informationsanspruch nach der - überzeugenden - Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, wenn der Betroffene nach Maßgabe der Vertraulichkeitsbestimmungen des Fachrechts seine Einwilligung erteilt. Insoweit besteht ein Neubescheidungsanspruch, wenn dem Betroffenen noch nicht die Möglichkeit gegeben worden ist, einzuwilligen. Anders als die Beklagte meint, hat der 7. Senat dies nicht nur für Konkurrenzfälle zwischen § 3 Nr. 4 IFG und § 5 Abs. 1 und 2 IFG entschieden, sondern allgemein, solange fachgesetzlich die Möglichkeit für den Betroffenen besteht, über seine Daten zu verfügen. Eine Versagung des Informationszugangs nach Maßgabe der Vertraulichkeitsbestimmungen des Fachrechts steht auch insoweit unter dem Vorbehalt, dass der Betroffene keine Einwilligung erteilt ( 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 35 ff.). So liegt der Fall mit § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO auch hier. Der durch das Steuergeheimnis Geschützte kann auf die Geheimhaltung wirksam verzichten. Trotz Zustimmung ist der Amtsträger allerdings nicht zur Offenbarung der durch § 30 AO geschützten Verhältnisse verpflichtet. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob sie von der Zustimmung Gebrauch machen will (vgl. Alber, in: Hübschmann/​Nepp/​Spitaler, AO/FGO, Stand Mai 2025, § 30 AO Rn. 170, 176; Pätz, in: Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 30 AO Rn. 196).

21b) Die von der Beklagten des Weiteren formulierten Fragen,

"Stellt § 73 Abs. 2 GO-BT eine Rechtsvorschrift i. S. d. § 1 Abs. 3 IFG dar?",

"Ist Anhang 2 zu § 73 Abs. 3 GO-BT seit dem außer Kraft getreten? Insbesondere: Gilt dies auch für Ziff. I und III des Anhangs 2 zu § 73 Abs. 3 GO-BT?" und

"Sofern die Frage zu verneinen ist: Wie verhalten sich Ziff. I und III des Anhangs 2 zu § 73 Abs. 3 VwGO zu § 73 Abs. 2 GO-BT?"

haben keine grundsätzliche Bedeutung. Es bedarf nicht der Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens, um zu klären, dass § 73 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG ist. Die Geltung des Anhangs 2 und das Verhältnis von § 73 Abs. 3 zu § 73 Abs. 2 GO-BT kann daher dahingestellt bleiben.

22Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das Informationsfreiheitsgesetz nach § 1 Abs. 3 IFG durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG abstrakt-identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (etwa 10 C 16.19 - BVerwGE 168, 280 Rn. 9 ff. und vom - 10 C 24.19 - NVwZ 2021, 642 Rn. 21). Ausschlaggebend ist, ob die andere Regelung den Informationszugang nicht nur im Einzelfall, sondern allgemein oder doch typischerweise gestattet und an nach dem Informationsfreiheitsgesetz Informationspflichtige adressiert ist (zu § 3 Nr. 4 IFG vgl. 10 C 16.19 - BVerwGE 168, 280 Rn. 9 ff. m.w.N.). § 1 Abs. 3 IFG setzt hierfür - nicht anders als § 3 Nr. 4 IFG (vgl. dazu 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 30) - eine materielle Rechtsnorm mit Außenwirkung voraus (Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 3. Aufl. 2024, § 1 Rn. 296). Dazu zählen Regelungen einer Geschäftsordnung nicht, weil sie nur die innere Organisation eines Organs und den Ablauf seiner Meinungs- und Willensbildung betreffen ( 7 C 3.15 - NVwZ 2016, 1820 Rn. 16, vom - 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 30 und vom - 10 C 1.21 - BVerwGE 175, 338 Rn. 23).

23Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung in Normenkontrollverfahren, wonach Regelungen von Geschäftsordnungen Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind ( 7 N 1.87 - NVwZ 1988, 1119 <1120>). Anders als bei der Klärung eines Vorrangs nach § 1 Abs. 3 IFG geht es im Rahmen von Normenkontrollverfahren nicht nur um individuellen Rechtsschutz, sondern gerade auch um eine objektive rechtliche Überprüfung ( 7 N 1.87 - a. a. O.). Eine Außenwirkung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als Voraussetzung einer vorrangigen Regelung nach § 1 Abs. 3 IFG ergibt sich auch nicht aus § 73 GO-BT. Weder § 73 Abs. 2 GO-BT a. F. noch der aktuelle § 73 Abs. 2 GO-BT richten sich an Rechtsträger oder -verpflichtete außerhalb des Bundestages. Geregelt wird jeweils, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Dies konkretisiert Anhang 2 unabhängig von seiner - vom Oberverwaltungsgericht verneinten - aktuellen Wirksamkeit. Nachdem § 73 Abs. 2 Satz 1 GO-BT nunmehr grundsätzlich eine unverzügliche Veröffentlichung von Ausschussprotokollen vorsieht, ist jedenfalls das Erfordernis eines berechtigten Interesses nach Anhang 2 Ziff. 1 überholt und kann bereits aus diesem Grund keinen Anhaltspunkt für eine etwaige Außenwirkung der Geschäftsordnung liefern. Eine abweichende rechtliche Einordnung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegenüber anderen Geschäftsordnungen ist daher nicht geboten (zur Binnenrechtsqualität der Geschäftsordnung vgl. auch u. a. - BVerfGE 118, 277 <359 f.>) und ergibt sich auch nicht aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG.

24c) Die von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - eine Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO oder eine überraschende Entscheidung nach Art. 103 Abs. 1 GG - liegen nicht vor.

25Die Beklagte bemängelt, dass ihr Vortrag aus der Berufungsbegründung vom (S. 6 f.) nicht berücksichtigt worden sei und das Oberverwaltungsgericht deswegen die Jahresfrist des § 73 Abs. 2 Satz 2 GO-BT angewendet habe. Das Urteil beruht indes schon deshalb nicht auf dem behaupteten Gehörsverstoß, weil das Oberverwaltungsgericht den Zugang zu den Dokumenten Nr. 13 bis 15, 17, 18 und 20 ausdrücklich unabhängig von dem Ablauf der Jahresfrist mit dem Argument abgelehnt hat, dass § 73 Abs. 2 GO-BT den Zugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht sperre, weil er keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG sei.

26d) Aus demselben Grund ist auch der Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezüglich der Dokumente Nr. 13 bis 15, 17, 18 und 20 nicht verletzt. Außerdem hat das Oberverwaltungsgericht entgegen der Annahme der Beklagten nicht unterstellt, dass diese Dokumente aufgrund des Ablaufs der Frist in § 73 Abs. 2 Satz 2 GO-BT veröffentlicht worden seien, sondern nur ausgeführt, dass § 73 Abs. 2 Satz 2 GO-BT einer Veröffentlichung nicht mehr entgegenstehe.

27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:030725B10B18.24.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-97708