Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 8 A 10775/23.OVG Urteilvorgehend Az: 4 K 354/22.NW Urteil
Gründe
I
1Die Klägerin wendet sich gegen eine abfallrechtliche Rahmenvorgabe des Beklagten, einem öffentlichen Entsorgungsträger, betreffend die Sammlung von Leichtverpackungen.
2Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Rahmenvorgabe des Beklagten aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.
II
3Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
41. Die Beschwerde hat die der Rechtssache von ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
5Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. 10 B 14.24 - juris Rn. 4). Daran fehlt es hier.
6Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,
"in welchem Fall eine Rahmenvorgabe hinsichtlich des Sammelrhythmus über den Entsorgungsstandard hinausgeht, welchen der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger der in seiner Verantwortung durchzuführenden Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen zugrunde legt".
7Diese Fragestellung, die sich auf die Auslegung von § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG bezieht, ist derart offen formuliert, dass ihre Beantwortung differenzierende Ausführungen zu einer Vielzahl von Fallgestaltungen im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs erforderte. Dies ist nicht Ziel eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. 10 B 8.24 - NVwZ 2024, 1846 Rn. 7).
8Auch soweit die Beschwerde die Fragestellung dahingehend fasst,
"ob eine Anordnung des Regelrhythmus durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Wege der Rahmenvorgabe zu einer Überschreitung des Entsorgungsstandards führt",
kommt zu deren Beantwortung die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht in Betracht. Diese Frage war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Die Vorinstanz hat weder tatsächliche Feststellungen zu einem von der Beschwerde als solchen bezeichneten, nicht näher definierten "Regelrhythmus" des Beklagten bei der Sammlung gemischter Siedlungsabfälle getroffen, noch hat sie eine derartige Betrachtung für rechtlich ausschlaggebend erachtet. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht Feststellungen insbesondere zu dem von ihm für maßgeblich erachteten durchschnittlichen Abfuhrrhythmus des Beklagten für Siedlungsabfälle bei den Standardabfallbehältnissen sowohl nach der bestehenden Satzungsregelung als auch deren tatsächlicher Umsetzung getroffen und seiner rechtlichen Prüfung zugrunde gelegt (UA S. 16 ff.). Schon mangels tatsächlicher Feststellungen dazu, ob die angefochtene Rahmenvorgabe einem vom Beklagten so bezeichneten "Regelrhythmus" entspricht, wäre mithin auch das Revisionsgericht gehindert, die aufgeworfene Frage in rechtlicher Hinsicht zu beantworten.
9Soweit die Beschwerde - nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) - noch formuliert, die Rechtsfrage, was als Entsorgungsstandard im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG zu verstehen sei, habe grundsätzliche Bedeutung, führt dies ebenfalls auf kein Revisionsverfahren. Auch eine derart gefasste Fragestellung ließe sich nur im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs beantworten.
102. Einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann, zeigt die Beschwerde ebenfalls nicht auf.
11a) Die Rüge der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe seine Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt, indem es ohne ausreichende Anhörung der Parteien die Annahme getroffen habe, dass die Kosten für die Umsetzung der Rahmenvorgabe höher lägen als bei einer Kopie des Restabfallstandards, geht fehl. Auf der Grundlage der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz bedurfte es weder der Ermittlung bezifferter Kosten für die Umsetzung der Rahmenvorgabe noch diesbezüglicher Annahmen. Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht die behauptete Annahme zu den Kosten auch nicht getroffen.
12Zwar hat das Oberverwaltungsgericht mit Bezug auf die Prüfung des § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG - neben der Nennung weiterer Kriterien, namentlich diejenigen nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KrWG als Orientierungsmaßstab - auch abstrakt ausgeführt, dass es insbesondere für eine Überschreitung des kommunalen Entsorgungsstandards spreche, dass die Erfüllung einer Rahmenvorgabe für die Systeme mit höheren Kosten verbunden sei. Dessen ungeachtet hat es im Rahmen seiner Subsumtion das Kriterium der für die Systeme anfallenden Kosten nicht wieder aufgegriffen, sondern - wie bereits (teilweise) unter 1. dargelegt - den durchschnittlichen Abfuhrrhythmus des Beklagten für Siedlungsabfälle sowohl nach der getroffenen Satzungsregelung als auch deren tatsächlicher Umsetzung mit dem für maßgeblich erachteten Ergebnis betrachtet, dass der Entsorgungsrhythmus des Beklagten einen erheblich geringeren logistischen Aufwand erfordere als die zwingende zweiwöchentliche Sammlung nach der Rahmenvorgabe. Soweit die Vorinstanz darüber hinaus zur Bestimmung des Aufwands auf die Höhe der Abfallgebühren eingeht (UA S. 17 f.), erfolgt dies lediglich ergänzend bzw. bestätigend. Im Übrigen betrachtet das Oberverwaltungsgericht auch insoweit nicht die im Zuge seiner Sammlung beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf der Ausgabenseite entstehenden Kosten.
13Hinzu kommt, dass die Beschwerde - was im Zuge der Erhebung einer Aufklärungsrüge erforderlich wäre (vgl. nur 4 B 30.24 - juris Rn. 9 m. w. N.) - nicht darzulegen vermag, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der für klärungsbedürftig erachteten Frage der konkreten Kosten für die Umsetzung der Rahmenvorgabe einen unbedingten Beweisantrag gestellt oder auch nur durch eine sonstige Beweisanregung auf diesbezügliche gerichtliche Ermittlungen hingewirkt hätte oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht derartige Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Insbesondere der von der Beschwerde angeführte - in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht dokumentierte - rein vorsorgliche Hinweis am Schluss der Sitzung darauf, dass bei der Gesamtabwägung alle Kosten einzustellen seien, kann insoweit nicht genügen.
14b) Die Beschwerde vermag auch keine Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) durch das Oberverwaltungsgericht darzulegen. Insoweit trifft - wie unter a) ausgeführt - schon die Prämisse der Beschwerde nicht zu, die Vorinstanz habe die Annahme getroffen, dass die Kosten für die Umsetzung der Rahmenvorgabe höher lägen als bei einer Kopie des Restabfallstandards. Vor diesem Hintergrund geht die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit entscheidungserheblichem Vortrag des Beklagten zur Kostenfrage nicht befasst, ins Leere.
15Im Übrigen folgt aus dem Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs weder eine Verpflichtung, den Rechtsansichten eines Beteiligten zu folgen, noch muss sich das Gericht in seinen Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO liegt nur vor, wenn besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht berücksichtigt hat, wobei sich die Entscheidungserheblichkeit auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Gerichts beurteilt ( 9 B 52.24 - juris Rn. 13 m. w. N.). Derartige besondere Umstände sind nicht ersichtlich.
16c) Nach allem ist das Oberverwaltungsgericht nicht infolge von Verfahrensfehlern zu seinen - von der Beschwerde kritisierten - materiell-rechtlichen Schlussfolgerungen gelangt. Die Rüge fehlerhafter Anwendung des materiellen Rechts - namentlich des § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG bzw. dessen Tatbestandsmerkmals "Entsorgungsstandard" - durch den Beklagten führt als solche nicht auf einen Revisionszulassungsgrund.
17Im Beschwerdeverfahren nicht weiterführend ist auch neues tatsächliches Vorbringen, wie es hier insbesondere mit der Vorlage und ausführlichen Erläuterung einer erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung erstellten gutachterlichen Stellungnahme vom (Kostenvergleichsermittlung) seitens des Beklagten erfolgt.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:170725B10B22.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-97706