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BGH Urteil v. - 6 StR 470/24

Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 25 KLs 33/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Erwerb von Cannabis, mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit vorsätzlicher tatsächlicher Ausübung von Gewalt über eine Kriegswaffe und mit Besitz von Munition (Fall II.1 der Urteilsgründe) sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2 der Urteilsgründe) unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie die erweiterte Einziehung von Bargeld in Höhe von 110.000 Euro angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts beanstandet. Ihre auf die Sachrüge gestützte Revision richtet die Staatsanwaltschaft gegen die unterbliebene Einziehung des für einen Pkw Chevrolet Camaro entrichteten Kaufpreises dem Wert nach. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist begründet.

I.

2Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Dritten vier Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 22,37 Gramm THC, um mit dem gewinnbringenden Verkauf sowohl seinen Lebensunterhalt zu bestreiten als auch den eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Wegen der schlechten Qualität gelang es ihm nicht, das Marihuana wie geplant zu verkaufen, und er entschloss sich, die Hälfte selbst zu konsumieren. Am lagerte er in der Montagegrube seiner Garage noch 2.743 Gramm der ursprünglich erworbenen Menge. Eine weitere Teilmenge von 43,6 Gramm transportierte er in dem von seiner Ehefrau im November 2022 für 42.900 Euro erworbenen Pkw Chevrolet Camaro, mit dem er unter anderem am öffentliche Straßen befuhr, obwohl er, wie er wusste, nicht im Besitz der dafür erforderlichen Fahrerlaubnis war.

3Ferner bewahrte der Angeklagte an diesem Tag in seiner Wohnung eine Langwaffe Colt M 16 A1 auf, bei der es sich um ein vollautomatisches Gewehr handelt, bei dem allerdings durch den Einbau eines speziellen Verschlussträgers nur noch eine halbautomatische Funktion gegeben war. Zudem besaß der Angeklagte sieben Wechselkastenmagazine sowie insgesamt 555 Stück funktionstüchtige Patronenmunition unterschiedlichen Kalibers (Fall II.1 der Urteilsgründe).

4Im Rahmen der am durchgeführten Durchsuchung wurden in der Garage auch 110.000 Euro Bargeld sichergestellt, das aus Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten stammte.

5Bereits am hatte der Angeklagte in seinem Wohnhaus für seinen Eigenkonsum bestimmte 10,78 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 5,28 S-Methamphetaminbase und 2,85 Levomethamphetaminbase aufbewahrt (Fall II.2 der Urteilsgründe).

II.

6Die auf das Rechtsmittel des Angeklagten veranlasste revisionsgerichtliche Nachprüfung führt zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen weisen Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

71. Die Rüge, die Angaben des Angeklagten in seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung unterlägen einem Verwertungsverbot, weil sie unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO gewonnen worden seien, ist nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise begründet und daher unzulässig.

8a) Die Revision trägt zur Begründung des behaupteten Verfahrensverstoßes vor, der Angeklagte sei nach dem Konsum von Methamphetamin in der Nacht vor seiner Festnahme wach gewesen. Nach seiner Festnahme am und einer sich hieran anschließenden ersten Durchsuchung seiner Wohnung habe erst am gegen 4.30 Uhr im Polizeigewahrsam die Gelegenheit zum Schlaf bestanden, tatsächlich habe der Angeklagte aus Sorge um seine ebenfalls verhaftete damalige Verlobte keinen Schlaf gefunden. Gegen 9.30 Uhr sei er aus der Gewahrsamszelle abgeholt worden; anschließend sei die Durchsuchung seiner Wohnung in seinem Beisein fortgesetzt worden. Nachmittags habe sich eine polizeiliche Vernehmung angeschlossen und erst nach 20.00 Uhr sei er der Ermittlungsrichterin vorgeführt und bis 22.15 Uhr vernommen worden. Der Angeklagte sei erheblich übermüdet gewesen und habe deshalb der Wahrheit zuwider angegeben, dass das bei ihm sichergestellte Bargeld aus Straftaten stamme und das Marihuana zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt gewesen sei.

9b) Die Besorgnis einer Beeinträchtigung der Willensentschließung bzw. Willensbetätigung infolge Ermüdung im Sinne des § 136a Abs. 1 StPO ist damit nicht schlüssig dargelegt.

10aa) Eine unzulässige Beeinträchtigung der Willensentschließung und Willensbetätigung eines Beschuldigten durch Ermüdung ist in der Regel nicht schon dadurch dargetan, dass nachträglich und nicht bereits während der Vernehmung geltend gemacht wird, der Beschuldigte habe zuvor trotz dazu gegebener Möglichkeit keinen Schlaf gefunden (vgl. , BGHSt 38, 291, 293; Beschluss vom – 3 StR 166/99, BGHR StPO § 136a Abs. 1 Ermüdung 3). Denn die geistige Leistungsfähigkeit kann auch durch Ruhe und Entspannung ohne Schlaf wiederhergestellt werden (vgl. , aaO). Dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt seiner richterlichen Vernehmung müde war, stünde seiner Vernehmung daher nicht entgegen, wenn er sich in einem psychischen Zustand befunden hat, der es ihm ermöglichte, der Vernehmung in freier Willensentschließung zu folgen (vgl. , aaO S. 294).

11bb) Die in der Revisionsbegründung nicht näher konkretisierte Wertung, der Verteidiger habe den Angeklagten „fix und fertig“ erlebt, vermag den erforderlichen Tatsachenvortrag zu Ausmaß und Wirkung der behaupteten Übermüdung auf die Willensentschließung nicht zu ersetzen, zumal dem Revisionsvorbringen nicht entnommen werden kann, dass die Frage der möglichen Willensbeeinträchtigung offensichtlich gewesen oder gegenüber der Ermittlungsrichterin thematisiert worden wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der verteidigte Angeklagte ausweislich seines Revisionsvorbringens bewusst für Angaben entschieden hat, um den seinerzeit gegen seine frühere Verlobte bestehenden Tatverdacht zu zerstreuen.

122. Die Entscheidung hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nur in einem Punkt nicht stand. Im Fall II.1 der Urteilsgründe hat die tateinheitliche Verurteilung wegen Erwerbs von Cannabis zu entfallen.

13a) Zwar tritt neben das Handeltreiben mit Cannabis verbotener Besitz der für den Eigenkonsum bestimmten Teilmenge (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG; vgl. , Rn. 6), wobei die Umgangsvariante des Besitzes auch beim Konsumcannabisgesetz Auffangcharakter hat (vgl. , Rn. 8) und von derjenigen des Erwerbs (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG) regelmäßig verdrängt wird (vgl. , Rn. 10); nichts Anderes gilt im Verhältnis von Besitz zu der in § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG geregelten Tatbestandsvariante der Entgegennahme (vgl. dazu , Rn. 11).

14Hat ein Angeklagter aber Rauschmittel zum späteren Weiterverkauf erworben, so erfüllt dies hinsichtlich der erworbenen Gesamtmenge die Voraussetzungen des unerlaubten Handeltreibens mit dieser selbst dann, wenn er nachträglich einen Teil zum Eigenverbrauch abzweigt (vgl. , StV 2002, 255, 256). So liegt es hier. Denn der Angeklagte entschloss sich wegen der Absatzprobleme erst im Nachhinein, die Hälfte des Marihuanas selbst zu konsumieren.

15b) Der Senat schließt aus, dass insoweit noch weitere Feststellungen getroffen werden können und ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Strafausspruch wird von der Schuldspruchänderung nicht berührt, weil das Landgericht die Strafe dem § 22a Abs. 1 KrWaffKG entnommen hat (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB).

16c) Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

III.

17Das wirksam beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Ausführungen, mit denen die Strafkammer ihre Entscheidung begründet hat, davon abzusehen, den für den Pkw Chevrolet Camaro gezahlten Kaufpreis dem Wert nach einzuziehen (§ 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB), erweisen sich als rechtsfehlerhaft.

181. Nach den Feststellungen kaufte die damalige Verlobte und jetzige Ehefrau des Angeklagten in dessen Beisein den Pkw Chevrolet Camaro im November 2022. Der Kaufpreis von 42.900 Euro wurde in bar bezahlt und das Fahrzeug auf die damalige Verlobte zugelassen. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine erweiterte Einziehung des für den Pkw Chevrolet Camaro gezahlten Kaufpreises dem Wert nach verneint. Das Fahrzeug sei von der Ehefrau des Angeklagten zu ihrem Eigentum erworben worden, und es könne überdies nicht ausgeschlossen werden, dass der Kaufpreis von 42.900 Euro aus Mitteln der berufstätigen Ehefrau und Erlösen aus Fahrzeugverkäufen des Angeklagten stammte.

192. Die Beweiswürdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern (vgl. zum Prüfungsmaßstab , Rn. 10), soweit die Strafkammer sich nicht vom Eigentum des Angeklagten am Fahrzeug und ferner davon zu überzeugen vermochte, dass für dessen Erwerb Mittel aufgewendet wurden, die aus Straftaten des Angeklagten stammten.

20a) Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, diese jeweils einzeln abzuhandeln. Jedes Indiz ist vielmehr mit allen anderen in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. , Rn. 8 mwN).

21, dass sie als Käuferin aufgetreten sei, weil sie, anders als der Angeklagte, einen Personalausweis bei sich hatte. Überdies wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte gegenüber der Ermittlungsrichterin angegeben hatte, das Fahrzeug mit Einnahmen aus Drogengeschäften bezahlt zu haben. Zudem bezog er seinerzeit lediglich Sozialleistungen und erzielte zwar Erlöse aus Fahrzeugverkäufen, baute aber andererseits ein in seinem Eigentum stehendes Einfamilienhaus aus. Demgegenüber sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Ehefrau den Kaufpreis für den von dem Angeklagten aus den USA „als Totalschaden“ importierten und von ihm zu reparierenden und zu nutzenden Pkw aus ihren Einkünften – neben dem Unterhalt für ihre Tochter – auch nur teilweise entrichtet hätte. Die in der Hauptverhandlung gemachten Angaben des Angeklagten zum Umfang seiner Erlöse aus Fahrzeugverkäufen und dazu, dass die Einkünfte seiner Ehefrau auf sein Konto überwiesen worden sind, hat die Strafkammer nicht erkennbar der gebotenen kritischen Würdigung unterzogen.

223. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung sowohl das Eigentum des Angeklagten am Pkw als auch die Herkunft der zum Erwerb des Fahrzeugs verwendeten Mittel aus anderen als den verfahrensgegenständlichen Straftaten festgestellt hätte.

Bartel                         Tiemann                         Wenske

              Fritsche                           Arnoldi

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190325U6STR470.24.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-97469