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BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1719/23

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen Änderungsgesetz zum saarländischen Besoldungsgesetz (RIS: BesG SL 2022) - Subsidiarität gegenüber einer Feststellungsklage bzgl der fehlenden Amtsangemessenheit der Alimentation

Gesetze: Art 33 Abs 5 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG

Gründe

I.

1Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das vom Landtag des Saarlandes beschlossene Gesetz Nr. 2090 zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation vom .

21. Die Beschwerdeführer sind Richter und Staatsanwälte im Saarland. Ihre Besoldung richtet sich nach der Besoldungsgruppe R 1 und wird durch das Saarländische Besoldungsgesetz vom (ABI I 2021 S. 2547) geregelt (vgl. § 1 Abs. 1 Halbsatz 1 SBesG, SBesG). Mit dem angegriffenen Gesetz vom änderte der Landtag des Saarlandes unter anderem das Saarländische Besoldungsgesetz vom und hob die Grundgehaltssätze sowie die Familienzuschläge in der Besoldungsordnung A in zwei Schritten, und zwar zum und zum , an. Eine Anpassung anderer Besoldungsordnungen, namentlich der R-Besoldung, erfolgte nicht.

32. Die Beschwerdeführer haben am Verfassungsbeschwerde erhoben und machen geltend, das angegriffene Gesetz verletze sie in ihrem Anspruch auf amtsangemessene Alimentation aus Art. 33 Abs. 5 GG. Zu Unrecht habe der saarländische Besoldungsgesetzgeber die Besoldung der Besoldungsordnung R vom Anwendungsbereich des angegriffenen Besoldungsänderungsgesetzes ausgeklammert und lediglich die Besoldung in den der Besoldungsordnung A unterfallenden Besoldungsgruppen erhöht. Die Besoldung der Richter und Staatsanwälte im Saarland sei bereits seit vielen Jahren ihrer Struktur nach verfassungswidrig, denn sie spiegele die Bedeutung des Amtes und die mit dem Amt einhergehende Verantwortung nicht angemessen wider. Die Erhöhung der A-Besoldung zeitige Auswirkungen auch auf die R-Besoldung, indem sie das Besoldungsgefüge zum Nachteil der Empfänger der R-Besoldung verschiebe. Insofern bedürfe es einer Neuausrichtung der Besoldung. Überdies bleibe die Inflationsrate unberücksichtigt, die im Saarland im Jahr 2022 6,1 % betragen und eine deutliche Kürzung des Realeinkommens bewirkt habe.

II.

4Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Sache hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung und eine Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht dem Grundsatz der Subsidiarität.

51. Zwar ist unmittelbar gegen Parlamentsgesetze kein ordentlicher Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG gegeben, der vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erschöpft werden müsste. Die Verfassungsbeschwerde muss aber dem Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne genügen. Dieser erfordert über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass Beschwerdeführer alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese zu verhindern (vgl. BVerfGE 74, 102 <113>; 77, 381 <401>; 81, 22 <27>; 114, 258 <279>; 115, 81 <91 f.>; 123, 148 <172>; 134, 242 <285 Rn. 150>). Danach sind alle Mittel zu nutzen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können. Es soll damit erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen treffen muss, sondern zunächst die für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts primär zuständigen Fachgerichte die Sach- und Rechtslage aufgearbeitet haben (vgl. BVerfGE 123, 145 <173> m. w. N.>). Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert deshalb grundsätzlich, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 145, 20 <54 Rn. 85>). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte unzumutbar ist, weil sie offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre, etwa weil ein Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht letztlich zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung eine verbesserte Entscheidungsgrundlage zu erwarten wäre (vgl. BVerfGE 138, 261 <271 f. Rn. 23>).

62. Daran gemessen haben es die Beschwerdeführer vor Erhebung ihrer Verfassungsbeschwerde versäumt, die Verwaltungsgerichte anzurufen. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung können Beamte und Richter im Wege einer Feststellungsklage geltend machen, dass die gesetzlich vorgesehene Alimentation verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist (vgl. nur BVerwGE 117, 305 <305 f.>; 131, 20 <27 f. Rn. 29>). Auch wenn eine vorherige fachgerichtliche Prüfung für die Beschwerdeführer günstigstenfalls dazu führte, dass das angegriffene Gesetz nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird, ist die Anrufung der Fachgerichte nicht offensichtlich sinnlos. Denn von der fachgerichtlichen Vorprüfung ist eine verbesserte Entscheidungsgrundlage zu erwarten. Eine Beurteilung der Angemessenheit der Alimentation erfordert nicht nur eine umfassende Aufbereitung und Prüfung der einfachgesetzlichen Rechtslage. Die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Sache gebotene Gesamtschau unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Parameter (vgl.BVerfGE 139, 64 <113 ff. Rn. 98 ff.>; 140, 240 <279 ff. Rn. 76 ff.>; 155, 1 <16 ff. Rn. 28 ff.> - Richterbesoldung II) verlangt darüber hinaus umfangreiche tatsächliche Ermittlungen zur Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse.

73. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250716.2bvr171923

Fundstelle(n):
YAAAJ-97141