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BGH Urteil v. - 4 StR 495/24

Leitsatz

Zur dauerhaften und erheblichen Entstellung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB bei einer Gesichtstätowierung.

Gesetze: § 226 Abs 1 Nr 3 StGB

Instanzenzug: LG Bochum Az: II - 8 KLs 3/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt insoweit vertretenen Revision mit der Sachrüge gegen die Verurteilung im Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe, die insoweit verhängte Einzelstrafe und den Gesamtstrafenausspruch. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet.

2I. Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. a) Am (Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe) geriet der Angeklagte mit dem Geschädigten über eine Tätowierung in Streit, die dieser ihm vor einiger Zeit auf dessen Wunsch auf die Fingerrücken gestochen hatte. Der Angeklagte hielt dem Geschädigten vor, er habe die aus einer Zahlenkombination bestehende Tätowierung falsch gestochen („1213“ statt „1312“ für „A.C.A.B.“), und kündigte an, ihn nun selbst im Gesicht zu tätowieren. Dabei kam es dem Angeklagten auf eine Tätowierung an, die den Geschädigten stigmatisiert, um ihn hierdurch für sein „Vergehen“ zu bestrafen. Er bestand deshalb darauf, die Tätowierung so vorzunehmen, dass sie auch in der Öffentlichkeit besonders ins Auge fiel; aus demselben Grund wählte er als Motiv das im Allgemeinen als anstößig geltende Wort „FUCK“. Weder der Angeklagte noch der Geschädigte sind gelernte Tätowierer. In der Folge tätowierte der Angeklagte dem Geschädigten gegen dessen Willen das Wort „Fuck“ in einem etwa 1,5 cm x 4,5 cm großen Bereich über der rechten Augenbraue. Das „F“ ist mit einer Strichstärke von etwa 2 mm am kräftigsten mit schwarzer Farbe tätowiert, die übrigen Buchstaben weisen eine Strichstärke von etwa 1 mm auf. Der Geschädigte hatte davor keine Tätowierung im Gesicht. Er schämt sich für die Tätowierung, auf die er oft angesprochen wird. Er möchte sie beseitigen lassen, was mittels Lasertherapie auch möglich wäre. Eine solche Therapie ist aber langwierig und schmerzhaft. Denn es sind etwa vier bis acht Sitzungen mit jeweils vierwöchigen Pausen erforderlich. Das für die Behandlung erforderliche Geld hat der Geschädigte nicht. Er hat seinen Haarschnitt so verändert, dass seine Haare nunmehr in die Stirn fallen und die Tätowierung verdecken.

4b) Am (Fall II. 3 Fall 2 der Urteilsgründe) suchte der Angeklagte den Geschädigten erneut u.a. in Begleitung der nicht revidierenden Mitangeklagten auf. Gemeinsam versetzte man dem Geschädigten potentiell lebensbedrohliche Schläge und Tritte. Vor dem Verlassen der Örtlichkeit ließ der Angeklagte dem Geschädigten über den Zeugen P.             ausrichten, dass er ihn umbringen werde, falls er die Polizei informiere (Fall II. 3 Fall 3 der Urteilsgründe). Dabei ging der Angeklagte davon aus, dass der Geschädigte die Drohung, wie tatsächlich geschehen, nur wenig später erfahren, unter dem Eindruck der soeben erlittenen Misshandlungen ernst nehmen und daher aus Angst um sein Leben gegenüber der Polizei schweigen würde. Eine weitere Einschüchterung hielt der Angeklagte nicht für erforderlich. Der Geschädigte kam der Drohung des Angeklagten nicht nach.

52. Das Landgericht hat das Geschehen zu II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und zu II. 3 Fall 3 der Urteilsgründe als versuchte Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung gemäß § 240 Abs. 1 und 3, § 241 Abs. 2, §§ 22, 23 StGB gewertet. Im Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht eine schwere Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB mit der Begründung abgelehnt, dass die Tätowierung des Wortes „Fuck“ über der rechten Augenbraue des Geschädigten aufgrund der Größe und geringen Strichstärke zwar deutlich sichtbar sei, aber damit auch unter Berücksichtigung des Aussagegehalts des tätowierten Wortes keine Beeinträchtigung darstelle, die mit den anderen schweren Folgen des § 226 Abs. 1 StGB vergleichbar sei; zudem bestehe die Möglichkeit der Verdeckung durch die Kopfhaare.

6II. Zur Revision der Staatsanwaltschaft

71. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf die Verurteilung im Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe beschränkte Revision der Staatsanwaltschat hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafbarkeit wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB abgelehnt hat, halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen vielmehr, dass der Geschädigte durch die Tätowierung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB dauerhaft erheblich entstellt ist und der Angeklagte diese schwere Folge absichtlich verursacht hat (§ 226 Abs. 2 StGB).

8a) Eine Tätowierung im Sinne eines Durchstechens der Haut bei gleichzeitiger Einbringung eines Farbmittels ist ein erheblicher invasiver Eingriff in die Körpersubstanz und stellt damit jedenfalls eine körperliche Misshandlung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (vgl. Grünewald in LK-StGB, 13. Aufl., § 223 Rn. 22).

9b) Die vom Angeklagten auf diese Weise vorgenommene Tätowierung des Wortes „Fuck“ über der rechten Augenbraue des Geschädigten erfüllt das Merkmal der erheblichen Entstellung im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB.

10aa) Eine erhebliche Entstellung i.S.d. § 226 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB setzt voraus, dass die Tat zu einer Beeinträchtigung des Aussehens des Geschädigten führt (vgl. ‒ 5 StR 400/71, NJW 1972, 1143, 1144), die sich als eine Verunstaltung der Gesamterscheinung des Verletzten darstellt, welche in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (vgl. Rn. 10; Urteil vom – 4 StR 163/14 Rn. 24; Urteil vom – 2 StR 139/13 Rn. 16; Urteil vom – 2 StR 29/11 Rn. 5; Urteil vom – 3 StR 185/07 Rn. 7; Beschluss vom – 3 StR 126/07 Rn. 2; Beschluss vom – 3 StR 183/06 Rn. 3; Urteil vom – 1 StR 600/91, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Entstellung 2; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 226 Rn. 9; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 226 Rn. 31; Grünewald in LK-StGB, 13. Aufl., § 226 Rn. 18; Knauer/Brose in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl., § 226 StGB Rn. 7). Ob eine derartige Verunstaltung vorliegt, bemisst sich nach der Wahrnehmung der Verletzung des Geschädigten durch seine Umwelt, selbst wenn diese nur in bestimmten Lebenssituationen – etwa beim Baden oder Ausziehen der Kleidung – stattfindet (vgl. ‒ 3 StR 402/01, NStZ 2002, 317, 318; ‒ 4 StR 536/61, NJW 1962, 1067; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 226 Rn. 32; Grünewald in LK-StGB, 13. Aufl., § 226 Rn. 19). Danach können etwa auffällige Narben im Gesicht aufgrund ihres Hervortretens in allen Lebenslagen und der damit prägenden, das Opfer als Verletzten stigmatisierenden Wirkung als entstellend anzusehen sein (vgl. Rn. 23; Urteil vom – 2 StR 139/13 Rn. 16; Urteil vom – 3 StR 185/07 Rn. 7; Beschluss vom – 3 StR 183/06 Rn. 3; Urteil vom – 1 StR 450/66, NJW 1967, 297 f.; RG, Urteil vom – 2 D 521/31, JW 1932, 1744; zu entstellenden Gesichtsverletzungen vgl. auch Rn. 5 (Narben im Gesicht mit Einschränkung der Mimik); Beschluss vom – 5 StR 420/15 Rn. 10 (hängendes Augenlid und Einschränkung der Mimik); Beschluss vom – 3 StR 408/08, NStZ 2009, 572 (wulstartige, rotgefärbte Narben u.a. im Gesichtsbereich); Urteil vom ‒ 1 StR 450/66, NJW 1967, 297 („störende“ Messernarben im Gesicht); Urteil vom – 2 StR 591/56, WKRS 1957, 12843 (Verlust der linken Nasenspitze); RG, Urteil vom 1. Oktober 1886 – 2394/86, RGSt 14, 344 f. (Verlust eines Augapfels); zum Verlust mehrerer Schneidezähne: , WKRS 1967, 12944; Urteil vom – 4 StR 536/61, NJW 1962, 1067; Urteil vom – 5 StR 205/57, WKRS 1957, 13142). Bei der Beurteilung einer Entstellung ist die Beschaffenheit und Lage der Verletzung sowie die Beeinträchtigung des Geschädigten im Einzelfall zu berücksichtigen (vgl. , NStZ-RR 2020, 136 f.). Allein der Umstand, dass die Narbe oder Verletzung deutlich sichtbar ist, soll dabei für sich genommen noch nicht ausreichen, um eine Entstellung anzunehmen (vgl. Rn. 24; Urteil vom – 3 StR 185/07 Rn. 7; Rn. 2).

11bb) Diese Maßstäbe berücksichtigend ist die dem Geschädigten durch den Angeklagten zugefügte Tätowierung erheblich entstellend i.S.d. § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

12Eine Tätowierung im Gesicht ist ebenso wie eine markante Narbe aufgrund der deutlichen, vom Hautbild abweichenden Färbung grundsätzlich geeignet, das Aussehen eines Menschen erheblich zu verändern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene – wie hier – bislang im Gesicht nicht tätowiert war (vgl. zu „größeren ersten Tattoos“ im Gesicht ebenso: Grünewald in LK-StGB, 13. Aufl., § 226 Rn. 18). Wie sich insbesondere aus den in Bezug genommenen Lichtbildern ergibt (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO), ist vorliegend das Erscheinungsbild des Geschädigten aufgrund der exponierten Lage des Tattoos oberhalb der rechten Augenbraue und dessen Beschaffenheit massiv verändert worden, sodass es selbst einem flüchtigen Betrachter sofort auffällt. Dies hat ebenso das Landgericht so bewertet.

13Die dadurch verursachte Veränderung ist auch entstellend. Denn dem Gesicht des Geschädigten wird dadurch ein Merkmal hinzugefügt, das ihm eine bis dahin nicht vorhandene Bestimmung gibt und von dem bisherigen Zustand abweichend charakterisiert. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein menschlicher Körper bereits dann regelmäßig entstellt ist, wenn er durch einen Eingriff in seine Integrität deutlich sichtbar zum Träger einer Wortbotschaft gemacht wird. Jedenfalls dann, wenn diese Wortbotschaft – wie hier – durch weite Teile der Bevölkerung als anstößig wahrgenommen und mit dessen Träger identifiziert wird, erfährt der Betroffene durch die Veränderung seines Erscheinungsbildes eine Stigmatisierung, die in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt.

14Soweit das Landgericht die besonders prägende Lage des Tattoos im Gesicht des Geschädigten relativiert hat, indem es auf die wahrgenommene Möglichkeit der Verdeckung des Tattoos mit den Haaren abgestellt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Denn hierdurch würde die Verunstaltung lediglich in solcher Weise verbergen, dass sie in besonderen Lebenssituationen doch wahrnehmbar wäre, was nach dem oben Ausgeführten ihre Tatbestandsmäßigkeit nicht in Frage stellt.

15c) Die Entstellung des Geschädigten durch die Tätowierung ist auch dauerhaft.

16aa) Dauernd i.S.d. § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist eine Entstellung, wenn sie zu einer unbestimmt langwierigen Beeinträchtigung des Aussehens des Geschädigten führt (vgl. ; Urteil vom ‒ 4 StR 421/22 Rn. 14; Urteil vom – 5 StR 677/18; Urteil vom ‒ 5 StR 400/71, NJW 1972, 1143, 1144; Grünewald in LK-StGB, 13. Aufl., § 226 Rn. 3; Paeffgen/Böse/Eidam in NK-StGB, 6. Aufl., § 226 Rn. 20; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 226 Rn. 13; allgemein auch zur Langwierigkeit bei den Folgen des § 226 Abs. 1 StGB: − 1 StR 403/23, NStZ 2024, 611, 612; Urteil vom – 5 StR 677/18 Rn. 22 mwN). Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des ‒ länger währenden ‒ Krankheitszustandes nicht abgesehen werden kann. Dabei kommt es dem Täter zugute, wenn die zumindest teilweise Wiederherstellung konkret wahrscheinlich ist (vgl. Rn. 8; Urteil vom ‒ 4 StR 421/22 Rn. 14; Urteil vom – 5 StR 677/18 Rn. 22). Für die Beurteilung ist im Grundsatz der Zeitpunkt des Urteils maßgeblich ( Rn. 8; Urteil vom – 5 StR 483/16 Rn. 16).

17Eine Dauerhaftigkeit scheidet damit aus, wenn die schwere Folge im Urteilszeitpunkt beseitigt ist (, NJW 1972, 1143, 1144; RG, Urteil vom – 1 D 616/38, RGSt 72, 321 f.; ‒ 5 Ss 26/76, GA 1976, 304, 305; BeckOK-StGB/Eschelbach, 64. Ed., § 226 Rn. 3). Ebenso fehlt es an einer Dauerhaftigkeit, wenn eine Behandlung der Verletzung zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Urteils (vgl. Rn. 14; Urteil vom – 5 StR 483/16 Rn. 16 mwN) bereits begonnen hat und im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt zu stellenden Prognose davon auszugehen ist, dass eine Beseitigung der schweren Folge in absehbarer Zeit erreicht sein wird ( Rn. 22 für den Fall einer positiven Prognose; Urteil vom – 4 StR 421/22 Rn. 14 für den Fall einer negativen Prognose; ‒ 2 St RR 965/03, NStZ-RR 2004, 264, 265; ‒ 5 Ss 26/76, GA 1976, 304, 305 f.).

18bb) Nach vorstehenden Maßstäben ist die Entstellung vorliegend dauerhaft. Dem steht nicht entgegen, dass die Beseitigung der Tätowierung durch eine Lasertherapie möglich ist. Denn in dem für die Prognose der Dauerhaftigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils hatte sich der Geschädigte keiner Behandlung unterzogen. Nach den Feststellungen des Landgerichts war auch nicht absehbar, dass der Geschädigte ‒ der die Tätowierung zwar grundsätzlich beseitigen möchte ‒ eine Behandlung zu einem absehbaren zukünftigen Zeitpunkt beginnen wird. Vielmehr hat er unter Verweis auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse mitgeteilt, eine Behandlung nicht durchführen zu können, sodass die Entstellung nach dem Stand in der Hauptverhandlung dauerhaft war. Damit musste vorliegend nicht entschieden werden, ob die Dauerhaftigkeit aufgrund einer absehbar künftigen und die schweren Folgen beseitigenden Behandlung überhaupt entfallen könnte (insoweit offengelassen: ‒ 1 StR 450/66, NJW 1967, 297).

19Denn die insoweit freie Entscheidung eines Geschädigten, sich keiner (kosmetischen) Operation zu unterziehen, lässt die Dauerhaftigkeit der Entstellung nicht entfallen (vgl. ‒ 1 StR 450/66, NJW 1967, 297, 298; RG, Urteil vom 6. März 1895 – 422/95, RGSt 27, 80 f.). Dem Angeklagten sind die Folgen seiner Verletzungshandlung trotz dieser Möglichkeit – außer in extrem gelagerten Konstellationen, wie etwa der Böswilligkeit –, unabhängig von dem Kriterium der Zumutbarkeit, objektiv zurechenbar (vgl. Rn. 17; aA Grünewald, NJW 2017, 1763; Eisele, JuS 2017, 893; Kudlich, JA 2017, 470; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 226 Rn. 44; NK-StGB/Paeffgen/Böse/Eidam, 6. Aufl., § 226 Rn. 20). Dies gilt auch in Fällen, in denen der Geschädigte die Behandlung nicht vornimmt, weil sie ihm finanziell nicht möglich ist bzw., wie vorliegend, nicht möglich erscheint (vgl. ‒ 1 StR 450/66, NJW 1967, 297, 298; ‒ (507) 1 Kap Js 580/92 KLs (71/92), NStZ 1993, 286; BeckOK-StGB/Eschelbach, 64. Ed., § 226 Rn. 21; die Finanzierbarkeit als weiteren Aspekt der Zumutbarkeit annehmend: MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 226 Rn. 43; Grünewald in LK-StGB, 13. Aufl., § 226 Rn. 21). Die Kammer musste insoweit auch nicht aufklären, ob die Kosten einer Lasertherapie durch die Krankenkasse im Fall einer Durchführung übernommen werden würden (vgl. hierzu: Rn. 17, juris), sodass eine alsbaldige Therapie durch den behandlungswilligen Geschädigten im Fall der Kenntnis von der Kostenübernahme zu erwarten gewesen wäre. Denn die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse und damit ein Behandlungsbeginn war – unabhängig von einer etwaigen Kenntnis des Geschädigten von der Kostenübernahme – zum maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsfindung nicht absehbar.

20d) Der Angeklagte hat die schwere Folge absichtlich verursacht (§ 226 Abs. 2 StGB). Absicht liegt vor, wenn es dem Täter auf die Tatfolge ankommt (vgl. Rn. 5; Urteil vom – 4 StR 522/06 Rn. 17). Dies ist hier der Fall. Dem Angeklagten kam es zur Bestrafung des Geschädigten auf eine Tätowierung an, die diesen stigmatisieren sollte. Deshalb nahm er die Tätowierung im Gesicht des Geschädigten über der rechten Augenbraue vor, wo sie in der Öffentlichkeit besonders ins Auge fiel und wählte als Motiv das im Allgemeinen als anstößig geltende Wort „Fuck“.

212. Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst. Die vollständigen und rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 2 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da dem geständigen Angeklagten mit der Anklage absichtlich schwere Körperverletzung vorgeworfen wurde und er sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

22Aufgrund der mit Zustimmung des Generalbundesanwalts eingangs vorgenommenen Verfolgungsbeschränkung braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob zwischen einer vollendeten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und einer vollendeten schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB Gesetzeskonkurrenz besteht (vgl. ; Urteil vom ‒ 1 StR 640/66) oder insoweit Tateinheit (Idealkonkurrenz) anzunehmen ist (zum Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 StGB zu § 226 Abs. 1 StGB vgl. ‒ 3 StR 301/13 [zu § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB]; Beschluss vom ‒ 3 StR 408/08 [zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB]). Der Senat neigt jedoch dazu – ebenso wie der 2. und 3. Strafsenat (vgl. und Beschluss vom – 3 StR 382/20) – auch insoweit von Idealkonkurrenz auszugehen (vgl. ). Denn Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion wäre nur dann anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt der fraglichen Handlung, durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst werden würde. Es scheint aber zweifelhaft, ob beim Zurücktreten der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch das spezifische Tatunrecht, das mit dem wissentlichen und willentlichen Einsatz der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs verbunden ist, angemessen zum Ausdruck kommt (vgl. ; Beschluss vom – 3 StR 382/20).

233. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe zur Folge und zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Senat kann in Anbetracht des höheren Strafrahmens des § 226 Abs. 2 StGB (§ 52 Abs. 2 StGB) nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung dieses Strafrahmens im Fall II. 2 Fall 1 der Urteilsgründe eine höhere Einzelstrafe und in der Folge eine höhere Gesamtstrafe verhängt hätte. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

24III. Zur Revision des Angeklagten

25Die Revision des Angeklagten bleibt weitgehend erfolglos. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

261. Nach der mit Zustimmung des Generalbundesanwalts zu II. 3 Fall 3 der Urteilsgründe eingangs vorgenommenen Verfolgungsbeschränkung bedarf es keiner Entscheidung, ob an der zu § 241 StGB in der bis zum ergangenen Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach die Bedrohung auch hinter eine nur versuchte Nötigung zurücktritt, wenn die Nötigungshandlung ‒ wie hier ‒ in der Bedrohung mit einem gegen das Leben gerichteten Verbrechen besteht (dafür wohl ; Beschluss vom ‒ 3 StR 422/23 Rn. 8; zu § 241 StGB a.F. ; Beschluss vom – 5 StR 20/14 Rn. 4; Beschluss vom – 4 StR 389/21 Rn. 7). Er neigt jedoch (vgl. Rn. 6) ebenso wie der 1., 5. und 6. Strafsenat (vgl. ; Beschluss vom ‒ 5 StR 400/23 Rn. 5 ff.; Beschluss vom – 5 StR 443/23 Rn. 6 ff.; Beschluss vom – 6 StR 318/24 Rn. 2; Beschluss vom – 6 StR 572/24 Rn. 7) zur Annahme von Tateinheit (Idealkonkurrenz). Denn Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion wäre nur dann anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt der fraglichen Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst werden würde. Dies erscheint angesichts der durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom (BGBl. I S. 441 i.V.m. S. 442) für die Bedrohung mit einem Verbrechen gemäß § 241 Abs. 2 StGB auf zwei Jahre erhöhten Strafrahmenobergrenze sowie der unterschiedlichen geschützten Rechtsgüter, nämlich der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits und des subjektiven Rechtsfriedens des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits, zweifelhaft (vgl. Rn. 6).

272. Der Strafausspruch im Fall II. 3 Fall 3 der Urteilsgründe bleibt von der durch die Verfolgungsbeschränkung ausgelösten Schuldspruchänderung unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht, das die Einzelstrafe aus dem nach §§ 23, 49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB entnommen hat, bei Annahme von Gesetzeskonkurrenz zu einer milderen Strafe gelangt wäre, da die Bewertung der Konkurrenzverhältnisse den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht verändert (vgl. Rn. 9).

283. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Quentin                         Maatsch                         Momsen-Pflanz

                  Marks                           Tschakert

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:100425U4STR495.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-96636