Leitsatz
Zu den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung.
Gesetze: § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 3 ZPO
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 16 U 126/23vorgehend LG Frankfurt Az: 2-03 O 155/23
Gründe
I.
1Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung eines in der digitalen Ausgabe der von der Beklagten verlegten Zeitschrift Capital am unter der Überschrift "Staatsanwälte ermitteln gegen weiteren Ex-Wirecard-Aufseher" erschienenen Artikels "in ihren sämtlichen Print- und digitalen Medien sowie Datenbanken und Archiven" in Anspruch. Daneben begehrt der Kläger von der Beklagten noch Auskunftserteilung sowie Leistung einer Geldentschädigung und Erstattung außergerichtlicher Abmahnkosten. Soweit der Kläger ursprünglich noch auf Feststellung hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller Schäden geklagt hatte, hat er hieran im Berufungsverfahren nicht mehr festgehalten. Der streitgegenständliche Artikel befasst sich unter anderem unter Nennung von Vor- und Nachnamen des Klägers, der bis zum Jahr 2008 der Aufsichtsratsvorsitzende der Wirecard AG war, mit einem gegen ihn im Zusammenhang mit dem Verkauf von Wirecard-Aktien aufgrund einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung der Deutschen Bank eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren.
2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Löschung des angegriffenen Artikels aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Der Beitrag greife zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, da über die ihm gegenüber erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Aktienverkauf berichtet werde. Der Eingriff sei aber nicht rechtswidrig, da die Presse- und Meinungsfreiheit der Beklagten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege. Es handele sich um eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Unabhängig davon könne der Kläger nicht die Löschung des gesamten Artikels verlangen, da ein solcher Anspruch nicht mit der Pressefreiheit vereinbar sei. Es sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit der Beklagten, wenn sie den Artikel löschen müsste, obwohl eine nicht identifizierende Berichterstattung dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen hinreichend Rechnung tragen würde. Auch könne der Kläger nicht Löschung derjenigen Passagen des Artikels verlangen, die ihn nicht beträfen. Ein Auskunftsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, da die Berichterstattung rechtmäßig sei. Ebenso wenig könne der Kläger von der Beklagten eine Geldentschädigung verlangen. Insoweit fehle es bereits an einem rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Unabhängig davon müsse der Eingriff derart schwerwiegend sein, dass er nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könne. Ein solch schwerer Eingriff sei nicht dargetan, zumal die Beklagte inzwischen den Artikel mit einem Nachtrag versehen habe, dass die Staatsanwaltschaft München I das in dem Artikel genannte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt habe. Vorgerichtliche Anwaltskosten schulde die Beklagte nicht, da die Abmahnung des Klägers nicht berechtigt gewesen sei.
3Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, soweit der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung weiterverfolgt hat. Die Berufung sei insoweit unzulässig, da die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Das Landgericht habe die Abweisung des Antrags auf Zahlung einer Geldentschädigung auf die Erwägung gestützt, dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gerade mit Blick auf den vorgenommenen Nachtrag nicht so schwerwiegend sei, dass sie die Zahlung einer Geldentschädigung erfordere. Dies werde in der Berufungsbegründung nicht angegriffen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
4Gegen die teilweise Verwerfung seiner Berufung wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, gegen die Zurückweisung der Berufung im Übrigen mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
5Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281 mwN).
6Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an eine Berufungsbegründung entspricht, soweit der Kläger mit seiner Berufung den vom Landgericht abgewiesenen Anspruch auf Geldentschädigung weiter verfolgt, ist nicht zu beanstanden.
71. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom - VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 mwN). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom - VI ZB 54/19, aaO Rn. 6 mwN). Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sich die Berufungsbegründung grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 6 mwN; , NJW-RR 2014, 492 Rn. 56 mwN).
82. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Geldentschädigung nicht gerecht. Sie enthält insoweit keinen hinreichenden inhaltlichen Bezug zu den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils.
9Die Berufungsbegründung legt zwar dar, warum dem Kläger seiner Meinung nach wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB zustehe. Sie geht aber nicht auf die Abweisung des geltend gemachten Anspruchs auf Geldentschädigung und damit nicht auf die diese selbstständig tragende Erwägung des Landgerichts ein, wonach unabhängig von der Frage des Vorliegens eines rechtswidrigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers der geltend gemachte Eingriff nicht so schwerwiegend sei, dass er nicht anders als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könne.
10Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich ein den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügender Angriff auf das landgerichtliche Urteil insoweit auch nicht aus dem die Berufungsbegründung abschließenden Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers. Diese lediglich pauschale Bezugnahme stellt nach den oben genannten Grundsätzen keine zulässige Berufungsbegründung dar.
III.
11Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Seiters von Pentz Oehler
Böhm Linder
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150525BVIZR226.24.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-96550