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BGH Beschluss v. - VI ZR 223/24, VI ZB 29/24

Leitsatz

Zu den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung.

Gesetze: § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 3 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 16 U 127/23vorgehend LG Frankfurt Az: 2-03 O 227/23

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung eines auf der von der Beklagten verantworteten Website "Finanzbusiness.de" am unter der Überschrift "Ermittler nehmen verdächtige Aktientransaktionen des Ex-Aufsichtsratschefs von Wirecard unter die Lupe" veröffentlichten Artikels "in ihren sämtlichen Print- und digitalen Medien sowie Datenbanken und Archiven" in Anspruch. Daneben begehrt der Kläger von der Beklagten noch Auskunftserteilung sowie Leistung einer Geldentschädigung und Erstattung außergerichtlicher Abmahnkosten. Soweit der Kläger ursprünglich noch auf Feststellung hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller Schäden geklagt hatte, hat er hieran im Berufungsverfahren nicht mehr festgehalten. Der streitgegenständliche Artikel befasst sich unter anderem unter Nennung von Vor- und Nachnamen des Klägers, der bis zum Jahr 2008 der Aufsichtsratsvorsitzende der Wirecard AG war, mit einem gegen ihn im Zusammenhang mit dem Verkauf von Wirecard-Aktien aufgrund einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung der Deutschen Bank eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Löschung des angegriffenen Artikels aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Der Beitrag greife zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, da über ein gegen ihn anhängiges strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Vorwürfen der Marktmanipulation wegen eines Aktienverkaufs berichtet werde. Ob einzelne Äußerungen bzw. Teile der Berichterstattung gemessen an den Grundsätzen einer Verdachtsberichterstattung zu untersagen wären, könne dahinstehen. Denn der Kläger könne den Artikel selbst bei einer Unzulässigkeit einer ihn identifizierenden Verdachtsberichtserstattung nicht vollständig verbieten lassen. Eine Löschung des gesamten Artikels sei zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers und seines geschäftlichen Ansehens nicht erforderlich. Eine auf die den Kläger identifizierende Berichterstattung beschränkte Untersagung habe der Kläger nicht beantragt. Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB stehe dem Kläger nicht zu, da ein Hauptanspruch nicht dargetan sei. Überdies sei nicht dargelegt oder ersichtlich, dass die Erfüllung des Auskunftsbegehrens zur Rechtsverfolgung erforderlich sei. Ebenso wenig könne der Kläger von der Beklagten eine Geldentschädigung verlangen. Insoweit fehle es bereits an einem derart schwerwiegenden Eingriff, der nicht auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könnte. Ein solch schwerer Eingriff sei nicht dargetan, zumal die Beklagte inzwischen den Artikel mit einem Nachtrag versehen habe, wonach das Verfahren gegen den Kläger seitens der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sei, und ein Dementi des Klägers aufgenommen habe. Vorgerichtliche Anwaltskosten schulde die Beklagte nicht, da die Abmahnung des Klägers nicht berechtigt gewesen sei.

3Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, soweit der Kläger seine Ansprüche auf Auskunftserteilung und Zahlung einer Geldentschädigung weiterverfolgt hat. Die Berufung sei insoweit unzulässig, da die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. In seiner Berufungsbegründung habe der Kläger nur ausgeführt, warum ihm ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels zustehe. Soweit das Landgericht die Abweisung des Auskunftsantrags neben dem Fehlen des Hauptanspruchs auf die selbständig tragende rechtliche Erwägung gestützt habe, dass die Erfüllung des Auskunftsbegehrens zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich sei, werde dies von der Berufung jedoch nicht angegriffen. Gleiches gelte für die Erwägung des Landgerichts, dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gerade mit Blick auf den vorgenommenen Nachtrag nicht so schwerwiegend sei, dass sie die Zahlung einer Geldentschädigung erfordere. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

4Gegen die teilweise Verwerfung seiner Berufung wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, gegen die Zurückweisung der Berufung im Übrigen mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

5Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281 mwN).

6Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an eine Berufungsbegründung entspricht, soweit der Kläger mit seiner Berufung die vom Landgericht abgewiesenen Ansprüche auf Auskunftserteilung und Geldentschädigung weiter verfolgt, ist nicht zu beanstanden.

71. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom - VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 mwN). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom - VI ZB 54/19, aaO Rn. 6 mwN). Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sich die Berufungsbegründung grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 6 mwN; , NJW-RR 2014, 492 Rn. 56 mwN).

82. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Geldentschädigung nicht gerecht. Sie enthält insoweit keinen hinreichenden inhaltlichen Bezug zu den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils.

9Die Berufungsbegründung legt zwar dar, warum dem Kläger seiner Meinung nach wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Anspruch auf Löschung des gesamten Artikels gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB zustehe. Sie geht aber nicht auf die Abweisung der geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Geldentschädigung ein. Damit bleiben die diesbezüglichen, selbstständig tragenden Erwägungen des Landgerichts unangegriffen, wonach unabhängig von der Frage des Vorliegens eines rechtswidrigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers die Erfüllung des Auskunftsbegehrens zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich und der geltend gemachte Eingriff nicht so schwerwiegend sei, dass er nicht anders als durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden könne.

10Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich ein den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügender Angriff auf das landgerichtliche Urteil insoweit auch nicht aus dem die Berufungsbegründung abschließenden Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers. Diese lediglich pauschale Bezugnahme stellt nach den oben genannten Grundsätzen keine zulässige Berufungsbegründung dar.

III.

11Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Seiters                                von Pentz                                Oehler

                      Böhm                                        Linder

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190525BVIZR223.24.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-96548