Suchen Barrierefrei
NWB Nr. 31 vom Seite 2097

BVerfG kassiert anfängliche Nutzungspflicht des beSt

Tim Günther | Rechtsanwalt, Hannover

Das Bundesverfassungsgericht begrenzt den BFH und stärkt die Praxis

Auf diesen kurzen Nenner kann man wohl den ) bringen. Ohne die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit musste das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) Anfang des Jahrs 2023 nicht zur Einreichung von Schriftsätzen beim Finanzgericht genutzt werden.

Das oberste deutsche Verfassungsgericht war von einem Steuerpflichtigen mit einer Verfassungsbeschwerde angerufen worden. Dessen Klage, die seine bevollmächtigte Steuerberaterin im Januar 2023 innerhalb der laufenden Klagefrist auf dem Postweg beim Finanzgericht eingereicht hatte, war als unzulässig abgewiesen worden. Die Steuerberaterin hatte in einem der Klageschrift beigefügten Anschreiben ausgeführt, ihr sei eine elektronische Einreichung der Klage über das beSt aufgrund des noch fehlenden Registrierungsbriefs nicht möglich. Dennoch hatte das Finanzgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist abgelehnt. Die Steuerberaterin hätte die Möglichkeit gehabt, über die „Fast Lane“ eine vorgezogene Versendung des Registrierungsbriefs innerhalb weniger Tage zu erwirken. Der BFH wies die von dem Beschwerdeführer hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Diese Zurückweisung hat nach Auffassung des BVerfG aber das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Soweit das Finanzgericht ein der Wiedereinsetzung in die Klagefrist entgegenstehendes Verschulden angenommen habe, so das BVerfG, habe es u. a. unerörtert gelassen, dass zum Jahresbeginn 2023 eine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich gewesen und daher auch nicht erfolgt sei und dass die Bundessteuerberaterkammer die bestehende Möglichkeit eines „Fast Lane“-Verfahrens bis Ende Januar 2023 stets als „freiwillig“ deklariert habe.

Bereits von Anfang an hatten verschiedene Finanzgerichte und die Senate des BFH (mit Ausnahme des X. Senats) eine sehr strenge Linie verfolgt und eine Pflicht zur Nutzung des beSt angenommen, auch wenn die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit noch nicht gegeben war. Dies war stets auf Kritik der Berufsträgerschaft und der Literatur gestoßen, die sich nun bestätigt fühlen können. Der BFH hat übersehen, dass sich dem Gesetz nicht entnehmen lässt, dass in jedem Fall – starr – ab dem Klagen elektronisch über das beSt einzureichen waren. § 52d Satz 2 FGO legt keinen spezifischen Stichtag fest, sondern ist unabhängig von einem bestimmten Datum formuliert. Die Vorschrift verlangt, dass ein sicherer Übermittlungsweg „zur Verfügung steht“. Nach natürlichem Sprachgebrauch ist damit entscheidend, ab welchem Zeitpunkt ein Berufsträger das beSt auch tatsächlich nutzen konnte, nicht ab wann die Bundessteuerberaterkammer es typisierend und unwiderleglich „zur Verfügung“ gestellt hat. Bei einer anderen Auslegung stand einem Berufsträger, der noch keinen Zugriff auf sein beSt hatte – ganz praktisch betrachtet – gar kein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung. Dies war erst der Fall, wenn ein Steuerberater sich registrieren konnte und tatsächlich über ein funktionsfähiges beSt verfügte. Nicht früher, aber auch nicht später.

Tim Günther

Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 2097
TAAAJ-96188