Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im finanzgerichtlichen Verfahren nach formunwirksamer Rechtsmitteleinlegung - Subsidiarität bei unzureichendem Vortrag zu fehlender Möglichkeit einer Einlegung über das "besondere elektronische Steuerberaterpostfach"
Gesetze: Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 52d S 2 FGO, § 56 FGO, § 86d Abs 1 StBerG, § 157e StBerG
Instanzenzug: Az: VIII R 4/23 Beschlussvorgehend Az: VIII B 19/23 Beschlussvorgehend Az: 2 K 547/20 Urteil
Gründe
I.
1Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verwerfung einer Revision und einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch den Bundesfinanzhof wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen finanzgerichtliche Entscheidungen im Einkommensteuerrecht. Die gegen Steuerbescheide mehrerer Veranlagungszeiträume gerichtete Klage hat das Finanzgericht mit am zugestellten Urteil zurückgewiesen. Die Beschwerdeführer haben am , vertreten durch eine Steuerbevollmächtigte nach Beauftragung am Tag zuvor, per Fax hinsichtlich des Jahres 2015 die insoweit zugelassene Revision eingelegt und betreffend die übrigen Veranlagungszeiträume Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Nach Hinweis des Gerichts auf die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) hat die Steuerbevollmächtigte am per Fax erklärt, dass sie den Registrierungsbrief für das beSt erst am erhalten habe. Am hat sie die am per Fax übermittelten Schriftsätze nun elektronisch eingereicht.
2Der Bundesfinanzhof hat die Revision wie die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen, da der elektronische Schriftsatz erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangen sei. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil die Beschwerdeführer nicht dargelegt hätten, weshalb sie nicht das "Fast-Lane"-Verfahren zur vorgezogenen Einrichtung eines beSt genutzt hätten.
3Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer vor allem eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG sowie von Art. 103 Abs. 1 GG.
II.
4Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer angezeigt, da sie unzulässig ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
51. Ob das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Recht der Beschwerdeführer auf effektiven Rechtsschutz dadurch verletzt ist, dass der Bundesfinanzhof einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 52d Satz 2 FGO ungeachtet der fehlenden individuellen Nutzungsmöglichkeit des beSt bereits ab dem bejaht und Wiedereinsetzungsgründe unter Verweis auf das "Fast-Lane"-Verfahren verneint hat, braucht nicht entschieden zu werden, da die Verfassungsbeschwerde aus anderen Gründen unzulässig ist.
62. Sie legt nicht in einer den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dar, den in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität gewahrt zu haben. Dieser fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 73, 322 <325>; 77, 381 <401>). Die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer hat ihren Registrierungsbrief vor Ablauf der Frist für die Erhebung der Revision beziehungsweise der Nichtzulassungsbeschwerde erhalten. Die Beschwerdeführer haben nicht substantiiert vorgetragen, vor dem Bundesfinanzhof geltend gemacht zu haben, dass gleichwohl die Einlegung der Revision beziehungsweise der Nichtzulassungsbeschwerde über das beSt bis zum Fristablauf am unmöglich oder unzumutbar geblieben ist. Sie haben vielmehr umgekehrt im am beim Bundesfinanzhof eingegangenen Schriftsatz darauf hingewiesen, dass aufgrund der getroffenen IT-Vorbereitungen die zukünftige Versendung der folgenden Unterlagen ordnungsgemäß über das beSt vollzogen werde. Technische Einrichtungsschwierigkeiten, ungeachtet der Frage, ob diese von § 52d Satz 3 FGO erfasst werden, sind diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Das vorgelegte Schreiben des IT-Dienstleisters zu den notwendigen Anpassungen der Firewall datiert auch erst vom , so dass dieses dem Bundesfinanzhof nicht vorgelegen haben kann. Damit haben die Beschwerdeführer nicht alle nach Lage des Verfahrens zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten genutzt, um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen.
73. Darauf, ob die Anforderungen aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG auch deshalb nicht erfüllt sind, weil die Beschwerdeführer eine Anhörungsrüge beim Bundesfinanzhof nicht erhoben haben, kommt es daher nicht an.
8Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
9Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250623.1bvr221823
Fundstelle(n):
LAAAJ-95735