Verbraucherschutz | Kein jederzeitiges Kündigungsrecht bei Online-Partnervermittlungsportalen - Frühere Vertragsverlängerungsklauseln eines solchen Portalbetreibers überwiegend wirksam (BGH)
Der BGH hatte in einem von einer
Verbraucherschutzorganisation (Musterkläger) angestrengten
Musterfeststellungsverfahren u.a. darüber zu entscheiden, ob Verträge zwischen
der Betreiberin eines Online-Partnervermittlungsportals (Musterbeklagte) und
ihren Kunden über eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft gemäß § 627 Abs.
1 BGB jederzeit gekündigt werden können. Laut BGH bestehe das Kündigungsrecht
des § 627 Abs. 1 BGB nicht bei einem Vertrag über die Nutzung eines
Online-Partnervermittlungsportals ().
Sachverhalt und Prozessverlauf: Die Musterbeklagte betreibt ein Online-Partnervermittlungsportal. Die Nutzer haben die Wahl zwischen einer kostenlosen Basis-Mitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft. Im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft bot die Beklagte den Abschluss von Verträgen mit einer Erstlaufzeit von sechs, zwölf oder 24 Monaten an.
Die Verträge über die kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft enthielten Vertragsverlängerungsklauseln in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nach denen sich die Verträge automatisch um zwölf Monate verlängerten, wenn der Kunde nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwölf Wochen vor Ablauf der Erstlaufzeit ordentlich kündigte.
Das Berufungsgericht entschied, dass die Verträge nicht jederzeit gemäß § 627 Abs. 1 BGB gekündigt werden könnten und die Vertragsverlängerungsklausel beim Vertragsmodell mit einer bei Vertragsschluss gewählten Erstlaufzeit von 24 Monaten nicht gegen das bis zum gültige Recht verstoße. Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von sechs und von zwölf Monaten seien die Vertragsverlängerungsklauseln hingegen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts legten beide Parteien Revision ein.
Der BGH wies die Revision des Musterklägers insgesamt zurück und erachtete die Revision der Musterbeklagten als teilweise begründet:
Das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB, das eine besondere persönliche Beziehung voraussetzt, besteht nicht bei einem Vertrag über die Nutzung eines Online-Partnervermittlungsportals, bei dem die Leistung maßgeblich im Bereitstellen einer Online-Datenbank besteht und das die Partnersuche regelhaft ausschließlich durch vollständig automatisierte Vorgänge unterstützt.
Bezogen auf die bis zum geltende Rechtslage ist die Vertragsverlängerungsklausel bei Verträgen mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten, die Kunden der Musterbeklagten nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, unwirksam.
Der BGH begründet dies damit, dass bei diesem Vertragsmodell die finanzielle Belastung für alle Kunden, die nicht (fristgerecht) kündigen, während der Vertragsverlängerung doppelt so hoch ist wie während der Erstlaufzeit des Vertrags und - ausschlaggebend - hinzu kommt, dass die Musterbeklagte von diesen Kunden, die ihr durch das Unterlassen einer Kündigung finanzielle Planungssicherheit verschaffen, insgesamt mehr verlangt als von denjenigen, die fristgerecht kündigen, sie damit zunächst in finanzieller Ungewissheit lassen und erst bei Ablauf der sechsmonatigen Erstlaufzeit mit ihr einen zweiten Vertrag mit einer (weiteren) Erstlaufzeit von zwölf Monaten schließen.
Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von zwölf und von 24 Monaten ist das anders, weswegen bei ihnen eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegt.
Weitere Einzelheiten zu dem Urteil können der Pressemitteilung des BGH entnommen werden.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 18.7.2025 (lb)
Fundstelle(n):
NAAAJ-95675