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BGH Beschluss v. - 3 StR 104/25

Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 26 KLs 7/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Computerbetrug sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung über den Vorwegvollzug getroffen. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe erweist sich als rechtsfehlerhaft; er hat keinen Bestand. Dem Senat ist nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht möglich zu überprüfen, ob in die nach § 55 StGB zu bildende Gesamtstrafe auch die Geldstrafen aus den Verurteilungen durch das Amtsgericht Wuppertal vom und das einzubeziehen gewesen wären oder ein Härteausgleich hätte vorgenommen werden müssen.

3a) Das Landgericht hat aus den für die beiden verfahrensgegenständlichen Taten vom und vom verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie von sechs Jahren und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Nach den von ihm getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte zudem rechtskräftig durch Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeitpunkt ) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Darüber hinaus wurde der Angeklagte rechtskräftig durch Strafbefehl des wegen Diebstahls (Tatzeitpunkt „“) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Zum Vollstreckungsstand der beiden an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafen hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.

4b) Sollten die Geldstrafen im Zeitpunkt der Verurteilung noch nicht vollstreckt gewesen sein, wäre der Angeklagte durch eine unterbliebene Einbeziehung zwar grundsätzlich nicht beschwert. Eine Beschwer kann aber dann vorliegen, wenn die Strafe im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird. Mangels entsprechender Darlegungen im Urteil und mit Blick auf die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten ist dies vorliegend nicht auszuschließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 267/22, NStZ-RR 2023, 6, 7; vom – 3 StR 189/22, StV 2023, 528 Rn. 4). Sollten die Geldstrafen im Zeitpunkt der Verurteilung bereits – im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe – vollstreckt gewesen sein, wäre gegebenenfalls ein Härteausgleich vorzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 267/22, NStZ-RR 2023, 6, 7; vom – 5 StR 498/08, NStZ-RR 2009, 43, 44). Vor diesem Hintergrund kann der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.

5c) Soweit der Verurteilung des Angeklagten vom nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen eine Tat vom zugrunde liegt, ist dies denklogisch ausgeschlossen, da die Tatzeit der Verurteilung zeitlich nachfolgen würde. Der Senat hat daher auch die dem Ausspruch über die Gesamtstrafe zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 5/25, juris Rn. 7; vom – 3 StR 429/23, NStZ-RR 2024, 273, 274).

6d) Für die neue Gesamtstrafenbildung ist der Vollstreckungsstand der rechtskräftigen Strafen zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils () maßgebend (vgl. , juris Rn. 4).

72. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hält revisionsrechtlicher Kontrolle ebenfalls nicht stand. Zu den gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen, an die seit der am in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift (vgl. BGBl. I Nr. 203, S. 2) höhere Anforderungen zu stellen sind, hat das Landgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen.

8a) Für die Annahme eines Hangs ist nach § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB nF eine Substanzkonsumstörung erforderlich, infolge derer eine dauerhafte und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit des Angeklagten eingetreten ist und fortdauert (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 343/23, juris Rn. 8 f.; vom – 3 StR 455/23, BGHR StGB § 64 Satz 1 Substanzkonsumstörung 1, Rn. 17 f.; s. auch BT-Drucks. 20/5913 S. 44 ff., 69). Erforderlich sind äußere, überprüfbare Veränderungen in mindestens einem der genannten Bereiche der Lebensführung. Hier muss sich die Störung schwerwiegend auswirken, mithin das Funktionsniveau in gravierender Weise beeinträchtigen, und im Tatzeitpunkt für längere Zeit vorhanden gewesen sein. Beide Merkmale – dauernd und schwerwiegend – müssen im betroffenen Lebensbereich kumulativ erfüllt sein (vgl. , juris Rn. 11; Urteil vom – 6 StR 327/23, NStZ-RR 2024, 50; BT-Drucks. 20/5913, S. 45, 69). Diese störungsbedingte Beeinträchtigung ist eine eigenständige Anordnungsvoraussetzung, die selbständiger Feststellung im Urteil bedarf (, juris Rn. 11; BT-Drucks. 20/5913, S. 45, 69).

9b) Hieran gemessen hält die Anordnung der Unterbringung sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten zwar einen „polyvalenten Drogenmissbrauch mit Abhängigkeit (Crack, Kokain, Cannabis und gelegentlich anderen Stoffen) sowie eine Abhängigkeit von Alkohol“ festgestellt. Den Urteilsgründen ist hingegen nicht zu entnehmen, dass die Substanzkonsumstörung zu einer schwerwiegenden und dauernden Beeinträchtigung in einem der genannten Bereiche geführt hat. Danach sei der Angeklagte infolge seiner Abhängigkeitserkrankung „sozial gefährdet und gefährlich“. Seine Mutter missbillige seine Entwicklung und habe ihn deshalb bisher nicht in der Untersuchungshaft besucht. Auch habe er in der Vergangenheit seine Abhängigkeit durch die Begehung von Straftaten finanziert. Damit ist das Vorliegen eines Hangs nicht hinreichend dargetan, da offenbleibt, ob die Missbilligung der Entwicklung des Angeklagten durch seine Mutter auf dessen Abhängigkeit zurückzuführen ist oder ihre Ursache in anderen Umständen – etwa wiederkehrenden disziplinarischen Problemen bzw. einer bereits verbüßten Haftstrafe – hat. Ebenso wenig verhält sich das Urteil dazu, ob die festgestellte Abhängigkeit ursächlich für die fehlende Strukturierung des Alltags bzw. die dauerhafte Erwerbslosigkeit des Angeklagten ist.

10Soweit das neue Tatgericht zu dem Ergebnis kommt, dass ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB nF vorliegt, ist aus den in der Revisionszuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen zudem eine nähere Prüfung der konkreten Erfolgsaussicht nach § 64 Satz 2 StGB erforderlich.

11c) Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Dies zieht den Wegfall der Anordnung des Vorwegvollzugs nach sich. Der Senat hebt auch insoweit die jeweils zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom  – 1 StR 5/25, juris Rn. 7; vom – 3 StR 429/23, NStZ-RR 2024, 273, 274).

123. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Schäfer                 Hohoff                 Anstötz

                 Voigt                    Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300425B3STR104.25.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-95618