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Online-Nachricht - Freitag, 18.07.2025

Verfahrensrecht | Verfassungsbeschwerde gegen Nutzungspflicht des beSt erfolgreich (BVerfG)

Dekorative
		  GrafikDas BVerfG hat finanzgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) zum Gegenstand haben ().

Hintergrund: Durch Neuregelungen im Steuerberatungsgesetz ist die Bundessteuerberaterkammer verpflichtet, für jeden Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ein beSt als Instrument der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten empfangsbereit einzurichten. Die Regelungen über das beSt waren erstmals nach Ablauf des anzuwenden. Im Herbst 2022 gab die Bundessteuerberaterkammer bekannt, dass es ihr nicht möglich sei, die Steuerberater bereits zum mit einem beSt-Zugang auszustatten; der Versand der Briefe mit dem Registrierungscode beginne erst im Januar 2023. Gleichzeitig stellte die Kammer eine Möglichkeit zur vorzeitigen Beantragung eines Registrierungsbriefs bereit (sog. „Fast Lane“).

Sachverhalt: Der Beschwerdeführer hat im Januar 2023 – innerhalb der laufenden Klagefrist – vertreten durch seine Steuerberaterin auf dem Postweg Klage erhoben. In einem der Klageschrift beigefügten Anschreiben hat die bevollmächtigte Steuerberaterin ausgeführt, ihr sei eine elektronische Einreichung der Klage über das beSt aufgrund des noch fehlenden Registrierungsbriefs nicht möglich.

Das FG hat die Klage abgewiesen (). Unter Verweis auf einen (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.5.2023) hat es ausgeführt, die höchstrichterliche Rechtsprechung vertrete die Auffassung, dass Steuerberater ab dem zur aktiven Nutzung des beSt verpflichtet seien. Die beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist sei nicht zu gewähren. Die bevollmächtigte Steuerberaterin hätte die Möglichkeit gehabt, über die „Fast Lane“ eine vorgezogene Versendung des Registrierungsbriefs innerhalb weniger Tage zu erwirken. Ihr habe auch klar sein müssen und ihr sei es ausweislich ihres Anschreibens zur Klageschrift auch klar gewesen, dass sie ab dem nur noch in elektronischer Form werde Klage erheben könne. Der BFH hat die von dem Beschwerdeführer eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen ().

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer vor allem eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 19 Abs. 4 GG.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet:

  • Das klageabweisende Urteil verletzt das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Das FG hat die Gewährung einer Wiedereinsetzung unzumutbar erschwert und die hieran zu stellenden Anforderungen überspannt.

  • Soweit das FG aus dem der Klageschrift beigefügten Anschreiben folgert, der Prozessbevollmächtigten sei ihre Pflicht zur Nutzung des beSt positiv bekannt gewesen, misst es den dortigen Ausführungen einen Sinn bei, der sich nicht belegen lässt. Der Inhalt des Anschreibens ist auch mit einem Rechtsstandpunkt vereinbar, wonach die beSt-Nutzungspflicht erst ab Erhalt des individuellen Registrierungsbriefs beginne.

  • Im Hinblick auf den Vorwurf der Fahrlässigkeit hätte das FG den Verschuldensvorwurf näher begründen und sich hierbei vor allem damit auseinandersetzen müssen, dass zum Jahreswechsel 2022 / 2023 eine komplexe Übergangssituation aufgetreten war, nachdem entgegen der gesetzlichen Vorgabe zum Jahresbeginn 2023 eine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich und daher auch nicht erfolgt war. Es hätte erörtern müssen, dass – was der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag auch geltend macht – die Bundessteuerberaterkammer während des Jahres 2022 in ihrem Hinweisschreiben und auf ihrer Homepage und auch zu Beginn des Jahres 2023 durchgehend verlautbart hatte, dass die Pflicht zur Nutzung des beSt erst mit Erhalt des individuellen Registrierungsbriefs beginne. Zwar bestand die Möglichkeit eines „Fast Lane“-Verfahrens, allerdings hatte die Kammer dieses bis Ende Januar 2023 stets als "freiwillig" deklariert.

  • Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH verletzt das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers.

  • Soweit der Beschwerdeführer in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt hat, warum das FG den Sinn der Ausführungen in dem Anschreiben zur Klageschrift missdeutet habe, handelte es sich um Kernvortrag zu einer für das Verfahren zentralen Frage. Gleichwohl hat der BFH sich mit diesen Kernvortrag nicht argumentativ auseinandergesetzt und diesen nicht verbeschieden.

  • Das Urteil des FG und der Beschluss des BFH über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde werden aufgehoben und die Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.

Hinweis:

Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
YAAAJ-95586