Gesetze: § 46b StGB
Instanzenzug: Az: 6 StR 335/23 Beschlussvorgehend Az: 96 KLs 16/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
A.
2Das Landgericht hat – soweit für die Revision von Belang – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
31. Der gesondert Verfolgte S. handelte spätestens seit dem Jahr 2020 gemeinsam mit weiteren Tatbeteiligten in der Region H. mit Kokain. Dieses bezog er von einer aus den Niederlanden heraus agierenden und von einer nicht identifizierten Person mit dem Decknamen „Boss“ angeführten Gruppierung niederländischer und belgischer Staatsangehöriger mit marokkanischen Wurzeln. Diese führte Kokain auf dem Seeweg aus Südamerika über Antwerpen, Rotterdam und Hamburg nach Europa ein. Das Rauschgift wurde in Containern zwischen legaler Ware, wie etwa Bananen, Spachtelmasse oder Farbe, versteckt. Für den Fall einer angekündigten Zollkontrolle hielt die Gruppierung Austauschware der jeweils deklarierten Art vor, um diese gegebenenfalls anstelle des Kokains in den anschließend neu zu verplombenden Container zu laden und sodann dem Zoll vorzustellen.
4Nachdem S. die Gruppierung um „Boss“ bei einer Kokainlieferung Anfang September 2020 erfolgreich unterstützt hatte, schloss er sich ab November 2020 mit dieser zusammen. Fortan wollte man arbeitsteilig Kokain im Tonnenbereich aus Südamerika über europäische Großhäfen nach Europa einführen und verkaufen. Während die Gruppierung um „Boss“ nach dem gemeinsamen Tatplan die Kontakte nach Südamerika unterhalten, die Einfuhren mittels Containerschiffen organisieren und den Weiterverkauf des Kokains in den Niederlanden übernehmen sollte, oblag es S. als Hauptorganisator des aus Deutschland stammenden Teils der Gruppierung, die Kokainlieferung aus dem Hamburger Hafen zu holen und in die Niederlande zu transportieren. Er sollte auch die zeitlich vor dem Kokain verschiffte legale Austauschware für den Fall einer angekündigten Zollkontrolle in einer Lagerhalle vorhalten und die hiermit zusammenhängende Logistik übernehmen. Dazu benötigte er Personen mit Kenntnissen über den Hamburger Hafen und die Containerabfertigung sowie Lkw-Fahrer für den Transport und die Verladung der Fracht.
5Vor diesem Hintergrund stieß der Angeklagte ab November 2020 zur Gruppierung. Er ist gelernter Speditionskaufmann und war „Vorstandsvorsitzender“ des Logistikkonzerns „H. AG“. Hierbei handelte es sich um einen Transportdienstleister, zu dem mehrere Unternehmen, insbesondere aus dem Bereich der Containerlogistik, gehörten. Der Angeklagte kannte deshalb die Abläufe der Containerabfertigung im Hamburger Hafen und die Container-Prüfanlage gut; zudem war ihm die Anwerbung von Lkw-Fahrern möglich. Wegen dieser Expertise übernahm er das „Transport- und Speditionswesen“ der Gruppierung in Deutschland. Ihm war bekannt, dass Gegenstand der Lieferungen aus Südamerika Kokain im Tonnenbereich sein sollte. Zur geplanten Teilnahme an einem Treffen zwischen „Boss“ und S. in den Niederlanden im November 2020 kam es indes nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte „Boss“ sowohl die Verschiffung der Austauschware (Spachtelmasse) als auch – in einem weiteren Schiff – eine solche des Kokains aus Paraguay veranlasst. Es handelte sich um insgesamt 13.824 Kokainblöcke mit einem Nettogewicht von etwa 14 Tonnen, einem Wirkstoffgehalt von mindestens 91,5 % Kokainhydrochlorid und einem Marktwert von etwa 448 Millionen Euro; sie wurden in drei 40-Fuß-Containern transportiert.
6Nach dem gemeinsamen Tatplan war der Angeklagte für die Abwicklung des Transports der Austauschmasse zuständig. Dazu setzte er insbesondere die zur Unternehmensgruppe „H. AG“ gehörende S. T. GmbH ein und instruierte deren Hamburger Niederlassungsleiter; ferner veranlasste er die Festanstellung des Mitangeklagten He. als Lkw-Fahrer. Die Einbindung der S. T. GmbH diente auch dazu, unter ihrem anscheinend seriösen Deckmantel den Zugriff auf das Kokain zu erleichtern. Ferner wurde im Januar 2021 die Lagerhalle eines Bekannten des Angeklagten angemietet, um dort die Austauschware zwischenzulagern. Der Angeklagte stand darüber hinaus in regelmäßigem Kontakt mit S. , war für die Erteilung der entsprechenden Transportaufträge zuständig und übermittelte Informationen an „Boss“. Als Entlohnung sollte der Angeklagte 1,5 Millionen Euro erhalten.
7Die Austauschmasse wurde am aus dem Hamburger Hafen in die angemietete Lagerhalle verbracht und fortan bereitgehalten. Bis zum Eintreffen der Kokainlieferung übten einzelne Tatbeteiligte dort die Be- und Entladung ein. Dabei setzten sie unter anderem eine vom Angeklagten bereitgestellte und mittels Kran angelieferte mobile Rampe sowie zwei Deichselstapler ein. Der Angeklagte besorgte zudem einen Kühllastwagen, um hiermit das Kokain in die Niederlande bringen zu lassen.
8Die Kokainlieferung traf am im Hamburger Hafen ein. Die zollamtliche Freigabe der drei Container verzögerte sich jedoch. Am 12. Feb-ruar 2021 wurde die Ladung im Zuge einer unangekündigten Kontrolle unter Einsatz der Container-Prüfanlage durch den Zoll sichergestellt.
92. Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten rechtlich als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gewürdigt (§ 30a Abs. 1 BtMG). Es hat vor dem Hintergrund der von dem Angeklagten eigenverantwortlich erbrachten und für den Taterfolg zentralen Tatbeiträge eine mittäterschaftliche Begehungsweise angenommen (§ 25 Abs. 2 StGB).
B.
10Der Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
I.
11Der Schuldspruch wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat Bestand.
121. Die dagegen gerichtete Verfahrensrüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens geltend macht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK), den sie in der Mitwirkung von Staatsanwalt G. an der Hauptverhandlung als einer von zwei Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft sieht, bleibt ohne Erfolg.
13a) Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: In einer polizeilichen Vernehmung vom machte der Angeklagte Angaben zu Personen aus dem Bereich von Polizei und Justiz, die Informationen an Tatverdächtige – auch solche aus dem Verfahren gegen die „Gruppe S. “ – herausgegeben hätten. Er habe Gespräche in der Justizvollzugsanstalt gehört, denen zufolge der in seinem Verfahren ermittelnde Staatsanwalt G. „Schmiergelder für Informationen und/oder Zusagen erhalten habe“. Diesen habe „man wohl wegen seines in Haft sitzenden Schwagers in der Hand“. Durch die Staatsanwaltschaft H. wurden daraufhin gegen Staatsanwalt G. ein verdeckt geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs der Bestechlichkeit eingeleitet und ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt. Zwar hätten die bisherigen Ermittlungen „keinen direkten Tatverdacht ergeben“, begründeten aber einen solchen Anfangsverdacht, dass „auf jeden Fall keine Verfahrenseinstellung in Betracht“ komme. Der Durchsuchungsbeschluss wurde am vollstreckt. Ebenfalls noch vor Beginn der Hauptverhandlung setzten die Verteidiger des Angeklagten die Strafkammervorsitzende darüber in Kenntnis, dass aufgrund von Angaben des Angeklagten möglicherweise ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwalt G. eingeleitet worden sei. Auf Nachfrage der Strafkammervorsitzenden teilte die Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwalt G. geführt werde, ein Abschluss der Ermittlungen aber bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht zu erwarten sei. In der Hauptverhandlung werde neben Staatsanwalt G. auch dessen Vorgesetzter, Oberstaatsanwalt Ha. , die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft übernehmen. Der Oberstaatsanwalt nahm an sämtlichen Sitzungstagen an der Hauptverhandlung teil und übernahm unter anderem die Befragung eines Polizeibeamten zu der Vernehmung des Angeklagten am . Der Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft wurde von Staatsanwalt G. gehalten. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn dauerte zu diesem Zeitpunkt noch an.
14b) Die Verfahrensrüge entspricht bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und erweist sich damit als unzulässig.
15Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss der Revisionsführer die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 21; vom – 1 StR 711/13, Rn. 8 mwN).
16aa) Diese Anforderungen gelten auch bei einem behaupteten Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren wegen der Mitwirkung eines Staatsanwalts, gegen den ein Ermittlungsverfahren geführt wird.
17(1) Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wurzelt im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen, und verpflichtet den Staat zu korrektem und fairem Verfahren (vgl. , Rn. 14 mwN; , BGHSt 53, 294 Rn. 34 ff.).
18Die Ausgestaltung des Strafverfahrensrechts in einer Weise, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens gewahrt wird, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann – in den vom Gesetz gezogenen Grenzen – den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsanwendung und -auslegung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte – ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom – 2 BvR 2025/07, Rn. 15; vom – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, 276; vom – 2 BvR 731/80, BVerfGE 64, 135, 145 f.).
19(2) Das Rechtsstaatsprinzip, das die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält, fordert nicht nur eine faire Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts. Es gestattet und verlangt auch die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom – 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367, 383; vom – 2 BvR 631/77, BVerfGE 46, 214, 222; vom – 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 375). Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 16 mwN; ).
20(3) Für sich genommen ist die Mitwirkung eines Staatsanwalts als Sitzungsvertreter, der Beschuldigter (irgend-)einer Straftat ist, nicht geeignet, die Gesamtfairness eines Strafverfahrens in Frage zu stellen. Andernfalls wäre es Verfahrensbeteiligten möglich, bereits durch einen fingierten Tatvorwurf einen für sie missliebigen Staatsanwalt vom Verfahren auszuschließen.
21bb) Vor diesem Hintergrund kommt es auch im Fall der Mitwirkung eines Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, gegen den ein Ermittlungsverfahren geführt wird, auf die Bewertung des gesamten Verfahrensablaufs an, der in der Revisionsbegründung umfassend darzustellen ist.
22(1) Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, ob ein Zusammenhang zwischen dem Verfahrensgegenstand des gegen den Sitzungsvertreter geführten Ermittlungsverfahrens und dem in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten verhandelten Tatvorwurf bestand, wie eng dieses „prozessuale Band“ war und wie substantiiert die Verdachtsmomente gegen den Staatsanwalt waren. In die Wertung einzubeziehen ist zudem, ob die Staatsanwaltschaft insoweit Verfahrenssicherungen ergriffen hat, etwa durch Einteilung eines weiteren Sitzungsvertreters.
23(2) Diese in die Gesamtabwägung einzustellenden Umstände sind mit Tatsachen zu belegen. Dabei hat der Revisionsführer seiner im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren liegenden Erkundigungspflicht, ggf. auch durch Nachfragen beim erstinstanzlichen Verteidiger oder beim Gericht, nachzukommen (vgl. , StV 2006, 459 mit Anm. Ventzke; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, 2. Aufl., § 344 Rn. 121; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 38). Ist ihm aufgrund verwehrter Einsichtnahme seitens der Verfolgungsbehörden in bestimmte Unterlagen eine vollständige Darstellung der rügebegründenden Tatsachen nicht möglich, muss er sich, jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge, weiter um Akteneinsicht bemühen und entsprechende Anstrengungen darlegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 299/03; vom – 3 StR 250/08, NStZ 2009, 51; vom – 4 StR 599/09, NStZ 2010, 530; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, aaO).
cc) Daran fehlt es hier in zweifacher Hinsicht.
24(1) Es mangelt zum einen bereits an einem vollständigen Vortrag der vom Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung in Bezug genommenen und von ihm selbst als aussagekräftig bewerteten Chatnachrichten. Zwar belegt der Revisionsvortrag, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwalt G. während der laufenden Hauptverhandlung bei der Staatsanwaltschaft H. anhängig war. Der Gegenstand des Verfahrens und eine etwaige Überschneidung mit dem gegen den Beschwerdeführer erhobenen Tatvorwurf wird hingegen ohne die Chatnachrichten nicht hinreichend nachvollziehbar. Die wenigen in den Urteilsgründen wiedergegebenen – vom Senat auf die erhobene Sachrüge hin zur Kenntnis genommenen – Chatnachrichten sind insoweit nicht aussagekräftig; zumindest aber hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, dass es über diese im Urteil benannten Chatnachrichten keine weiteren von Bedeutung für das Verfahrensgeschehen gibt.
25(2) Zum anderen hätte die Revision vortragen müssen, dass sie sich erfolglos bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist um Einsicht in die Ermittlungsakte in dem gegen Staatsanwalt G. geführten Verfahren bemüht hat. Hieraus hätten sich weitere, für die Gesamtabwägung wesentliche Gesichtspunkte ergeben können; namentlich wäre anhand dessen eine konkrete Bewertung der Stärke des „prozessualen Bandes“ zu dem gegen den Angeklagten geführten Verfahren möglich gewesen.
26c) Die hiernach schon nicht in zulässiger Weise erhobene Rüge wäre auch unbegründet.
27aa) Die Strafprozessordnung enthält keine Regelungen über den Ausschluss eines „befangenen“ oder einer Straftat verdächtigen Staatsanwalts von der Mitwirkung im Verfahren; die für Richter geltenden Regelungen über die „Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen“ gemäß §§ 22, 23 StPO und § 24 StPO finden auf Staatsanwälte weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung (vgl. , BverfGE 25, 336, 345; , NStZ-RR 2024, 252 f.). In Betracht kann aber eine Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires und justizförmiges Verfahren kommen (vgl. , NJW 1980, 845, 846; Frisch, FS Bruns, 1978, S. 385, 387; vgl. zum „befangenen Staatsanwalt“ etwa , NStZ-RR 2024, 252; KK-StPO/Heil, 9. Aufl., Vorbem. zu §§ 22 ff. Rn. 1; LR/Siolek, StPO, 27. Aufl., Vor § 22 Rn. 13; BeckOK-StPO/Cirener, 51. Edition, § 22 Rn. 39; Walter, JZ 2024, 1043).
28In die bei der Prüfung einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren vorzunehmende Gesamtbetrachtung wäre – jedenfalls im Fall der Mitwirkung eines in derselben Sache beschuldigten Sitzungsvertreters der Staatsanwalt-schaft – ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für eine Gesetzesanalogie (vgl. ; NStZ-RR 2024, 252 f.; Böttcher, FS Roxin, 2001, S. 1333, 1334; aA Pawlik, NStZ 1995, 309, 311; Hackner, Der befangene Staatsanwalt im deutschen Strafverfahrensrecht, 1995, S. 201; Arloth, NJW 1983, 207, 209 f.) – im Ausgangspunkt die Nähe zu einem für Richter geltenden gesetzlichen Ausschlusstatbestand einzustellen (vgl. Nowak, Die institutionelle Stellung des Staatsanwalts im Strafverfahren und deren Auswirkungen auf die Möglichkeit der Befangenheit, 2024, S. 130; Wilms, Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern nach §§ 22 ff. StPO und ihre Anwendbarkeit auf Staatsanwälte, 2013, S. 149). Dies folgt insbesondere aus der Rolle der Staatsanwaltschaft als „Wächter der Gesetze“ (vgl. hierzu u.a., BVerfGE 133, 168, 220; , NJW 2024, 846, 847) und als ein dem Gericht gleichgeordnetes Organ der Strafrechtspflege (vgl. , BGHSt 24, 170, 171; Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., Vor § 141 GVG Rn. 1; SSW-StPO/Schnabl/Fink, 6. Aufl., Vorbem. zu §§ 141 ff. GVG Rn. 3) sowie der hieraus folgenden Pflicht zur Objektivität, die insbesondere in § 160 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag im Gesetz gefunden hat (vgl. , NStZ-RR 2024, 252, 253). Wesentliche Bedeutung in der Gesamtbetrachtung käme auch dem Verdachtsgrad gegen den beschuldigten Staatsanwalt zu. Zu berücksichtigen wären weiterhin das Gewicht etwaiger Verstöße des beschuldigten Staatsanwalts gegen seine staatsanwaltlichen Amtspflichten (vgl. auch § 95 NdsJG; Frisch, FS Bruns, 1978, S. 385, 387) sowie sein konkretes Verhalten in der Hauptverhandlung. Von erheblicher Bedeutung für die Frage, ob bei einer Gesamtbetrachtung ein Verstoß gegen den Fairnessgrundsatz anzunehmen wäre, sind schließlich auch etwaige Absicherungen durch den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft (vgl. zu dessen Aufsichtspflicht Tolksdorf, Das Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt, 1989, S. 121 ff.; Pfeiffer, FS Rebmann, 1989, S. 359, 366; Wendisch, FS Schäfer, 1980, S. 243, 266).
29bb) An diesen Maßstäben gemessen lässt eine Gesamtbetrachtung aller Umstände hier keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens erkennen. Dafür ist zunächst von Bedeutung, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung nur sehr vage Anhaltspunkte gegen Staatsanwalt G. bestanden. Hinzu kommt, dass eine Pflichtverletzung in der Hauptverhandlung durch ihn nicht ersichtlich ist. Entscheidendes Gewicht kommt schließlich dem Umstand zu, dass neben Staatsanwalt G. dessen Vorgesetzter, Oberstaatsanwalt Ha. , durchgängig als weiterer Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten mitgewirkt hat; jedenfalls hierdurch war gewährleistet, dass die der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung überantworteten Aufgaben prozessordnungsgemäß wahrgenommen wurden.
302. Der Schuldspruch hält auch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die Annahme des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass der Angeklagte seine Tatbeiträge als Mittäter erbracht hat (§ 25 Abs. 2 StGB).
31a) Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2023, 315, 316; vom – 3 StR 363/22, NStZ-RR 2023, 169; vom – 1 StR 421/21, wistra 2022, 507, 508; vom – 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95, 96).
32b) Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Annahme (mit-)täterschaftlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken, unabhängig davon, ob dem Tatgericht insoweit ein revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. , NStZ 1984, 413; Beschlüsse vom – 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531; vom – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 72; offengelassen von , NStZ-RR 2023, 315, 316; vom – 3 StR 363/22, NStZ-RR 2023, 169; Beschluss vom – 6 StR 589/23, Rn. 12; weitere Nachweise bei Harden, NStZ 2021, 193, 194). Die gebotene Gesamtbetrachtung lässt vielmehr allein die Wertung zu, dass der Angeklagte als Mittäter handelte. Nach den getroffenen Feststellungen verschaffte allein er mit seinen logistischen Kenntnissen und Fähigkeiten der Gruppierung die Möglichkeit zu einem erfolgreichen Weitertransport der Kokainblöcke in die Niederlande. Er verfügte darüber hinaus insbesondere über Möglichkeiten zur Anwerbung von Kraftfahrern und zur Anmietung geeigneter Lagerhallen sowie über den Zugang zu Fahrzeugen für das Be- und Entladen. Nicht zuletzt war er mit Blick auf den ihm in Aussicht gestellten Anteil von 1,5 Millionen Euro am Gelingen der Tat in besonderem Maße interessiert.
II.
Die Sachrüge hat allerdings zum Strafausspruch Erfolg.
331. Das Revisionsgericht kann in die Strafzumessung einschließlich der Strafrahmenwahl nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Bei der Darstellung seiner Strafzumessungserwägungen ist das Tatgericht lediglich gehalten, die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein für die Zumessung bedeutsamer Gesichtspunkt nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, das Tatgericht habe ihn nicht gesehen oder nicht gewertet (vgl. , Rn. 15; vom – 3 StR 412/21, NStZ-RR 2022, 290, 292). Ein Rechtsfehler liegt dagegen vor, wenn aus den Urteilsgründen erkennbar hervorgeht, dass es einen maßgeblichen, die Tat prägenden Umstand nicht bedacht hat. Dabei ist es im Wesentlichen der Beurteilung des Tatgerichts überlassen, welche Bewertungsrichtung es einzelnen Umständen gibt und inwieweit es ihnen bestimmendes Gewicht beimisst (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Okto-ber 2024 – 3 StR 415/24).
342. Hieran gemessen begegnet die Strafzumessung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
35a) Dabei erweist sich die Strafrahmenwahl unter Ablehnung der Voraussetzungen des gesetzlichen Strafmilderungsgrundes des § 46b StGB beziehungsweise § 31 BtMG als rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat tragfähig belegt, dass der notwendige Aufklärungserfolg wegen fehlender Aussagegenehmigungen der hierzu als Zeugen vernommenen Polizeibeamten nicht feststellbar war.
36b) Allerdings hält die konkrete Strafzumessung revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht bedacht, dass ernsthafte Aufklärungsbemühungen auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 46b StGB, § 31 BtMG ein bestimmender Strafmilderungsgrund sein können (vgl. , Rn. 7; Beschlüsse vom – 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191, 193; vom – 3 StR 513/15, Rn. 3; vom – 3 StR 428/15, NStZ 2016, 525). Es hat deshalb zugunsten des Angeklagten die von ihm hinsichtlich eines Mitarbeiters aus der IT-Abteilung der Polizei geleistete Aufklärungshilfe gewertet. Obwohl das Landgericht vergleichbare Bemühungen des Angeklagten hinsichtlich der Beteiligung von Staatsanwalt G. festgestellt hat, hat es diese im Rahmen der Strafbemessung nicht ebenfalls erwogen. Dies hätte sich hier aber aufgedrängt, weil der Angeklagte den Staatsanwalt namentlich benannt hatte und nach den landgerichtlichen Feststellungen „aufgrund“ der Angaben des Angeklagten ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwalt G. eingeleitet wurde, das zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch andauerte.
373. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn sie auch die Aufklärungsbemühungen betreffend Staatsanwalt G. in den Blick genommen hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Angesichts dieses durchgreifenden Rechtsfehlers kommt es auf die weiteren – allein den Strafausspruch betreffenden – Verfahrensrügen nicht an; ihnen könnte kein weitergehender Erfolg als die Aufhebung des Strafausspruchs beschieden sein.
384. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Feilcke Wenske Fritsche
von Schmettau Arnoldi
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:161224U6STR335.23.0
Fundstelle(n):
YAAAJ-95145