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BSG Urteil v. - B 1 KR 15/24 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Prüfverfahren - Aufwandspauschale - Verzugszinsen - entsprechende Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften - keine Entgeltforderung

Gesetze: § 69 Abs 1 S 3 SGB 5, § 275 SGB 5, § 286 BGB, § 288 BGB

Instanzenzug: SG Regensburg Az: S 8 KR 341/22 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten darüber, ob auf einen Anspruch auf die Aufwandspauschale Verzugszinsen zu zahlen sind.

2Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Dieses behandelte im Jahr 2019 einen Versicherten der beklagten Krankenkasse (KK) vollstationär. Die Beklagte beglich die Rechnung des Krankenhauses und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung des Behandlungsfalles. Nach dessen Gutachten vom ergab sich keine Minderung des Rechnungsbetrages. Die Beklagte lehnte die Zahlung der von der Klägerin geforderten Aufwandspauschale ab. Daraufhin hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Während des erstinstanzlichen Verfahrens teilte die Beklagte mit, sie habe die Aufwandspauschale von 300 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit der Klage lediglich aus prozessökonomischen Gründen gezahlt. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt und streiten nur noch über den Anspruch auf Verzugszinsen.

3Das SG hat der Klägerin Verzugszinsen aus 300 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum bis zugesprochen und die Berufung und Sprungrevision gegen das Urteil zugelassen. Anspruchsgrundlage sei § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 288 Abs 1 Satz 1 BGB. Bei dem Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale handele es sich um eine Entgeltforderung iS des § 286 Abs 3 Satz 1 BGB. Der Verzug sei mit Ablauf der Frist von 30 Tagen nach Rechnung, spätestens aber mit der Zahlungsverweigerung durch die Beklagte eingetreten (Urteil vom ).

4Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V sowie § 286 Abs 1 bis 3 und § 288 Abs 1 BGB. Sie ist der Auffassung, dass im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG mangels anderweitiger Rechtsgrundlagen auf eine Aufwandspauschale lediglich Prozesszinsen anfallen könnten.

7Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Gründe

8Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob und ggf für welchen Zeitraum der Klägerin Verzugszinsen aus der von der Beklagten gezahlten Aufwandspauschale zustehen.

9Die Rechtsbeziehungen zwischen den KKn und den Krankenhäusern werden nach § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V abschließend im Vierten Kapitel des SGB V, in den §§ 63 und 64 SGB V und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind (§ 69 Abs 1 Satz 3 SGB V). Der Zinsanspruch kann nicht auf Regelungen des SGB V, des KHG und des KHEntgG und auch nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden (dazu 1.). Verzugszinsen für die Nichterfüllung eines Aufwandspauschalenanspruchs können sich aber grundsätzlich aus der durch § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V gebotenen entsprechenden Anwendung der §§ 286, 288 Abs 1 BGB ergeben (dazu 2.). Der Senat kann anhand der Feststellungen des SG nicht abschließend entscheiden, ob und ggf für welchen Zeitraum die Klägerin Anspruch auf Verzugszinsen hat (dazu 3.). Hierzu hat das SG noch Feststellungen zu treffen.

101. Die Vorschriften des Leistungserbringungsrechts aus dem Vierten Kapitel des SGB V und die weiteren in § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V genannten Bestimmungen begründen keinen Anspruch auf Verzugszinsen für die Aufwandspauschale gemäß § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V (idF des Art 1 Nr 23 des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen - MDK-Reformgesetz - vom , BGBl I 2789).

11Die Regelung über die Aufwandspauschale nach dem hier noch anwendbaren § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V ist keine Vorschrift des Vierten Kapitels des SGB V. Sie enthält auch keine Regelungen über einen Anspruch auf Verzugszinsen. Auch die §§ 63 und 64 SGB V, das Vierte Kapitel des SGB V sowie die landesvertragliche Vereinbarung (§ 112 SGB V) enthalten keine Regelung zur Verzinsung von Geldforderungen aus den Rechtsbeziehungen zwischen den KKn und den Krankenhäusern. Regelungen der Entgeltvereinbarung über Verzugszinsen für eine verspätete Zahlung der Entgelte (so der ausdrückliche Vereinbarungsauftrag in § 11 Abs 1 Satz 3 KHEntgG) sind nicht auf den Anspruch auf die Aufwandspauschale anwendbar. Denn die Aufwandspauschale ist kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers (vgl - SozR 4-2500 § 275 Nr 16 RdNr 27; - juris RdNr 14).

122. Die Aufwandspauschale ist aber nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V in entsprechender Anwendung der §§ 286 und 288 BGB im Falle des Verzugs zu verzinsen.

13§ 69 Abs 1 Satz 3 SGB V sieht bei Fehlen von spezifischen sozial- oder krankenhausrechtlichen Regelungen (vgl § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V) generell eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB vor. Diese generelle Verweisung kommt nur zum Tragen, wenn die Anwendung der Vorschriften des BGB mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar ist (dazu a). Der mit § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V zugleich angeordnete "Funktionsvorbehalt" gebietet vor einer entsprechenden Anwendung von Vorschriften des BGB zudem die Prüfung der Vereinbarkeit mit weiteren grundsätzlichen Regelungen oder sozialrechtlichen Prinzipien (dazu b). Darüber hinaus ist hinsichtlich jeder einzelnen Vorschrift des BGB gesondert zu prüfen, ob und ggf mit welchen Modifikationen sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten der für den jeweiligen Leistungserbringer geltenden Vorschriften des SGB V auf die dort ausgestalteten Rechtsbeziehungen übertragen werden kann (vgl - SozR 4-7610 § 406 Nr 1 RdNr 40; Becker/Kingreen in Becker/Kingreen <Hrsg>, SGB V, 9. Aufl 2024, § 69 RdNr 43; Krasney in BeckOGK, § 69 SGB V RdNr 39, Stand ). Danach sind die §§ 286, 288 BGB, ggf modifiziert nach den insoweit vorrangigen Maßgaben der Landesverträge, auch auf den Anspruch auf die Aufwandspauschale anwendbar (dazu c). Soweit in der bisherigen Rechtsprechung ein Anspruch auf Verzugszinsen für die Aufwandspauschale abgelehnt worden ist (vgl - SozR 4-2500 § 275 Nr 16 RdNr 27; - juris RdNr 14), hält der Senat daran nicht fest.

14a) Die Verzinsung des Anspruchs auf die Aufwandspauschale ist mit den Vorgaben des § 70 SGB V (dazu aa) und auch mit den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V (dazu bb) vereinbar.

15aa) Nach § 70 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die KKn und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Satz 2 bestimmt, dass die Versorgung der Versicherten ausreichend und zweckmäßig sein muss, das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf und in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden muss. Nach Absatz 2 ist auf eine humane Krankenbehandlung hinzuwirken.

16Damit normieren § 70 Abs 1 und 2 SGB V Vorgaben für die Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Aufwandspauschale dient nicht der Gewährleistung und Ausgestaltung der Leistungserbringung. Der Leistungsanspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung ist bereits erfüllt, bevor ein Anspruch auf die Aufwandspauschale überhaupt entstehen kann. Die Aufwandspauschale betrifft allein das Rechtsverhältnis zwischen der KK und dem Krankenhaus zur Abwicklung des Vergütungsanspruchs. Durch die Verzinsung der Aufwandspauschale in entsprechender Anwendung der §§ 286 und 288 BGB wird daher weder die Sicherstellung noch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung oder eine humane Krankenbehandlung berührt.

17bb) Für das die stationäre Behandlung betreffende Rechtsverhältnis zwischen den KKn und den Krankenhäusern sind aus dem Vierten Kapitel des SGB V neben § 70 SGB V noch die §§ 107 bis 110a und 112 bis 113 SGB V anwendbar. Auch aus diesen Vorschriften sind keine Aufgaben oder Pflichten der KKn oder Krankenhäuser ersichtlich, die der entsprechenden Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschriften entgegenstehen.

18b) Soweit § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V die Vorschriften benennt, durch welche die Rechtsbeziehungen zwischen der KK und dem Krankenhaus "abschließend" geregelt werden und nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V die Vorschriften des BGB lediglich "im Übrigen" und nur "entsprechend" gelten, wird daraus die gesetzliche Anordnung eines "Funktionsvorbehalts" deutlich. Das bedeutet, dass die Vorschriften des BGB nur herangezogen werden können, wenn und soweit sie auch mit weiteren Vorschriften des SGB V, die nicht zwingend im Vierten Kapitel enthalten sein müssen, sowie mit grundsätzlichen Regelungen und sozialrechtlichen Prinzipien vereinbar sind.

19Die entsprechende Anwendung bürgerlich-rechtlicher Verzugsregelungen ist mit sozialrechtlichen Rechtsprinzipien vereinbar (vgl - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 11 zum möglichen Entgegenstehen öffentlich-rechtlicher Wertungszusammenhänge). Dem SGB ist kein genereller Ausschluss für die Verzinsung von Geldforderungen zu entnehmen.

20Im Sozialrecht existiert zwar keine allgemeine Pflicht zur Verzinsung von Geldforderungen. Ein Anspruch auf Zinsen ergibt sich vielmehr grundsätzlich erst auf der Grundlage einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (vgl - BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3, RdNr 14; - BSGE 121, 194 = SozR 4-7912 § 96 Nr 1, RdNr 38). Die Verzinsung von Geldforderungen ist dem Sozialrecht aber nicht grundsätzlich fremd, wie die gesetzlichen Zinsvorschriften des § 44 SGB I für Ansprüche auf Sozialleistungen und des § 27 Abs 1 SGB IV für die Erstattung von Beiträgen sowie die Anwendung von Zinsvorschriften des BGB für einzelne Bereiche des Sozialrechts zeigen.

21Das Erfordernis einer spezialgesetzlichen Regelung gilt zudem für Geldforderungen aus Verträgen des öffentlichen Rechts nicht generell, sondern nur für subordinationsrechtliche Verträge (vgl - BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3, RdNr 15, zu Prozesszinsen). Vielmehr wendet die Rechtsprechung die Zinsvorschriften des BGB bereits seit langem auf öffentlich-rechtliche Verträge und gesetzliche Schuldverhältnisse im Leistungserbringerrecht an (vgl - BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3, RdNr 21 - Arzneimittelliefervertrag; - juris RdNr 11 - häuslicher Kranken- und Altenpflegedienst; - BSGE 96, 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr 3, RdNr 20 - Rehabilitationsklinik; - SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14 - Krankenhaus; - juris RdNr 18 - Krankenhaus).

22Ein allgemeines Rechtsprinzip, dass sozialrechtlich begründete Ansprüche keiner Verzinsung unterliegen, existiert nicht. Unerheblich ist, ob sich aus dem Fehlen von Vorschriften über die Verzinsung vor Inkrafttreten der Zinsvorschrift des § 44 SGB I (in Kraft getreten zum mit Art I § 44, Art II § 23 Abs 2 SGB I vom , BGBl I 3015) sowie der Verweise auf die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften in § 61 SGB X (zum mit Art I § 61, Art II § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren, vom , BGBl I 1469) und in § 69 Satz 3 SGB V (zum mit Art 1 Nr 26, Art 22 Abs 5 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 <GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000> vom , BGBl I 2626) ein solcher Grundsatz ableiten ließ. Seit dem Inkrafttreten der genannten Vorschriften wäre ein solches Rechtsprinzip jedenfalls überholt. Der entsprechenden Anwendung bürgerlich-rechtlicher Verzugsregelungen nicht nur auf Vergütungsforderungen aus Leistungserbringerverträgen, sondern auch auf andere, aus dem SGB V begründete Geldforderungen der Leistungserbringer gegen die KK kann damit auch kein allgemeines sozialrechtliches Prinzip entgegengehalten werden.

23c) Aus dem in § 275c SGB V geregelten Prüfverfahren ergeben sich keine Besonderheiten der Rechtsbeziehungen der KKn zu den Krankenhäusern, die eine entsprechende Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Verzugszinsen (§§ 286 und 288 BGB) auf die Aufwandspauschale ausschließen oder Anlass zu deren Modifizierung bieten würden (dazu aa). Die vom Gesetzgeber beabsichtigte präventive Wirkung der Aufwandspauschale wird durch deren Verzinsung im Verzugsfall nicht konterkariert, sondern verstärkt (dazu bb).

24aa) Grundsätzlich ist die Verzinsung von Geldforderungen, die aus den Leistungsbeziehungen zwischen KKn und Krankenhäusern resultieren, in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB anerkannt. Der Senat hat dies mit der Stellung der KKn als Nachfrager und der Krankenhäuser als Anbieter von medizinischen Dienstleistungen im Gesundheitsmarkt begründet. Der Gesundheitsmarkt stellt sich als Teil des allgemeinen Wirtschaftslebens dar, in dem die Pflicht zur Zahlung von Prozess- und Verzugszinsen selbstverständlich ist (vgl - juris RdNr 11; - BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3, RdNr 16). Die Durchführung des Prüfverfahrens nach § 275c SGB V ändert an dieser Stellung der KKn und der Krankenhäuser nichts. Mit dem Verfahren soll die erforderliche zeitnahe Beurteilung des Vergütungsanspruchs aus der Krankenhausbehandlung sichergestellt werden, um die Gefahr einer sich verschlechternden Beweislage und eines erhöhten Aufwandes für die Rechnungsprüfung zu vermindern (BT-Drucks 16/3100 S 171 zu Nr 185 unter Verweis auf - BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Für die an das Prüfverfahren anknüpfende Aufwandspauschale besteht mithin eine sachliche Nähe zum Vergütungsanspruch.

25bb) Die Aufwandspauschale knüpft an den durch die Prüfung ausgelösten Aufwand des Krankenhauses für die Übermittlung angeforderter Unterlagen an. Mit der Aufwandspauschale wollte der Gesetzgeber einer "ungezielten und übermäßigen" Einleitung von Prüfverfahren durch die KK entgegenwirken (BT-Drucks 16/3100, S 171 Zu Nummer 185, Zu Buchstabe a). Bleibt der Abrechnungsbetrag mit der feststehenden Nichtminderung beanstandungslos, soll die Aufwandspauschale ohne weitere Prüfung der Richtigkeit der Vergütungsforderung den personellen und sachlichen Aufwand des Krankenhauses abgelten (vgl - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 19).

26Durch eine Verzinsungspflicht wird auch kein vom Gesetzgeber grundsätzlich unerwünschter (BT-Drucks 16/3100 S 171) wesentlicher bürokratischer Mehraufwand geschaffen. Insbesondere die für den Beginn des Verzugs maßgeblichen tatsächlichen Gesichtspunkte lassen sich einfach ermitteln. Das Risiko gerichtlicher Auseinandersetzungen allein über Verzugszinsen, obwohl die auf die Zahlung der Aufwandspauschale gerichtete Hauptforderung bereits geklärt ist, kann ebenso wenig als Argument gegen die entsprechende Anwendung der §§ 286, 288 BGB ins Feld geführt werden. Denn hierzu kann es nur aufgrund einer unberechtigten Zahlungsverweigerung der KK kommen. Diese Erwägung kann aber bei der Frage, ob eine entsprechende Zinspflicht von Rechts wegen anzuerkennen ist, keine Rolle spielen.

273. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob und ggf für welchen Zeitraum der Klägerin Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die Aufwandspauschale von 300 Euro nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 286 Abs 1 und Abs 2 Nr 3 und § 288 Abs 1 BGB zustehen. Hierzu fehlt es an Feststellungen des SG zum Bestehen des Anspruchs auf die Aufwandspauschale (dazu a), dessen Fälligkeit (dazu b) und daraus folgend zum Eintritt des Verzugs. Die für Entgeltforderungen geltenden besonderen Vorschriften zum erleichterten Verzugseintritt innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Rechnung (§ 286 Abs 3 BGB) und zur Höhe der Verzugszinsen (§ 288 Abs 2 BGB) sind jedenfalls auf einen Anspruch auf die Aufwandspauschale nicht anwendbar (dazu c). Die fehlenden Feststellungen sind vom SG im wiedereröffneten Klageverfahren nachzuholen (dazu d).

28a) Ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht nur, wenn auch der Anspruch auf die Aufwandspauschale als Hauptforderung bestand.

29Voraussetzung für den Anspruch auf die Aufwandspauschale ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur der Nichteintritt einer Minderung des Abrechnungsbetrages, sondern die Einleitung der Prüfung darf auch nicht durch eine Fehlkodierung des Krankenhauses veranlasst gewesen sein ( - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 18; - juris RdNr 9 ff mwN; - juris RdNr 9).

30Zwar hat die Prüfung nach den den Senat bindenden Feststellungen des SG im vorliegenden Fall nicht zu einer Minderung der Abrechnung geführt. Es fehlen aber hinreichende Feststellungen des SG dazu, ob die Prüfung durch eine Fehlkodierung der Klägerin veranlasst wurde. Das ergibt sich jedenfalls nicht aus der im Klageverfahren erfolgten Zahlung der Beklagten, die Anlass der übereinstimmenden teilweisen Erledigung des Klageverfahrens hinsichtlich der Aufwandspauschale von 300 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit war. Denn die Beklagte hat die Zahlung allein aus prozessökonomischen Gründen geleistet und ausdrücklich kein Anerkenntnis als vorbehaltlose Bestätigung der Forderung abgegeben.

31b) Nach § 286 Abs 1 Satz 1 BGB setzt der Verzug die Fälligkeit der Forderung voraus.

32Der Anspruch auf die Aufwandspauschale wird mit seiner Entstehung fällig (§ 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 271 BGB). Er entsteht - wenn das Prüfverfahren nicht durch eine fehlerhafte Abrechnung veranlasst wurde - im Zeitpunkt der Mitteilung der leistungsrechtlichen Entscheidung der KK nach § 8 Satz 1 PrüfvV 2016, dass keine Minderung der Abrechnung eintritt ( - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 23 f). Eine leistungsrechtliche Entscheidung hat die KK nur getroffen, wenn sie selbst gegenüber dem Krankenhaus eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, die Abrechnung nicht mindern zu wollen (vgl - BSGE 133, 126 = SozR 4-2500 § 275 Nr 36, RdNr 26).

33Nach den Feststellungen des SG hat der MDK mit Gutachten vom die Abrechnung der Klägerin bestätigt und ist dieses Gutachten der Klägerin am zugegangen. Allerdings ist das Gutachten des MDK und dessen Übersendung an das Krankenhaus ohne weitere Anhaltspunkte nicht mit der leistungsrechtlichen Entscheidung der KK zur Nichtminderung des Abrechnungsbetrages gleichzusetzen. Die KK ist an das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK nicht gebunden (vgl - BSGE 133, 126 = SozR 4-2500 § 275 Nr 36, RdNr 24, 26). Insbesondere ist ein abweichendes Ergebnis aufgrund einer juristischen Beurteilung der medizinischen Einschätzung denkbar. Es fehlt damit an Feststellungen, ob und zu welchem Zeitpunkt die Beklagte eine leistungsrechtliche Entscheidung getroffen hat.

34c) Ausgehend von dem vom SG noch festzustellenden Bestehen und der Fälligkeit des Anspruchs auf die Aufwandspauschale bestimmen sich der Eintritt des Verzugs und die Höhe der Verzugszinsen nach § 286 Abs 1, Abs 2 und § 288 Abs 1 BGB. Die für Entgeltforderungen geltenden besonderen Vorschriften zum erleichterten Verzugseintritt innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Rechnung (§ 286 Abs 3 BGB) und zur Höhe der Verzugszinsen (§ 288 Abs 2 BGB) sind jedenfalls auf einen Aufwandspauschalenanspruch nicht anwendbar. Dieser Anspruch ist zwar eine Geldforderung iS des § 288 Abs 1 BGB, aber keine Entgeltforderung iS des § 286 Abs 3 Satz 1 und § 288 Abs 2 BGB (vgl - SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 18 f; - juris RdNr 15).

35aa) Der Begriff der Entgeltforderung ist nicht im BGB definiert. Nachdem die Vorschriften der § 286 Abs 3 Satz 1 und § 288 Abs 2 BGB auch der Umsetzung von Art 3 Abs 3 Buchst b Nr i der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl L 48 vom , S 1; RL 2011/7/EU) dienen, ist der Begriff im Lichte dieser Richtlinie auszulegen. Danach liegt eine Entgeltforderung iS des § 286 Abs 3 Satz 1 und § 288 Abs 2 BGB vor, wenn die Zahlung als Gegenleistung gefordert wird für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden ( - juris RdNr 31). Nichts anderes ist im Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu entnehmen (stRspr; vgl ua - NJW 2010, 1872, RdNr 23 = juris RdNr 23; - NJW 2010, 3226, RdNr 12 = juris RdNr 12; - MDR 2019, 1302, RdNr 13 = juris RdNr 13).

36bb) Die Mitwirkung des Krankenhauses im Prüfverfahren, an welche die Aufwandspauschale anknüpft, ist aber keine "in der Regel nur gegen Entgelt erbrachte Leistung".

37Krankenhäuser sind unabhängig vom Bestehen eines Anspruchs auf die Aufwandspauschale verpflichtet, am Prüfverfahren mitzuwirken und Unterlagen zu übermitteln. Das zeigt sich bereits daran, dass diese Verpflichtung auch schon vor Einführung der Aufwandspauschale bestand. Im Übrigen stellt der später eingeführte Anspruch auf Aufwandspauschale (zum als § 275 Abs 1c SGB V mit Art 1 Nr 185 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG vom , BGBl I 378) zwar einen pauschalen Ausgleich eines vorausgesetzten tatsächlichen Aufwandes des Krankenhauses für dessen Überprüfungsaktivitäten im Organisationsinnenbereich dar (vgl - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 16). Dieser pauschale Ausgleich kommt nach der gesetzgeberischen Konzeption aber nur dann zum Tragen, wenn die Prüfung zu keiner Minderung der Abrechnung geführt hat. Bei einer Minderung der Abrechnung erfolgt kein Ausgleich. Der Gesetzgeber wollte damit für die Übermittlung der Unterlagen kein Entgelt für eine regelmäßig nur gegen Entgelt zu erbringende Leistung regeln. Vielmehr soll durch die Aufwandspauschale aufgrund ihrer präventiven Wirkung auf vorgelagerter Ebene allein die Inanspruchnahme des Prüfverfahrens durch die KKn gesteuert werden.

38cc) Das SG hat festgestellt, dass die Beklagte am die Erfüllung des Anspruchs auf die Aufwandspauschale ernsthaft und endgültig verweigert hat. Nach § 286 Abs 2 Nr 3 BGB bedurfte es für den Verzugseintritt daher keiner Mahnung der Klägerin. Auch dann kann der Verzug gleichwohl frühestens mit der vom SG noch festzustellenden Fälligkeit der Forderung eintreten (vgl IVb ZR 43/83 - NJW 1985, 486, 488 = juris RdNr 24; - NJW-RR 2008, 210, RdNr 11 = juris RdNr 11; - AP Nr 16 zu § 10 AGG = juris RdNr 52).

39d) Das SG muss im wiedereröffneten Klageverfahren zunächst Feststellungen zu der von der Klägerin vorgenommenen Kodierung sowie zu einer etwaigen Fehlkodierung treffen und auf dieser Grundlage entscheiden, ob die Prüfung durch eine Fehlkodierung des Krankenhauses veranlasst wurde. Wurde die Prüfung nicht durch eine Fehlkodierung des Krankenhauses veranlasst, wird das SG weiter festzustellen haben, an welchem Tag die Beklagte ihre leistungsrechtliche Entscheidung getroffen und der Klägerin mitgeteilt hat. Ausgehend von der daraus folgenden Fälligkeit des Anspruchs auf die Aufwandspauschale ist der Eintritt des Verzugs zu bestimmen.

404. Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:200225UB1KR1524R0

Fundstelle(n):
YAAAJ-94977