Gewerbesteuer | Zur gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung der Gewinnanteile eines in den USA ansässigen stillen Gesellschafters (BFH)
Die gewerbesteuerrechtliche
Hinzurechnung von Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters nach
§ 8 Nr. 3
GewStG 2000 fällt unter die auch für Drittstaaten geltende
Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft –
EGV (heute Art. 63 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -
AEUV). Die Anwendbarkeit
der Standstill-Klausel des
Art. 57 Abs. 1
EGV (heute
Art. 64 Abs. 1
AEUV) wird grundsätzlich nicht durch Ausführungen eines
Schreibens einer Oberfinanzdirektion über eine zugunsten von Steuerpflichtigen
nur eingeschränkte Anwendung einer Norm beeinflusst (;
veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob der Gewinnanteil eines in einem Drittstaat ansässigen stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 3 GewStG in der im Streitjahr 2000 geltenden Fassung (GewStG a.F.) dem Gewerbeertrag der Klägerin im Jahr 2000 hinzuzurechnen ist: Die in den USA ansässige Y-Corp. war sowohl Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin, einer inländischen Kapitalgesellschaft, als auch deren stille Gesellschafterin. Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags der Klägerin für das Jahr 2000 wurde der an die Y-Corp. als stille Gesellschafterin gezahlte Gewinnanteil erklärungsgemäß hinzugerechnet.
Während einer anschließenden Außenprüfung beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf eine , den Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung auszunehmen.
Die Prüfer vertraten die Ansicht, dass für DBA-Staaten bei außerhalb der EU/EWG-Gebiete ansässigen stillen Gesellschaftern die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 3 GewStG a.F. weiterhin zu erfolgen habe. Nach erneuter Abstimmung auf Bundesebene sei die bisherige Verwaltungsanweisung durch einen Erlass vom geändert worden.
In dem nach Abschluss der Außenprüfung erlassenen geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid hielt das Finanzamt an der Hinzurechnung des Gewinnanteils der stillen Gesellschafterin fest. Die Klägerin wandte dagegen ein, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sowie gegen den Freundschaftsvertrag Deutschland/USA, das WTO-Übereinkommen/GATS und das DBA USA 1989 verstoße.
Die erhobene Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen (; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.9.2021).
Die Richter des BFH hoben das FG-Urteil auf und verwiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück:
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn ein Beteiligter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Kenntnis von dem Inhalt eines gerichtlichen Aufklärungsschreibens erlangt, das zu einer Frage ergangen ist, auf die das Gericht im Urteil entscheidungserheblich abstellt. Dies gilt auch dann, wenn die Äußerungen eines anderen Beteiligten Anlass gegeben hätten, zu dem betreffenden Thema vorzutragen.
Das FG hat im vorliegenden Fall den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Indem die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Kenntnis von dem Aufklärungsschreiben des FG bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen einer gewerbesteuerlichen Organschaft erhalten hat, ist diese Informationspflicht und damit auch der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 hat das FG im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 sieht vor, dass - sofern nicht Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 4 oder Art. 12 Abs. 4 DBA-USA 1989 anzuwenden sind - Zinsen, Lizenzgebühren und andere Entgelte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne dieses Unternehmens unter den gleichen Bedingungen wie Zahlungen an eine im erstgenannten Staat ansässige Person zum Abzug zuzulassen sind.
Der Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin Y-Corp. stellt bereits keine "Zinsen, Lizenzgebühren oder andere Entgelte" im Sinne des Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 dar. Der Begriff "andere Entgelte" ist im DBA-USA 1989 nicht definiert und daher auszulegen. Hierfür ist nicht ein etwaiges nationales Begriffsverständnis maßgebend, sondern eine abkommensautonome Auslegung. Der Begriff "andere Entgelte" in Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 umfasst nicht die Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters.
Die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 3 GewStG a.F. fällt unter die auch für Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EGV (heute Art. 63 AEUV). Die Anwendbarkeit der Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV (heute Art. 64 Abs. 1 AEUV) wird grundsätzlich nicht durch Ausführungen eines Schreibens einer Oberfinanzdirektion über eine zugunsten von Steuerpflichtigen nur eingeschränkte Anwendung einer Norm beeinflusst.
Aufgrund des Verfahrensmangels war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang der Klägerin Gelegenheit geben, zum Aufklärungsschreiben Stellung zu nehmen, und diesen Vortrag sowie etwaige Ergebnisse einer weiteren Sachaufklärung im Hinblick auf die Voraussetzungen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Nr. 1 bis 3 KStG würdigen.
Quelle: ; NWB Datenbank (lb)
Fundstelle(n):
DAAAJ-94582