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NWB Nr. 27 vom Seite 1825

Betriebsstätte kein (DBA-)Arbeitgeber

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, M.I.Tax, Bonn | Herausgeber des Stichwort-Fachkommentars Hilbert/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

Dienstreisen zum deutschen Stammhaus

Zugegeben, einfach zu lesen ist das BFH-Urteil VI R 25/22 vom mit seinen zahlreichen Verweisen auf DBA-Normen, Literatur und Rechtsprechung nicht. Gerade deswegen sowie aufgrund seiner dezidierten Auseinandersetzung mit der Frage nach möglicher Arbeitgebereigenschaft einer Betriebsstätte im Abkommensrecht ist es jedoch eine wahre „Fundgrube“ zum Verständnis der steuerlichen Systematik bei grenzüberschreitender Arbeitnehmertätigkeit. Es ging um den Fall einer in Deutschland ansässigen SE mit zahlreichen Zweigniederlassungen im Ausland. Die bei diesen tätigen und auch im jeweiligen Beschäftigungsstaat wohnhaften Mitarbeiter sind zivilrechtlich bei der SE angestellt. In unregelmäßigen Abständen kommen sie für kurzfristige Dienstreisen ins Inland. Die Reisen liegen im Interesse der jeweiligen Auslandsniederlassung, welche neben der kompletten Tätigkeitsvergütung zudem die Reisekosten trägt. Die mit der Arbeitnehmertätigkeit verbundenen gesamten Kosten erfasst die jeweilige Niederlassung in ihrer Buchführung; das Stammhaus erstattet sie nicht. Die Gesellschaft wollte mit ihrer Klage erreichen, auf die Vergütungsanteile für Inlandsreisen der bei ausländischen Betriebsstätten in DBA-Vertragsstaaten beschäftigten Arbeitnehmer keine Lohnsteuer einbehalten und abführen zu müssen.

Aspekte des nationalen (Lohn-)Steuer(verfahrens)rechts wie etwa beschränkte Steuerpflicht für die Tätigkeit oder die Eigenschaft als inländische Arbeitgeberin waren indes unstreitig. Infrage stand vielmehr, ob Deutschland für die anteiligen Tätigkeitsvergütungen auf Abkommensebene eine Besteuerungsbefugnis zukommt, was der BFH in Übereinstimmung mit den Positionen von Finanzverwaltung und Vorinstanz bejahte. Beschränkt werden kann das grundsätzlich im DBA-Recht geltende Tätigkeitsortsprinzip durch die sog. 183-Tage-Regelung (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA). Dazu müssen deren drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Gestritten wurde hier um Buchst. b, nach dem Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden müssen, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist. Greifen könnte dies in der beschriebenen Konstellation nur, wenn man die ausländischen Betriebsstätten als Arbeitgeber ansieht. Als unselbständiger Teil des Unternehmens kann einer Zweigniederlassung diese Funktion aber nicht zukommen (z. B. Hilbert, Intertax 2011 S. 417, 423). Das gilt ebenso, wenn man – in abkommensorientierter Weise – nicht auf den zivilrechtlichen, sondern auf den wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff abstellt. Letztlich bleibt es ein- und dasselbe Unternehmen, das den Arbeitslohn über die Betriebsstätte wirtschaftlich trägt.

Nach dem gegebenen DBA-Gefüge konnte der BFH nicht anders entscheiden. Im Urteil wird ferner auf den AOA sowie EU- und EWR-rechtliche Punkte eingegangen. Angerissen ist zudem die Frage, ob das Abkommensrecht eine Korrespondenz von Ausgabenabzug und Lohnbesteuerung fordert. Der Wortlaut gibt dies nicht vor. Die Lösung zeigt denn wohl auch eher in die Richtung, dass der 183-Tage-Regel administrative Erwägungen zugrunde liegen: Für kurze Aufenthalte im Einsatzstaat soll eine dortige Versteuerung vermieden werden, wenn es an einer Anknüpfung zum Besteuerungszugriff fehlt.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 1825
QAAAJ-94193