Instanzenzug: LG Braunschweig Az: 4 KLs 115/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Einziehung einer Armbanduhr, eines Anwartschaftsrechts an einem Fahrzeug und des Wertes von Taterträgen angeordnet. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision gegen den Teilfreispruch des Angeklagten M. und gegen die Bemessung der diesen Angeklagten betreffenden Strafen.
I.
2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
31. Der Angeklagte M. handelte im Jahr 2023 gewerbsmäßig mit Marihuana. Hierbei unterstützte ihn der Angeklagte S. , um mit der hierdurch erzielten Entlohnung seinen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren.
4Am erhielt M. eine Lieferung von 30 Kilogramm Marihuana, das einen Wirkstoffgehalt von jedenfalls 15 % THC aufwies. Die Lieferung verkaufte er in der Folgezeit auch unter Einbindung des Mitangeklagten S. gewinnbringend für 64.000 Euro weiter. S. lieferte am 25. und in B. bzw. S. jeweils zehn Kilogramm aus der Gesamtmenge an Abnehmer aus und übergab anschließend M. in dessen Fahrzeug auf einem Tankstellengelände die erzielten Verkaufserlöse. Für seine Unterstützung erhielt S. insgesamt 2.000 Euro (Fall III.2 der Urteilsgründe).
5Eine am erhaltene Lieferung von 25 Kilogramm Marihuana veräußerte der Angeklagte M. in der Folgezeit gewinnbringend weiter. Das Marihuana war von unterschiedlicher Qualität: 15 Kilogramm wiesen einen Wirkstoffgehalt von 15 % THC auf, die übrigen zehn Kilogramm lediglich einen solchen von 10 % THC. Der Angeklagte erzielte einen Verkaufserlös in Höhe von insgesamt 85.750 Euro (Fall III.3 der Urteilsgründe).
6Am brachte der Angeklagte S. dem Angeklagten M. eine für diesen bestimmte Lieferung von etwa 70 Kilogramm Marihuana, das einen Wirkstoffgehalt von etwa 12.000 Gramm THC aufwies, in dessen B. er Bunkerwohnung und erhielt hierfür 1.000 Euro. M. wollte 20 Kilogramm selbst gewinnbringend weiterverkaufen; im Übrigen war das Marihuana für den Weiterverkauf durch den Lieferanten und zur Übergabe an Dritte bestimmt. Die Angeklagten wurden dabei observiert und festgenommen; das Marihuana wurde sichergestellt (Fall III.4 der Urteilsgründe).
72. Das Landgericht hat die Handlungen des Angeklagten M. rechtlich als Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen bewertet (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG). Die Unterstützungshandlungen des Angeklagten S. hat es als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen gewertet (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) und seiner rechtlichen Würdigung jeweils einen Grenzwert der nicht geringen Menge von 40 Gramm THC zugrunde gelegt. Im Rahmen der Strafzumessung hat es zu Lasten des Angeklagten M. die jeweils erhebliche Überschreitung des Grenzwertes zur nicht geringen Menge bewertet. Strafmildernd hat es insbesondere die erlittene Untersuchungshaft, die getroffenen Einziehungsanordnungen sowie darüber hinaus berücksichtigt, dass die Taten unter laufender polizeilicher Beobachtung begangen wurden und der Angeklagte auf sämtliche Asservate verzichtet hat.
II.
8Das Rechtsmittel des Angeklagten M. hat teilweise Erfolg. Die auf die Sachrüge hin gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben. Hingegen hält die Einziehungsentscheidung teilweise rechtlicher Nachprüfung nicht stand, was die Aufhebung der Einzelstrafen und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich zieht.
91. Die Einziehung des Anwartschaftsrechts an dem als Tatmittel eingesetzten Pkw Porsche ist nicht tragfähig begründet und deshalb aufzuheben.
10a) Nach § 74 Abs. 1 StGB können Tatmittel eingezogen werden. Den Urteilsgründen muss jedenfalls bei höherwertigen Gegenständen grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 452/18, Rn. 5; vom – 3 StR 128/22, Rn. 4; vom – 6 StR 276/23, Rn. 53; vom – 3 StR 368/24, StraFo 2025, 25, 26).
11b) Hieran fehlt es. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei belegt, dass der Angeklagte zur Tatbegehung das Fahrzeug des Herstellers Porsche eingesetzt hat; dieses stand im Sicherungseigentum der finanzierenden Bank. Es lässt sich den Urteilsgründen aber keine Ermessensausübung entnehmen. Allein der Hinweis auf § 74 StGB als Rechtsgrundlage lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht dessen bewusst war und sein Ermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß § 74f StGB ausgeübt hat (vgl. , wistra 2022, 253). Das Ergebnis der Ermessensbetätigung versteht sich mit Blick auf die konkret festgestellten Tatumstände auch nicht von selbst (vgl. , Rn. 11).
12c) Der Senat hebt diese Einziehungsanordnung auf. Es ist nicht auszuschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass die Strafkammer bei einer Ermessensausübung mit Blick auf den – bislang nicht festgestellten – Wert des Anwartschaftsrechts und eingedenk der erheblichen Verschuldung des Angeklagten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen, können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende Feststellungen, insbesondere zum Wert des Anwartschaftsrechts, ergänzt werden.
132. Dies zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich. Die Einziehung von Tatmitteln nach § 74 StGB gegen Tatbeteiligte hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (st. Rspr.; vgl. , Rn. 11 mwN; zu § 40 StGB aF vgl. bereits , BGHSt 16, 47, 48). Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies deshalb als ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege der Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. , Rn. 18; Beschluss vom – 4 StR 525/19, Rn. 3 mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass es einen berücksichtigungsfähigen Wert aufwies und die Strafkammer bei Beachtung der dargelegten Grundsätze zu milderen Strafen gelangt wäre.
III.
14Die Revision des Angeklagten S. führt zu einer Änderung des Schuldspruchs sowie zur teilweisen Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen zeigt sie Rechtsfehler zu seinem Nachteil nicht auf.
151. Die dem Schuldspruch zugrundeliegende konkurrenzrechtliche Bewertung der beiden im Fall III.2 der Urteilsgründe festgestellten Beihilfehandlungen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16a) Nach den Feststellungen übergab der Angeklagte S. im Rahmen von Verkaufsgeschäften des Angeklagten M. und auf dessen Geheiß am in B. und am Folgetag in S. jeweils zehn Kilogramm Marihuana. Diese stammten jeweils aus einer von M. zuvor zum gewinnbringenden Verkauf erworbenen Gesamtmenge.
17b) Entgegen der Annahme des Landgerichts sind diese Auslieferungsfahrten nicht als eigenständige materielle Beihilfetaten anzusehen. Zwar ist die Frage der Konkurrenzen grundsätzlich für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 61/23, Rn. 6; vom – 6 StR 427/22, Rn. 4; vom – 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 27 Rn. 34, jeweils mwN), weil sich das Unrecht des Gehilfen nur aus dem Unrecht der Rechtsgutsverletzung der einmalig begangenen Haupttat ableiten lässt (vgl. , NStZ 1999, 513, 514).
18c) Der Senat hat den Schuldspruch deshalb wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. Dem steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
192. Der Strafausspruch hat überwiegend keinen Bestand.
20a) Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der im Fall III.2 (Auslieferungsfahrt S. ) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von zehn Monaten. Die für die weitere Auslieferungsfahrt verhängte Strafe hat hingegen Bestand.
21b) Bei der Strafbemessung im Fall III.4 der Urteilsgründe hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass das bei den Angeklagten aufgefundene Cannabis sichergestellt wurde und nicht in den Verkehr gelangt ist. Die Sicherstellung von Betäubungsmitteln erweist sich indes ebenso wie die von Cannabis als ein bestimmender Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist und demzufolge in den Urteilsgründen angeführt werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 128/22, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 47; vom – 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146, 147; vom – 4 StR 62/23, Rn. 2; Patzak/Fabricius, KCanG, 11. Aufl., § 34 Rn. 19; differenzierend hingegen , Rn. 4).
Dies gilt auch für den Teilnehmer (vgl. , Rn. 3). Der Senat kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).
22c) Der Wegfall der beiden Einzelstrafen (Fälle III.2 – Auslieferungsfahrt S. – und III.4 der Urteilsgründe) entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
233. Die angeordnete Unterbringung des Angeklagten S. in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Die Urteilsgründe belegen die notwendige Erfolgsaussicht nicht.
24a) Nach § 64 Satz 2 StGB darf die Maßregel nur angeordnet werden, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist, den Untergebrachten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen. Die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose sollten durch die Neufassung im Sinne einer hierfür bestehenden Wahrscheinlichkeit höheren Grades moderat angehoben werden (vgl. BR-Drucks. 687/22 S. 79; BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 59/24, Rn. 6; vom – 4 StR 47/24, Rn. 4). Die Beurteilung einer derartigen Erfolgsaussicht ist im Rahmen einer richterlichen Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonst maßgeblichen, also prognosegünstigen und -ungünstigen Umstände vorzunehmen (vgl. BR-Drucks. 687/22, S. 79; siehe bereits zu § 64 StGB aF BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 28/22, NStZ-RR 2022, 240; vom – 4 StR 347/22, NStZ-RR 2023, 41; vom – 4 StR 144/23, Rn. 13). Dem genügt die vom Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen „noch“ angenommene hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung nicht. Vielmehr lässt die vom Landgericht ersichtlich für ausreichend angesehene „Wahrscheinlichkeit“ einer erfolgreichen Behandlung im Maßregelvollzug besorgen, dass es seine Entscheidung an der bis zum geltenden Gesetzesfassung gemessen hat.
25b) Auch die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung; die zugrundeliegenden Feststellungen haben Bestand und können durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
IV.
26Die zu Ungunsten des Angeklagten M. geführte – vom Generalbundesanwalt lediglich im Hinblick auf die Sachrüge vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.
271. Die Beschwerdeführerin hat ihr Rechtsmittel ausdrücklich auf den Teilfreispruch und auf den Strafausspruch beschränkt. Diese Beschränkung ist indes nicht im vollen Umfang wirksam. Ihr steht eine Wechselwirkung zwischen Strafausspruch und der getroffenen Einziehungsentscheidung jedenfalls insoweit entgegen, als diese auch die Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 StGB umfasst. Diese hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (st. Rspr.; vgl. , Rn. 11 mwN; , BGHSt 16, 47, 48), die als bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege der Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. , Rn. 18; Beschluss vom – 4 StR 525/19, Rn. 3 mwN). Auch dieser Ausspruch ist daher vom Rechtsmittelangriff umfasst (vgl. , Rn. 7; MüKo-StPO/Quentin, 2. Aufl., § 318 Rn. 68).
282. Soweit sich die Revision gegen den Teilfreispruch des Angeklagten M. wendet, bleibt sie ohne Erfolg.
29a) Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
30aa) Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten M. neben den abgeurteilten Taten zur Last, unter dem Nutzernamen „g. “ in vier weiteren Fällen über die „Kommunikationsplattform ‚EncroChat‘“ mit Cannabis in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG). Die Anklage wurde unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Tatverdacht hinsichtlich dieser Handelsgeschäfte beruhte ausschließlich auf EncroChat-Daten.
31Die Hauptverhandlung wurde in der Zeit vom bis durchgeführt. Der Angeklagte hat sich zu diesen Tatvorwürfen nicht eingelassen. Die Strafkammer hat als Zeugen unter anderem den Arbeitgeber des Angeklagten vernommen, dessen Angaben den Schluss darauf zuließen, dass der Angeklagte Nutzer des EncroChat-Accounts „g. “ war. Feststellungen zu den hierüber getätigten Handelsgeschäften mit Cannabis habe sie hingegen mit diesen Zeugen nicht zu treffen vermocht. Die EncroChat-Daten hat die Strafkammer im Wege des Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 StPO) zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.
32Das Landgericht hat sich indes aus Rechtsgründen an einer Verwertung dieser Erkenntnisse gehindert gesehen. Danach seien EncroChat-Daten nur verwertbar, wenn diese entsprechend § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO der Aufklärung einer Straftat dienten, für die eine Anordnung nach § 100b StPO hätte ergehen können (vgl. , BGHSt 67, 29). Nach Inkrafttreten des KCanG seien die Tathandlungen des Angeklagten jeweils als Vergehen des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG zu bewerten; eine Straftat vom Gewicht der Katalogtaten des § 100b Abs. 2 StPO sei deshalb nicht mehr gegeben.
33Die Staatsanwaltschaft erblickt in der unterbliebenen Verwertung der EncroChat-Daten einen Verstoß gegen § 261 StPO. Dass die angeklagten Taten keine Katalogtaten nach § 100e Abs. 6 Nr. 1 i.V.m. § 100b Abs. 2 StPO darstellten, begründe auch unter Anwendung der rechtlichen Maßgaben des Bundesgerichtshofs nicht zwingend die Unverwertbarkeit der „aufgrund von Maßnahmen französischer Behörden gewonnenen Daten“. Unter Hinweis auf den vorgenannten Beschluss des 5. Strafsenats führt die Beschwerdeführerin weiter aus, dass der um Rechtshilfe ersuchte Staat eine unbeschränkte Verwendung der von ihm erhobenen und an die Bundesrepublik Deutschland übermittelten Beweisergebnisse gestattet habe. Da § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar sei, könne daraus nicht geschlossen werden, dass eine Verwertbarkeit bei Nicht-Katalogtaten des § 100b StPO stets ausscheide; von Bedeutung sei vielmehr der Kernbereichsschutz und eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung.
34bb) Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Rüge, das Landgericht habe die im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten EncroChat-Daten zu Unrecht als unverwertbar angesehen und deshalb § 261 StPO verletzt (Ausschöpfungsrüge), ist unzulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
35(1) Hiernach sind bei Verfahrensrügen die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr.; vgl. nur , BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Anforderungen 1 mwN; Urteil vom – 1 StR 604/17, StV 2019, 808, 810). Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 247/18, NStZ-RR 2019, 157; vom – 4 StR 93/22, NStZ 2023, 443, 444 mwN). Die Erhebung einer zulässigen Rüge nach § 261 StPO setzt zunächst voraus, dass der Beschwerdeführer mitteilt, wann und in welcher Form die von ihm konkret zu bezeichnenden Beweistatsachen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 368/22, NStZ 2024, 503; vom – 5 StR 202/24, Rn. 3). Hält das Tatgericht, nachdem es die Beweistatsachen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht hat, eine Verwertung aus Rechtsgründen für unzulässig, hat der Beschwerdeführer grundsätzlich auch die Tatsachen vollständig vorzutragen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung dieser tatgerichtlichen Bewertung eröffnen.
36(2) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft nicht. Zwar trägt die Beschwerdeführerin im Ausgangspunkt zutreffend Verfahrenstatsachen vor, die belegen, dass in Frankreich erhobene EncroChat-Daten zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden. Sie bleibt aber einen Vortrag dazu schuldig, auf welche Weise, etwa im Wege der Rechtshilfe, diese Daten den deutschen Strafverfolgungsbehörden übermittelt wurden. Erst auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht die Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden im hier notwendigen Umfang beurteilen und gegebenenfalls weitergehend mit Blick auf die gebotene strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheiden, ob die Beweiserkenntnisse auch zum Nachweis von Vergehen nach § 34 Abs. 3 KCanG verwertbar waren (vgl. zur Aufklärungsrüge , NStZ 2011, 471; vom – 2 StR 131/18, NStZ 2019, 107).
37Von einer Darstellung der vorgenannten Verfahrenstatsachen war die Beschwerdeführerin auch nicht mit Blick auf die erkennbare Bezugnahme auf die Grundsatzentscheidung des 5. Strafsenats (Beschluss vom , aaO) entbunden. Da der zur Beurteilung der Zulässigkeit erforderliche Sachverhalt eigenständig vorzutragen und eine Bezugnahme auf Schriftsätze anderer Verfahrensbeteiligter oder Aktenbestandteile nicht ausreichend ist (vgl. , NStZ-RR 2018, 153), genügt den Vortragsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erst recht kein Verweis auf Tatsachenvortrag in gänzlich anderen Verfahren (vgl. , Rn. 4).
38b) Der Teilfreispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
39aa) Die Urteilsgründe genügen den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden formellen Anforderungen an ein freisprechendes Urteil (vgl. , NStZ 2021, 121, 122). Das Landgericht hat den Anklagevorwurf dargestellt und in nachvollziehbarer Weise mitgeteilt, dass verwertbare Beweise zum Beleg des Tatvorwurfs nicht vorgelegen haben.
40bb) Das Urteil genügt auch den sachlich-rechtlichen Anforderungen an einen Freispruch. Eine Prüfung, ob die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts die Annahme eines Beweisverwertungsverbots und die deswegen unterbliebene weitere Beweiserhebung rechtfertigen, ist dem Senat auf die hier allein zulässig erhobene Sachrüge nicht eröffnet (vgl. , Rn. 14; vom – 6 StR 340/21, Rn. 19; vom – 2 StR 131/18, NStZ 2019, 107, 108; Beschluss vom – 1 StR 60/11, StV 2012, 134; vgl. , NStZ 2025, 25, 27; Schmidt, NStZ 2022, 595, 598; Ventzke, NStZ 2019, 171).
413. Hingegen hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende sachlich-rechtliche Überprüfung den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler im Strafausspruch ergeben; darüber hinaus hat sie aus den im Rahmen der Angeklagtenrevision dargelegten Gründen den Angeklagten benachteiligende Rechtsfehler im Straf- und Maßregelausspruch sowie im Ausspruch über die Einziehung von Tatmitteln ergeben (§ 301 StPO).
42a) Die Strafbemessung begegnet – auch eingedenk des begrenzten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. ; vom – 5 StR 545/20, Rn. 7; vom – 5 StR 276/24, Rn. 23 mwN) – in mehrfacher Hinsicht sachlich-rechtlichen Bedenken.
43aa) Das Landgericht hat seiner Strafrahmenbestimmung und der Strafzumessung im engeren Sinne einen zu niedrigen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten zugrunde gelegt. Den Grenzwert der nicht geringen Menge von Cannabis im Sinne von § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG hat es – kurz nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes am (BGBl. I Nr. 109) – mit 40 Gramm bestimmt. Dieser liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indes bei 7,5 Gramm THC (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968, 1969; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom – 6 StR 124/24; vom – 4 StR 5/24, NStZ-RR 2024, 249, 250; vom – 3 StR 154/24, Rn. 8; vom – 2 StR 95/24, Rn. 10).
44bb) Ferner hat es bei der Strafzumessung dem Angeklagten rechtsfehlerhaft die Einziehung einer „teuren Armbanduhr“ und des Wertes von Taterträgen „in erheblicher Höhe“ zugute gebracht. Die Anordnung von Maßnahmen nach § 73 Abs.1, § 73c Satz 1 StGB ist aber, weil sie allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung dient, regelmäßig kein Strafmilderungsgrund (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 537/19, Rn. 12; vom ‒ 3 StR 184/20, Rn. 11).
45cc) Die Beschwerdeführerin beanstandet überdies zu Recht die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft. Aufgrund der obligatorischen Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB ist sie für die Strafzumessung in aller Regel ohne Bedeutung (vgl. ; vom – 4 StR 298/22; vom – 5 StR 401/24, Rn. 14). Eine strafmildernde Berücksichtigung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Haftvollzugs hinzutreten oder eine gesteigerte Haftempfindlichkeit durch die Urteilsgründe belegt wird (vgl. ; Urteil vom – 5 StR 104/24, Rn. 39). Ein solcher Fall ist hier nicht festgestellt. Die pauschalen Hinweise auf eine „ärztlich attestierte Bandscheibenproblematik“ und einen „Bandscheibenvorfall“ belegen eine solche ohne nähere Angaben zur Dauer der Erkrankung, ihren Symptomen und dadurch bedingten besonderen Hafterschwernissen nicht. Dies gilt erst recht mit Blick auf die regelmäßig bestehende ärztliche Versorgung in Untersuchungshaftvollzugsanstalten.
46dd) Schließlich erweist sich die zugunsten des Angeklagten berücksichtigte Erwägung als rechtsfehlerhaft, „dass die Taten unter polizeilicher Beobachtung“ begangen wurden.
47(1) Zwar kann eine engmaschige und lückenlose polizeiliche Überwachung eines Betäubungsmittelgeschäfts ein Strafmilderungsgrund sein, dem ‒ über den strafmildernden Umstand der Sicherstellung der Betäubungsmittel hinaus ‒ ein eigenständiges Gewicht zukommt. Dies setzt aber voraus, dass diese Maßnahme so beschaffen war, dass sie einem In-Verkehr-Gelangen der Betäubungsmittel bereits vor deren späterer Sicherstellung wirksam entgegensteht (vgl. ‒ 3 StR 412/22, Rn. 25; vom ‒ 2 StR 127/22, NStZ 2023, 340; vom ‒ 5 StR 9/22, Rn. 14; vom ‒ 1 StR 209/19, NStZ 2020, 231). Daran fehlt es, wenn die Betäubungsmittel trotz polizeilicher Überwachung in den Verkehr gelangt sind (vgl. , Rn. 3).
48(2) Gemessen hieran bestand vor dem Hintergrund der Feststellungen kein Anlass, die Überwachungsmaßnahmen strafmildernd zu berücksichtigen. In den Fällen III.2 und 3 der Urteilsgründe ist das Cannabis in den Verkehr gelangt. Hinsichtlich Fall III.4 der Urteilsgründe belegen die Urteilsgründe allein für den Zeitpunkt unmittelbar vor der Festnahme und Sicherstellung des Cannabis eine Zugriffsmöglichkeit der Ermittlungsbehörden, nicht jedoch für die Fahrt des Angeklagten S. zuvor. Die damit vom Landgericht ersichtlich erwogene Möglichkeit eines Einschreitens der Ermittlungsbehörden ist damit weder belegt noch für sich genommen ausreichend, um einen Strafmilderungsgrund zu begründen (vgl. , NJW 2022, 1826, 1827; vom – 5 StR 9/22, vom – 5 StR 122/23).
49ee) Schließlich hält die strafmildernde Berücksichtigung des vom Angeklagten erklärten Verzichts auf die Rückgabe sichergestellter Gegenstände sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe belegen nicht, auf welche Gegenstände sich die Erklärung bezog, sodass dem Senat die Nachprüfung verschlossen ist, ob es sich um eine – die Strafmilderung begründende – freiwillige Leistung des Angeklagten handelte (vgl. , NStZ-RR 2020, 168).
50b) Der Senat kann ein Beruhen der Einzelstrafen auf diesen Rechtsfehlern nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Die zugehörigen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen; sie können bestehen bleiben und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Bartel Feilcke Tiemann
Wenske Fritsche
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:050225U6STR406.24.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-93934