Nichtannahme zweier Verfassungsbeschwerden ohne weitere Begründung - Prüfung der ordnungsgemäßen Kammerbesetzung - Verwerfung offensichtlich unzulässiger Ablehnungsgesuche
Gesetze: § 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 93d Abs 1 S 3 BVerfGG
Instanzenzug: Az: RiSt 1/21 Beschlussvorgehend Az: RiSt 1/21 Beschlussvorgehend Az: RiSt 1/21 Beschlussvorgehend Az: RiSt 1/21 Beschlussvorgehend Az: RiSt 1/21 Urteil
Gründe
1 1. Die Kammer entscheidet in ihrer regelmäßigen planmäßigen Besetzung.
2 a) Auf die sinngemäßen Besetzungsrügen der Beschwerdeführerin ist festzustellen, dass die 1. Kammer des Zweiten Senats ordnungsgemäß besetzt ist.
3 aa) Die Kammer hat ihre ordnungsgemäße Besetzung zur Wahrung des Anspruchs aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG von Amts wegen zu prüfen, soweit Anlass hierzu besteht (vgl. BVerfGE 65, 152 <154>; 131, 230 <233>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvC 32/19 -, Rn. 3; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 3/21 -, juris, Rn. 2). Richter Wöckel ist vorliegend von der Teilnahme an der Prüfung nicht ausgeschlossen. Zwar erfolgt die Feststellung der richtigen Besetzung eines erkennenden Gerichts regelmäßig ohne Beteiligung des Richters, dessen Berechtigung zur Mitwirkung zweifelhaft erscheint (vgl. BVerfGE 82, 286 <298>; 131, 230 <233>). Ausnahmsweise ist dies jedoch - ebenso wie bei der Entscheidung über offensichtlich unzulässige oder missbräuchliche Ablehnungsgesuche nach § 19 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 11, 1 <3>; 131, 239 <252 f.>; 142, 1 <4 Rn. 12>) - nicht der Fall, wenn eine Besetzungsrüge von vornherein offensichtlich ungeeignet ist, Zweifel an der Besetzung des Gerichts zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvC 32/19 -, Rn. 3).
4 bb) So verhält es sich hier. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht ansatzweise ernsthafte Zweifel an der ordnungsgemäßen Kammerbesetzung auf. Ihr Vorbringen, die geschäftsplanmäßige Bestimmung von Richter Wöckel zum Mitglied der 1. Kammer des Zweiten Senats und zum Berichterstatter für das öffentliche Dienstrecht sei offenbar willkürlich erfolgt, um von ihr gegen die Richterin Fetzer und den Richter Maidowski angebrachten Ablehnungsgesuchen sowie in diesem Kontext geltend gemachten Auskunftsbegehren die Grundlage zu entziehen und Verfahrensversäumnisse des Gerichts in den von ihr angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 909/22 und 2 BvR 1459/22 zu verschleiern, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Gleiches gilt für ihr weiteres Vorbringen, es erscheine naheliegend, dass die Bestellung des Richters Wöckel zum Berichterstatter erfolgt sei, damit er zum Schutz des früheren Präsidenten des Bundesfinanzhofs und vormaligen Richters des Bundesverfassungsgerichts Mellinghoff auf einen für die Beschwerdeführerin negativen Ausgang von ihr anhängig gemachter Verfahren hinwirke.
5 b) Die von der Beschwerdeführerin gegen Vizepräsidentin König, die Richterinnen Langenfeld und Fetzer sowie die Richter Maidowski, Offenloch, Frank und Wöckel gerichteten Ablehnungsgesuche sind offensichtlich unzulässig.
6 aa)Ein Ablehnungsgesuch ist vor allem dann offensichtlich unzulässig, wenn es keine Begründung beziehungsweise lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind (vgl. BVerfGE 131, 239 <252>; 133, 377 <405 Rn. 69>; 152, 53 <54 Rn. 2> - Befangenheit in der Wahlprüfungsbeschwerde; 153, 72 <73 Rn. 2> - Richterablehnung wegen Nominierung durch politische Parteien; 159, 26 <30 Rn. 13> - Äußerungen der Bundeskanzlerin Merkel in Südafrika - Befangenheitsgesuch). Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch bei der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 131, 239 <252>; BVerfGK 8, 59 <60>).
7 Die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 Abs. 1 BVerfGG setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist oder sich selbst für befangen hält. Maßgeblich ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln (vgl. BVerfGE 148, 1 <6 Rn. 17>; 152, 332 <337 Rn. 15> - Befangenheit im Verfahren über die Nichtigkeit der Kinderehe).
8 Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Umstände Anlass zur Sorge geben, dass ein Richter aus persönlichen oder anderen Gründen auf eine bestimmte Rechtsauffassung bereits so festgelegt ist, dass er sich gedanklich nicht mehr lösen kann oder will und entsprechend für Gegenargumente nicht mehr offen ist. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Richter des Bundesverfassungsgerichts über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden. Bei den Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit geht es aber auch darum, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (vgl. BVerfGE 148, 1 <6 Rn. 17>; 152, 332 <337 f. Rn. 15>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2099/21 -, Rn. 2 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 10/22 u.a. -, Rn. 2 ff.).
9 Die Begründungsanforderungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verlangen, dass das Gesuch die Zweifel an der Unvoreingenommenheit für jeden abgelehnten Richter mit Bezug auf das konkrete Verfahren hinreichend substanziiert darlegt. Mit dem Ablehnungsgesuch müssen Tatsachen vorgetragen werden, aufgrund derer Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zumindest möglich erscheinen. Behauptungen "ins Blaue hinein", die durch keine tatsächlichen Umstände unterlegt sind, sondern auf reinen Vermutungen beruhen, begründen die Besorgnis der Befangenheit dagegen nicht (vgl. BVerfGE 159, 26 <30 f. Rn. 14>).
10 bb) Gemessen daran sind die Ablehnungsgesuche offensichtlich unzulässig.
11 (1) Für die gegen die Richterinnen Langenfeld und Fetzer sowie die Richter Maidowski und Offenloch angebrachten Ablehnungsgesuche ergibt sich dies bereits daraus, dass die abgelehnten Richterinnen und Richter nach der Geschäftsverteilung des Senats nicht zur Mitwirkung in diesen Verfahren berufen sind.
12 (2) Die Ablehnungsgesuche gegen Vizepräsidentin König und die Richter Frank und Wöckel stützen sich jeweils auf eine gänzlich unzureichende Begründung.
13 (a) Die Beschwerdeführerin stützt ihr gegen Vizepräsidentin König gerichtetes Ablehnungsgesuch im Kern auf deren Mitwirkung an den Entscheidungen in den von der Beschwerdeführerin angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 909/22 und 2 BvR 1459/22. Allein die Mitwirkung an einer Entscheidung in einem vorausgegangenen Verfassungsbeschwerdeverfahren desselben Beschwerdeführers ist jedoch offensichtlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2691/17 -, Rn. 3; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 137/24 -).
14 Besondere, über die bloße Tatsache der Vorbefassung hinausgehende Umstände, aus denen sich Zweifel an der Unparteilichkeit von Vizepräsidentin König ergeben könnten, hat die Beschwerdeführerin nicht ansatzweise dargelegt. Insbesondere hat die Kammer in den Verfahren 2 BvR 909/22 und 2 BvR 1459/22 die von der Beschwerdeführerin erst nach Abfassung und unmittelbar vor Übersendung der Entscheidungen vom 14. beziehungsweise angebrachten Eingaben mit Ablehnungsgesuchen und weiterem Vortrag nicht unberücksichtigt gelassen. Die Kammer hat vielmehr mit Beschlüssen vom 15. beziehungsweise die Ablehnungsgesuche beschieden und zugleich deutlich gemacht, dass sie auch unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags der Beschwerdeführerin an ihren Entscheidungen festhalte.
15 Auch der Umstand, dass die Kammer die vorbezeichneten Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht mit Rücksicht auf ein von der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe betriebenes, auf Auskunft unter anderem zu einer etwaigen freundschaftlichen Verbindung von Vizepräsidentin König und der Präsidentin des Bundesgerichtshofs gerichtetes einstweiliges Rechtsschutzverfahren ausgesetzt hat, ist zur Begründung einer Besorgnis der Befangenheit von Vizepräsidentin König offensichtlich ungeeignet. Ein gegen eine Gerichtsverwaltung angestrengtes Klage- beziehungsweise Antragsverfahren beschränkt die diesem Gericht angehörenden Richter nicht darin, in Rechtssachen in richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) Verfahren Fortgang zu geben und Entscheidungen zu treffen. Dessen ungeachtet wäre eine von der Beschwerdeführerin in den Raum gestellte freundschaftliche Verbindung zwischen Vizepräsidentin König und der am Ausgangsverfahren nicht beteiligten Präsidentin des Bundesgerichtshofs, selbst wenn sie bestünde, von vornherein offensichtlich ungeeignet, eine Besorgnis der Befangenheit von Vizepräsidentin König zu begründen.
16 Ferner war Vizepräsidentin König nicht verpflichtet, die Beschwerdeführerin vor der Beschlussfassung in den Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 909/22 und 2 BvR 1459/22 über die mitwirkenden Richter zu informieren (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 116/94 -, juris, Rn. 10).
17 Soweit die Beschwerdeführerin eine von Voreingenommenheit geprägte Verfahrensführung in ihren Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 877/16, 2 BvR 2143/19, 2 BvR 1335/21, 2 BvR 2099/21, 2 BvR 10/22 und 2 BvR 11/22 rügt, hat Vizepräsidentin König an diesen Entscheidungen nicht mitgewirkt.
18 (b) Auch das gegen Richter Frank angebrachte Ablehnungsgesuch stützt sich auf eine gänzlich unzureichende Begründung.
19 Allein aus der vorhergehenden Tätigkeit von Richter Frank als Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof lässt sich, auch wenn er in dieser Funktion mit Anträgen der Beschwerdeführerin befasst war, die Besorgnis der Befangenheit nicht ableiten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 965/24 -, juris, Rn. 4). Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, Richter Frank habe während seiner Tätigkeit als Generalbundesanwalt eine von ihr eingereichte Eingabe mit besonderer Eile innerhalb von nur wenigen Tagen bearbeitet und unter Verweis auf seine Unzuständigkeit zurückgewiesen, sind diese Ausführungen zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit ebenfalls evident ungeeignet. Der bloße Verweis auf die Bearbeitungszeit ohne substantiierte Ausführungen zu Inhalt und Ziel der Eingabe sowie den konkreten Gründen für ihre Zurückweisung vermag eine mögliche Voreingenommenheit des Richters Frank gegenüber der Beschwerdeführerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu begründen.
20 Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin als willkürlich und sachfremd empfundenen Verfahrensweise der Bundesanwaltschaft in einem verwaltungsgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren. Soweit sie die Angaben in einem vom Gericht erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss als unzulänglich beanstandet, handelt es sich bereits nicht um ein Richter Frank in seiner damaligen Funktion als Generalsbundesanwalt zurechenbares Verhalten. Ihr Vortrag zu einem "schikanösen" nachgerichtlichen E-Mail-Verkehr mit der Bundesanwaltschaft ist gänzlich unsubstantiiert.
21 Ihr weiteres Vorbringen, Richter Frank sei gezielt mit Blick auf die von ihr angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt worden, erschöpft sich in haltlosen Mutmaßungen und ist daher zur Begründung ihres Ablehnungsgesuchs gleichermaßen gänzlich ungeeignet (vgl. BVerfGE 154, 312 <317 Rn. 16> - Richterablehnung - BVR Müller).
22 (c)Eine Ablehnung von Richter Wöckel vermögen die Ausführungen der Beschwerdeführerin ebenfalls offensichtlich nicht zu begründen. Ihr sinngemäßes Vorbringen, es erscheine naheliegend, dass die Bearbeitung eines weiteren von ihr angestrengten, zunächst dem Ersten Senat zugewiesenen und inzwischen unter dem Aktenzeichen 2 BvR 505/24 beim Zweiten Senat geführten Verfassungsbeschwerdeverfahrens "seitens der damit befassten Angehörigen des Bundesverfassungsgerichts" einschließlich des Präsidenten Harbarth verzögert worden sei, damit es nunmehr von Richter Wöckel bearbeitet werde, der anscheinend gerade zu diesem Zweck und auf Fürsprache von Präsident Harbarth zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt und zum Berichterstatter für das öffentliche Dienstrecht bestellt worden sei, geht über haltlose Mutmaßungen nicht hinaus. Im Übrigen legt die Beschwerdeführerin bereits nicht dar, dass Richter Wöckel möglicherweise nicht objektiv entscheiden könne. Umstände, die auf eine individuelle Voreingenommenheit des Richters hindeuten könnten, trägt sie nicht ansatzweise vor.
23 c) Ein von der Beschwerdeführerin geltend gemachter Ausschließung- oder Ablehnungsgrund der "institutionellen Befangenheit" findet im Gesetz keine Stütze. Sowohl der die gesetzlichen Ausschlussgründe abschließend (vgl. BVerfGE 46, 34 <38>; 131, 239 <253>) normierende § 18 BVerfGG als auch § 19 BVerfGG setzen tatbestandlich Umstände voraus, die in der persönlichen Beziehung eines konkreten Richters zu den Beteiligten oder zu dem jeweiligen Verfahrensgegenstand begründet sind.
24 2. Von einer Begründung der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
25 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250512.2bvr024623
Fundstelle(n):
WAAAJ-92934