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Online-Nachricht - Freitag, 30.05.2025

Umsatzsteuer | Reitunterricht als Freizeitgestaltung (BFH)

Erbringt ein Unternehmer neben Reitunterricht zusätzliche Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung, liegen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig selbständige Hauptleistungen vor. Unterricht im Pferdesport ist kein Schul- oder Hochschulunterricht und dient typischerweise der Freizeitgestaltung. Allerdings kann er in begründeten Ausnahmefällen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung dienen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger begehrte die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der "Ponygruppe" wurden Kinder und Jugendliche, bei "Klassenfahrten" wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet. Zudem wurden Kurse für eine "Große Pferdegruppe" angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden überdies verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof. Das Finanzamt (FA) stellte sich auf den Standpunkt, sämtliche Leistungen seien steuerpflichtig.

Der hiergegen gerichteten Klage wurde teilweise stattgegeben (; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.7.2022). Die Umsätze seien insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben ("Große Pferdegruppe").

Die Richter des BFH gaben der Revision des FA teilweise statt und hoben das FG-Urteil auf:

  • Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. u.a. EuGH, , EU:C:2021:237, Rz 20). Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

  • Ausgehend davon hat das FG zu Recht angenommen, dass wenn ein Unternehmer neben Reitunterricht zusätzliche Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung erbringt, umsatzsteuerrechtlich regelmäßig selbständige Hauptleistungen vorliegen.

  • Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise die Umsätze der Großen Pferdegruppe als steuerfrei angesehen. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sieht eine Steuerfreiheit für die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen vor, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Unterricht im Pferdesport ist kein Schul- oder Hochschulunterricht und dient typischerweise der Freizeitgestaltung. Allerdings kann er in begründeten Ausnahmefällen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung dienen.

  • Das FG hat den Streitfall (nur) in Bezug auf die "Große Pferdegruppe" dahingehend korrekt gewürdigt, dass die Klägerin insoweit eine berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unterhalte, die Leistungen erbringe, die unmittelbar dem Bildungszweck dienten. Die abgehaltenen Kurse seien darauf ausgerichtet, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die es ermöglichten, einen bestimmten Beruf - den Beruf des Turniersportreiters - zu ergreifen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass mit dem Unterricht auf das (erfolgreiche) Ablegen von Leistungsabzeichen vorbereitet worden sei, mit denen wiederum eine sogenannte Jahresturnierlizenz zur Teilnahme an Turniersportprüfungen erworben werden könne. Ohne eine solche Jahresturnierlizenz sei der Einstieg in den Beruf des Turniersportreiters nicht möglich.

  • Die Kurse der "Ponygruppe" und für Schulklassen im Rahmen der "Klassenfahrten" sind daher umsatzsteuerpflichtig.

  • Rechtsfehlerhaft hat das FG allerdings dahin erkannt, dass die Umsätze der Klägerin aus der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung nach § 4 Nr. 23 UStG a.F. steuerfrei sind. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. § 4 Nr. 23 UStG a.F. verlangt in unionsrechtskonformer Auslegung eine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter (Anschluss an das ). Bereits hieran fehlte es. Der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen. Seit dem können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger eben nicht ist.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Die Entscheidung des XI. Senats des BFH reiht sich von den Grundsätzen her in die bisherige neue Rechtsprechung des XI. und V. Senats ein. Die Frage danach, ob vom Grundsatz her Reitunterricht Schulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL darstellt, ist bereits aufgrund von mehreren Entscheidungen des EuGH vorgeprägt. Auch sind die Umsatzsteuersenate des BFH dieser Rechtsprechung gefolgt. Maßgeblich ist danach, ob es - für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnend - um Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen geht (vgl. z.B. , , Rn. 29; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 14.3.2019). Die Steuerbefreiung einer Unterrichtsleistung setzt somit das Vorliegen eines integrierten Systems sowie eines breiten und vielfältigen Spektrums von Stoffen voraus. Nicht erfasst als "spezialisierter" Unterricht sind daher z.B. Fahrschulunterricht, Surf- und Segelunterricht oder Schwimmunterricht (vgl. z.B. , Rz. 23; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 20.2.2025). Daran fehlt es insbesondere bei Unterrichtsformen, die dem Freizeitbereich – wie im Besprechungsfall - zuzuordnen sind.

Eine Ausnahme machte der XI. Senat aber im Besprechungsfall bei der „großen Pferdegruppe“ als dass die Klägerin insoweit eine berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unterhalte, die Leistungen erbringe, die unmittelbar dem Bildungszweck dienten. Die abgehaltenen Kurse seien darauf ausgerichtet, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die es ermöglichten, einen bestimmten Beruf ‑ den Beruf des Turniersportreiters ‑ zu ergreifen.

Es bleibt des Weiteren darauf hinzuweisen, dass zwar auch mit dieser Entscheidung ein spezialisierter Unterricht in der Regel nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreit ist. Aber es wird auch deutlich, dass nach anderen Vorschriften – nationale oder unionsrechtliche Regelungen – eine Befreiung in Betracht kommen kann. Vor allem Pensionspferdehalter mit Unterrichtserteilung sollten dies anhand der vorliegenden Entscheidung genau prüfen. Weitere Befreiungsvorschriften betreffen z.B. Kindererziehung.

Quelle: BFH, Pressemitteilung v. 30.5.2025 und ; NWB Datenbank (lb)

Fundstelle(n):
MAAAJ-92518