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BFH Urteil v. - I R 12-13/21

Missbräuchliche Inanspruchnahme eines abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs

Leitsatz

1. Zur missbräuchlichen Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958/2009 durch eine KGaA, die sich einer wirtschaftlich weitgehend funktionslosen Luxemburger Tochtergesellschaft bedient, mit der sie durch mehrere kurzfristig hintereinandergeschaltete Rechtsakte (Gesellschafterdarlehen, Darlehensverzicht, Gewinnausschüttung) „künstlich“ Dividenden erzeugt.

2. § 15b des Einkommensteuergesetzes (Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen) findet im Bereich der Gewerbesteuer keine Anwendung.

Gesetze: DBA Luxemburg 1958/2009 Art. 20 Abs. 2 Satz 1, 3; AO § 42; GewStG § 7 Satz 1; EStG § 15b;

Instanzenzug: und vom

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit des sogenannten Schachtelprivilegs des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom (BGBl II 1959, 1270, BStBl I 1959, 1023), zuletzt geändert durch das Protokoll vom (BGBl II 2010, 1151, BStBl I 2011, 838) —DBA-Luxemburg 1958/2009— auf Ausschüttungen einer Luxemburger Kapitalgesellschaft an eine inländische KGaA. Streitjahre sind die Jahre 2011 und 2012.

2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KGaA, die am mit einem Grundkapital von . € gegründet wurde. Satzungsmäßiger Geschäftsgegenstand ist die Verwaltung eigenen Vermögens und die Beteiligung an anderen Gesellschaften im In- und Ausland. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist die G-KG, die im September 2011 unter einer anderslautenden Firma gegründet worden war, bevor am der Gründungsgesellschafter ausschied, dessen Kommanditanteil von H übernommen und die Firma in G-KG geändert wurde. Die G-KG, an deren Gewinn und Verlust ausschließlich natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt sind, leistete eine nicht auf das Grundkapital bezogene Sondereinlage, mit der sie zu rund 99,7 % am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt ist. Neben ihrer Stellung als persönlich haftende Gesellschafterin ist die G-KG auch Inhaberin sämtlicher Aktien der Klägerin (. auf den Inhaber lautende Stückaktien zu je . €).

3 Am gründete die Klägerin als alleinige Gesellschafterin die G-SARL, eine mit einer deutschen GmbH vergleichbare Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg). Zum Geschäftsführer der G-SARL wurde der in Luxemburg ansässige . bestellt. Satzungsmäßiges Ziel der Gesellschaft war der Erwerb von Wertpapieren und Finanzinstrumenten in jeglicher Form.

4 Mit Vertrag vom gewährte die Klägerin der G-SARL ein Darlehen über . €. In dem Vertrag heißt es unter anderem:

"Präambel

Der Darlehensgeber ist einziger Gesellschafter des Darlehensnehmers. Um Kapitalanlagen tätigen zu können, stellt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer den oben genannten Darlehensbetrag zur Verfügung.

.

§ 1 Darlehensauszahlung, Verwendungszweck

.

(2) Der Darlehensnehmer darf den Darlehensbetrag ausschließlich dazu verwenden, um in Kapitalprodukte zu investieren, die er vorher mit dem Darlehensgeber abgestimmt hat.

.

§ 2 Zinssatz

Der Zinssatz beträgt 0% p.a.

§ 3 Vertragsdauer, Zins- und Tilgungszahlungen

(1) Der Darlehensvertrag ist auf unbestimmte Dauer geschlossen.

.“.

5 Zusätzlich zu diesem Darlehensvertrag wurde am gleichen Tag () ein Addendum zwischen der Klägerin und der G-SARL geschlossen. Dort heißt es wie folgt:

"Ziel der beabsichtigten Kapitalüberlassung ist es, dem Darlehensnehmer langfristig Kapital für rentierliche Kapitalanlagen zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck war ursprünglich mündlich vereinbart/zugesagt worden, das Kapital in Form von Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Aus verschiedenen Gründen soll das Kapital jedoch zunächst in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden. Um den wirtschaftlichen Charakter der Kapitalüberlassung als Eigenkapital zu gewährleisten, vereinbaren die Parteien ergänzend/abändernd was folgt:

1. Der Darlehensgeber verzichtet auf sein Kündigungsrecht nach § 4 des Darlehensvertrages.

2. Der Darlehensgeber sichert dem Darlehensnehmer zu, zeitnah auf die Darlehens- und auch auf die bis dahin aufgelaufene Zinsforderung zu verzichten.

3. Das Abstimmungserfordernis nach § 1 Abs. (2) und (3) wird dahingehend präzisiert, dass es nur für Kapitalanlagen gilt, bei denen das Verlustrisiko nicht auf 10% des Anlagevolumens begrenzt werden kann.“

6 Am überwies die Klägerin . € und am weitere . € an die G-SARL. Mit Erlassvertrag vom verzichtete die Klägerin gegenüber der G-SARL auf die Rückzahlung dieses Darlehens.

7 Mit Darlehensvertrag vom , welcher im Wortlaut identisch mit dem Darlehensvertrag vom ist, gewährte die Klägerin der G-SARL ein weiteres Darlehen über . €. Ebenfalls am vereinbarten die Vertragsparteien ein Addendum zum Darlehensvertrag entsprechend der Vereinbarung vom .

8 Am überwies die Klägerin . € und am weitere . € an die G-SARL. Mit Erlassvertrag vom verzichtete die Klägerin auf die Rückzahlung auch dieses Darlehens.

9 Das Kapital für die Darlehensbeträge stammte jeweils aus Sondereinlagen der Kommanditisten der G-KG. Diesen waren von H jeweils Investitionsvorschläge unterbreitet worden, welche sie durch eine vorformulierte Investitionserklärung unter Eintragung eines Einlagebetrags annehmen oder die sie ablehnen konnten.

10 Mit dem Verzicht auf die Darlehensforderungen buchte die Klägerin jeweils den ursprünglichen Forderungsbetrag gegenüber der G-SARL auf die Anschaffungskosten der Beteiligung um. Hierdurch erhöhten sich die ursprünglichen Anschaffungskosten um . € (2011) und . € (2012).

11 Die G-SARL löste die Verbindlichkeiten in beiden Jahren auf und erfasste die Beträge in ihrer Handelsbilanz jeweils als Ertrag. Sie erstellte auf den eine Zwischenbilanz, aus der sich ein Jahresüberschuss in Höhe von . € ergab. Auf der Grundlage dieser Zwischenbilanz schüttete sie per Gesellschafterbeschluss vom am den Betrag von . € an die Klägerin aus. Auf den erstellte die G-SARL eine Zwischenbilanz, die einen Jahresüberschuss von . € aufwies. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom schüttete sie sodann am . € an die Klägerin aus. Diese erfasste die Ausschüttungen jeweils als Erträge aus Beteiligung.

12 Die G-SARL schloss das Jahr 2011 mit einem handelsrechtlichen Gewinn von . € ab; steuerlich erklärte sie einen Verlust von ./. . €. Das Jahr 2012 schloss sie mit einem handelsrechtlichen Gewinn von . € ab; steuerlich erklärte sie einen Verlust von ./. . €. Die luxemburgische Finanzbehörde übernahm jeweils die erklärten Verluste.

13 Da die G-SARL nach vollzogener Ausschüttung zum Bilanzstichtag über kein nennenswertes Kapital mehr verfügte, korrigierte die Klägerin den Beteiligungsansatz und verbuchte eine entsprechende Teilwertabschreibung.

14 Am veräußerte die Klägerin die Beteiligung an der G-SARL für . €. Sie buchte die Beteiligung als Abgang aus dem Anlagevermögen mit einem Wert von . € aus (Veräußerungsverlust).

15 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) setzte den Gewerbesteuermessbetrag der Klägerin für den Erhebungszeitraum 2011 unter Zugrundelegung eines Gewerbeertrags von ./. . € auf 0 € fest; den vortragsfähigen Gewerbeverlust für 2011 stellte das FA gesondert mit ./. . € fest (Bescheide vom , nach Außenprüfung jeweils geändert durch Bescheide vom über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung). Bei der Bemessung des Gewerbeertrags mit ./. . € ging das FA von einem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb von . € und einem nach § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (GewStG) hinzuzurechnenden Gewinnanteil der persönlich haftenden Gesellschafterin von ./. . € aus.

16 Für den Erhebungszeitraum 2012 setzte das FA —unter Annahme eines Gewerbeertrags von . € nach Verlustabzug— den Gewerbesteuermessbetrag der Klägerin auf . € fest; den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte das FA mit 0 € fest (Änderungsbescheide vom , nach Außenprüfung nochmals geändert durch Bescheide vom über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung). Der Berechnung des Gewerbeertrags legte das FA einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von . € und einen nach § 8 Nr. 4 GewStG hinzuzurechnenden Gewinnanteil der persönlich haftenden Gesellschafterin von . € zugrunde.

17 Die Klägerin erhob jeweils Einspruch gegen die aufgeführten Bescheide (im April 2014 gegen die Bescheide für das Streitjahr 2012; im Februar 2017 gegen die Bescheide für das Streitjahr 2011). Sie ist der Auffassung, dass die vom FA nach § 8 Nr. 4 GewStG hinzugerechneten Gewinnanteile der G-KG um . € (2011) und um . € (2012) zu mindern seien. Es handelt sich bei diesen Beträgen jeweils um 60 % der auf den Anteil der G-KG (99,7 %) entfallenden Gewinnausschüttungen der G-SARL. Diese Gewinnausschüttungen seien bei den Gesellschaftern der G-KG nicht nur —wie das FA angenommen habe— nach dem sogenannten Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) zu 40 % steuerfrei, sondern auch in Höhe der restlichen 60 %. Es handele sich bei den Ausschüttungen um nach dem Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 steuerfreie Dividenden.

18 Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das FA war nach der Außenprüfung der Auffassung, bei den Ausschüttungen der G-SARL an die Klägerin handele es sich nicht um „echte“ Dividenden im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009, sondern um fingierte Ausschüttungen. Die den Ausschüttungen zugrunde liegenden Erträge seien nicht durch die G-SARL am Markt erwirtschaftet worden, sondern rein buchhalterischer Natur; ihnen habe keine echte Vermögensmehrung zugrunde gelegen. In Bezug auf das Streitjahr 2012 stützte sich das FA auf die mit dem Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom (BGBl I 2012, 1030) geschaffene Regelung des § 50d Abs. 11 EStG, der zufolge die Gesellschafter der G-KG als natürliche Personen sich nicht auf ein die Klägerin als Kapitalgesellschaft betreffendes abkommensrechtliches Schachtelprivileg berufen könnten. Die Klägerin vertrat insoweit die Auffassung, dass die durch § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG angeordnete erstmalige Geltung des § 50d Abs. 11 EStG für Zahlungen nach dem in ihrem Fall (Ausschüttung am ) wegen Verstoßes gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz verfassungswidrig sei.

19 Gegen die das Streitjahr 2012 betreffenden Bescheide hat die Klägerin im November 2014 Klage beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht (FG) erhoben. Das Klageverfahren ruhte während der Außenprüfung und wurde nach Ergehen des Änderungsbescheids vom fortgesetzt. Die das Streitjahr 2011 betreffende Klage hat die Klägerin im November 2017 beim FG erhoben.

20 Mit Urteilen vom  - 5 K 198/18 (Streitjahr 2011) und 5 K 197/18 (Streitjahr 2012) hat das FG beide Klagen abgewiesen. Nach Auffassung des FG unterfielen die Ausschüttungen der G-SARL an die Klägerin zwar als Dividenden dem Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg 1958/2009. Jedoch liege in der rechtlichen Gestaltung der Darlehensvergabe mit anschließendem Erlass der Darlehensforderung und unmittelbar folgender Gewinnausschüttung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 der Abgabenordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung (AO), weil sie ausschließlich dem Zweck gedient habe, in wirtschaftlich unangemessener Weise künstliche, steuerlich nutzbare Verluste realisieren zu können. Eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene Gestaltung hätte in einer Kapitaleinlage/Kapitalerhöhung mit anschließender (steuerneutraler) Kapitalrückführung bestanden, wodurch es nicht zu einer steuerwirksamen Teilwertabschreibung und zu einem steuerwirksamen Veräußerungsverlust gekommen wäre. Auf die Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 11 EStG komme es somit für das Streitjahr 2012 nicht an.

21 Gegen die FG-Urteile richten sich die Revisionen der Klägerin (Verfahren I R 13/21 —Streitjahr 2011— und I R 12/21 —Streitjahr 2012—). Sie wendet sich gegen die Beurteilung der Gestaltung als Rechtsmissbrauch und stützt sich dabei unter anderem auf die Erklärungen des H in der mündlichen Verhandlung vor dem FG. H hat dort als Ziel der Gestaltung die Anlage der Einlagen der Gesellschafter zu den jeweils aktuell bestmöglichen Zinssätzen benannt.

22 Der erkennende Senat hat die Verfahren in der mündlichen Verhandlung —nachdem die Anträge auf Aussetzung beziehungsweise Ruhen des Verfahrens nicht aufrechterhalten wurden— mit Beschluss vom  - I R 12-13/21 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

23 Die Klägerin beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und

den geänderten Bescheid für 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den , jeweils vom , beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , zu ändern und die hinzuzurechnenden Gewinnanteile/Vergütungen des persönlich haftenden Gesellschafters um . € zu mindern und den vortragsfähigen Gewerbeverlust um . € zu erhöhen und entsprechend festzusetzen beziehungsweise festzustellen, sowie

den geänderten Bescheid für 2012 über den Gewerbesteuermessbetrag und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den , jeweils vom zu ändern und die hinzuzurechnenden Gewinnanteile/Vergütungen des persönlich haftenden Gesellschafters um . € zu mindern und den vortragsfähigen Gewerbeverlust um . € zu erhöhen und entsprechend festzusetzen beziehungsweise festzustellen.

24 Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Gründe

II.

25 Die Revisionen sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

26 1. Im Hinblick auf die Bescheide über die gesonderten Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den und auf den ergibt sich die Unbegründetheit der Rechtsmittel bereits aus dem Umstand, dass sich die Einwendungen der Klägerin ausschließlich auf die Ermittlung des in den abgelaufenen Erhebungszeiträumen erzielten Gewerbeertrags als Berechnungsgrundlage für die Verlustermittlung beziehen.

27 Aus § 35b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG folgt, dass bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen sind, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind. Den Gewerbesteuermessbescheiden kommt also insoweit eine Grundlagenfunktion im Verhältnis zu den Verlustfeststellungsbescheiden zu (z.B. , BFHE 256, 199, BStBl II 2019, 173 und vom  - I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493; , BFH/NV 2024, 679). Nach der gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GewStG entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden. Die durch das Jahressteuergesetz 2010 vom (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) im Zuge der Neuordnung des Verhältnisses von Steuerfestsetzung und Verlustfeststellung in das Gesetz eingefügten Regeln des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG gelten nach § 36 Abs. 10 Satz 1 GewStG erstmals für Verluste, für die nach dem eine Erklärung zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes abgegeben wird, und ist folglich auf die verfahrensgegenständlichen Bescheide anzuwenden.

28 2. Aus der vorstehend beschriebenen Grundlagenfunktion des Bescheids über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ergibt sich zugleich ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Anfechtung des Bescheids für 2011 über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, obgleich der Gewerbesteuermessbetrag durch diesen Bescheid auf Null € festgesetzt worden ist (vgl. allgemein , BFHE 256, 199, BStBl II 2019, 173 und vom  - I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493; , BFH/NV 2021, 1206).

29 3. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Ausschüttungen der G-SARL an die Klägerin, soweit sie auf den Anteil der G-KG entfallen (99,7 %), nur zu 40 % nach dem Teileinkünfteverfahren und nicht auch in Höhe der verbleibenden 60 % gemäß dem Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuern auszunehmen sind.

30 a) Der Gewerbeertrag als Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer (§ 6 GewStG) ist gemäß § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Der Gewerbeertrag entspricht somit auf der ersten Ermittlungsstufe (vor den gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen und Kürzungen) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Bemessung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugrunde zu legen ist. Auf dieser Stufe gehen folglich Einkünfte, die aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften —zum Beispiel Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)— als steuerfrei behandelt werden, von vornherein nicht in den Gewerbeertrag ein (vgl. , BFHE 230, 35; vom  - I R 50/15, BFHE 254, 365, BStBl II 2017, 230 und vom  - I R 35/22 (I R 32/18), BFHE 280, 98, BStBl II 2023, 761).

31 b) Ohne Rechtsfehler ist die Vorinstanz zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs als solche in Bezug auf beide Streitjahre erfüllt sind.

32 aa) Grundsätzlich werden nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 von der Bemessungsgrundlage für die Steuer des Wohnsitzstaats (hier Bundesrepublik Deutschland —Deutschland—) die Einkünfte und Vermögensteile ausgenommen, für die nach den vorhergehenden Artikeln der andere Staat (wie hier Luxemburg gemäß Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg 1958/2009) ein Besteuerungsrecht hat. Bei Dividenden gilt dies jedoch gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg 1958/2009 nur für Dividenden, die einer Kapitalgesellschaft von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in dem anderen Staat gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 % der erstgenannten Gesellschaft gehören.

33 bb) Sowohl bei der Klägerin als auch bei der in ihrem alleinigen Anteilsbesitz stehenden G-SARL handelt es sich um Kapitalgesellschaften im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg 1958/2009. Mangels eigenständiger Definition oder sonstiger Anknüpfungspunkte für die Begriffsbestimmung im DBA-Luxemburg 1958/2009 ist für den Begriff der Kapitalgesellschaft das Verständnis Deutschlands als Anwenderstaat maßgeblich (s. Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg 1958/2009). Die Rechtsform der KGaA wird in § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ausdrücklich als Kapitalgesellschaft definiert. Für die G-SARL ergibt sich die Eigenschaft als Kapitalgesellschaft aus der vom FG festgestellten Vergleichbarkeit der luxemburgischen Rechtsform der SARL mit der einer deutschen GmbH (Typenvergleich).

34 cc) Das FG hat die Ausschüttungen der G-SARL zutreffend als „Dividenden“ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg 1958/2009 qualifiziert. Nach Nr. 12 des Schlussprotokolls zu Art. 5, 7 und 13 DBA-Luxemburg 1958/2009 sind unter anderem Einkünfte aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Dividenden zu behandeln. Dies ist auch für Art. 20 DBA-Luxemburg 1958/2009 als Verteilungsartikel maßgeblich (, BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793 und vom  - I R 61/17, BFHE 272, 399).

35 Der von der Außenprüfung und in erster Instanz vom FA vertretenen Sichtweise, die Zahlungen seien mangels einer vorherigen tatsächlichen Vermögensmehrung auf Ebene der ausschüttenden G-SARL nicht als „echte“ Dividenden im Sinne des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs anzusehen, weil sie nicht aus einer tatsächlichen Vermögensmehrung herrührten, ist das FG zu Recht nicht gefolgt. Für das Vorliegen einer Dividende ist es unerheblich, ob die Zuwendung zu Lasten des Gewinns oder zu Lasten der Vermögenssubstanz geht (vgl. , BFHE 232, 15, BStBl II 2022, 254; vom  - I R 6, 8/11, BFHE 237, 346, BStBl II 2013, 111 und vom  - I R 8/19, BFH/NV 2024, 759; zustimmend z.B. Brandis/Heuermann/Rengers, § 8b KStG Rz 110).

36 Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich bei den Zahlungen des Weiteren nicht um nach einer Kapitalherabsetzung zurückgezahltes Nennkapital der G-SARL. Auch die Voraussetzungen einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft nach Maßgabe von § 27 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 bis 6 KStG sind nicht erfüllt. Da das FA in seiner Revisionserwiderung keine weiteren Einwände hiergegen vorgebracht hat, wird diesbezüglich von weiteren Ausführungen abgesehen.

37 dd) In Bezug auf das Streitjahr 2011 erstreckt sich die Freistellung des Ausschüttungsbetrags von der deutschen Besteuerung auf Ebene der Klägerin auch auf den Gewinnanteil der G-KG als persönlich haftender Gesellschafterin nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, obgleich es sich weder bei der G-KG noch bei den im Streitjahr allein an deren Gewinn beteiligten Kommanditisten um Kapitalgesellschaften handelt.

38 Der Senat hat mit Urteil vom  - I R 62/09 (BFHE 230, 18) entschieden, dass für Dividenden, die eine in der Französischen Republik (Frankreich) ansässige Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige KGaA zahlt, das Schachtelprivileg des mit Frankreich seinerzeit bestehenden DBA auch dann in voller Höhe zu gewähren ist, wenn persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA eine Personengesellschaft ist. Danach setzt sich das abkommensrechtliche Schachtelprivileg über die materielle Zurechnung abkommensspezifisch hinweg und begünstigt sämtliche Dividendenzahlungen an die KGaA, und zwar auch dann, wenn die zu gewährende Freistellung aufgrund der innerstaatlichen Zurechnung —wie im entschiedenen Fall der Komplementärin in der Rechtsform einer Personengesellschaft— (auch) einer Person zugutekommt, der die Freistellung „an sich“ nicht zusteht; die (Teil-)Transparenz der hybriden KGaA wirkt sich nicht aus.

39 Mit Urteilen vom  - I R 1/18 (Betriebs-Berater —BB— 2021, 2337), vom  - I R 44/18 (BFHE 277, 263) und vom  - I R 8/19 (BFH/NV 2024, 759) hat der Senat diese Rechtsprechung auf das hier in Rede stehende Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 (bzw. des DBA-Luxemburg 1958 i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom , BGBl II 1978, 111, BStBl I 1978, 73) übertragen, woran für den Streitfall ungeachtet der daran geäußerten Kritik (Wacker, Finanz-Rundschau 2023, 725, 730) festzuhalten ist.

40 ee) Für die im Streitjahr 2012 vorgenommene Ausschüttung besteht eine geänderte Rechtslage.

41 aaa) Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom (BGBl I 2012, 1030) in Reaktion auf das Senatsurteil vom  - I R 62/09 (BFHE 230, 18) die Bestimmung des § 50d Abs. 11 EStG in das Gesetz eingefügt. Danach wird dann, wenn Dividenden beim Zahlungsempfänger nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur insoweit gewährt, als die Dividenden nach deutschem Steuerrecht nicht einer anderen Person zuzurechnen sind (Satz 1). Soweit die Dividenden nach deutschem Steuerrecht einer anderen Person zuzurechnen sind, werden sie bei dieser Person freigestellt, wenn sie bei ihr als Zahlungsempfänger nach Maßgabe des Abkommens freigestellt würden (Satz 2).

42 bbb) Mit § 50d Abs. 11 EStG soll erreicht werden, „dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg der Kapitalgesellschaft als Zahlungsempfängerin der Dividenden nur insoweit gewährt wird, als ihr die Dividenden nach deutschem Steuerrecht zuzurechnen sind“ (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom , BTDrucks 17/8867, S. 13). Ist Empfängerin der Dividenden eine KGaA, bei der eine Mitunternehmerschaft als persönlich haftende Gesellschafterin fungiert, ist § 50d Abs. 11 EStG dahin zu verstehen, dass —gegebenenfalls entgegen dem tatsächlichen Inhalt des betreffenden DBA („Treaty override“)— das Abkommen so anzuwenden ist, als würde es die nach innerstaatlichem deutschem Recht bestehende hybride Struktur der KGaA nachvollziehen und das Schachtelprivileg nur insoweit gewähren, als es sich bei den Mitunternehmern um Personen handelt, die das Schachtelprivileg bei einem unmittelbaren Bezug der Dividende in eigener Person in Anspruch nehmen könnten (vgl. zur Regelungssystematik z.B. Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 50d Rz 50 ff.; Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 50d Rz 259, 264; Kollruss/Weißert, Internationales Steuerrecht —IStR— 2020, 403 ff.). Da im Streitfall keiner der Gesellschafter der G-KG eine Kapitalgesellschaft ist, wäre nach § 50d Abs. 11 EStG das Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg 1958/2009 abkommensüberschreibend auf den Gewinnanteil der Klägerin zu beschränken.

43 ccc) In zeitlicher Hinsicht soll § 50d Abs. 11 EStG auf alle Zahlungen anwendbar sein, die nach dem erfolgen (§ 52 Abs. 59a Satz 9 EStG) und umfasst daher auch die Ausschüttung der G-SARL an die Klägerin vom . Die Klägerin hält insoweit einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) in Form einer unzulässigen „unechten“ Rückwirkung für gegeben, weil die Ausschüttung hier vor den Zeitpunkten erfolgt ist, an dem die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur vorgeschlagenen Einfügung des § 50d Abs. 11 EStG im Wortlaut öffentlich bekannt geworden —— beziehungsweise das Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom Deutschen Bundestag beschlossen worden —— ist. Das FG ist dem in der Tendenz gefolgt (zustimmend Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 50d Rz 50a), hat die Frage jedoch im Ergebnis offen gelassen, weil es wegen des auch für 2012 angenommenen Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und den sich daraus nach § 42 AO ergebenden Folgen auf die Wirksamkeit des § 50d Abs. 11 EStG im Streitfall letztlich nicht ankomme. Diese Beurteilung erweist sich —wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt— als zutreffend, sodass für den Senat kein Anlass besteht, sich im vorliegenden Verfahren mit der verfassungsrechtlichen Problematik zu befassen.

44 c) Der Klägerin ist in Bezug auf die beiden Ausschüttungen der G-SARL wegen Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO die Berufung auf das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 zu versagen.

45 aa) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO (in der ab 2008 geltenden Fassung) kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (Satz 2).

46 Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).

47 bb) Das FG hat eine die Geschehnisse beider Streitjahre umfassende Würdigung der Gesamtumstände vorgenommen und einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 AO bejaht. So hat die Vorinstanz den jeweils gleichzeitigen Abschluss der Darlehensverträge und der Addenda als einander widersprechend und gegenläufig angesehen und den Weg der Einlagen über die Gewährung eines Darlehens mit anschließendem Verzicht auf die Rückzahlungsforderung als dicht aufeinanderfolgende, minutiös ineinandergreifende und präzise choreografierte, komplizierte und umständliche Rechtsakte gewertet; bei wirtschaftlicher Betrachtung seien die beiden Gewinnausschüttungen jeweils als Einlagenrückgewähr anzusehen. Die G-SARL sei keine am Markt aktive Kapitalgesellschaft gewesen, die eigene Gewinne erwirtschaftet habe. Sie sei ausschließlich gegründet worden, um durch die Umqualifizierung der unterjährigen Rückgewähr von Einlagen steuerrechtliche Dividenden zu erzeugen, die die Tatbestandsvoraussetzungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs erfüllten. Finales Ziel der Gestaltung sei die Erzielung der für die Gesellschafter der G-KG steuerwirksamen Teilwertabschreibung (2011) beziehungsweise des Veräußerungsverlustes (2012) gewesen, die wesentlich durch die erhöhten Anschaffungskosten infolge der Darlehensverzichte der Klägerin und die Gewinnausschüttungen der G-SARL bedingt gewesen seien.

48 Als aus § 42 AO abzuleitende Rechtsfolge hat das FG angenommen, die „künstlich“ erzeugten steuerlichen Verluste der Klägerin durch Teilwertabschreibung (2011) und Veräußerung der Anteile an der G-SARL (2012) seien zu versagen; die als Einlagenrückgewähr zu beurteilenden Gewinnausschüttungen seien nicht als Dividenden zu behandeln. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zuungunsten der Klägerin rechtswidrig, im Übrigen gelte im Klageverfahren das Verbot der sogenannten reformatio in peius (Verböserungsverbot).

49 cc) Es bedarf keiner Entscheidung durch den Senat, ob dem FG in Schlussfolgerungen in Bezug auf die Versagung der steuerlichen Wirkungen der Teilwertabschreibung beziehungsweise der Anteilsveräußerung gefolgt werden kann. Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls insoweit als zutreffend, als der Klägerin —respektive der G-KG und deren Gesellschaftern— gemäß § 42 AO die Berufung auf das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 verwehrt ist, weil es sich bei der zwischengeschalteten G-SARL um eine wirtschaftlich weitestgehend funktionslose und nicht am allgemeinen Marktgeschehen teilnehmende, ausschließlich mit dem Zweck der Erlangung des steuerlichen Vorteils des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs für die Gesellschafter der G-KG gegründete und unterhaltene „Basisgesellschaft“ gehandelt hat.

50 aaa) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. , BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553; vom  - I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl II 1992, 1029; vom  - I R 94/97, BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222; vom  - I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819; vom  - I R 74, 88/04, BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118; , BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263; vom  - VIII R 11/77, BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339; vom  - VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84) erfüllt die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn hierfür wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten (vgl. allgemein zum sogenannten Treaty Shopping oder Rule Shopping Schwenke in Wassermeyer MA Art. 1 Rz 65 ff.; Weggenmann/Nehls in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 1 Rz 101 ff.; Lüdicke in Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Festschrift für den Bundesfinanzhof, 2018, S. 1053, 1056 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 19.157). Werden im Inland erzielte Einnahmen zur Vermeidung inländischer Steuer durch eine ausländische Kapitalgesellschaft „durchgeleitet“, gilt dies auch dann, wenn es sich bei dem Sitzstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht um ein Niedrigbesteuerungsland handelt (, BFHE 184, 476, BStBl II 1998, 235; vom  - I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819; vgl. auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 19.156; Lüdicke in Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Festschrift für den Bundesfinanzhof, 2018, S. 1053, 1060; anderer Auffassung Scharlack, Die Rechtsfolgen des Gestaltungsmissbrauchs im internationalen Steuerrecht, 2024, S. 5 f.).

51 Grundsätzlich ist es nicht als Rechtsmissbrauch zu qualifizieren, wenn ein Steuerpflichtiger —aus welchen Gründen auch immer— zwischen sich und eine Einkunftsquelle eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Kapitalgesellschaft schaltet und alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zieht. Missbräuchlich kann die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft aber sein, wenn sie lediglich vorübergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerlichen Belastungen zu entgehen (vgl. , BFHE 206, 5, BStBl II 2005, 14 und vom  - I R 74, 88/04, BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118).

52 bbb) Ein solcher Sachverhalt liegt hier nach den tatsächlichen Feststellungen des FG vor. Danach sei die G-SARL kein am Markt aktives Unternehmen gewesen. Sie habe in den Streitjahren keine Wertpapiere, Anleihen et cetera entsprechend ihrem Gesellschaftszweck gekauft. Außerhalb der mit der Klägerin vollzogenen Transaktionen (Vereinnahmung der Darlehensvaluta und Ausschüttung nach Darlehensverzicht) sei die G-SARL wirtschaftlich inaktiv gewesen. Die mit der kurzfristigen Anlage der Darlehensvaluta erzielten Zinseinnahmen (. € in 2011 und . € in 2012) seien verhältnismäßig geringfügig und in beiden Streitjahren jeweils durch den betrieblichen Aufwand der G-SARL vollständig „verbraucht“ worden. Aus diesen Umständen könne nur geschlossen werden, dass die G-SARL ausschließlich die Funktion gehabt habe, durch die Umqualifizierung von in wirtschaftlicher Hinsicht als Einlagenrückgewähr zu beurteilender Transaktionen in Dividenden die Tatbestandsvoraussetzungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zu erfüllen.

53 ccc) Diese nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angefochtenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend und rechtfertigen die Einstufung der G-SARL als Basisgesellschaft. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten der G-SARL fallen der Empfang der von der Klägerin gewährten Gesellschafterdarlehen und die nach dem Verzicht auf die Darlehensforderungen vorgenommenen Ausschüttungen der außerordentlichen Erträge als ausschließlich die Gesellschaftssphäre betreffende Vorgänge, die keinen Bezug zu einem äußeren Marktgeschehen haben, nicht ins Gewicht. Dass die Gesellschafterdarlehen von Anfang an nicht dazu gedient haben, die G-SARL mit Kapital auszustatten, damit diese auf dem allgemeinen Markt aktiv werden kann, wird durch den Umstand belegt, dass nach den Feststellungen des FG die kurzfristige Rückleitung der Darlehensvaluta an die Klägerin in Form der Ausschüttung des sich aus dem Darlehensverzicht ergebenden außerordentlichen Ertrags von Anfang an in dieser Form geplant gewesen ist und das Darlehenskapital folglich nie tatsächlich für Investitionen der G-SARL auf dem Kapitalmarkt vorgesehen war.

54 Die einzige nach außen gerichtete wirtschaftliche Betätigung der G-SARL bestand in der Anlage der Darlehenssummen auf Spar- und Tagesgeldkonten zu Zinssätzen von 1,3 % beziehungsweise 1,6 % in den Zeiträumen zwischen der Vereinnahmung der Darlehensbeträge und der Rückzahlung (Ausschüttung) an die Klägerin. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um —auf die in der Gesellschaftssphäre stattfindenden Transaktionen bezogene— kurzfristige Begleitgeschäfte, die —anders als die Revision es darstellt— nicht geeignet sind, der G-SARL einen auch nur ansatzweise nachhaltigen wirtschaftlichen Hintergrund als Kapitalanlagegesellschaft zu vermitteln. Der vom FG hervorgehobene Umstand, dass die Zinseinnahmen so geringfügig gewesen sind, dass sie zur Deckung des betrieblichen Aufwands der G-SARL nicht ausgereicht haben, kann als Beleg für diesen Befund herangezogen werden, ohne dass es sich bei der Gewinnerzielung allerdings um ein notwendiges Substanzelement handelt.

55 Die G-SARL ist lediglich vorübergehend —nämlich zwischen dem 25.11. und und ein weiteres Mal zwischen dem 23.01. und dem aktiv geworden mit dem ausschließlichen Zweck, den Gesellschaftern der G-KG den steuerlichen Vorteil des Schachtelprivilegs für Vorgänge zu vermitteln, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eher als Darlehensrückzahlung oder Einlagenrückgewähr und jedenfalls nicht als Ausschüttung eines durch erwerbswirtschaftliche Betätigung erzielten Gewinns zu beurteilen wären. Die Konstruktion der Gewährung von Gesellschafterdarlehen, bei denen zeitgleich vertraglich festgelegt wird, dass der darlehensgebende Gesellschafter alsbald auf die Rückzahlung verzichten wird, wobei außerdem aber geplant ist, dass die Darlehensbeträge sogleich nach dem Verzicht in Form von Ausschüttungen des auf diese Weise —ohne realwirtschaftlichen Hintergrund rein technisch— erzeugten außerordentlichen Ertrags wieder an den Darlehensgeber zurückfließen, ist vom FG zu Recht als in sich widersprüchliches, umständliches, gekünsteltes und rein steuerlich motiviertes Hin- und Herzahlen beurteilt worden. Die ausschließlich steuerliche Motivation wird auch dadurch belegt, dass nach der Schaffung des § 50d Abs. 11 EStG die G-SARL inaktiv geblieben ist und sich die Klägerin der Beteiligung an der Gesellschaft alsbald durch Veräußerung entledigt hat.

56 ddd) Die Klägerin hat den diesbezüglichen tatrichterlichen Feststellungen nichts Wesentliches entgegengesetzt. Das auf die Erklärungen des H gestützte Vorbringen in der Revisionsbegründung, die G-SARL sei entsprechend ihres satzungsmäßigen Zwecks tätig gewesen und habe Zinsangebote von Banken eingeholt, belegt keine substantielle (tatsächliche) Kapitalanlagetätigkeit der Gesellschaft. Die aus den Gesamtumständen abgeleitete Einschätzung des FG, die angebliche Anlagestrategie der G-SARL erscheine konstruiert, um den zeitnahen Abzug des Geldes aus Luxemburg zu kaschieren, wird hierdurch nicht erschüttert.

57 Entgegen dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Klägerin erhobenen Einwand leiden die vom FG getroffenen Feststellungen nicht an einem offenkundigen inneren Widerspruch, weil das FG im Zusammenhang mit der Prüfung (und Verneinung) des Tatbestands des Steuerstundungsmodells nach § 15b EStG darauf abgestellt hat, dass die zu den Akten gereichten Investitionsvorschläge keine steuerlichen Verluste der Investoren vorgesehen hätten und dass H in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, den potentiellen Investoren seien steuerliche Vorteile in Form von Verlusten auch nicht durch weitere Unterlagen oder mündliche Äußerungen in Aussicht gestellt worden (Urteilsumdruck S. 39). Der Senat versteht die diesbezüglichen Ausführungen des FG dahin, dass nach dessen Rechtsauffassung der Tatbestand des Steuerstundungsmodells („modellhafte Gestaltung“, „vorgefertigtes Konzept“, vgl. § 15b Abs. 2 EStG) eine bestimmte offizielle, nachweisbare und reproduzierbare Form der Inaussichtstellung der steuerlichen Verluste erfordert, wofür es im Streitfall keinen Anhaltspunkt gesehen hat. Dass das FG der Schilderung des H, wonach es das Ziel der Investitionen gewesen sei, eine hohe Kapitalsumme zu bestmöglichen Zinsen anzulegen und so die Banken dahingehend auszuspielen, dass jeweils bessere Konditionen geboten werden, keinen Glauben geschenkt und sie als „konstruiert“ angesehen hat, kommt an anderer Stelle der Vorentscheidung (Urteilsumdruck S. 31) unmissverständlich zum Ausdruck.

58 dd) Als Rechtsfolge des nicht bereits durch ein Einzelsteuergesetz sanktionierten Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten sieht § 42 Abs. 1 Satz 3 AO vor, dass der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Steuervorteil des Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958/2009 hier nicht zur Anwendung kommt.

59 ee) Die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 Satz 3 AO werden im Hinblick auf die Gewerbesteuer nicht gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 AO durch eine vorrangige Anwendung der einzelsteuergesetzlichen Missbrauchsvermeidungsnorm des § 15b EStG verdrängt.

60 aaa) Gemäß § 15b Abs. 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden (Satz 1). Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt (Satz 2). Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG). Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist nach den Maßgaben des § 15b Abs. 4 EStG jährlich gesondert festzustellen. Wenn nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine bestimmte Gestaltung die Voraussetzungen des § 15b EStG erfüllt, ist hierüber im Verfahren der gesonderten Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG —gegebenenfalls durch Erlass eines sogenannten Negativ-Bescheids— zu entscheiden (, BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630).

61 bbb) Das FG hat die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15b EStG im Rahmen der Überprüfung der angefochtenen Bescheide —das heißt außerhalb eines Verfahrens der gesonderten Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG— geprüft und verneint. Ob dies den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 15b Abs. 4 EStG gerecht würde, kann indes offen bleiben, weil es sich bei § 15b EStG nicht um eine Gewinnermittlungsvorschrift handelt, die von der Verweisung des § 7 Satz 1 GewStG auf die Gewinnermittlung nach dem Einkommensteuergesetz umfasst wäre. § 15b EStG findet folglich im Bereich der Gewerbesteuer keine Anwendung (R 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009; Schiffers in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 7 Rz 16; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 7 GewStG Rz 43; Specker in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 7 Rz 4; Desens/Tappe/Lamprecht, GewStG, § 7 Rz 180; anderer Auffassung Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 7 Rz 68). Die Rechtsfolgen des § 15b EStG beziehen sich auf die Ebene der Ermittlung des Einkommens (vgl. Senatsurteil vom  - I R 10/98, BFHE 193, 406, BStBl II 2001, 349 zur Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 EStG), nicht hingegen auf die Ebene der Gewinnermittlung.

62 ff) Obgleich § 42 Abs. 1 Satz 3 AO den Rückgriff auf § 42 AO gesetzestechnisch ausdrücklich zulässt, müssen bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 2 AO diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften zugrunde liegen, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden (, BFHE 271, 330, BStBl II 2021, 580; vom  - I R 1/18, BB 2021, 2337; vom  - I R 8/19, BFH/NV 2024, 759; , BFH/NV 2023, 808).

63 In der vorliegenden Konstellation ergibt sich kein Widerspruch des auf § 42 AO gestützten Ausschlusses der Anwendbarkeit des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zu der Entscheidung des Gesetzgebers, Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen (nur) unter den in § 15b EStG genannten Voraussetzungen (und nur) im Bereich von Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zu sanktionieren. Die Anwendung des § 42 AO zur Verhinderung eines missbräuchlichen abkommensrechtlichen Treaty Shopping durch Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft verfolgt eine andere Zielrichtung als die Beschränkungen des § 15b EStG. Die Ahndung des missbräuchlichen Treaty Shopping dient insbesondere nicht —wie § 15b EStG— gezielt der Beschränkung bestimmter Gestaltungen zur Verlustverwertung, sondern soll generell die missbräuchliche Inanspruchnahme abkommensrechtlicher Steuervorteile verhindern, auch soweit diese nicht in Zusammenhang mit etwaigen Steuerstundungsmodellen stehen.

64 d) Die auf § 42 AO gestützte Versagung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs führt nicht zu einem Verstoß gegen die unionsrechtliche Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter-Tochter-Richtlinie —MTR—, für den Erhebungszeitraum 2011: Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom , Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997, Nr. L 16, 98, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom , Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2006, Nr. L 363, 129; für den Erhebungszeitraum 2012: Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom , ABlEU 2011, Nr. L 345, 8). Art. 1 Abs. 2 MTR sieht vielmehr ausdrücklich vor, dass die Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen nicht entgegensteht, womit unter anderem auch unilaterale allgemeine Missbrauchsverhinderungsbestimmungen wie § 42 AO angesprochen werden (vgl. Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., Rz 14.86, m.w.N.).

65 Die Anwendung des § 42 AO auf die hier zu beurteilende Gestaltung wird den (engen) Anforderungen gerecht, die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) an die Rechtfertigung nationaler Missbrauchsverhinderungsmaßnahmen gestellt werden. So verlangt der EuGH auch im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 MTR, dass die nationale Missbrauchsverhinderungsmaßnahme dem spezifischen Ziel der Verhinderung von Verhaltensweisen dienen muss, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck zu errichten, ungerechtfertigt einen Steuervorteil zu nutzen (EuGH-Urteil Deister Holding und Juhler Holding vom  - C-504/16 und C-613/16, EU:C:2017:1009, IStR 2018, 197, Rz 59 f.; vgl. zu anderen Regelungszusammenhängen auch EuGH-Urteile EV vom  - C-685/16, EU:C:2018:743, BStBl II 2019, 111, Rz 95; Cadbury Schweppes vom  - C-196/04, EU:C:2006:544, Rz 55). Die oben skizzierte Rechtsprechung des BFH zur missbräuchlichen Inanspruchnahme von Steuervorteilen durch Einschaltung von Basisgesellschaften wird diesen Kriterien zur Überzeugung des Senats —auch in ihrer konkreten Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt— gerecht. Soweit der EuGH hervorhebt, die Mutter-Tochter-Richtlinie schreibe nicht vor, welche wirtschaftliche Tätigkeit die von ihr erfassten Gesellschaften ausüben müssten oder wie hoch die Einkünfte aus ihrer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit zu sein hätten (EuGH-Urteil Deister Holding und Juhler Holding vom  - C-504/16 und C-613/16, EU:C:2017:1009, IStR 2018, 197, Rz 72), steht dies dem Erfordernis eines Mindestmaßes an wirtschaftlicher Substanz und Konstanz der zwischengeschalteten Gesellschaft nicht entgegen. Der Umstand, dass den Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre Gesellschaften von der Richtlinie auszunehmen, die nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren im Besitz einer Beteiligung bleiben, aufgrund deren sie als Muttergesellschaften gelten (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b MTR), verdeutlicht, dass die Sanktionierung einer Gestaltung wie der Vorliegenden dem Sinn und Zweck der Richtlinie nicht widerspricht.

66 4. Soweit das FG neben der Versagung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs weitergehende Missbrauchsfolgen aus § 42 AO abgeleitet hat, ist dies aufgrund des im Klageverfahren geltenden Verböserungsverbots aus prozessrechtlichen Gründen nicht entscheidungserheblich und daher vom Senat nicht zu prüfen.

67 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.181224.IR12.21.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-90560