Leitsatz
Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument nach § 130d Satz 2, 3 ZPO bedarf es zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind.
Gesetze: § 130d S 2 ZPO, § 130d S 3 ZPO, § 294 ZPO
Instanzenzug: Az: 11 U 53/23vorgehend LG Aachen Az: 7 O 139/22
Gründe
I.
1 Das Urteil des Landgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am zugestellt worden. Am (Freitag) hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten um 11.24 Uhr per Telefax eine Berufungsschrift an das Berufungsgericht übersandt. Darin heißt es einleitend: "Vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung".
2 Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten durch Beschluss vom als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
3 Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es bedarf keiner Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht den Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz und rechtliches Gehör.
4 1. Das Berufungsgericht hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass die Berufung nicht fristgemäß erhoben (§ 517 ZPO) und unzulässig sei. Der am letzten Tag der Berufungsfrist übermittelte Schriftsatz sei entgegen § 130d Satz 1 ZPO nur per Telefax und daher nicht formgerecht als elektronisches Dokument gemäß § 130a ZPO eingereicht worden. Die Voraussetzungen einer wegen vorübergehender technischer Gründe zulässigen Einreichung auf anderem Weg seien nicht unverzüglich glaubhaft gemacht worden (§ 130d Satz 2 und 3 ZPO). Die Ersatzeinreichung per Telefax habe lediglich den Hinweis "vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung" enthalten. Eine Glaubhaftmachung erfordere eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Das gelte auch bei einer allgemeinen Störung des beA, und zwar unabhängig davon, ob diese Störung gerichtsbekannt sei und ob das Gericht sich von ihr Kenntnis verschaffen könne. In einer weiteren Hinweisverfügung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Glaubhaftmachung nicht deshalb entbehrlich sei, weil es sich um eine allgemeine, mehrtägige Störung des beA gehandelt habe. Auch bei einer gerichtsbekannten Störung des beA bedürfe es der näheren Schilderung und Glaubhaftmachung der hindernden Umstände. In der Begründung des angegriffenen Beschlusses vom wird auf den Hinweisbeschluss und die Hinweisverfügung Bezug genommen.
5 2. Dies hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte durch sein Telefax vom nicht formgerecht Berufung eingelegt.
6 a) Gemäß § 130d Satz 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Das gilt auch für die Einreichung der Berufungsschrift beim Berufungsgericht (§ 519 Abs. 4 ZPO). Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 ZPO). Nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Fehlt die Glaubhaftmachung nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO, so ist die Ersatzeinreichung unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 2/23, NJW-RR 2024, 794 Rn. 19; vom - XII ZB 88/23, NJW 2024, 901 Rn. 17; vom - XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 18; jew. mwN).
7 b) Der Beklagte hat die vorübergehende Unmöglichkeit, die Berufungsschrift als elektronisches Dokument zu übermitteln, im Telefax vom bereits nicht ausreichend dargelegt.
8 aa) Nach § 130d Satz 2 ZPO ist eine Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei spielt es nach der Gesetzesbegründung zwar keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Möglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist, weil auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Durch die Einschränkung "aus technischen Gründen" und "vorübergehend" wird jedoch klargestellt, dass professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (vgl. BT-Drucks. 17/12634, S. 28 f.; AnwZ (Brfg) 33/23, juris Rn. 6 [zu § 55d Satz 3 VwGO]). Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird (vgl. , NJW 2023, 3367 Rn. 22).
9 Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es daher zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 41/23, NJW 2025, 508 Rn. 10; vom - V ZB 2/23, NJW-RR 2024, 794 Rn. 16 mwN).
10 bb) Die der Ersatzeinreichung vom beigefügte Erklärung "Vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung" ist schon deshalb keine ausreichende Darlegung, weil sie keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände enthält (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 2, 15; vom - 4 StR 104/22, StraFo 2022, 434, juris Rn. 3 [zu § 32d Satz 3 StPO]; , juris Rn. 7 [zu § 55d Satz 4 Halbs. 1 VwGO]). Denn die Darstellung des Defekts beschränkt sich auf die Bezeichnung "Übertragungsstörung", die ganz verschiedene Auswirkungen und Ursachen haben kann. Auch die zeitlichen Zusammenhänge erschließen sich allein durch den wertenden und konkretisierungsbedürftigen Begriff "dauerhaft[e]" nicht.
11 Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist unerheblich, ob die EGVP-Kommunikation in Nordrhein-Westfalen vom um 18.00 Uhr bis zum um 21.20 Uhr gestört war. Auch dann wäre eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände erforderlich. Denn es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass eine Ersatzeinreichung ausscheidet, weil diese technische Störung nicht kausal für die gescheiterte Übermittlung als elektronisches Dokument gewesen wäre (vgl. dazu , BAGE 178, 343 Rn. 39 [zu § 46g ArbGG]). Abweichendes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aus dem (juris). Dieser Entscheidung ist nur zu entnehmen, dass ein ganztägiger Ausfall der EGVP-Infrastruktur des Bundes am gerichtsbekannt war.
12 Da es bereits an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände fehlt, kann offenbleiben, ob eine ausreichend geschilderte und (gegebenenfalls) gerichtsbekannte Störung gemäß § 291 ZPO offenkundig sein kann und deshalb nicht (weiter) glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO) werden muss (vgl. dazu , BAGE 178, 343 Rn. 39 [zu § 46 ArbGG]; , NJW 2024, 903 Rn. 23 mwN).
Seiters von Pentz Müller
Allgayer Linder
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250225BVIZB19.24.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-90025