Wohnungseigentümergemeinschaft - Vertretungsmacht des Verwalters
Leitsatz
Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht eines Verwalters einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern für Rechtsgeschäfte gegenüber einem Wohnungseigentümer ist nach § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unwirksam, soweit dieser der Gemeinschaft wie ein Außenstehender gegenübertritt.
Instanzenzug: ArbG Ludwigshafen Az: 2 Ca 544/23 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 2 Sa 205/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
2Die Beklagte ist eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Der Kläger gehört ihr als Wohnungseigentümer an. Zudem war er seit Dezember 2021 als Hausmeister bei der Beklagten angestellt. Diese beschäftigt regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer.
3Die Verwalterin der Beklagten kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom zum . Im dagegen geführten Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien am einen Vergleich. Danach leitete die Beklagte aus dieser - ersten - Kündigung keine Rechte mehr her.
4Mit Schreiben vom , dem Kläger am zugegangen, kündigte die Verwalterin das Arbeitsverhältnis namens der Beklagten „form- und fristgerecht“ zum .
5Mit Schreiben vom wies der Kläger diese Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Original zurück und bestritt, dass ein Beschluss der Wohnungseigentümer vorangegangen sei, der die Verwalterin zur Kündigung ermächtigte.
6Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die zweite Kündigung gewandt. Die Verwalterin habe keine Vertretungsmacht besessen. Die Kündigung sei treuwidrig iSv. § 242 BGB und verstoße gegen Art. 30 GRC.
7Der Kläger hat beantragt
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Verwalterin habe nach § 9b Abs. 1 WEG Vertretungsmacht gehabt. Der erste Kündigungsschutzprozess sei vergleichsweise erledigt worden, um dem Kläger noch eine Chance im Hinblick auf eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geben. Diese habe der Kläger nicht ergriffen, sodass es zur erneuten Kündigung gekommen sei.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom nicht zum , sondern erst zum aufgelöst worden ist. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, die Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses festzustellen.
Gründe
10Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die streitbefangene Kündigung zu Recht für wirksam erachtet.
11I. Die Verwalterin hat die Kündigung nicht unter Verstoß gegen § 180 Satz 1 BGB ohne Vertretungsmacht erklärt. Diese folgt aus § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WEG. Die Vorschrift erfasst auch die Kündigung von Arbeitsverträgen. Die gesetzliche Vertretungsmacht der Verwalterin war nach § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG nicht wirksam beschränkbar.
121. Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WEG hat der Verwalter grundsätzlich eine gegenüber jedermann unbeschränkte Vertretungsmacht. Sie gilt sowohl für Verträge als auch für einseitige Rechtsgeschäfte. Der Abschluss und die Kündigung von Arbeitsverträgen setzen zu ihrer Wirksamkeit nicht einen Beschluss der Wohnungseigentümer voraus. § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WEG gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich für den Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags. Entgegen der Annahme der Revision gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber insoweit auch den Abschluss oder zumindest die Kündigung von Arbeitsverträgen erfassen wollte.
132. Es spricht viel dafür, dass es im Streitfall schon deshalb bei der grundsätzlich unbeschränkten Vertretungsmacht der Verwalterin gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WEG verblieben ist, weil die Wohnungseigentümer keine Regelung zur Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht iSv. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG getroffen haben.
14a) § 9b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WEG differenziert beim Umfang der Vertretungsmacht nicht zwischen „Dritten“ und „Nichtdritten“. Diese Unterscheidung findet sich erst in § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG. Daraus folgt, dass eine Beschränkung des Umfangs der - grundsätzlich unbeschränkten - Vertretungsmacht zwar gegenüber „Nichtdritten“ wirksam erfolgen kann, eine solche Beschränkung aber durch die Gemeinschaftsordnung oder doch einen Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen muss (vgl. Zschieschack in Jennißen 8. Aufl. WEG § 9b Rn. 50; Bärmann/Becker 15. Aufl. WEG § 9b Rn. 83; wohl aA Mediger NZM 2022, 123, 126). § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG lässt den Wohnungseigentümern für die Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen zu „Nichtdritten“ Dispositionsfreiheit (für das Gesellschaftsrecht vgl. - zu IV 2 (eigentlich 3) der Gründe; - zu II der Gründe, BGHZ 38, 26), die sie nutzen können, aber auch nutzen müssen.
15b) Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben es die Wohnungseigentümer hinsichtlich der streitbefangenen Kündigung bei der gesetzlichen Regelung zur Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin in § 27 Abs. 1 WEG belassen und keinen einschränkenden Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG gefasst. Deshalb war die gemäß § 27 Abs. 1 WEG bestehende Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin nicht gegenüber dem gesetzlichen Regelfall beschränkt. Allemal dürfte es an einer entsprechenden, die Vertretungsmacht der Verwalterin iSv. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG einschränkenden Regelung gefehlt haben.
163. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, in der Entscheidung der Wohnungseigentümer, es bei der gesetzlichen Regelung zur Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin zu belassen, habe zugleich eine Beschränkung des Umfangs von deren grundsätzlich unbeschränkter Vertretungsmacht auf Rechtsgeschäfte iSv. § 27 Abs. 1 WEG gelegen, wäre diese Einschränkung gegenüber dem Kläger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unwirksam. Insoweit stand er der Beklagten als „Dritter“ gegenüber.
17a) Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht des Verwalters ist gemäß § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG nur gegenüber „Nichtdritten“ wirksam. Ein Rechtsgeschäft gegenüber einem „Nichtdritten“ liegt vor, soweit der andere Teil in seiner Eigenschaft als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft in dieses Rechtsgeschäft einbezogen ist. Anders liegt es hingegen, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihm wie einem Außenstehenden gegenübertritt (vgl. BeckOGK/Greiner Stand WEG § 9b Rn. 8; Bärmann/Becker 15. Aufl. WEG § 9b Rn. 83; MüKoBGB/Burgmair 9. Aufl. WEG § 9b Rn. 14). Das ist der Fall beim Abschluss und der Kündigung eines Arbeitsvertrags als Hausmeister. Dieser kann ebenso mit einem der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht angehörenden Arbeitnehmer abgeschlossen werden (zum Gesellschaftsrecht vgl. - Rn. 18 ff.; - II ZR 169/69 - zu III der Gründe, BGHZ 58, 115; zum Recht der Gemeinschaft sh. BeckOGK/Greiner aaO; Bärmann/Becker aaO).
18b) Bei einem Rechtsgeschäft, bei dem der Wohnungseigentümer „seiner“ Gemeinschaft wie ein Außenstehender gegenübertritt, handelt es sich um ein Verkehrs- (vgl. - Rn. 22, BGHZ 173, 71) bzw. Drittgeschäft (vgl. Grüneberg/Retzlaff BGB 84. Aufl. § 720 Rn. 3, § 705 Rn. 28). Für dieses bedarf es des vom Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 19/18791 S. 48) bezweckten Verkehrs- bzw. Drittschutzes. Der Wohnungseigentümer - wie hier der Kläger - soll beim Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Gemeinschaft nicht befürchten müssen, dass die Vertretungsmacht des Verwalters für den Vertragsschluss nicht ausreicht. Solche Zweifel können sich insbesondere ergeben, wenn der Wohnungseigentümer weiß oder doch wissen muss, dass die Gemeinschaft es bei der - unterstellt mit der Vertretungsmacht gleichzusetzenden - Geschäftsführungsbefugnis des Verwalters nach § 27 Abs. 1 WEG belassen hat. Der gesetzlichen Regelung lässt sich der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis im konkreten Fall nicht immer zuverlässig entnehmen. Diese will aber gerade auch „Streit über die Auslegung und Reichweite einer Vertretungsbeschränkung“ vermeiden. Das hat der Gesetzgeber in der Begründung zu § 720 Abs. 3 BGB nF ausdrücklich klargestellt (BT-Drs. 19/27635 S. 163). Dies gilt für § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG gleichermaßen. Dem betreffenden Wohnungseigentümer soll das Subsumtionsrisiko abgenommen werden, soweit er der Gemeinschaft wie ein „WEG-Fremder“ gegenübersteht; er soll es nur tragen, soweit es um Geschäfte geht, die ihre Grundlage in dem besonderen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsverhältnis finden. Das ist für das Gesellschaftsrecht anerkannt (vgl. - Rn. 17, BGHZ 227, 242; - II ZR 40/05 - Rn. 18 ff.) und muss für das Recht der Gemeinschaft (vgl. § 10 Abs. 1 WEG, §§ 741 ff. BGB) umso mehr gelten. Denn eine solche entsteht nicht privatautonom durch Vertrag, sondern kraft Gesetzes und stellt - anders als eine Gesellschaft (vgl. § 705 Abs. 1 BGB nF) - eine bloße Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft dar (vgl. Grüneberg/Retzlaff BGB 84. Aufl. § 741 Rn. 1; sh. auch Staudinger/Jacoby [2023] WEG § 9b Rn. 33).
19c) Die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht des Verwalters für den Abschluss von Arbeitsverträgen - auch - mit einem einzelnen Wohnungseigentümer dient zugleich dem Interesse der Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit, „nach außen“ effizient am Rechtsverkehr teilnehmen zu können (BT-Drs. 19/18791 S. 48). Dieses Interesse umfasst den weiteren mit § 9b Abs. 1 WEG verfolgten Zweck, dass der Gegner eines einseitigen Rechtsgeschäfts nicht die Möglichkeit der Zurückweisung nach § 174 BGB haben soll (BT-Drs. 19/18791 S. 49; Rn. 18).
20d) Die Vertretungsmacht der Verwalterin für den Ausspruch der streitbefangenen Kündigung ist vorliegend auch nicht nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu verneinen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit dieses Institut auf einseitige Rechtsgeschäfte überhaupt angewendet werden kann.
21aa) Ein Fall der Kollusion liegt nicht vor. Es kann unterstellt werden, dass die Kündigung des Arbeitsvertrags als Hausmeister für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nachteilig war (vgl. - Rn. 9). Jedenfalls kann ein Zusammenwirken des Klägers mit der Verwalterin ausgeschlossen werden. Ausweislich der vorliegenden Kündigungsschutzklage wollte der Kläger die Kündigung nicht; er hat sie nicht von der Verwalterin erbeten.
22bb) Es ist auch kein Fall der Evidenz gegeben. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen haben es die Wohnungseigentümer hinsichtlich der streitbefangenen Kündigung bei der gesetzlichen Regelung zur Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG belassen und keinen beschränkenden Beschluss gemäß § 27 Abs. 2 WEG gefasst (Rn. 15). Danach war die Verwalterin gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, alle Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen für die Wohnungseigentümer führen. Die hier in Rede stehende Anlage umfasste 267 Wohneinheiten. Es ist zumindest nicht offenkundig, dass in einem solchen Fall die Kündigung eines Arbeitsvertrags als Hausmeister durch die Verwalterin nicht von § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG erfasst wird. Das galt sowohl für die Verwalterin, auf deren Erkenntnishorizont bei einem von ihr vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäft allein abzustellen sein dürfte, als auch für den Kläger. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob nicht die Kündigung des Arbeitsvertrags eines Hausmeisters durch den Verwalter - ungeachtet der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft - stets von § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG erfasst wird (so BeckOK WEG/Elzer Stand WEG § 27 Rn. 22).
23II. Die streitbefangene Kündigung ist nicht aufgrund der Rüge des Klägers nach § 174 BGB unwirksam (vgl. - Rn. 36, BAGE 169, 38). Die Verwalterin hat aufgrund einer unbeschränkten und insoweit unbeschränkbaren, gesetzlich vorgesehenen Vertretungsmacht gehandelt (vgl. BT-Drs. 19/18791 S. 49).
24III. Die Kündigung ist - auch mit Blick auf Art. 30 GRC - nicht nach § 242 BGB unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Beklagte war entgegen der Ansicht der Revision nicht gehalten, im Einzelnen darzutun, warum der Kläger die Chance zur Bewährung nach der ersten Kündigung aus ihrer Sicht vertan hat (vgl. - zu B III 2 der Gründe).
25IV. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil sie ausschließlich zum gewollt gewesen sei.
26V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:060325.U.2AZR115.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-89386