Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde einer Sportwettbörsenbetreiberin gegen die Erhebung der Sportwettensteuer gem § 17 Abs 2 RennwLottG aF
Gesetze: Art 12 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 276 Abs 3 AEUV, § 17 Abs 2 RennwLottG vom
Instanzenzug: Az: IX K 2/21 Urteilvorgehend Az: IX S 17/21 Beschlussvorgehend Az: IX R 5/19 Urteilvorgehend Az: 5 K 1837/15 Urteil
Gründe
I.
1Im Ausgangsverfahren wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Erhebung einer Sportwettensteuer für die Zeit vom 1. November bis zum auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 RennwLottG in der vom bis zum geltenden Fassung. Hilfsweise begehrt sie den Erlass der Steuerforderung für die Zeit vom 1. November bis zum ; weiterhin begehrt sie den Erlass der Steuerforderung für die Zeit vom 1. Juli bis zum .
2Die Beschwerdeführerin ist eine Kapitalgesellschaft nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta. Sie veranstaltete Sportwetten in Form einer sog. Wettbörse. Die einzelnen Wettquoten wurden nicht von der Beschwerdeführerin vorgegeben, sondern unter den Mitspielern ausgehandelt, die entweder für (sog. Lay-Wette) oder gegen (sog. Back-Wette) den Eintritt eines bestimmten Ereignisses wetten konnten. Die Beschwerdeführerin erhielt von erfolgreichen Wettenden eine Provision in Höhe von 2 % bis 5 % des Gewinns. Für weitaus mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes der Beschwerdeführerin war ein Anteil an Spielern im unteren einstelligen Bereich verantwortlich, die die Strategie verfolgten, durch den Abschluss von Wetten auch auf das Gegenereignis den Einsatz aus der ursprünglichen Wette abzusichern (sog. "High Roller"). Das Ziel dieser Spielergruppe war die Minimierung des Spielrisikos sowie die Generierung vergleichsweise sicherer, wenn auch vergleichsweise niedriger Gewinne. Bei diesen Spielern wurde die Provision lediglich auf den positiven Saldo der Wetten auf ein Ereignis erhoben. Die Beschwerdeführerin hielt die Weiterführung dieser Form von Wettangebot nach Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 RennwLottG nicht mehr für wirtschaftlich tragfähig, weil die nach dem Wetteinsatz - nicht dagegen nach dem Wettgewinn - berechneten Steuerforderungen ihre Provisionen um ein Vielfaches überstiegen und weil sie auch davon ausging, dass sie diese Steuerforderungen mit Rücksicht auf deren Spielverhalten nicht auf die "High Roller" würde abwälzen können. Von einem Rückzug der "High Roller" aus dem Spielbetrieb befürchtete die Beschwerdeführerin wiederum einen vollständigen Zusammenbruch der Wettbörse. Am zog sich die Beschwerdeführerin mit der Wettbörse vom deutschen Markt zurück.
3Mit mehreren Bescheiden setzte das Finanzamt die Sportwettensteuer auch für die Zeit vom bis zum fest. Die Gesamthöhe der festgesetzten Steuern belief sich auf fast 31 Mio. Euro. Das dagegen gerichtete Klagebegehren ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) - hilfsweise der allgemeinen Handlungsfreiheit in unionsrechtskonformer Auslegung mit gleichem Schutzumfang (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 56 AEUV) -, der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG), des Übermaßverbots (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG), des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1), des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG).
II.
4Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.
51. Die Verfassungsbeschwerde legt die Möglichkeit einer Verletzung der gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte nicht in der gesetzlich geforderten, hinreichend substantiierten Weise dar (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG; vgl. BVerfGE 140, 229 <232 Rn. 9> m.w.N.). Die Beschwerdeführerin zeigt eine Verletzung der geltend gemachten Grundrechte nicht schlüssig auf.
62. Insbesondere legt die Beschwerdeführerin einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG nicht dar.
7a) Soweit sie die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG unter Verweis auf die Möglichkeit einer staatsvertraglichen Koordination der Länder in Frage stellt, setzt sich die Beschwerdeführerin nicht ausreichend damit auseinander, dass die Vorschrift nicht bundeseinheitliche Bundes- von bundeseinheitlicher Ländergesetzgebung abgrenzen will und überdies die Möglichkeit gleich lautender Ländergesetze nicht ausschließt, dass ein Land im Nachhinein aus dem eine Bundesregelung verhindernden Konsens ausscheren könnte (vgl. BVerfGE 106, 62 <150>).
8b) Auch eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes legt die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dar.
9aa) Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfGE 138, 261 <284 f. Rn. 53>). Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit muss den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung von Freiheitsrechten genügen, die umso strenger ausfallen, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann, während Beschränkungen allein der Berufsausübung eher zu rechtfertigen sind. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Daher müssen die Eingriffe zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und dürfen nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Die Eingriffsmittel dürfen zudem nicht übermäßig belastend sein, so dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 ff.>; 111, 10 <32>; 121, 317 <346>; 138, 261 <285 Rn. 54>).
10bb) Selbst wenn es sich bei der Tätigkeit als Wettbörsenbetreiberin um einen eigenständigen Beruf und nicht lediglich eine besondere Ausprägung der Tätigkeit als Wettanbieterin handelte (vgl. dazu BVerfGE 16, 147 <163>) und wenn dem plausiblen Vortrag der Beschwerdeführerin gefolgt wird, dass diese nach Inkrafttreten von § 17 Abs. 2 RennwLottG eine Wettbörse nicht mehr profitabel habe betreiben können, ginge aus ihren Ausführungen nicht hervor, dass die in diesem Fall zu beachtenden strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen nicht mehr gewahrt wären. Allein der Hinweis darauf, dass das Durchführen einer Wettbörse nicht mehr gewinnbringend möglich sei, genügt insoweit nicht. Die Beschwerdeführerin hat schon nicht schlüssig dargelegt, dass die Eindämmung der Glücksspielsucht nicht als legitimer Regelungszweck anzusehen ist, welcher der Regelung des § 17 RennwLottG zugrunde liegt. Sie setzt sich insbesondere nicht ausreichend damit auseinander, dass der Regelungszweck nicht ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien erwähnt sein muss (vgl. nur BVerfGE 167, 163 <212 f. Rn. 115>). Soweit die Beschwerdeführerin als milderes Mittel die Zugrundelegung einer anderen Bemessungsgrundlage - insbesondere eine Besteuerung nach dem Bruttorohertrag der Wettbörse - anführt, geht sie nicht ausreichend darauf ein, ob sich das gesetzgeberische Ziel der Eindämmung der Glücksspielsucht bei einer infolgedessen deutlich erniedrigten Steuerlast noch gleich effektiv erreichen ließe. Soweit sie gegen die Angemessenheit der Besteuerung argumentiert, dass bei "High Rollern" in der Regel keine Suchtgefahr bestehe, diese aber den größten Umsatz machten und es auch deshalb an der Angemessenheit der Regelung fehle, lässt sie außer Betracht, dass die "High Roller" nur einen geringen Bruchteil ihrer Kunden ausmachten und es sich bei weit über 90 % ihrer Kunden nicht um "professionelle" Wettteilnehmer handelte, hinsichtlich derer die Eindämmung der Suchtgefahr hoch zu gewichten sein kann. Vermindert die indirekte Steuer den wirtschaftlichen Anreiz für bestimmte Teilnehmer, in umfangreichen Maße am Sportwettenmarkt teilzunehmen, wird die Tätigkeit dessen, der Sportwetten vermittelt, selbst nicht final beeinträchtigt, sondern der eindämmende Effekt erreicht, der mit der Erhebung der Steuer auch verfolgt wird. Auch fehlt es an ausreichend substantiierten Darlegungen, welcher organisatorische und finanzielle Aufwand von dem Wechsel in ein anderes Geschäftsmodell wie etwa das Angebot von Buchmacherwetten konkret zu erwarten gewesen wäre.
113. Nicht ausreichend sind weiterhin die Darlegungen der Beschwerdeführerin zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).
12a) Soweit sie eine Verletzung des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit (vgl. BVerfGE 168, 1 <51>, Rn. 143 f. m.w.N.) darin sieht, dass die von ihr in Malta zu entrichtende Glücksspielabgabe nicht auf die Glücksspielsteuer nach dem RennwLottG angerechnet wird, befasst sie sich schon nicht ausreichend damit, dass die Sportwettensteuer grundsätzlich auf die Abwälzung auf die Wettkunden angelegt ist, sodass grundsätzlich auf die steuerliche Leistungsfähigkeit der Wettkunden und nicht auf diejenige der Beschwerdeführerin selbst abzustellen ist (vgl. BVerfGE 123, 1 <36>). Darüber hinaus fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben hierzu. Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt ausreichende Darlegungen vermissen, ob sich dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit überhaupt Aussagen zur Auswirkung im Ausland erhobener Steuern für die Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland entnehmen lassen.
13b) Ebenfalls nicht substantiiert sind die Ausführungen zum Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits (BVerfGE 161, 1 <59 f. Rn. 143 f.> m.w.N.). Es fehlt an einer Erörterung, ob etwaige Vollzugsschwierigkeiten bei im Nicht-EU-Ausland ansässigen Wettanbietern dem Gesetzgeber zurechenbar sind, weil sie spezifisch auf einer unzureichenden normativen Ausgestaltung der maßgeblichen Vorschriften beruhen. Insbesondere fehlt es an näheren Darlegungen, ob der Gesetzgeber durch eine andere rechtliche Ausgestaltung der Steuer eine effektivere Steuererhebung bei diesen Anbietern überhaupt hätte erreichen können (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2077/05 -, Rn. 23).
144. Die Beschwerdeführerin legt ebenfalls nicht ausreichend dar, dass der Bundesfinanzhof willkürlich gegen seine durch Art. 267 Abs. 3 AEUV begründete Vorlagepflicht verstoßen und dadurch das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt habe. Insbesondere setzt sich die Beschwerdeführerin nicht ausreichend damit auseinander, dass der Europäische Gerichtshof bereits im Jahr 2020 in der parallelen Erhebung einer Glücksspielabgabe sowohl in Malta als auch in Italien keine mit der aus Art. 56 AEUV folgenden Dienstleistungsfreiheit nicht zu vereinbarende Doppelbesteuerung gesehen hat (vgl. EuGH, Stanleybet, , C-788/18, Rn. 23). Jedenfalls legt sie angesichts dieser Entscheidung das Beruhen einer fehlerhaften Nichtvorlage durch den Bundesfinanzhof nicht dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 684/22 - m.w.N.).
155. Eine Verletzung des Rechts auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hat die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht schlüssig begründet. Auch wenn die Annahme des Bundesfinanzhofs, die Beschwerdeführerin sei erst zum in Kenntnis der neuen Regelung des § 17 Abs. 2 RennwLottG in den deutschen Markt eingetreten, nicht von den Feststellungen des Finanzgerichts gedeckt war, da dieses sich zum Zeitpunkt des Markteintritts nicht konkret verhalten hat, zeigt die Beschwerdeführerin nicht ausreichend auf, dass das Revisionsurteil des Bundesfinanzhofs auf einer etwaigen Verletzung des Verbots einer Überraschungsentscheidung beruhte. Auch soweit sie geltend macht, sie sei mit dem Vortrag jeweils zum Vorliegen materieller Grundrechtsverletzungen nicht hinreichend gehört worden, legt sie angesichts der fehlenden Darlegungen zum Vorliegen von Grundrechtsverletzungen jedenfalls ein Beruhen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf einer solchen Gehörsverletzung nicht dar.
16Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
17Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250227.1bvr011524
Fundstelle(n):
TAAAJ-89235