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BGH Beschluss v. - X ZB 8/21

Instanzenzug: Az: 22 S 417/20vorgehend Az: 56 C 145/19

Gründe

1I.    Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung der Vergütung für einen nicht angetretenen Flug von Shymkent (Kasachstan) über Moskau nach Düsseldorf.

2Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

3Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, dass die Berufung innerhalb der vorgesehenen Frist nicht begründet worden sei, hat die Klägerin unter Vorlage eines Sendeberichts vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe am per Telefax einen Fristverlängerungsantrag vom eingereicht.

4Nach einem weiteren Hinweis des Vorsitzenden, dass dieser Antrag ausweislich des Sendeberichts an eine falsche Faxnummer gesendet worden und bei Gericht nicht eingegangen sei, hat die Klägerin eine Berufungsbegründung nachgereicht. Zugleich hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die zuständige Kanzleiangestellte ihres Prozessbevollmächtigten habe versehentlich eine falsche Telefaxnummer auf dem Fristverlängerungsantrag eingetragen und das Schreiben dorthin versendet. Die Kanzleiangestellte habe hierbei entgegen der allgemeinen Anweisung, die eine zweifache Prüfung vorsehe, ob die gewählte Nummer mit der im gerichtlichen Schreiben enthaltenen übereinstimme und es sich tatsächlich um eine solche des Empfängers handele, nur den Sendebericht mit der im Fristverlängerungsantrag eingetragenen Telefaxnummer abgeglichen und den Fehler dabei nicht entdeckt. Bei der Angestellten handele es sich um eine langjährige, zuverlässig und sorgfältig arbeitende Mitarbeiterin, die in der Vergangenheit zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben habe.

5Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich aus der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten weder ein Abgleich mit der in der Akte befindlichen Telefaxnummer des Gerichts ergebe noch ein Abgleich, ob es sich bei der Telefaxnummer tatsächlich um eine solche des Empfängers handele. Auch habe die Klägerin weder zur Überprüfung der zuverlässigen Umsetzung der generellen Anweisungen für die Ausgangskontrolle noch zur Überwachung der Eignung und Zuverlässigkeit des Personals und der Zuverlässigkeit der konkreten Angestellten vorgetragen.

6Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

7II.    Das Berufungsgericht hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, seine Entscheidung wie folgt begründet:

8Die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.

9Der Rechtsanwalt habe durch geeignete organisatorische Maßnahmen wie eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals sicherzustellen, dass die Fristen durch gut ausgebildete, als zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Angestellte zuverlässig festgehalten und kontrolliert würden.

10Die Klägerin habe weder die Überprüfung der zuverlässigen Umsetzung der generellen Anweisungen für die Ausgangskontrolle noch eine Überwachung der Eignung und Zuverlässigkeit des Personals und Umstände, aus denen sich die Zuverlässigkeit der konkreten Angestellten ergebe, dargelegt.

11Die Klägerin habe zudem nicht glaubhaft gemacht, dass eine allgemeine Anweisung besteht, nach der zu prüfen ist, ob die gewählte Nummer mit der im gerichtlichen Schreiben enthaltenen übereinstimmt und ob es sich bei dem Schreiben tatsächlich um ein solches des Empfängers handelt.

12III.    Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz 1 und § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft.

13Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich; insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).

14Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 Satz 1 und § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu Recht versagt. Der Vortrag der Klägerin schließt ein gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigen an der Fristversäumung nicht aus.

151.    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Rechtsanwalt bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet (, VI ZB 7/16, NJW-RR 2016, 952 Rn. 8).

16a)    Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangs-kontrolle fristwahrender Schriftsätze demnach nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden.

17Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen (, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 6; Beschluss vom - XI ZB 16/17, NJOZ 2018, 831 = FamRZ 2018, 610 Rn. 7; Beschluss vom - XI ZB 20/18, BeckRS 2019, 970 Rn. 7; Beschluss vom - VIII ZB 37/19, MMR 2021, 634 = MDR 2021, 830 Rn. 26; Beschluss vom - VI ZB 2/21, NJW-RR 2022, 345 = MDR 2022, 327 Rn. 5).

18b)    Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer erfasst werden, kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist.

19Dies setzt voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen (vgl. , NJW 2014, 1390 Rn. 8; Beschluss vom - VI ZB 32/16, NJW-RR 2017, 1139 Rn. 7; Beschluss vom - XI ZB 16/17, NJOZ 2018, 831 = FamRZ 2018, 610 Rn. 8; Beschluss vom - VIII ZB 37/19, MMR 2021, 634 = MDR 2021, 830 Rn. 27; Beschluss vom - VI ZB 2/21, NJW-RR 2022, 345 = MDR 2022, 327 Rn. 6).

202.    Ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgehend von diesen Maßstäben hinreichend darlegt und durch die eidesstattliche Versicherung seiner Kanzleiangestellten hinreichend glaubhaft gemacht hat (§ 233 Satz 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), dass eine solche generelle Anweisung zur Überprüfung der ermittelten Faxnummer vor der Versendung des Schriftsatzes in seiner Kanzlei bestanden hat, kann offenbleiben.

21Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, fehlt es, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, jedenfalls an der ebenfalls erforderlichen Darlegung der die Zuverlässigkeit begründenden Umstände und der Maßnahmen zur Überwachung der konkret handelnden Kanzleiangestellten.

22a)    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt nur zuverlässiges Büropersonal mit der Anfertigung und Absendung fristwahrender Schriftsätze betrauen. Das Vertrauen auf die Beachtung diesbezüglicher Weisungen darf er nur in zuverlässiges Personal setzen. Deshalb ist in einem Wiedereinsetzungsgesuch zur Zuverlässigkeit des jeweiligen Angestellten vorzutragen (, NJW-RR 2017, 956 Rn. 9).

23Wie das Berufungsgericht bereits in seinem Hinweis und auch im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, sind für die insoweit erforderliche Darlegung floskelhafte Bemerkungen wie etwa der Hinweis auf eine bisherige Zuverlässigkeit und Beanstandungslosigkeit der Arbeit nicht ausreichend (, NJW-RR 2015, 624 Rn. 19; Beschluss vom - VI ZB 45/16, NJW-RR 2017, 956 Rn. 7). Vielmehr bedarf es zumindest näheren Vortrags, ob der Prozessbevollmächtigte die Einhaltung der Anweisungen zur Ausgangskontrolle bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze wenigstens stichprobenartig in regelmäßigen Abständen kontrolliert hat (, NJW-RR 2020, 122 Rn. 16; Beschluss vom - IX ZB 4/17, NJOZ 2018, 829 Rn. 10).

24b)    Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass weder die Darlegung im Wiedereinsetzungsgesuch noch die Ausführungen zu dem vom Berufungsgericht erteilten Hinweis diesen Anforderungen genügen.

25c)    Vor diesem Hintergrund vermag das von der Rechtsbeschwerde angeführte Vorbringen, die Mitarbeiterin habe die ordnungsgemäße Übermittlung des Fristverlängerungsantrages auf Nachfrage bestätigt, nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.

26Mangels konkreter Darlegungen zur Zuverlässigkeit besteht keine ausreichende Grundlage für die Schlussfolgerung, dass der Prozessbevollmächtigte auf diese Bestätigung vertrauen durfte.

27IV.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bacher                       Marx                       Rensen

           Crummenerl             von Pückler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180325BXZB8.21.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-89059