Instanzenzug: Az: 4 Ni 3/22 (EP) Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 856 808 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom angemeldet worden ist und einen Batterieabnutzungsausgleich für Audiovorrichtungen betrifft.
2Patentanspruch 1, auf den vier Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
A method of balancing power consumption among wireless nodes, comprising:
establishing (402) a first communication link between a first wireless node and a second wireless node, wherein the first wireless node assumes a master role and the second wireless node assumes a slave role;
establishing (404) a second communication link between the first wireless node and a source wireless device;
receiving (406) data transmissions from the source wireless device on the first wireless node over the second communication link;
relaying (406) at least a portion of the data transmissions from the first wireless node to the second wireless node over the first communication link;
determining (407) whether to exchange master-slave roles between the first wireless node and the second wireless node;
exchanging (410; 418) master-slave roles between the first wireless node and the second wireless node in response to determining that it is time to exchange master-slave roles; and
receiving (412) the data transmissions from the source wireless device on the second wireless node over the second communication link, characterized in that:
the method further comprises monitoring the data transmissions to identify (408) periods of low data transmission or pauses, and wherein exchanging master-slave roles between the first wireless node and the second wireless node comprises exchanging master-slave roles during an identified period of low data transmission or pauses; or exchanging master-slave roles between the first wireless node and the second wireless node in response to determining that it is time to exchange master-slave roles comprises controlling a media source on the source wireless device so that master-slave roles are exchanged without disruption of data transmissions from the source wireless device.
3Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 angegriffen und geltend gemacht, der angegriffene Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung und hilfsweise in fünf geänderten Fassungen verteidigt.
4Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die Fassung nach Hilfsantrag 1 hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
5Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent ergänzend mit ihren erstinstanzlichen Hilfsanträgen 2 bis 5 (nunmehr als Hilfsanträge 1 bis 4 bezeichnet) sowie mit zwei neuen Hilfsanträgen.
Gründe
6Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet. Sie führt zur Nichtigerklärung, soweit das Streitpatent in Patentanspruch 1 über die mit dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung hinausgeht.
7I. Das Streitpatent betrifft den Ausgleich des Batterieverbrauchs bei drahtlos miteinander verbundenen Audioeinrichtungen.
81. Nach der Beschreibung des Streitpatents ermöglichen Bluetooth, WiFi oder ähnliche drahtlose Kurzwellentechnologien eine Hochgeschwindigkeitskommunikation zwischen mobilen elektronischen Einrichtungen wie zum Beispiel Mobiltelefonen, Uhren, Kopfhörern oder Fernbedienungen (Abs. 17, Abs. 19).
9Bluetooth ermögliche die Einrichtung einer Master-Slave-Struktur, in der eine einzelne Master-Einrichtung mit bis zu sieben aktiven Slave-Einrichtungen kommunizieren könne. Slave-Einrichtungen könnten nur mit der Master-Einrichtung kommunizieren (Abs. 31 f.).
10Die asymmetrische Rollenverteilung könne sich unterschiedlich auf die Batterielebensdauer der einzelnen Komponenten auswirken (Abs. 17, Abs. 32, Abs. 38). Eine annähernd gleichmäßige Entleerung könne durch ein Überwachen der Batteriestände der Komponenten und einen regelmäßigen Austausch der Rollen als Master und Slave herbeigeführt werden (Abs. 5, Abs. 19, Abs. 39).
11Dieser Austausch könne die Kommunikationsverbindung zwischen der aktuellen Master-Einrichtung (zum Beispiel einem ersten Ohrhörer) und der Quelle (zum Beispiel einem Medienabspielgerät) beenden. Während dieses Zeitraums, der etwa eine oder zwei Sekunden dauern könne, sei die Audiowiedergabe möglicherweise unterbrochen (Abs. 20).
122. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, den Leistungsverbrauch von Drahtloseinrichtungen in einer Master-Slave-Konfiguration möglichst effizient und unauffällig auszugleichen.
133. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 in der nunmehr in erster Linie verteidigten Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
154. Die erteilte Fassung sah zusätzlich das folgende Merkmal vor:
175. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
18a) Die Merkmale 1 bis 1.7 sehen einen Tausch der Rollen als Master und Slave vor, um einen gleichmäßigen Energieverbrauch der beteiligten Geräte zu ermöglichen.
19b) Nach Merkmal 1.6 erfolgt ein solcher Tausch, wenn festgestellt (determined) wird, dass es Zeit dafür ist. Anhand welcher Kriterien eine solche Feststellung erfolgt, bleibt danach offen.
20c) Merkmal 1.8 konkretisiert diese Anforderung dahin, dass ein Tausch möglich sein muss, wenn beim Überwachen der Datenübertragung eine Periode mit geringer Datenübertragung oder Pausen identifiziert werden.
21aa) Eine Pause im Sinne von Merkmal 1.8 ist ein Zustand, in dem kein für den Benutzer wahrnehmbares Schallsignal übertragen wird. Auf welchen Gründen dies beruht, ist durch Merkmal 1.8 nicht vorgegeben.
22(1) Die Beschreibung verwendet den Begriff der Pause in unterschiedlicher Bedeutung.
23Als Beispiel für eine Pause führt die Beschreibung eine Phase der Ruhe zwischen zwei Liedern in einem Radio- oder MP3-Datenstream an (Abs. 20, Abs. 42). In anderem Zusammenhang wird als Pause ein Zustand bezeichnet, in dem die Datenübertragung auf entsprechende Anforderung des Master-Geräts angehalten ist (Abs. 23, Abs. 50 f.).
24(2) Merkmal 1.8 lässt nicht erkennen, dass nur eine dieser beiden Situationen eine Pause im Sinne von Patentanspruch 1 bildet. Deshalb sind beide Bedeutungen vom Patentanspruch umfasst.
25Ein engeres Verständnis des Begriffs lässt sich nicht daraus ableiten, dass Merkmal 1.8 vorgibt, eine Pause durch Überwachen (monitoring) der Datenübertragung zu identifizieren, wie dies in der Beschreibung (Abs. 42) und in Figur 4C im Zusammenhang beispielhaft für eine Phase der Ruhe zwischen zwei Liedern geschildert wird. Wie die Berufung zu Recht geltend macht, sieht die Beschreibung eine Überwachung des Datenstroms zur Identifizierung einer Pause auch für Pausen vor, die von einem Gerät angefordert worden sind (Abs. 51).
26bb) Zu der Frage, auf welche Weise die Datenübertragung zu überwachen ist, enthält Merkmal 1.8 ebenfalls keine Vorgaben.
27Als Überwachung im Sinne von Merkmal 1.8 kommt deshalb jede Maßnahme in Betracht, die Rückschlüsse darauf zulässt, dass eine Pause im oben genannten Sinne stattfindet.
28Entgegen der Auffassung des Patentgerichts kann dies auch dadurch geschehen, dass eines der an der Datenübertragung beteiligten Geräte überprüft, ob ein von ihm angefordertes Anhalten der Datenübertragung tatsächlich stattfindet.
29d) Ob die in Merkmal 1.6 vorgesehene Feststellung, dass es Zeit für einen Rollentausch ist, und die in Merkmal 1.8 vorgesehene Identifizierung eines dafür besonders gut geeigneten Zeitpunkts in zwei gesonderten Schritten erfolgen müssen oder ob es ausreicht, wenn eine identifizierte Pause oder Periode geringer Datenübertragung zum Anlass für einen solchen Tausch genommen wird, ist für die Entscheidung über den Rechtsbestand nicht erheblich.
30II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
31Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei durch die US-amerikanische Patentanmeldung 2011/0158441 (K5/Batra) vollständig vorweggenommen.
32Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand sei demgegenüber neu. Merkmal 1.8 sei in K5 nicht ausdrücklich offenbart und werde vom Fachmann, einem Ingenieur der Informations- oder Nachrichtentechnik mit Universitätsabschluss (Diplom oder Master) und mehrjähriger Berufserfahrung sowie einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der Konzeption und Entwicklung von Geräten für drahtlose Kommunikationssysteme, der mit den gängigen Kommunikationsstandards, insbesondere im Bereich der drahtlosen Nahbereichskommunikation vertraut sei, auch nicht mitgelesen.
33Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. K5 gebe zwar Anlass, sich näher mit dem Pausieren von Datenübertragungen zu befassen. Allerdings folgere der Fachmann aus dem Vorhandensein eines Pause-Befehls in der Bluetooth-Technologie (K17) nicht, den Eintritt der angeforderten Pause zu überwachen oder das tatsächliche Eintreten einer Pause vor der Durchführung des Master-Slave-Wechsels abzuwarten. Ein störungsfreier Master-Slave-Wechsel werde in K5 bereits dadurch erreicht, dass der aktuelle Slave das von der Quelle übermittelte Signal eine Zeitlang mithöre. Das Initiieren einer Pause diene demgegenüber der Anzeige des Rollentauschs an den Nutzer. Unabhängig davon ergebe sich in K5 bereits aus dem Erkennen der Notwendigkeit eines Rollentauschs zwingend dessen Durchführung. Nach Merkmal 1.8 erfolge der Tausch hingegen nur dann, wenn eine Periode mit geringer Datenübertragung oder eine Pause durch Überwachen der Datenübertragungen als solche festgestellt worden sei. Dafür gebe K5 keinen Anlass. Die Spezifikation des Bluetooth-Profils AVRCP (Audio/Video Remote Control Profile, K17) sehe zwar vor, dass das Endgerät bestimmte Ereignisse auf der Datenquelle überwache. Es habe aber kein Anlass bestanden, das Verfahren der K5 um eine solche Überwachung zu ergänzen. Aus den übrigen Entgegenhaltungen ergäben sich keine weitergehenden Anregungen.
34III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
351. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts lag der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigte Gegenstand ausgehend von K5 jedenfalls nahe.
36a) K5 betrifft Kommunikationssysteme mit Drahtloslautsprechern.
37aa) K5 führt aus, Audiogeräte wie Mobiltelefone könnten drahtlos mit einer Lautsprechereinheit gekoppelt werden, etwa einem Headset mit einem Paar kabelloser Ohrhörer, und in einem persönlichen drahtlosen Netzwerk arbeiten, etwa nach der Bluetooth-Spezifikation.
38Die Geschwindigkeit, mit der die Batterien in den einzelnen Drahtlosgeräten verbraucht würden, könne je nach den ausgeführten Funktionen und der Häufigkeit der Nutzung stark variieren. Dies könne die Lebensdauer der Lautsprechereinheit als Ganzes unnötig einschränken (Abs. 3).
39bb) Zur Verbesserung schlägt K5 einen Rollentausch der Drahtlosgeräte vor.
40In einem Ausführungsbeispiel umfasst das drahtlose Kommunikationssystem eine Basiseinheit und zwei Drahtlosgeräte, etwa ein Mobiltelefon und zwei Ohrhörer. Das erste Drahtlosgerät empfängt von der Basiseinheit zwei Stereokanäle, von denen es einen wiedergibt und den anderen über eine weitere drahtlose Verbindung an das zweite Drahtlosgerät weiterleitet (Abs. 34).
41Das erste Drahtlosgerät enthält einen Leistungsmonitor, der den Leistungspegel der Batterie überwacht, und einen Controller, der als Reaktion auf das Absinken des Leistungspegels unter einen bestimmten Schwellenwert einen Moduswechsel herbeiführt. Hierbei wechselt das erste Drahtlosgerät vom Vermittlungsmodus in den Endmodus und das zweite Drahtlosgerät vom Endmodus in den Vermittlungsmodus (Abs. 16, Abs. 28). Diese beiden Zustände werden auch als Master- und Slave-Modus bezeichnet (Abs. 28).
42Der Moduswechsel kann erfolgen, ohne dass dies dem Benutzer angezeigt wird. Alternativ kann durch ein oder beide Drahtlosgeräte ein akustisches oder visuelles Signal ausgegeben werden.
43Zusätzlich kann das Drahtlosgerät im Vermittlungsmodus für den Wechsel eine Pause in den Audioinformationen von der Basiseinheit einleiten. Dafür sendet es ein Signal an die Basiseinheit, um die Audioinformationen vor dem Wechsel anzuhalten. Nach dem Wechsel sendet das nunmehr im Vermittlungsmodus befindliche Drahtlosgerät ein Signal an die Basiseinheit, um die Audioinformationen wiederaufzunehmen (Abs. 30, Abs. 38).
44Der Moduswechsel kann dergestalt erfolgen, dass das erste Drahtlosgerät seine drahtlose Verbindung mit der Basiseinheit auf das zweite Drahtlosgerät überträgt. Nach Empfang der Verbindungsparameter kann das zweite Drahtlosgerät die Verbindung zwischen dem ersten Drahtlosgerät und der Basiseinheit mithören. Im Anschluss daran beendet das erste Drahtlosgerät die Verbindung zur Basiseinheit und empfängt stattdessen Audioinformationen vom zweiten Drahtlosgerät (Abs. 25, Abs. 38).
45b) Damit sind, wie auch die Berufungserwiderung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1 bis 1.7 offenbart.
46c) Es kann dahinstehen, ob K5 eine Überwachung der Datenübertragung zur Identifizierung einer Pause in der Datenübertragung im Sinne von Merkmal 1.8 offenbart, wie dies die Berufung vorbringt. Merkmal 1.8 lag ausgehend von K5 jedenfalls in Verbindung mit K17 nahe.
47aa) Wie das Patentgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, gaben die fehlenden Informationen in K5 zur Ausgestaltung des Auslösens der angeforderten Pause dem Fachmann Anlass, sich näher mit dem Pausenbefehl zu befassen.
48bb) Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Pausenbefehls bot sich K17 an.
49Für den Fachmann lag es entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung ausgehend von K5 nahe, die Bluetooth-Technologie als allgemeines Fachwissen in Betracht zu ziehen.
50K5 nimmt ausdrücklich auf die Bluetooth-Technologie Bezug (Abs. 2, Abs. 23, Abs. 27, Abs. 32). Angesichts dessen bestand Anlass, sich mit den im Bluetooth-Standard vorgesehenen Möglichkeiten zum Anfordern einer Pause zu befassen.
51cc) K17 sieht unter anderem vor, dass ein Controller (CT) Steuerbefehle an ein Zielgerät (TG) sendet.
52Ein Controller in diesem Sinne kann auch ein Kopfhörer sein, der Befehle an einen in dieser Konstellation als Zielgerät fungierenden portablen Disc Player sendet (S. 17 Fig. 2.5). Das Zielgerät sendet eine Antwort, aus der ersichtlich ist, ob der Befehl ausgeführt worden ist (S. 26 Fig. 4.4).
53Zu den möglichen Befehlen gehört die Anweisung "Pause" (S. 35 Tab. 4.7; S. 37 Tab. 4.8).
54Der Controller kann ferner den aktiven Status vom Zielgerät abfragen. Hierbei kann der Status "paused" gemeldet werden (S. 39 unter 5.5: events that can be monitored on the target are play status events of the current media track; S. 59 Tab. 6.29).
55dd) Vor diesem Hintergrund bestand ausgehend von K5 Veranlassung, zur Anforderung einer Pause durch ein Bluetooth-Gerät die in K17 vorgesehenen Befehle zu nutzen. Damit lag zugleich nahe, auf die in K17 bei solchen Befehlen vorgesehene Rückmeldung zurückzugreifen, um sicherzustellen, dass der Befehl tatsächlich ausgeführt wird.
56Wie die Berufungserwiderung im Ansatz zutreffend geltend macht, enthält K5 allerdings keine ausdrücklichen Hinweise darauf, dass nach dem Anfordern einer Pause ein Rollenwechsel nur dann stattfinden soll, wenn die Pause tatsächlich eingetreten ist. Der in K5 im Anschluss an den Rollenwechsel vorgesehene Befehl, die Übertragung wiederaufzunehmen, deutet jedoch darauf hin, dass zumindest im Regelfall tatsächlich eine Pause eintreten soll. Vor diesem Hintergrund bot sich ein Rückgriff auf die in K17 vorgesehene Rückmeldung an, um sicherzustellen, dass der Pausenbefehl umgesetzt worden ist.
57Wie bereits oben aufgezeigt wurde, stellt eine solche Überprüfung ein Überwachen im Sinne von Merkmal 1.8 dar.
582. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag 1 erweist sich dagegen als patentfähig.
59a) Nach Hilfsantrag 1 soll Patentanspruch 1 in der Fassung des zweitinstanzlichen Hauptantrags wie folgt ergänzt werden:
61b) Merkmal 1.9' schließt das Initiieren einer Pause durch ein Steuern einer Medienquelle auf der Quellendrahtloseinrichtung in Reaktion auf die Feststellung, dass es Zeit ist, die Rollen zu tauschen, aus.
62Damit beschränkt Merkmal 1.9' die von Merkmal 1.8 umfasste Überwachung auf ohnehin auftretende Pausen. Eine solche Pause kann, wie dies in der Beschreibung als Beispiel geschildert wird, in einer Phase der Ruhe zwischen zwei Liedern in einem Radio- oder MP3-Datenstream bestehen. Sie kann aber auch dadurch zustande kommen, dass die Datenübertragung auf einen Befehl des Benutzers hin oder aus sonstigen Gründen angehalten ist. Ausgeschlossen ist nur ein Anhalten der Datenübertragung, das deshalb angefordert worden ist, weil festgestellt wurde, dass es Zeit ist, die Rollen zwischen Master- und Slave-Gerät zu tauschen.
63c) Entgegen der Auffassung der Berufung ist ein Verfahren mit Merkmal 1.9' ursprünglich offenbart.
64Der Patentanmeldung (K3) ist unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass ein Rollentausch in Pausen oder Perioden mit geringer Datenübertragung, die nicht eigens zum Zwecke des Rollentauschs ausgelöst worden sind, vom Schutzbegehren umfasst ist.
65Wie die Berufungserwiderung zutreffend ausführt, stellt der in K3 formulierte Anspruch 2 allgemein Verfahren unter Schutz, welche die Überwachung von Datenübertragungen umfassen, um Perioden mit geringer Datenübertragung oder Pausen zu identifizieren und den Austausch der Master-Slave-Rollen während einer identifizierten Periode mit geringer Datenübertragung oder Pausen vorzunehmen.
66K3 beschreibt zudem, dass die Datenübertragung überwacht werden kann, um Pausen (z.B. Ruhe zwischen Liedern in einem Radio- oder MP3-Datenstream) oder Perioden mit geringem Datenverkehr zu identifizieren, und dass der Rollentausch eingeleitet werden kann, wenn eine solche Pause oder Periode identifiziert worden ist (Abs. 50, Abs. 56). Wie bereits oben ausgeführt wurde, liegt darin ein Rollentausch ohne Pausenanfrage und damit ohne aktive Steuerung einer Medienquelle in Reaktion auf die Feststellung, dass es Zeit für einen Rollentausch ist.
67K3 enthält auch bereits die Figuren 4A und 4C des Streitpatents, die einen Rollentausch in einer angeforderten oder in einer nicht angeforderten Pause darstellen.
68Die Einfügung als negatives Merkmal (Disclaimer) erweist sich auch im Übrigen als zulässig.
69Mit der Beschränkung geht keine technische Wirkung einher, die nicht schon in der Anmeldung offenbart wäre. Wie bereits dargelegt wurde, beschreibt bereits K3 die Möglichkeit, eine Überwachung auf Pausen auch und gerade dann durchzuführen, wenn die beteiligten Geräte eine solche Pause nicht angefordert haben.
70Entgegen der Ansicht der Berufung ist Merkmal 1.9' in K5 nicht offenbart.
71K5 sieht lediglich vor, einen Rollentausch in einer Pause durchzuführen, die von einem der beteiligten Geräte angefordert worden ist. Eine Überwachung der Datenübertragung auf eine ohnehin auftretende Pause oder Periode mit geringer Datenübertragung und die Nutzung einer solchen Phase für einen Moduswechsel ist hingegen nicht beschrieben.
72Merkmal 1.9' lag ausgehend von K5 nicht nahe.
73Selbst wenn man zugunsten der Berufung unterstellt, dass ausgehend von K5 Anlass bestand, nach einfacheren Möglichkeiten für einen für den Benutzer nicht wahrnehmbaren Moduswechsel zu suchen, ergab sich auch unter dieser Prämisse aus K5 nicht die Anregung, nach ohnehin auftretenden Pausen oder Perioden geringer Datenübertragung zu suchen und diese für einen Wechsel zu nutzen.
74Aus K5 ergab sich keine Anregung, statt des Anforderns einer Pause die Datenübertragung daraufhin zu überwachen, ob ohnehin eine Pause eintritt, und den beabsichtigten Moduswechsel erst danach vorzunehmen.
75Aus K17 ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.
76K17 sieht die Überwachung der Datenübertragung auf Pausen zwar unabhängig davon vor, aus welchem Grund die Pause eingetreten ist (S. 39 unter 5.5; S. 59 unter 6.7). Auch daraus ergab sich aber keine Anregung, diese Möglichkeit in der in Merkmal 1.9' vorgesehenen Weise zu nutzen.
77Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die in K5 vorgesehene Pause zugleich als Signal dient, um den Benutzer über den Moduswechsel zu informieren. Wenn dies zu verneinen wäre, wäre eine ohnehin eintretende Pause zwar ebenso gut oder sogar besser geeignet, um den Moduswechsel auf möglichst unauffällige Weise vorzunehmen. Weder aus K5 noch aus K17 ergaben sich aber Hinweise, die solche Überlegungen nahelegten und damit Anlass gaben, die in K17 vorgesehenen Funktionen für diese Zwecke zu nutzen.
78Die übrigen Entgegenhaltungen liegen weiter ab und wurden von den Parteien im Berufungsrechtszug zu Recht nicht mehr erörtert.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180225UXZR24.23.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-88956