Instanzenzug: Az: 28 U 1742/20 Bauvorgehend LG München I Az: 15 HK O 3933/11
Gründe
I.
1Die Klägerin fordert von der Beklagten restlichen Werklohn aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Generalunternehmervertrag. Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatzansprüche geltend.
2Die Parteien schlossen am unter Einbeziehung der VOB/B einen Generalunternehmervertrag über Bauleistungen an einem Gebäude in der Münchener Innenstadt zu einem Pauschalfestpreis in Höhe von 5.150.000 € netto, der durch Zusatzvereinbarung vom 26. Februar/ ergänzt wurde. Gegenstand der Zusatzvereinbarung war unter anderem ein Bauzeitenplan, wonach die Leistungen bis zum fertigzustellen waren. Im Vertrag war zu Lasten der Klägerin eine Vertragsstrafe bei einem von ihr zu vertretenden Verzug vereinbart worden. Vertragsgemäß stellte die Klägerin der Beklagten eine Vertragserfüllungsbürgschaft. Im Gegenzug stellte die Beklagte der Klägerin entsprechend der vertraglichen Vereinbarung eine Zahlungsbürgschaft als Sicherheit für die Erfüllung der nach dem Vertrag zu erbringenden Zahlungen. Im Vertrag war vereinbart, dass jede Partei die Avalzinsen für die von ihr gestellte Bürgschaft übernimmt.
3Mit Schreiben vom beanstandete die Beklagte Mängel der Ausführung. Mit Schreiben vom rügte die Beklagte, dass zahlreiche Leistungen entgegen der in der Zusatzvereinbarung getroffenen Abrede nicht bis zum fertig gestellt, insbesondere auch nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden seien. Unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom forderte sie die Klägerin zur Beseitigung der Mängel mit Fristsetzung bis zum auf und drohte die Entziehung des Auftrags für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs an. Mit Schreiben vom erläuterte die Klägerin, dass und aus welchen Gründen eine vertragsgemäße Fertigstellung innerhalb der gesetzten Frist nicht möglich sein werde und kündigte an, der Beklagten in Kürze einen angepassten Terminplan zu übergeben.
4Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom daraufhin die außerordentliche Kündigung des Vertrags mit der Begründung, ein Abwarten des Ablaufs der gesetzten Frist sei ihr unzumutbar. Mit weiterem Schreiben vom untersagte die Beklagte der Klägerin eine Weiterarbeit auf der Baustelle. Die Klägerin erklärte ihrerseits mit Schreiben vom die außerordentliche Kündigung des Vertrags unter Hinweis darauf, dass die Kündigung der Beklagten unberechtigt gewesen sei.
5Die Parteien nahmen mehrere Abnahmebegehungen vor. Eine Abnahme der Bauleistungen wurde von der Beklagten dabei nicht erklärt.
6Nachdem die Beklagte das Hausverbot gegenüber der Klägerin aufgehoben hatte, führte diese in der Folge noch Mängelbeseitigungsarbeiten durch.
7Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 2.156.668,84 € sowie die Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft geltend gemacht. Daneben hat sie die Erstattung von Avalgebühren und die Feststellung verlangt, die Beklagte befinde sich hinsichtlich der Abnahme im Verzug. Außerdem hat sie die Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Baugrundstück begehrt. Die Beklagte hat widerklagend den Ersatz von Fertigstellungsmehrkosten in Höhe von 536.832,44 € sowie Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 3.145.718,12 € nach näherer Maßgabe, den Ersatz eines Mietausfallschadens in Höhe von 1.721.331,28 €, die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 251.151,43 € und den Ersatz von Avalgebühren in Höhe von 142.265,05 € begehrt und beantragt, festzustellen, dass die Klägerin die Beklagte von Forderungen der C. & W. H. GmbH freistellen müsse. Daneben hat sie die Herausgabe der Zahlungsbürgschaft verlangt.
8Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin zur Zahlung in Höhe von 469.877,31 € (Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 218.725,88 € + Vertragsstrafe in Höhe von 251.151,43 €) sowie zur Herausgabe der Zahlungsbürgschaft verurteilt. Den von der Beklagten gestellten Feststellungsantrag hat es als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht hat einen Anspruch auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten mit der Begründung verneint, dass die Kündigung der Beklagten vom unwirksam gewesen sei.
9Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit der sie ihre Anträge, soweit sie vom Landgericht abgewiesen worden sind, weiterverfolgt haben, mit Ausnahme des von der Beklagten geltend gemachten und erfolglos gebliebenen Feststellungsantrags und des von der Klägerin gestellten Antrags auf Eintragung einer Sicherungshypothek. Hinsichtlich des Letzteren ist der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden. In der Berufungsinstanz haben beide Parteien eine Zwischenfeststellungsklage erhoben, die Klägerin mit dem Ziel, festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom unwirksam und die von ihr erklärte Kündigung vom wirksam gewesen ist, die Beklagte mit dem Ziel, die Wirksamkeit der von ihr erklärten Kündigung und die Unwirksamkeit der klägerischen Kündigung feststellen zu lassen.
10Das Berufungsgericht hat auf die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin festgestellt, dass der Vertrag durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom beendet worden sei und die von der Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung das Vertragsverhältnis nicht beendet habe; die im Wege der Widerklage erhobene Zwischenfeststellungsklage der Beklagten hat es abgewiesen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung dem Antrag der Klägerin auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft stattgegeben und die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung auf einen Betrag in Höhe von 251.151,43 € (Vertragsstrafe) ermäßigt.
11Hiergegen wenden sich sowohl die Klägerin als auch die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Abänderung des Berufungsurteils erreichen wollen, soweit jeweils zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
II.
12Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat teilweise Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
131. Das Berufungsgericht hat die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche der Beklagten auf Ersatz von Mietausfall in Höhe von 1.721.331,28 € und auf Erstattung von Avalgebühren in Höhe von 142.265,05 € abgewiesen. Eine Begründung hierfür enthält die angefochtene Entscheidung nicht.
142. Hiermit hat das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
15a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr., vgl. z.B. Rn. 8, BauR 2024, 1424; Beschluss vom - VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom - VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom - VII ZR 23/14 Rn. 10, ZfBR 2017, 146).
16b) Nach diesen Maßstäben beanstandet die Beklagte zu Recht, dass das Berufungsgericht ihr Vorbringen zur Begründung des Anspruchs auf Ersatz eines Mietausfallschadens in Höhe von 1.721.331,28 € und auf Erstattung von Avalgebühren in Höhe von 142.265,05 € nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
17aa) Das Berufungsgericht hat die Abweisung dieser Ansprüche entgegen § 547 Nr. 6 ZPO nicht begründet. Damit hat es das zu ihrer Begründung gehaltene Vorbringen der Beklagten unter Verstoß gegen das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unberücksichtigt gelassen.
18bb) Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens der Beklagten eine für sie günstigere Entscheidung getroffen
19Die Beklagte hat vorgetragen, infolge des Überschreitens des vereinbarten Fertigstellungstermins vom sei eine Vermietung an zum Einzug bereite Mietinteressenten erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen. Dies ist von der Beklagten im Einzelnen anhand einer konkreten Übersicht der jeweils in Aussicht genommenen Vermietungen und der tatsächlich geschlossenen Mietverträge unter Darlegung der jeweils entgangenen Mieten dargelegt und unter Beweis gestellt worden (vgl. Berufungsbegründungsschrift vom , S. 179 ff.). Zu dem weiteren hypothetischen Verlauf der Dinge musste die Beklagte keinen weiteren Vortrag halten (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom - VII ZR 201/99, BauR 2001, 1577 = NZBau 2001, 623, juris Rn. 31).
20Die Beklagte hat zudem einen - durch Vereinbarung der Parteien nicht abdingbaren (§ 648a Abs. 7 BGB a.F.) - Anspruch auf Ersatz von Avalkosten und gebühren aus § 648a Abs. 3 BGB a.F. schlüssig dargelegt. Zur Höhe der angefallenen Avalkosten und gebühren hat die Beklagte unter Vorlage von Belegen im Einzelnen substantiiert vorgetragen (vgl. Berufungsbegründung vom , S. 181 ff.).
213. Das angefochtene Urteil ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
224. Soweit die Beschwerden der Beklagten und der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil zurückgewiesen werden, wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 6 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).
Pamp Halfmeier Graßnack
Sacher Hannamann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190325BVIIZR231.23.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-88953