Annahmeverzugsvergütung - Leistungsfähigkeit - unterlassener Zwischenverdienst - Böswilligkeit
Instanzenzug: ArbG Kempten Az: 3 Ca 362/23 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 7 Sa 493/23 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 7 Sa 493/23 Ergänzungsurteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten noch über Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom bis zum .
2Die 1960 geborene Klägerin ist seit Oktober 2011 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte in Teilzeit - zuletzt aufgrund der Nebenabrede vom - mit einer Wochenarbeitszeit von 28 Stunden beschäftigt. Nach § 1 Buchst. b des Arbeitsvertrags vom hatte die Klägerin ihre Tätigkeit im Kreisverband O zu erbringen. Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß § 2 des Arbeitsvertrags die jeweils für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge Anwendung.
3Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum und bot der Klägerin die Fortsetzung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. Bei gleichbleibender Tätigkeit sollte die Klägerin 15 Stunden pro Woche beschäftigt werden, wobei sich die Beklagte vorbehalten wollte, der Klägerin eine andere zumutbare, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen und sie an einen anderen Arbeitsort in Bayern zu versetzen. Der Personalrat der Beklagten - einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - hatte zuvor der Kündigung widersprochen. Die Klägerin lehnte das Änderungsangebot ab und erhob gegen die Kündigung Klage zum Arbeitsgericht. Mit Schreiben vom machte sie im Kündigungsrechtsstreit einen „Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG“ geltend. In der Zeit vom 15. bis zum und vom 22. bis zum war sie arbeitsunfähig erkrankt.
4Vom bis zum war die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet. Für die Zeit vom bis zum wurde ihr ein kalendertägliches Arbeitslosengeld in Höhe von 31,46 Euro bewilligt. Für die Zeit vom 8. bis zum erhielt sie Arbeitslosengeld in Höhe von 723,58 Euro, für Mai 2021 bis Januar 2023 monatlich 943,80 Euro und für die Zeit vom 1. bis zum 440,44 Euro. Die Agentur für Arbeit unterbreitete ihr fünf Vermittlungsvorschläge, auf die sich die Klägerin erfolglos bewarb. Die Beklagte übermittelte ihr weitere sechs Vorschläge, wobei bei einem Vorschlag keine Angabe der Firma und von Kontaktdaten erfolgte. Auf die verbleibenden fünf Vorschläge bewarb sich die Klägerin erfolglos. Ohne Erfolg blieben auch zehn weitere eigeninitiativ erfolgte Bewerbungen. Die Klägerin erteilte der Beklagten Auskunft zu ihren Erwerbsbemühungen unter Nennung der Tätigkeit und des Arbeitgebers. Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos aus verhaltensbedingten Gründen, weil die Reaktion der Klägerin auf die unrichtig ausgefüllte Arbeitsbescheinigung mit dem Antrag auf Erlass eines Bußgeldbescheids beim Arbeitsamt unverhältnismäßig sei und das Vertrauensverhältnis „weiter sehr stark beeinträchtige“. Die Klägerin erhob auch dagegen Klage. Im Vorprozess bot die Beklagte ihr mit Schreiben vom eine Prozessbeschäftigung zu den Bedingungen des Änderungsangebots an, welche die Klägerin ablehnte.
5Unter dem machte die Klägerin gegenüber der Beklagten erfolglos Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Streitzeitraum geltend. Das Arbeitsgericht stellte durch Anerkenntnisurteil vom fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst wurde. Ab dem wird das Arbeitsverhältnis wieder vollzogen. Die Klägerin war vom 20. bis zum , vom 9. bis zum , vom 25. bis zum und vom 7. bis zum arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem ist sie erneut arbeitsunfähig erkrankt und bezieht seit dem Krankengeld.
6Mit ihrer der Beklagten am zugestellten Klage hat die Klägerin - soweit für die Revision von Bedeutung - die Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom bis zum abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes verlangt und die Ansicht vertreten, sie sei - wie auch der Bezug des Arbeitslosengeldes zeige - im Streitzeitraum leistungsfähig gewesen. Eine Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG habe nicht zu erfolgen, denn es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, gemäß den Bedingungen des Änderungsangebots bei der Beklagten zu arbeiten.
7Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Klägerin habe ihre Leistungsfähigkeit nicht ausreichend dargelegt. Auf jeden Fall habe sie es böswillig unterlassen, Zwischenverdienst zu erzielen.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs vom bis zum nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht uneingeschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr vollständiges Klagebegehren weiter, während die Beklagte mit ihrer Revision und der hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit der Revision eingelegten Anschlussrevision die vollumfängliche Abweisung der Klage begehrt.
Gründe
10Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die zulässige Revision der Beklagten ist dagegen unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den gesamten Streitzeitraum vom bis zum einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
11I. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts für die Zeit vom 1. April bis zum zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch für diese Zeit einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
121. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Klägerin - entgegen der Auffassung der Beklagten - im gesamten Streitzeitraum leistungsfähig nach § 297 BGB war.
13a) Der Arbeitgeber gerät unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit ist - neben dem Leistungswillen - eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 9 mwN; - 5 AZR 263/16 - Rn. 30).
14b) Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung von Annahmeverzugslohn auf dessen Leistungsunfähigkeit iSd. § 297 BGB, erhebt er eine Einwendung, zu deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt. Weil der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers regelmäßig keine näheren Kenntnisse hat, gilt eine abgestufte Darlegungslast. Der Arbeitgeber genügt seiner primären Darlegungslast grundsätzlich schon dadurch, dass er Indizien vorträgt, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit im Annahmeverzugszeitraum geschlossen werden kann. Hierzu muss er Tatsachen vortragen, die einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, dass der Arbeitnehmer im Streitzeitraum für die geschuldete Tätigkeit nicht bzw. nicht uneingeschränkt leistungsfähig war (vgl. - Rn. 30), die also eine entsprechende Schlussfolgerung ermöglichen und als wahrscheinlich erscheinen lassen. Hieran dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung der behaupteten Tatsachen zu erschüttern (vgl. - Rn. 15, BAGE 180, 320; ausf. - Rn. 11 f. mwN). Der Arbeitnehmer muss dartun, warum aus dem Vortrag des Arbeitgebers nicht auf Leistungsunvermögen geschlossen werden kann (§ 138 Abs. 2 ZPO). Kommt er dem nach und wird eine Beweisaufnahme erforderlich, trägt der Arbeitgeber die Feststellungslast.
15c) Soweit wie vorliegend die Feststellung der Leistungsfähigkeit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegt, steht den Tatsachengerichten bei der Beurteilung der Frage, ob der Arbeitgeber ausreichende Indizien vorgetragen hat, aus denen auf die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers geschlossen werden kann, ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. zum Leistungswillen - Rn. 30, BAGE 178, 246; vgl. zur Leistungsfähigkeit - Rn. 13). Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat.
16d) Diesem revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand. Die Beklagte hat keine ausreichenden Indizien vorgetragen, die einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, dass die Klägerin im Streitzeitraum für die geschuldete Tätigkeit nicht bzw. nicht uneingeschränkt leistungsfähig war. Das Landesarbeitsgericht hat die von der Beklagten vorgetragenen wesentlichen Umstände vollständig gewürdigt. Es hat die Arbeitsunfähigkeitszeiten sowohl vor dem als auch nach Fortsetzung des Vollzugs des Arbeitsverhältnisses ab herangezogen und insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin während des gesamten Verzugszeitraums der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zur Verfügung stand. Die Klägerin hat sich auf die von der Agentur für Arbeit und der Beklagten übermittelten Vermittlungsvorschläge sowie eigeninitiativ beworben. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand auch keine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Verzugszeitraum und der von der Klägerin behaupteten Leistungsfähigkeit. Auch nach Ende des Verzugszeitraums war die Klägerin zunächst leistungsfähig und nahm ihre Arbeit wieder auf. Arbeitsunfähigkeit lag erst ab dem und danach auch nicht sofort durchgängig vor.
172. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. April bis zum es böswillig unterlassen hat, anderweitigen Verdienst zu erzielen.
18a) Da im Streitzeitraum nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, richtet sich die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 2 KSchG und nicht nach dem weitgehend inhaltsgleichen § 615 Satz 2 BGB (vgl. - Rn. 13; - 5 AZR 205/21 - Rn. 12 mwN).
19b) Der Klägerin war die Aufnahme der Arbeit nach Maßgabe des Änderungsangebots der Beklagten nicht zumutbar iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, da mit dem Änderungsangebot eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden gewesen wäre. Die Nettovergütung, welche die Klägerin in dieser Zeit erhalten hätte, hätte unter dem Arbeitslosengeld I gelegen.
20aa) § 11 Nr. 2 KSchG bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Darlegungs- und Beweislast für diese Einwendung trägt grundsätzlich der Arbeitgeber, der mit dem Ausspruch der unwirksamen Kündigung die Ursache für den Annahmeverzug gesetzt hat ( - Rn. 27 mwN; - 5 AZR 387/19 - Rn. 27, BAGE 170, 327).
21(1) Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig iSd. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Böswilligkeit setzt dabei nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht allerdings nicht aus ( - Rn. 17; - 5 AZR 98/05 - Rn. 18, BAGE 116, 359).
22(2) In § 11 Nr. 2 KSchG wird dem Arbeitnehmer eine Pflicht zur angemessenen Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers auferlegt. Der Arbeitnehmer soll seine Annahmeverzugsansprüche nicht ohne Rücksicht auf den Arbeitgeber durchsetzen können (vgl. - Rn. 16, BAGE 116, 355). Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls ( - Rn. 18; - 5 AZR 346/21 - Rn. 31). Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist damit stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen ( - Rn. 15).
23(3) Im Rahmen der Gesamtabwägung können die sozialrechtlichen Handlungspflichten bei der Auslegung des Begriffs des böswilligen Unterlassens am Maßstab der gemeinsamen Vertragsbeziehung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht außer Acht gelassen werden (zur Verletzung der in § 38 Abs. 1 SGB III geregelten Pflicht, sich innerhalb von drei Tagen nach Erhalt einer außerordentlichen Kündigung bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden - Rn. 21 mwN; zur Verletzung der in § 2 Abs. 5 SGB III geregelten Pflicht zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit - Rn. 19). Sozialrechtliche Handlungspflichten sind jedoch bei der Beurteilung des böswilligen Unterlassens nach § 11 Nr. 2 KSchG nicht unmittelbar anwendbar und ihre Wertungen nicht „eins zu eins“ zu übernehmen (zur Zumutbarkeit einer anderweitigen Tätigkeit und der Verpflichtung nach § 140 SGB III: - Rn. 24; ErfK/Kiel 25. Aufl. KSchG § 11 Rn. 12; HWK/Krause 11. Aufl. § 615 BGB Rn. 94; Helml AuA 10/24, S. 24, 27; für eine „Ausstrahlung“ Staudinger/Fischinger [2022] BGB § 615 Rn. 174a; für eine „Orientierungshilfe“ Schmidt SR 2022, 98, 103 ff.; krit. Nägele Anm. AP BGB § 615 Nr. 176; vgl. auch Kolbe Anm. AP BGB § 615 Nr. 158; Wolter AuR 2022, 470; aA und für eine Übernahme: Vogt/Fischer NZA-RR 2024, 1, 3 f.; Witteler/Brune NZA 2020, 1689, 1691; vgl. Fritz/Erren NZA 2009, 1242, 1245 ff.; für eine lediglich teilweise Übernahme bei Begrenzung der Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber nach den sozialrechtlichen Verpflichtungen Oberthür NZA 2024, 1010, 1011 f.). Sie werden nicht Inhalt der privatrechtlichen Vertragsbeziehung (unzutreffend daher der Schluss von Wolter AuR 2022, 470, 474).
24(a) Die sozialrechtlichen Handlungspflichten verfolgen vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke (vgl. bereits - Rn. 19). Diese Pflichten können durch die Agentur für Arbeit im Verwaltungsverfahren durchgesetzt und ihre Verletzung kann sanktioniert werden. Sie sind arbeitsmarktpolitischen Änderungen unterworfen (vgl. dazu Kolbe Anm. AP BGB § 615 Nr. 158; Schmidt SR 2022, 98, 103) und dienen dem Schutz der Versichertengemeinschaft (vgl. zu § 121 SGB III aF - Rn. 20; zu § 140 SGB III: Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 84; Schubert/Jörgensen BB 2023, 55, 57). So soll zB mit den in § 140 SGB III normierten Anforderungen an eine zumutbare Beschäftigung ein Beschäftigungsschub und damit letztlich über eine verbesserte Funktionsfähigkeit der Marktmechanismen eine Verringerung der Lohnnebenkosten erreicht und der Versicherungsfall schnellstmöglich beendet werden (vgl. - Rn. 24). Zudem gelten für Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III (vgl. § 140 SGB III) und von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (vgl. § 10 SGB II) unterschiedliche Kriterien für die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit. Bei einer Übernahme dieser Pflichten in das Arbeitsrecht würde die Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG jeweils davon abhängen, welche sozialrechtlichen Leistungen der Arbeitnehmer in Anspruch nimmt. Bestimmte sozialrechtliche Pflichten treffen zudem nur den Arbeitnehmer, der sozialversicherungsrechtliche Leistungen in Anspruch nimmt (vgl. Fischer jurisPR-ArbR 35/2020 Anm. 1). Leistungen der Arbeitsförderung werden gemäß § 323 SGB III nur auf Antrag erbracht.
25(b) Die bei der Gesamtabwägung zur Beurteilung der Böswilligkeit iSd. § 11 Nr. 2 KSchG nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zu berücksichtigenden Obliegenheiten des Arbeitnehmers ergeben sich dagegen aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertragsverhältnis und der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers. § 11 Nr. 2 KSchG durchbricht den Grundsatz, wonach der Arbeitnehmer im Fall des Annahmeverzugs des Arbeitgebers seinen Anspruch auf die vertragliche Vergütung nicht verliert. Die Anrechnungsregelung knüpft unmittelbar an das zwischen den Vertragsparteien bestehende Austauschverhältnis an (Bayreuther NZA 2003, 1365, 1366). Durch § 615 BGB wird - anders als durch den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 137 SGB III - kein eigener Anspruch begründet, sondern der ursprüngliche Vergütungsanspruch, der sonst nach den §§ 275, 326 Abs. 1 BGB untergegangen wäre, aufrechterhalten. Der Arbeitnehmer behält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch ( - Rn. 16, BAGE 154, 100; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 3; Staudinger/Fischinger [2022] BGB § 615 Rn. 9). § 11 Nr. 2 KSchG dient wie § 615 Satz 2 BGB nicht vorrangig dem Schutz der Versichertengemeinschaft, sondern regelt die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen zwei Privatrechtssubjekten (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) für den Annahmeverzug im Fall einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage. Die arbeitsvertraglichen Obliegenheiten des Arbeitnehmers werden daher nicht unmittelbar durch seine sozialrechtlichen Pflichten bestimmt. Auch ein Arbeitnehmer, der keine Leistungen der Agentur für Arbeit in Anspruch nimmt, ist nach § 11 Nr. 2 KSchG und § 615 Satz 2 BGB gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, einen anderweitigen Erwerb nicht böswillig zu unterlassen und ggf. eine anderweitige zumutbare Tätigkeit aufzunehmen. Für deren Beurteilung können sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen gerade nicht abschließend herangezogen werden.
26(c) Dies führt auch nicht zu einem Wertungswiderspruch (so aber Oberthür NZA 2024, 1010, 1015). Aufgrund der nicht identischen Zwecksetzungen und Schutzrichtungen der sozialrechtlichen Vorschriften und des § 11 Nr. 2 KSchG können die sozialrechtlichen Handlungspflichten nicht „eins zu eins“ auf den Fall des Annahmeverzugs übertragen werden. Was ein Arbeitsloser der Solidargemeinschaft der Versicherten schuldet, das schuldet er nicht automatisch auch dem seine Arbeitslosigkeit verursachenden Arbeitgeber (vgl. Schmidt SR 2022, 98, 106). Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung formuliert hat, dass dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch arbeitsrechtlich das zugemutet werden könne, was ihm das Gesetz ohnehin abverlange, bezog sich diese Aussage allein auf die Verpflichtung des Arbeitnehmers nach § 38 Abs. 1 SGB III, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden (vgl. - Rn. 21 f.; - 5 AZR 387/19 - Rn. 47, BAGE 170, 327).
27(d) Ein gekündigter Arbeitnehmer, der keine Leistungen der Solidargemeinschaft in Anspruch nimmt, wird nicht von den Obliegenheiten des § 11 Nr. 2 KSchG gegenüber dem Arbeitgeber befreit. Ebenso können ihn, wenn er Leistungen der Agentur für Arbeit erhält, gegenüber dem Arbeitgeber nach § 242 BGB Obliegenheiten treffen, die über seine sozialrechtlichen Pflichten hinausgehen. Für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmen (vgl. - Rn. 17). Dem steht auch der in § 115 Abs. 1 SGB X angeordnete Übergang des Anspruchs des Arbeitsnehmers auf Arbeitsentgelt auf den Leistungsträger, der wegen der Nichterfüllung Sozialleistungen erbracht hat, nicht entgegen. Der Anspruchsübergang setzt nach seinem Wortlaut - „[s]oweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt“ - das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt voraus. Dessen Voraussetzungen werden jedoch gerade nicht durch § 115 Abs. 1 SGB X bestimmt (im Ergebnis aA Oberthür NZA 2024, 1010).
28(4) Meldet sich der Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend und geht er deren Vermittlungsangeboten nach, wird ihm regelmäßig keine vorsätzliche Untätigkeit vorzuwerfen sein. Aus § 11 Nr. 2 KSchG kann allerdings nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Fall ein zumutbares Angebot der Agentur für Arbeit abwarten. Vielmehr kann die Abwägung der Interessen im Einzelfall für ihn auch die Obliegenheit begründen, ein eigenes Angebot abzugeben, wenn sich ihm eine realistische zumutbare Arbeitsmöglichkeit bietet (dazu - Rn. 27; - 5 AZR 98/05 - Rn. 19, BAGE 116, 359; BeckOGK/Schwarz Stand KSchG § 11 Rn. 61). Hieraus folgt aber auch, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer geeignete Stellenangebote, zB aus Zeitungsannoncen oder privaten „Jobportalen“ zu übermitteln, um ihn aktiv zur Prüfung anderweitiger Beschäftigungsoptionen zu veranlassen ( - Rn. 20; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 87; dazu bereits - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 94, 343; aA Müller/Smajic ArbRAktuell 2024, 517).
29(5) Die anderweitige Arbeit muss zumutbar sein. Dies beurteilt sich insbesondere nach der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen (vgl. - Rn. 21 mwN).
30(a) Es ist jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ermitteln, inwieweit eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zB nach der Art der Tätigkeit, der Arbeitszeit, des Ortes der anderweitigen Beschäftigung oder der Person des Arbeitsgebers sowie hinsichtlich des Verdienstes hinnehmbar ist. Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer aber grundsätzlich nicht hinnehmen (vgl. - Rn. 23; - 5 AZR 30/22 - Rn. 14).
31(b) Ein böswilliges Unterlassen kann auch in der Ablehnung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen durch den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Änderungskündigung liegen. Die Sozialwidrigkeit der Kündigung hat nicht zwingend die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit zu geänderten Bedingungen zur Folge (vgl. - Rn. 32; - 5 AZR 754/05 - Rn. 21). Die Wahlmöglichkeit des § 2 Satz 1 KSchG wird also durch § 11 Nr. 2 KSchG faktisch eingeschränkt, sie steht gleichsam unter dem Vorbehalt der Obliegenheit des § 11 Nr. 2 KSchG. Die Ablehnung des Änderungsangebots im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung ist deshalb im Grundsatz nicht anders zu beurteilen als die Ablehnung eines entsprechenden Angebots nach erfolgter Kündigung ( - aaO; - 5 AZR 508/03 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 111, 123).
32(c) Inwieweit der Arbeitnehmer eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sowohl der Art, der Arbeitszeit und des Ortes der anderweitigen Beschäftigung sowie des Verdienstes hinnehmen muss, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit der Arbeit folgt nicht allein schon aus einem geringeren Verdienst bei einer anderweitigen Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber (vgl. - Rn. 22 mwN). Entsprechendes gilt für eine Tätigkeit bei dem bisherigen Arbeitgeber, der mit Ausspruch einer Änderungskündigung die Fortsetzung derselben oder einer anderen Arbeit zu einer geringeren Vergütung anbietet (vgl. - Rn. 31; - 5 AZR 508/03 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 111, 123; zust. Schubert/Jörgensen BB 2023, 55, 58; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 89). Jedenfalls ist eine Tätigkeit, bei der der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I liegt, während des Bezugszeitraums dieser Leistung nicht als zumutbar anzusehen ( - Rn. 25; BeckOGK/Schwarz Stand KSchG § 11 Rn. 41; BeckOK BGB/Baumgärtner Stand § 615 Rn. 42).
33(d) Dies gilt auch im Fall der Änderungskündigung. Weder erfordert die Rücksichtnahme auf den im Annahmeverzug befindlichen Arbeitgeber die Aufnahme einer solchen Tätigkeit, noch handelt der Arbeitnehmer vorwerfbar, wenn er sich für den Bezug der ihn besserstellenden öffentlich-rechtlichen Leistung entscheidet. Schließlich besteht auch für ihn ein Prozessrisiko im Kündigungsschutzverfahren und damit die Ungewissheit, ob ihm später Vergütungsnachzahlungen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zustehen werden ( - Rn. 25). Andererseits kommt ein böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst in Betracht, wenn der Arbeitnehmer eine anderweitige Arbeit nicht aufgenommen oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert hat, bei der er nur etwas weniger als zuvor verdient hätte und die Arbeit insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Art, der Entfernung der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit zumutbar gewesen wäre ( - aaO).
34bb) Bei der Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Zumutbarkeit“ und „Böswilligkeit“ kommt dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu, der vom Revisionsgericht nur beschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, bei der Unterordnung des festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind und bei der gebotenen Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden oder das Ergebnis in sich widersprüchlich ist ( - Rn. 26; - 5 AZR 331/22 - Rn. 32).
35c) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen für die Zeit vom 1. April bis zum einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und sie nicht widerspruchsfrei gewürdigt. Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Klägerin meint - der Widerspruch des Personalrats gegen die Änderungskündigung und ein ggf. daraus folgender personalvertretungsrechtlicher Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen der Anrechnung entgegensteht.
36aa) Das Berufungsgericht hat bereits im Ausgangspunkt übersehen, dass bei der Beklagten kein Betriebsrat, sondern ein Personalrat nach den Vorschriften des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes besteht. Bei der Beklagten handelt es sich gemäß Art. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK-Gesetz) um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) gilt für die Beschäftigten der Beklagten das Bayerische Personalvertretungsgesetz mit der Maßgabe, dass die Kreis- und Bezirksverbände und die Landesgeschäftsstelle jeweils als selbständige Dienststellen gelten. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch könnte daher nicht nach § 102 Abs. 5 BetrVG, sondern allenfalls nach Art. 77 Abs. 2 Satz 1 BayPVG in Betracht kommen.
37bb) Für den Anspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG hat das Bundesarbeitsgericht zudem entschieden, dass der Arbeitnehmer deutlich erkennbar vom Arbeitgeber seine vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses spätestens am ersten Arbeitstag nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangen muss ( - zu II 2 der Gründe; - 2 AZR 608/98 - zu II 2 b bb der Gründe). Ob diese Grundsätze auf den personalvertretungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch übertragen werden können (für § 85 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zust. Sachadae in Lorenzen/Gerhold/Schlatmann ua. BPersVG Stand August 2022 § 85 Rn. 184), kann vorliegend dahinstehen. Der Zumutbarkeit des Beschäftigungsangebots steht bereits entgegen, dass die Beklagte der Klägerin eine Beschäftigung angeboten hat, deren Vergütung im Zeitraum vom 1. April bis zum unter dem Betrag lag, den die Klägerin in diesem Zeitraum durch die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld I erzielt hat. Dies hat das Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt.
38(1) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO davon auszugehen, dass die Klägerin bei Annahme des Beschäftigungsangebots der Beklagten im Umfang von 15 Wochenarbeitsstunden vom 1. April bis zum ausgehend von einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.155,78 Euro brutto (15/28 von 2.157,45 Euro brutto) einen Nettoverdienst in Höhe von monatlich rund 914,00 Euro erzielt hätte. Dieser Verdienst war geringer als das der Klägerin von der Agentur für Arbeit bewilligte Arbeitslosengeld I in Höhe von kalendertäglich 31,46 Euro, dh. monatlich 943,80 Euro. Soweit die Beklagte erstmalig in der Revision bestreitet, dass die der Klägerin für diese Zeit zustehende Nettovergütung unter dem ihr zustehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld I gelegen hätte, bleibt dieser neue Vortrag nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unberücksichtigt. Zudem fehlt es auch an einem substantiierten Bestreiten der Beklagten nach § 138 Abs. 2 ZPO. Sie verfügt als Arbeitgeberin über alle erforderlichen Informationen und ist in der Lage, die sich aus ihrem Angebot ergebende Nettovergütung der Klägerin zu beziffern. Ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) kommt damit nicht in Betracht. Die Klägerin war daher nicht verpflichtet, auf Leistungen der Agentur für Arbeit zu verzichten und eine Tätigkeit bei der Beklagten aufzunehmen, bei der die Vergütung unter dem Arbeitslosengeld I gelegen hätte.
39(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bei Annahme des Änderungsangebots ab September 2021 eine Nettovergütung hätte erzielen können, die geringfügig über dem Arbeitslosengeld I gelegen hätte. Im hier maßgeblichen Zeitraum lag das Nettoeinkommen unter dem Arbeitslosengeld I. Mit der fristlosen Kündigung vom hielt die Beklagte das Änderungsangebot nicht mehr aufrecht. Zudem ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich der Höhe der Vergütung und des Arbeitslosengeldes I zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungskündigung maßgeblich. Etwaige zukünftige Änderungen der Arbeitsvertragsbedingungen bleiben aufgrund ihrer Ungewissheit regelmäßig außer Betracht.
403. Das Berufungsurteil unterliegt deshalb insoweit der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es indes nicht. Da die maßgeblichen Tatsachen festgestellt sind und ergänzender Sachvortrag hierzu nicht zu erwarten ist, kann der Senat in der Sache gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts steht fest, dass der Klägerin die Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten nach den Bedingungen des Änderungsangebots in der Zeit vom 1. April bis zum nicht zumutbar war. Ein böswillig unterlassener Verdienst ist nicht anzurechnen.
41a) Ein böswilliges Unterlassen von anderweitigem Verdienst kommt auch nicht aufgrund unzureichender Bewerbungsbemühungen der Klägerin in Betracht. Die Klägerin war vom bis zum bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und stand der Vermittlung zur Verfügung. Die Klägerin bewarb sich auf sämtliche von der Agentur für Arbeit und von der Beklagten unterbreiteten konkreten Vermittlungsvorschläge. Diese Bewerbungen blieben auch wie die weiteren eigeninitiativ erfolgten Bewerbungen ohne Erfolg.
42b) Die Klägerin hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den nach § 242 BGB hinsichtlich der Bewerbungsbemühungen bestehenden Auskunftsanspruch der Beklagten erfüllt. Unstreitig hat die Klägerin sich auf die og. Stellen beworben und Absagen erhalten. Sie hat die Ausschreibungen und Stellenangebote, ihre Bewerbungsschreiben und die Ablehnungsschreiben soweit vorhanden vorgelegt. Angaben zu den Verdienstmöglichkeiten waren ihr nicht möglich. Die Bewerbungen blieben ohne Erfolg, ohne dass ihr der Grund für die Ablehnung mitgeteilt wurde und sie die Gelegenheit hatte, Gehaltsvorstellungen oder andere Arbeitsbedingungen zu formulieren. Wenn die Beklagte gleichwohl fordert, die Klägerin müsse mitteilen, aus welchen Gründen die Bewerbungen gescheitert seien - etwa, weil die Klägerin überhöhte Ansprüche an die Vergütung gestellt habe -, verlangt sie etwas, was für die Klägerin unmöglich ist.
43c) Der Klägerin steht danach ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. April bis zum in Höhe von weiteren 2.260,48 Euro brutto abzüglich in diesem Zeitraum - tatsächlich - gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 817,96 Euro netto zu.
44aa) Die Höhe der der Klägerin zu zahlenden Vergütung wegen Annahmeverzugs steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Klägerin hat von der Beklagten für den Zeitraum vom bis zum Annahmeverzugsvergütung in Höhe von 55.534,82 Euro brutto gefordert. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin für die Zeit vom bis zum einen Betrag in Höhe von 53.274,34 Euro brutto zugesprochen. Der sich daraus ergebende Differenzbetrag beträgt 2.260,48 Euro brutto.
45bb) Von der vom 1. April bis zum geschuldeten Vergütung ist gemäß § 11 Nr. 3 KSchG auch das der Klägerin für diese Zeit gezahlte Arbeitslosengeld I in Höhe von 817,96 Euro netto in Abzug zu bringen. Die Höhe des bezogenen Arbeitslosengeldes steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Klägerin hat im Annahmeverzugszeitraum vom bis zum insgesamt Arbeitslosengeld in Höhe von 20.983,82 Euro erhalten. Von dem Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs vom bis zum in Höhe von 53.274,34 Euro brutto hat das Landesarbeitsgericht Arbeitslosengeld in Höhe von 20.165,86 Euro netto in Abzug gebracht. Die noch in Abzug zu bringende Differenz beträgt 817,96 Euro netto. Die Differenz zu dem monatlichen Arbeitslosengeld von 943,80 Euro beruht darauf, dass die Agentur für Arbeit der Klägerin für die Zeit vom 1. bis zum keine Leistungen erbracht hat.
46d) Zinsen sind der Klägerin für die Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum vom 1. April bis zum ab dem zuzusprechen, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB.
47II. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage für die Zeit vom bis zum zu Recht stattgegeben. Der Klägerin steht auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs zu.
481. Die Revision der Beklagten ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat in Ziffer 2 des am verkündeten Tenors des Berufungsurteils die Revision unbeschränkt zugelassen. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des den Parteien am zugestellten Berufungsurteils, wonach „gegen dieses Urteil die Klägerin Revision einlegen kann“ und „für die Beklagte gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben ist“, führt nicht zu der Beschränkung der Revision. Die Urteilsgründe enthalten keine Ausführungen zu einem Ausschluss der Revision für eine der beiden Prozessparteien. Im Übrigen wäre eine Beschränkung der im Tenor uneingeschränkt zugelassenen Revision in den Urteilsgründen oder in der Rechtsmittelbelehrung unwirksam (st. Rspr., - Rn. 9; - 8 AZR 169/19 - Rn. 20).
492. Die Revision der Beklagten ist aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch für die Zeit vom bis zum einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
50a) Die Klägerin war - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch in diesem Zeitraum gemäß § 297 BGB leistungsfähig. Auf die Ausführungen unter Rn. 16 des Urteils wird Bezug genommen.
51b) Die Klägerin hat es auch in dieser Zeit nicht böswillig nach § 11 Nr. 2 KSchG unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen.
52aa) Ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes aufgrund unzureichender Bewerbungsbemühungen kommt nicht in Betracht. Die Klägerin hat auch den Auskunftsanspruch der Beklagten erfüllt. Auf die Ausführungen unter Rn. 42 des Urteils wird verwiesen.
53bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass für die Zeit vom bis zum Zugang des Schriftsatzes der Beklagten vom bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG nicht vorlagen. Die Klägerin hat es in diesem Zeitraum nicht böswillig unterlassen, durch die Aufnahme der Beschäftigung bei der Beklagten zu den Bedingungen des Änderungsangebots anderweitigen Verdienst zu erzielen. Mit Ausspruch der fristlosen Kündigung vom hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie am Angebot der Beschäftigung der Klägerin nicht mehr festhält und bis zum Zugang des Schriftsatzes vom die Beschäftigung nicht erneut angeboten.
54(1) Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB verhaltensbedingt fristlos kündigt, gibt zu erkennen, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zumutbar erscheint. Will er gleichwohl sein Annahmeverzugslohnrisiko durch das Angebot einer Prozessbeschäftigung mindern, muss er dem Arbeitnehmer die Prozessbeschäftigung jedenfalls anbieten (vgl. - Rn. 19, BAGE 180, 320; zum Erfordernis eines dort sogenannten „echten“ Angebots schon - zu B II 1 c der Gründe, BAGE 35, 324).
55(2) Dem ist die Beklagte bis zum Zugang des Schriftsatzes vom nicht nachgekommen. In der fristlosen Kündigung hat sie mitgeteilt, dass das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis „weiterhin sehr stark beeinträchtige“ und damit deutlich gemacht, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - auch unter Einhaltung der Kündigungsfrist - für sie nicht in Betracht kommt. Ein Angebot, dass sie trotz der fristlosen Kündigung bereit sei, die Klägerin - wenn auch nur im Rahmen einer Prozessbeschäftigung - zu den Bedingungen des Änderungsangebots weiterzubeschäftigen, hat die Beklagte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach Ausspruch der fristlosen Kündigung bis zum Zugang des Schriftsatzes vom nicht abgegeben.
56cc) Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin auch für die Zeit vom Zugang des Schriftsatzes der Beklagten vom bis zum im Ergebnis zu Recht ungekürzte Annahmeverzugsvergütung zugesprochen. Der Klägerin war die Aufnahme einer Tätigkeit bei der Beklagten nach den Bedingungen des Änderungsangebots vom nach Zugang des Schriftsatzes vom jedenfalls nicht zumutbar.
57(1) Die Unzumutbarkeit der Annahme des Angebots auf Prozessbeschäftigung folgt allerdings - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - für diesen Zeitraum nicht bereits aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Zwar kommt die Verletzung des Mitbestimmungsrechts einer Arbeitnehmervertretung bei personellen Einzelmaßnahmen grundsätzlich als Kriterium zur Feststellung der Böswilligkeit in § 11 Nr. 2 KSchG in Betracht, wobei auch hier die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich sind (vgl. - Rn. 16; - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 c cc der Gründe; weiterführend Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 90). Das Berufungsgericht hat aber verkannt, dass sich die Mitbestimmungsrechte des Personalrats nach dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz bestimmen (vgl. bereits Rn. 36 des Urteils) und zu einer Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Personalrats keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Insbesondere fehlen Feststellungen zum Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Versetzung oder Umsetzung iSv. Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 BayPVG.
58(2) Trotz dieses Rechtsfehlers kann der Senat endentscheiden, weil sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte der Klägerin die Prozessbeschäftigung überhaupt ernsthaft angeboten hat. Die Aufnahme einer Prozessbeschäftigung nach den Bedingungen des Änderungsangebots war der Klägerin nach Ausspruch der verhaltensbedingten fristlosen Kündigung auch nach Zugang des Schriftsatzes vom nicht zumutbar.
59(a) Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses zu den bisherigen Bedingungen an, hängt die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer in erster Linie von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ab. Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb. Auch die Art und Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe können für ihn bereits die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit begründen (vgl. - Rn. 28, BAGE 180, 320; - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 b bb der Gründe).
60(b) Danach war der Klägerin die Aufnahme der von der Beklagten mit dem Schriftsatz vom angebotenen Prozessbeschäftigung nicht zumutbar. Die Beklagte hat die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom damit begründet, dass die Klägerin nicht nur eine Berichtigung der von der Beklagten fehlerhaft ausgefüllten Arbeitsbescheinigung verlangt, sondern gleichzeitig auch einen Antrag auf Erlass eines Bußgeldbescheids nach § 404 SGB III gestellt habe. Dieses Verhalten sei unverhältnismäßig, was das Vertrauensverhältnis „weiterhin sehr stark beeinträchtige“. Eine Erklärung, dass die Beklagte die in der außerordentlichen Kündigung erhobenen Vorwürfe gegen die Klägerin nicht weiter aufrechterhalte, enthielt der Schriftsatz vom nicht. Die Beklagte hat vielmehr bis Februar 2023 an der verhaltensbedingten fristlosen Kündigung und dem Vorwurf des gravierenden Fehlverhaltens der Klägerin festgehalten. Sie hat nicht erklärt, wie trotz der aus ihrer Sicht bestehenden Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses eine Zusammenarbeit - wenn auch nur im Rahmen einer Prozessbeschäftigung - möglich sein sollte. Sie hat auch nicht dargetan, wie sich angesichts der von ihr gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe und der von ihr bis Februar 2023 reklamierten Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin eine - auch nur für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses - den Betriebszwecken dienliche und der Klägerin zumutbare weitere Zusammenarbeit gestalten sollte.
61c) Die Höhe der der Klägerin für die Zeit vom bis zum zustehenden Vergütung und des in Abzug zu bringenden Arbeitslosengeldes steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
62d) Die Ziffer 1 des Tenors des Berufungsurteils war aber wegen eines offenkundigen Schreibfehlers gemäß § 319 Abs. 1 ZPO hinsichtlich des Zinsbeginns zu berichtigen. Die Klägerin hat Zinsen ab Rechtshängigkeit beantragt. Die Klage wurde der Beklagten am zugestellt. Das Landesarbeitsgericht hat - soweit es der Klage stattgegeben hat - Zinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 BGB zugesprochen und für den Zinsbeginn auf den Tag abgestellt, der auf den Tag der Zustellung der Klage folgt (§ 187 Abs. 1 BGB). Dies ist der .
63III. Die hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit ihrer Revision eingelegte Anschlussrevision der Beklagten ist mangels Eintritts der innerprozessualen Bedingung nicht zur Entscheidung angefallen.
64IV. Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 91a Abs. 1, § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 97 und § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:150125.U.5AZR135.24.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-88540